Berlin, 23. November 2012
Katharina Knacker: Sie erzählten einmal, Ihr Onkel sei Bildhauer gewesen. Was genau hat er gemacht?
K.H. Hödicke: In der Verwandtschaft wurde mein Onkel der „Herrgottsschnitzer“ genannt. Er hat große Holzfiguren gemacht, in meiner Erinnerung sind die übermannshoch. Der Stil war irgendwie präfaschistisch.
War Ihr Onkel eine Identifikationsfigur für Sie?
Nein. Er hatte ein winziges Atelier in Düsseldorf-Golzheim. Dort lebte er in einer Arbeitersiedlung, der Schlagetersiedlung Die Schlagetersiedlung, heute Golzheimer Siedlung oder Rheinparksiedlung, entstand 1936/37 in Düsseldorf-Golzheim als Projekt des NS-Regimes. Benannt wurde sie nach Albert Leo Schlageter (1894–1923), einem Soldaten und Freikorpsmitglied, der in den 1920er-Jahren gegen linke Bewegungen, Polen und Frankreich kämpfte. Nach seiner Hinrichtung wegen Sabotage auf französischem Gebiet wurde er von der NSDAP als nationalsozialistischer Held verehrt. , wo in den 30er-Jahren sogar Wohnungen mit Ateliers gebaut wurden. Ich war damals ein Kind – höchstens fünf oder sechs Jahre alt. Das Entscheidende war seine Tonkiste.
Hatten Ihre Eltern zu Hause Kunst?
Nicht dass ich wüsste … Nein. Auch wenn sie sicher ein paar Bilder an der Wand hatten.
Mit 16 haben Sie das Lenbachhaus in München besucht …
Ich bin ein Flüchtlingskind. Mit sieben Jahren bin ich in die Nähe von München gezogen, und von dort aus bin ich ins Lenbachhaus gefahren. Ich war auch im Haus der Kunst – ich weiß aber nicht mehr genau, was damals ausgestellt wurde. Mit 18 Jahren bin ich dann von München nach Berlin gezogen.
Können Sie sich erinnern, mit wem Sie 1957 im Lenbachhaus waren?
Nein. Ich schätze, ich war alleine da. Damals habe ich noch Sport gemacht und musste für das Degenfechten immer zum TSV 1860 München. Insofern war ich öfter in der Stadt und dann eben auch mal im Lenbachhaus.
Haben Sie zu dieser Zeit schon über Kunst gelesen?
Gelesen habe ich natürlich, aber nicht über Kunst.
Haben Sie sich der Sache eher über Gespräche oder durch das Betrachten von Kunst angenähert?
Durch das Machen! Meine ersten Aquarelle – ich besitze sie heute noch – habe ich mit 18 Jahren gemalt.
1957 sind Sie nach Berlin gezogen …
… und dort habe ich an der Technischen Universität angefangen, Architektur zu studieren. Die Architekten waren direkt neben der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste und im darauffolgenden Semester bin ich dann dorthin gewechselt – heute heißt sie Universität der Künste. Ich habe das Architekturstudium aufgehört und angefangen, Freie Kunst zu studieren.
Was war der Grund, das Architekturstudium abzubrechen?
Es gab keinen richtigen Grund, nur dass mir die bildende Kunst sehr gefallen hat. Außerdem hatte ich bei einem Baupraktikum festgestellt, dass ich auf Bauführung gar keine Lust hatte.
Georg Baselitz hat in unserem Gespräch von einer Pollock-Ausstellung Die Ausstellung „The New American Painting“, organisiert vom Museum of Modern Art (MoMA), New York, reiste 1958/59 durch acht europäische Länder und war vom 03. September bis 01. Oktober 1958 unter dem deutschen Titel „Die neue amerikanische Malerei“ in der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin zu sehen. Zeitgleich wurde dort die Ausstellung „Jackson Pollock. 1912–1956“ gezeigt, die auch vom MoMA organisiert war und ebenfalls durch Europa tourte. erzählt, die 1958 in der Hochschule für Bildende Künste stattgefunden hat.
Ja, sie war Teil einer Ausstellung, die das Amerika Haus organisierte.
Haben Sie die Ausstellung gesehen?
Ja, sicher. 1958 war ich zwar noch kein Student, aber kurz davor.
Wie fanden Sie die Ausstellung?
Die war schon beeindruckend. So große Bilder hatte ich nicht einmal in München im Haus der Kunst gesehen. Dieses Amerikanische in Übergröße.
Sie haben Ihr Studium bei Fred Thieler Fred Thieler (1916 Königsberg, Ostpreußen, heute Russland – 1999 Berlin) studierte von 1946 bis 1950 an der Akademie der Bildenden Künste München und gilt als Vertreter der informellen Malerei. Er war Mitglied der Künstlergruppen ZEN 49 und Neue Gruppe München und nahm 1955 an der Ausstellung „Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui“ im Cercle Volney in Paris, der 29. Biennale von Venedig (1958) sowie der documenta 2 (1959) und 3 (1964) teil. Von 1959 bis 1981 war Thieler Professor an der Hochschule der Künste in Berlin, zu seinen Schülern gehörten unter anderen Christa Dichgans, K.H. Hödicke und Peter Sorge. 1991 stiftete er den Fred-Thieler-Preis für Malerei, der seit 1992 alle zwei Jahre durch die Berlinische Galerie vergeben wird. in der Kunsterzieher-Klasse begonnen.
Ja. Angefangen habe ich hier am Steinplatz und bin dann in die Grunewaldstraße umgezogen.
Hatten Sie vor, Kunsterzieher zu werden?
Fred Thieler war interessant.
Als Person? Oder seine Kunst?
Beides.
1961 traten Sie der Künstlergruppe Vision Mit Manfred Laber, Johann A. Marxmüller und J.K.S. Hohburg gründete Bernd Koberling 1960 die neoexpressionistische Künstlergruppe Vision. Sie propagierten eine neue Form der gegenständlichen Kunst, die sich weniger als Abbildung denn als Resultat einer Erfahrung verstand. Während ihrer Entstehungsphase veröffentlichte die Gruppe für kurze Zeit ein gleichnamiges Magazin. In den folgenden Jahren zeigten die Künstler ihre Werke gemeinsam in Ausstellungen in Berlin, Fulda und München. Bis zur Auflösung der Gruppe 1965 erweiterte sich diese um weitere Mitglieder, darunter K.H. Hödicke. Sie stand dem Kreis der Münchner Künstlergruppe SPUR nahe und gilt als Impulsgeber für die figurative Malerei der 1980er-Jahre. Siehe auch: Horst Richter, „Malerei der sechziger Jahre“, Köln 1990, S. 48–49. bei. In einem Flugblatt schrieben Sie damals: „Vision will die Neuschaffung eines Bildes aus Erlebniskraft und Geschautem.“ Was war das für eine Gruppe? Was war Ihr Ziel?
In der Zeit herrschte, zumindest in der Akademie, eine Art Spätkubismus: Flächen anpinseln und solche Geschichten. Es kann auch an der Hochschule gelegen haben, es war alles sehr formal oder sogar formalistisch. Ich habe wenige Leute getroffen, bei denen ich das Gefühl hatte: Das ist ein Maler! Die fanden Malerei wahrscheinlich doll, gehörten aber meiner Ansicht nach gar nicht dahin. Angefangen habe ich mit Bernd Koberling, der wiederum ein paar Jungs aus München kannte. Es waren ja nur vier, fünf Leute in der Gruppe Vision. Das war eine bewusste Opposition gegen formale Kunst.
Können Sie sich erinnern, wie Sie Bernd Koberling kennengelernt haben?
Das war bei der Aufnahmeprüfung. Der Aktsaal wurde ausgeräumt und dann stand man da mit irgendeinem Brett, Papier oder einer Leinwand. So haben wir uns kennengelernt.
Sie haben mit der Gruppe Vision ab 1961 in München, Berlin und Fulda ausgestellt. Wo haben die Ausstellungen konkret stattgefunden?
An Fulda erinnere ich mich gut, weil ich da gerade aus Spanien gekommen bin, wo man mich ausgeraubt hatte. In Fulda konnte ich mich dann erst mal sortieren. Ich hatte keinen Personalausweis mehr, nichts – aber ich musste ja nach Berlin, durch die Zone. Irgendwie hat es natürlich geklappt.
Könnte man sagen, dass Vision eine Art Vorgänger der Selbsthilfegalerie Großgörschen 35 Unter dem Namen „Großgörschen 35“ schlossen sich 1964 in Berlin-Schöneberg 14 Maler zu einer Ausstellungsgemeinschaft zusammen, darunter Markus Lüpertz, K.H. Hödicke, Lambert Maria Wintersberger und Arnulf Spengler. In einer leer stehenden Fabriketage in der Großgörschenstraße 35 mieteten sie einen Ausstellungsraum, den sie gemeinsam finanzierten, um dort nach- oder miteinander ihre Arbeiten zu präsentieren. Mit wechselnden Mitgliedern bestand Großgörschen 35, ab 1966 mit Unterstützung von Eva und Lothar C. Poll, bis 1968. war? Entstand bereits damals die Idee, sich als Künstler selbst zu organisieren?
Die Gruppe Vision existierte schon, als ich dazustieß. Hier in Berlin gab es, wenn ich mich nicht täusche, zu jenem Zeitpunkt drei oder vier Galerien: die Galerie Bassenge, die Galerie Schüler und die Galerie Rudolf Springer – damit hatte es sich. Wenn Sie zu einer dieser Galerien gegangen sind und denen gesagt haben: „Ich würde gerne eine Ausstellung bei Ihnen machen“, haben die gesagt: „Für die nächsten zwei Jahre bin ich ausgebucht.“ Und da dachte ich: „In zwei Jahren bin ich ein alter Mann.“ Berlin ist sowieso keine besonders kunstfreundliche Stadt. Sie tun zwar heute so, aber das ist gottlos. Es ist eher protestantisch – nur Musik und Theater. Schlagen Sie die Tageszeitung auf, über bildende Kunst finden Sie so gut wie gar nichts. Und an der Hochschule gab es damals noch andere Leute, die auch daran interessiert waren, den Stall zu verlassen. Im Hinterhof eines Fabrikgebäudes in der Großgörschenstraße wurde dann eine Etage gefunden – nicht sehr groß. Die Miete konnte man mit zehn Leuten – jeder mit einem Zehner im Monat – tragen. Aber als es darum ging, die Galerie zu eröffnen, haben alle den Schwanz eingezogen und bekamen Muffensausen. Also habe ich die erste Ausstellung gemacht. Großgörschen 35 ist ja dann sehr bekannt geworden und es war auch wirklich gut organisiert: Eröffnungen fanden immer am ersten Freitag im Monat statt. Da 10 Künstler beteiligt waren, kamen zu jeder Veranstaltung über 200 Leute, was für Berlin eine Menge war. Und es wurde viel über Kunst geredet.
Herr Ohff beschreibt in einem Artikel, wie er erst über die Schnapsleichen klettern musste, bevor er die Ausstellung betreten konnte. Von der Qualität der Arbeiten war er dann wiederum sehr angetan. Heinz Ohff, „Lang lebe Großgörschen“, in: „Großgörschen 35 hat Geburtstag. 1964–1989“, Ausst.-Kat. Galerie Eva Poll, Berlin 1989, o. S. Haben die Zeitungen damals viel über Großgörschen berichtet?
Dürftig.
Aber sie haben berichtet?
Ja, Herr Ohff.
Sind damals auch die Galeristen zu Ihren Ausstellungen gekommen?
Ich habe Sie Ihnen ja gerade aufgezählt. Das wurde doch alles gar nicht ernst genommen.
Fred Thieler, Ihr Lehrer, war angeblich Ihr erster Käufer.
Er hat ein Blatt von mir gekauft.
Haben Sie auch woanders noch Arbeiten verkaufen können?
So gut wie nichts. Ich habe auf der Post gearbeitet und Pakete gestapelt.
Wie weit ging die Gruppenarbeit? Wer bekam das Geld, wenn etwas verkauft wurde?
Es war immer die Ausstellung des Künstlers. Wir hatten ja auch kein Personal, sondern der Künstler saß selbst in seiner Ausstellung. Wenn er nicht da war, war der Laden eben zu.
Können Sie sich erinnern, wie Sie Markus Lüpertz kennengelernt haben?
Ich habe auf dem Ku’damm Skizzen gemacht und da kam jemand auf mich zu und sagte, dass er auch Künstler sei. Das war Markus Lüpertz. So haben wir uns kennengelernt.
Bernd Koberling hat in Großgörschen nur als Gast ausgestellt?
Ich wollte Bernd Koberling eigentlich in der Gruppe haben, er hat dann aber zu lange Zähne bekommen – warum weiß ich nicht. Er wollte noch nicht einmal als Gast bei uns ausstellen.
1963, ein Jahr vor der ersten Großgörschen-Ausstellung, eröffnete die Galerie Werner & Katz mit einer Baselitz-Schau. Dort wurden zwei Bilder beschlagnahmt, was letztlich zu dem eigentlichen Skandal führte. Die Baselitz-Ausstellung, die vom 01. bis zum 25. Oktober 1963 in der Galerie Werner & Katz in Berlin gezeigt wurde, umfasste 52 Bilder, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der Unsittlichkeit von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84. Wie haben Sie das damals erlebt?
Wir kannten ja die Burschen. Ich habe das natürlich wahrgenommen, ich habe aber den Skandal nicht gesehen.
Haben Sie in Großgörschen auch darüber nachgedacht einen Skandal zu provozieren?
Nein. Bei denen war dieses Strategiespiel vielleicht schon bekannt. Derjenige, der das sehr bewusst und gut gemacht hat, war Wolf Vostell Wolf Vostell (1932 Leverkusen – 1998 Berlin) war ein deutscher Künstler, der vor allem mit seinen Installationen und Happenings bekannt wurde. Ab 1953 absolvierte er zunächst eine Lehre als Fotolithograf in Wuppertal, bevor er 1955 sein Studium der freien Kunst an der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris begann. .
Wieland Schmied sagte einmal: „Das Besondere in Berlin war in den 1960er-Jahren, dass man sich bewusst wieder auf die Tradition berief, nachdem die Internationalität in den 1950er-Jahren dominiert hatte.“ Hat die Bezeichnung „Deutsche Kunst“ für Sie je eine Rolle gespielt?
Überhaupt nicht. Das stimmt auch alles nicht! Das meiste, was die Leute sagen, stimmt nicht – davon können Sie ausgehen. In Berlin war kulturell außer Theater „nüscht“ los. Es gab natürlich Musik, aber es fanden keine bedeutenden Ausstellungen statt. Die Nationalgalerie existierte noch nicht und die Kunstämter dämmerten vor sich hin. Es gab überhaupt nichts.
Nachdem man sehr schnell Kontakt nach Düsseldorf fand, hatte man das Gefühl, die machen da alle Art international. ZERO Ab 1958 verwendeten Heinz Mack und Otto Piene den Begriff „ZERO“ im Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellungen sowie als Titel für die drei Ausgaben ihrer in Düsseldorf publizierten Zeitschrift. Ab 1961 nahm auch Günther Uecker regelmäßig an den Ausstellungen und Aktionen von ZERO teil. ZERO stand für die Stunde null, für Aufbruch und einen radikalen Neuanfang nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. ZERO setzte sich deutlich vom etablierten Informel ab. Mit neuen Materialien und unter Einbeziehung von Bewegung, Licht und Raum in das künstlerische Werk etablierte ZERO eine neue Formensprache. Vgl. Wieland Schmied, „Etwas über ZERO“, in: Dirk Pörschmann/Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 9–18. war natürlich ein rotes Tuch, obwohl sie nie eine Farbe verwendet haben. Aber das passte in dieses neue Internationale. Berlin war kaputt, es war nicht Westdeutschland. Als ich meine erste Ausstellung bei Rudolf Zwirner in Köln hatte, „K.H. Hödicke“ (mit KP Brehmer), Galerie Zwirner, Köln, Dezember 1967. haben die Leute gesagt: „Die Russen kommen.“ Mit uns hatte das dort überhaupt nichts zu tun. Die machten ihren modernistischen Quark, während es hier in Berlin ein etwas unangenehmes Häufchen von Was-alles-nicht-Geht gab.
Hatte Deutschland in den 60er-Jahren ein Kunstzentrum?
Ja, und das war in Berlin. Es hieß zwar immer, Berlin wäre Provinz, aber das ist falsch. Sie dürfen nicht vergessen, dass hier ganz komische Leute ankamen, zum Beispiel diejenigen, die vor der Bundewehr flüchteten. Berlin hatte damals einen relativen Schub an Intelligenz. Baselitz hat sich dazu auch einmal geäußert: „Die haben nur gesoffen.“ Nein, wir haben uns zwar in Kneipen getroffen, da haben wir aber nicht gesoffen, sondern geredet. In Berlin gab es einfach keinen Markt. Sie konnten hier zwar Kunst machen, aber nicht einen Pfennig verdienen.
Berlin war das Kunstzentrum ohne Markt – der Markt war im Rheinland.
Ich vermute, dass Berlin noch nicht einmal heute einen Markt hat. Obwohl ja plötzlich alle in Berlin sind. Jetzt, da die Mauer weg ist, trauen sie sich offensichtlich. Gehen Sie in die Auguststraße, Linienstraße, Sophienstraße – ich weiß nicht, ob diese Galerien lange existieren werden. Ich habe nicht das Gefühl, dass Berlin für den Markt interessant ist. Jeder möchte zwar in Berlin seine Galerie haben, aber ich glaube, verkauft wird woandershin, was auch bezeichnend ist.
Haben Sie damals auch die Kunstszene in Ostdeutschland wahrgenommen?
Ja, furchtbar! Willi Sitte, Werner Tübke.
Gibt es so etwas wie Loyalität unter den Künstlern? Sie haben oft in Künstlergruppen gearbeitet: Vision, Großgörschen …
Ja, das waren alles Freunde. Es blieb einem auch gar nichts anderes übrig. Wenn man es nicht selbst in die Hand nahm, hatte man gar nichts.
Rudolf Knubel sagte, als Sie 1964 parallel zu ihrer Ausstellung in Großgörschen den Deutschen Kunstpreis der Jugend in Mannheim erhielten, 1964 wurde K.H. Hödicke der Deutsche Kunstpreis der Jugend für Malerei verliehen, den das Land Baden-Württemberg mit den Städten Stuttgart, Mannheim, Baden-Baden und Bochum zwischen 1959 und 1969 vergab. haben sich alle mit ihnen gefreut, so als hätte Großgörschen den Preis bekommen. Franz Rudolf Knubel, „Die ersten sechs Wochen Arbeit“, in: „Ein Jahr Großgörschen 35, Berlin 1965“ in: „Stationen der Moderne. Die bedeutenden Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts in Deutschland“, Ausst.-Kat. Berlinische Galerie, Berlin 1988, S. 520–522, hier S. 522.
Davon habe ich nichts gemerkt. In Großgörschen liefen noch ganz andere Sachen ab, die ja schließlich zu einer Sezession führten. Ich hatte zum Beispiel einmal eine Glasscheibe aufgehängt und als ich – damals war ich schon Referendar und hatte wenig Zeit – das nächste Mal in die Galerie kam, war meine Arbeit abgehängt. Es gab dann eine Spaltung und ich bin mit meinen Freunden Markus Lüpertz und Lambert Maria Wintersberger ausgestiegen. Da war dann Schluss.
Ihre Arbeit wurde abgehängt, ohne dass darüber gesprochen wurde?
Ich vermute, dass Herr Knubel da seine Hände im Spiel hatte. Was hat der eigentlich in dem Zusammenhang zu sagen?
Das weiß ich leider nicht.
1998 wurden Sie mit dem Fred-Thieler-Preis geehrt, das Preisgeld haben Sie gestiftet, damit davon Bilder von Eugen Schönebeck gekauft werden konnten.
„Damit der Schönebeck am Kacken blieb“, so wurde es mir gesagt.
Waren Sie befreundet?
Ich kenne Schönebeck seit 1960/61. Mit ihm konnte man sehr ernsthaft reden.
Und Sie wollten ihn unterstützen?
Mir war zu Ohren gekommen, dass er Unterstützung brauchte. Er hat ja bereits 1968 aufgehört zu malen, Eugen Schönebeck (* 1936 Heidenau) studierte an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin und lernte dort 1957 Georg Baselitz kennen. 1961 zeigten sie zusammen ihre erste Ausstellung in einem Abbruchhaus in Berlin, 1962 kam es zum Bruch zwischen den Künstlern. Unterschiedliche Quellen führen an, dass Schönebeck gegen Ende des Jahrs 1966 seine Tätigkeit als Maler einstellte. Vgl. o. A., „Biografie“, in: „Eugen Schönebeck 1957–1967“, hg. von Max Hollein/Pamela Kort, Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt am Main, München 2011, S. 160–161, hier S. 161 sowie o. A., „Biographische Daten“, in: „Schönebeck. Die Nacht des Malers“, Ausst.-Kat. Kestnergesellschaft, Hannover 1992, S. 141. und ihm ging es damals offensichtlich nicht besonders gut.
Hatten Sie eine persönliche Beziehung zu den Düsseldorfer Künstlern? Zum Beispiel zu Heinz Mack und Günther Uecker? Kannten Sie die ZERO-Leute?
Selbstverständlich. Die hatten sehr früh in der Galerie Diogenes ausgestellt. „ZERO“, Galerie Diogenes, Berlin, 30. März – 30. April 1963. Da kamen sie mit silbernen Luftballönchen und solchen Dingen.
Haben Sie sich mit denen über Kunst unterhalten?
Ich war zwar bei der Eröffnung, wüsste aber nicht, dass wir uns unterhalten hätten.
Hatte die Gruppenbildung damals auch eine strategische Intention?
Großgörschen? Ja, sicher. Aber nur für den Augenblick. Ich brauchte damals eine Galerie und es war schwer genug, zehn Leute zusammenzubringen, die bereit waren, monatlich einen Anteil der Miete zu übernehmen. Das waren finanzielle Überlegungen. Alleine hätte man den Laden nicht mieten können und es gab auch niemanden, der eine Galerie aufmachen wollte, weil eigentlich jeder wusste, dass man damit in Berlin wenig Erfolg haben würde. Die drei vorhandenen Galerien lebten von einem Klientel, zu dem man keinen Zugang hatte. Das war natürlich gewollt und bewusst so gemacht.
Nach einem Jahr Großgörschen haben Sie mit René Block René Block (* 1942 Velbert) eröffnete Anfang 1964 in Berlin das Grafische Cabinet René Block, aus dem noch im gleichen Jahr die Galerie René Block hervorging. Zwischen 1974 und 1977 betrieb er eine Dependance im New Yorker Stadtteil SoHo. Bis zur Schließung seiner Galerie 1979 zeigte Block in seinem Programm unter anderem Ausstellungen und Aktionen von Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell. In den Folgejahren organisierte Block als Kurator zahlreiche Ausstellungen für die daadgalerie in Berlin sowie für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart, bevor er 1997 die Direktion des Fridericianums in Kassel übernahm. Seit 2008 führt Block die auf Editionen spezialisierte Galerie Edition Block in Berlin. eine professionelle Galerievertretung gefunden.
Als ich in Großgörschen die Eröffnungsausstellung hatte, stand dort ein etwas dicklicher Junge herum, der mich dann ansprach und fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei ihm in der Galerie auszustellen. Das war René. Damit hatte ich das erste Mal in meinem Leben einen Galeristen – und zwar den Besten, den es je gegeben hat. Nicht vom Finanziellen her, aber der Block hatte mich, er hatte Joseph Beuys und er hatte Nam June Paik. Wen haben wir vergessen? Sigmar Polke! Und Gerhard Richter! Der René war ein Galerist, wie es ihn eigentlich nie wieder gegeben hat. Er war ein Mann, der eine Vorstellung von Kunst hatte. Der hat nicht einfach irgendetwas an die Wand gehängt und darauf gehofft, dass jemand zur Tür hereinkommt und das kauft. Ich habe da Sachen erlebt! Einmal wollte jemand etwas kaufen, und da sagte der René: „Ich glaube, das ist zu teuer für Sie.“
Haben Sie sich mit René Block auch über Kunst ausgetauscht?
Der Austausch lief über Leute, die auch bei ihm ausgestellt haben. Mit Sigmar Poke hatte ich wahrscheinlich noch am meisten geistige Auseinandersetzungen. Mit Gerhard Richter konnte man nicht viel reden, das macht er ja heute noch nicht. Und Beuys hat selber geredet. Der stand immer vor seinem Bild.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit René Block vorstellen, als Ihre erste Ausstellung in seiner Galerie anstand? Hat man gemeinsam die Exponate ausgesucht?
Das würde ich nicht sagen. Ich war ja Maler oder Objektemacher und da wurde das ausgestellt, was ich hatte.
Glauben Sie, dass die Galeristen eine wichtige Rolle gespielt haben, damit die Kunst aus Deutschland am Markt wieder wahrgenommen wurde?
Wenn Sie mich so fragen, nein. Die deutsche Galerien-Szene hat mich ja nicht ausgestellt. Das änderte sich erst mit der Ausstellung „A New Spirit in Painting“ „A New Spirit in Painting“, Royal Academy of Arts, London, 15. Januar – 18. März 1981. : Damals kam eine Amerikanerin, Annina Nosei Die Italienerin Annina Nosei eröffnete 1980 eine Galerie im New Yorker Stadtteil SoHo. Sie zeigte unter anderem Werke von Jean-Michel Basquiat, Keith Haring, Jeff Koons und Robert Longo. K.H. Hödicke stellte in der Galerie erstmals 1981 aus. , auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht bei ihr ausstellen wolle. Damals kam alles zusammen, es wurde insgesamt aufgemischt. Die deutschen Galerien hatten zwar ihre ZERO-Arbeiten, die monochrome painter und alles Mögliche im Keller stehen, aber da jeder Sammler schon etwas davon hatte, wurde nichts mehr verkauft. Insofern kam es denen, von heute aus betrachtet, ganz gelegen. Sie brauchten eine neue Kollektion – und das war wohl der eigentliche Grund, nicht die tiefe Überzeugung, dass diese Kunst wirklich etwas sei.
Ausländische Galerien wurden durch die Londoner Ausstellung auf Sie aufmerksam?
„A New Spirit in Painting” war ein Ereignis. Initiiert wurde die Ausstellung von einem alten Freund von mir und Bernd Koberling, Christos Joachimides Christos M. Joachimides (1932 Athen – 2017 Athen) war ein Kunsthistoriker und Kurator. Ab 1977 organisierte er unter anderem die Ausstellungen „Joseph Beuys. Richtkräfte“ (Nationalgalerie Berlin, 1977), „A New Spirit in Painting“ (Royal Academy of Arts, London, 1981) und „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“ (Martin-Gropius-Bau, Berlin, 1982). 1985 gehörte er zu den Mitinitiatoren der Zeitgeist-Gesellschaft zur Förderung der Künste in Berlin, die bis 1997 mehrere Großausstellungen in Berlin verantwortete. , der hier in Berlin im Grunde genommen untätig herumsaß.
Ich habe gelesen, dass Sie ihn 1959 kennengelernt haben. Das war am Anfang Ihres Studiums?
Sehr bald nachdem ich begonnen hatte – ja.
Können Sie sich an die erste Begegnung erinnern?
Ziemlich sicher in irgendeiner Kneipe. Berlin war ja die Stadt der Kneipen. Es gab keine Sperrstunde wie in Westdeutschland und hier waren viele Leute, die offensichtlich so viel Zeit hatten, dass sie nachts auch ein Bierchen trinken gehen konnten. Direkt gegenüber von der Hochschule in der Grunewaldstraße gab es einen kleinen Laden, die Puszta-Stube. Da ging man hin, wenn man mal eine Pause machen wollte – und auch abends. Das war schon wichtig.
Das war der Treffpunkt?
Zumindest von dieser Clique.
Es heißt, da gingen nicht nur Künstler, sondern auch Kunsthistoriker hin.
Das war eine ganz normale bürgerliche Kneipe. Aber dadurch, dass die Hochschule vor der Tür war, gingen dort die Kunststudenten und auch die Professoren hin.
Eine andere Kneipe, von der man auch öfter liest, ist das Zodiak?
Das ist wieder eine ganz andere Geschichte. Als ich aus Rom zurückkam 1968 war K.H. Hödicke als Stipendiat der Villa Massimo in Rom. , hatte ein Freund aus Düsseldorf – der, wie er mir erzählte, einen Tag bei Beuys studiert hatte – das Zodiak aufgemacht. Das Zodiak war in demselben Gebäude wie die Schaubühne: Die Schaubühne war im ersten Stock und darunter gab es einen riesigen Laden mit einer riesigen Küche. Dort habe ich auch ein paar Sachen aufgeführt, Filme gezeigt und eine Straßenbahn fahren lassen, eine kleine Bimmelbahn.
Wie hieß der Freund aus Düsseldorf?
Conrad Schnitzler, Conrad Schnitzler (eigtl. Konrad Schnitzler; 1937 Düsseldorf – 2011 Berlin)war ein Musiker, Komponist und Künstler, der seit den 1960er-Jahren avantgardistische elektronische Musik produzierte und Performances aufführte. 1967/68 gründete Schnitzler das Zodiak Free Arts Lab in Berlin, das zur Plattform der Untergrund-Musikszene wurde. Er war Gründungsmitglied der Bands Kluster und Tangerine Dream und veröffentlichte als Solokünstler zahlreiche Tonträger, darunter die Schallplatte „Gelb“ (1981) als Produktion der Galerie René Block, Berlin. Schnitzler war unter anderem in den Ausstellungen „The Berlin Scene 1972“ im Gallery House, London (1972), „Art Allemagne aujourd’hui“ im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris (1981) sowie auf dem zweiten Ars Electronica Festival in Linz (1981) vertreten. der Erfinder der Techno-Musik. Was außer mir und wenigen anderen keiner weiß: Er brachte den ersten Moog-Synthesizer in die Stadt und machte damit auch Musik. Eigentlich war er kein Musiker, er verstand sich als Bildhauer und hat sehr darunter gelitten, dass zu seinen Ausstellungen nur 20 Leute kamen – er wollte 5.000.
Und dann hat er das Zodiak aufgemacht?
Daran waren mehrere beteiligt, aber er gehörte dazu. Das Zodiak hat es etwa anderthalb Jahre gegeben. Die Schaubühne intervenierte ständig, weil die Gammler dort im Laden rumhingen. Sie haben uns gezwungen, die Scheiben dicht zu machen, damit der Bürger, wenn er in die Schaubühne pilgerte, das Leben nicht sehen musste.
Im Städel Museum hängt ein Bild von Ihnen mit dem Titel „Holland Hd. Kl. A“ K.H. Hödicke, „Holland Hd. Kl. A“, 1964. , Handelsklasse A, von 1964. Wieso haben Sie damals Tomaten gemalt?
Weil ich ein modernes Stillleben malen wollte, nicht nur drei Äpfel und eine Flasche.
Waren Tomaten im Jahr 1964 noch exotisch?
Nein, das glaube ich nicht. Es ging auch um etwas ganz anderes. Man malte in den Akademien damals Stillleben und ich dachte: „Ein Stillleben sieht anders aus.“
Hatten Sie vorher an einem Gemüsestand skizziert?
Vermutlich ja.
Sie sagten vorhin, Sie hätten auch am Kurfürstendamm skizziert. Heißt das, Sie haben sich die Motive für Ihre Malerei draußen gesucht?
Ja. Ich habe auch fotografiert, zum Beispiel Schriftzüge. Schrift habe ich nie gelernt. Es gibt ja alle möglichen Varianten, vor allem in der Werbung. Und da es mir zu müßig war, das abzumalen, habe ich eben ein Foto gemacht. Schrift und Neon spielen ja später in meinen Bildern eine gewisse Rolle.
Das ist das Logo von Defaka, Deutsches Familien-Kaufhaus. Eine glückliche Familie beim Shoppen: Das Kind mit einem Paket unterm Arm, der Vater mit einem Paket in der Hand und die Mutter ist nicht mehr ganz drauf. Aber darum ging es nicht, es ging um die Malerei. Darum, das Licht mit dem Pinsel auf die Leinwand zu bringen, was sehr schwierig ist, aber bei diesem Bild ist es mir gelungen, die Präsenz der Leuchtreklame etwas sichtbarer zu machen.
Haben Sie das mit einer Schablone gemalt?
Nein.
Ist „Defaka“ auch eins von Ihren Abzugbildern, bei denen Sie die Farbe eindringen lassen und dann den Rest mit dem Rakel abziehen?
Ja, das ist eins davon. Die gelbe Farbe ist über die Zeichnung gezogen. Und weil das Weiß etwas pastoser ist, bleibt es feucht, und dann rutscht der Rakel mit der gelben Farbe darüber und es bleibt Weiß stehen.
War das die Überlegung, wie die Farbe die Leinwand durchdringen kann? Beispielsweise wie bei einem Apfel: Wenn man ihn anschneidet, ist innen auch eine Farbe, nicht nur außen.
Der Tisch ist angestrichen, die Fenster sind gestrichen, aber natürliche Objekte wie ein Apfel, eine Birne oder ein Tannenzapfen sind natürlich nicht angestrichen und haben trotzdem eine Farbe. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, was das zu bedeuten hat. Ich wollte wissen, was Farbe ist.
„Defaka“ ist aus dem Jahr 1965. 66/67 waren Sie in New York. Damals haben Sie sich eine Kamera gekauft. Würden Sie sagen, Sie waren in der Zeit schon erfolgreich?
Nein, nicht im Geringsten. Die Kamera habe ich noch vor New York gekauft. Ich wollte damals einfach wissen, was in New York los ist, nachdem ich hier diese Amerika-Ausstellung „Neue Realisten & Pop Art“, Akademie der Künste, Berlin, 20. November 1964 – 03. Januar 1965. gesehen hatte.
Und das Geld hatten Sie durch die Ausstellungen in der Galerie René Block?
Nein, ich hatte hier einen Sammler, der das eine oder andere Bild von mir gekauft hat. Außerdem hatte ich ja den Kunstpreis der Jugend bekommen. Ich weiß gar nicht mehr, wie viel Geld das war, aber es reichte gerade aus, um mit meiner Familie per Schiff nach New York zu reisen. Das hat zehn Tage gedauert.
Woher kam der Sammler?
Das war ein Pillendreher. Der hat auch andere Sachen gesammelt – und eben einiges von mir.
Sie haben sich für die Kunstszene in New York interessiert. Was haben Sie dort entdeckt?
Die Kunstszene bestand aus Minimal Art, ABC und natürlich Pop-Art. Warhol war bereits Filmemacher, und die Underground-Szene war, was den Film betrifft, besonders spannend. Die bildende Kunst hat mich eigentlich nicht so besonders interessiert, aber es gab mindestens ein halbes Dutzend Off-Film-Theater, kleine hässliche Kellerlöcher, in denen experimentelle Filme gezeigt wurden. Was natürlich daran lag, dass damals die Super 8-Kamera auf den Markt kam. Vorher gab es ja nur diese Riesengeräte, die kaum einer bezahlen konnte, und die Super 8-Kamera hat die Sache verändert.
Erinnern Sie sich an irgendwelche Ausstellungen, die Sie nachhaltig beeindruckt haben?
Wie sagt dieser alte Grieche: „Ich habe von allen gelernt.“ Nein, ich wüsste auf Anhieb keine Ausstellung. Aber ich war gut informiert. In München gibt es ja nicht nur das Lenbachhaus, sondern alle möglichen Sachen und ich wusste schon, in welcher Welt der Malerei ich lebe.
Wie haben Sie Großausstellungen wie die Biennale von Venedig oder die documenta erlebt?
Bei der documenta war ich nie und die Biennale in Venedig fand ich immer ein bisschen affig.
Über die Biennale 1968 haben Sie einen Zeitungsartikel geschrieben. K.H. Hödicke, „Was in Venedig geschah. Tagebuch eines Malers“, in: „Der Tagesspiegel“, 30.06.1968, S. 5. Damals protestierten Künstler gegen den Kunstmarkt und verhängten ihre Bilder. Haben Sie sich häufig Gedanken über den Kunstmarkt gemacht?
Die Biennale ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht als Kunstmarkt zu sehen, denn das kriegen Sie auf der Biennale ja nicht mit. Auf einer Biennale kriegen Sie die Eitelkeiten mit, der Markt ist im Hintergrund.
Wie haben Sie den Kunstmarkt, der 1967 das erste Mal in Köln stattfand, erlebt?
Ich war auf dem ersten Kölner Kunstmarkt, weil René Block dort vertreten war. Das war damals noch im Gürzenich in einem großen Laden. Das war lustig. René Block hatte super Künstler! Alles andere konnten Sie fast vergessen.
Hat René Block auf dem Kunstmarkt auch verkauft?
Minimal. Das wollte doch keiner haben. Beuys, Vostell, Hödicke, Richter … Richter vielleicht, aber das weiß ich nicht.
1974 wurden Sie Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. Es heißt, die Studenten hätten sich gewünscht, dass Sie kommen.
Ich bin durchaus mit einem gewissen Rückenwind der Studenten da hineingekommen. Aus irgendwelchen Gründen müssen die mich gekannt haben. Joachim Schmettau war derjenige, der mir sagte, dass ich mich bewerben solle. Das ist der Künstler, der den Wasserklops Joachim Schmettau, „Weltkugelbrunnen“, Breitscheidplatz, Berlin, 1983. auf dem Breitscheidplatz in Berlin gemacht hat. Er war an der Hochschule am Steinplatz Professor.
Ihr Geheimnis als Professor war es, dass Sie den Studenten möglichst viel Freiheit gelassen haben. Kann man das so sagen?
Mein Prinzip war es, immer nur vor den Arbeiten zu sprechen: „Stellen Sie das dahin, setzen wir uns hin und gucken. Was haben Sie da überhaupt gemacht? Erzählen Sie mir.“ Dann habe ich meinen Senf dazugegeben, und das war es aber auch schon.
Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Sie in einem Projekt über die 1960er-Jahre interviewe, sagen viele: „Der ist doch 80er.“ Sie werden vielmehr mit Ihrer Schüler-Generation verbunden.
In den 60ern ist ja nichts an die Medien gedrungen. Die 60er-Jahre beschränken sich in meinem Fall auf Berlin. Meine erste Ausstellung in Düsseldorf hatte ich 1965 in der Galerie Niepel, bei einem Buchhändler. Das hat alles gar nichts gebracht. René Block war ein Gigant, den hat nur keiner gesehen.
Welcher Generation fühlen Sie sich am ehesten zugehörig?
Das ist diese alte Geschichte, dass ich der Vater der Wilden sei. Ich habe immer gefragt: „Und wo ist dann die Mutter?“ Es hat ja kein Mensch mehr gemalt! Erst als ich dort Professor wurde, haben einige Leute wieder angefangen zu malen. In meiner Klasse waren es sogar sehr viele – fast alle. Insofern ist da etwas zustande gekommen. Im Kommunistischen Studentenverband hieß es: Bildermalen ist konterrevolutionär und reaktionär. So schüchterten sie die Leute ein. Es hat sich keiner getraut, einen Pinsel in die Hand zu nehmen, stattdessen wurde auf Polaroids rumgefummelt. Das Höchste war, mit einem Vervielfältigungsapparat Kopien zu machen.
Sie haben damals auch Multiples gemacht.
Mit dem René Block haben wir Multiples gemacht. Das waren Objekte in einer gewissen Auflage, etwa jeweils zehn Stück.
Spielte der Gedanke, Kunst weniger elitär zu machen, dabei auch eine Rolle?
Könnte sein, aber es hat ja nicht funktioniert.
War 1976 Ihre Ausstellung bei René Block in New York „KH Hödicke. Der Europäische Reisekoffer“, René Block Gallery, New York, 08. Mai – 12. Juni 1976. Ihre erste Einzelausstellung im Ausland?
Ja, René Block hatte am West Broadway eine Galerie, die auch immer so auf der Kippe stand. Weil wir überhaupt kein Geld hatten, bin ich dort mit dem „Europäischen Reisekoffer“ hingefahren. Eine lange traurige Geschichte: Der Koffer gehörte einem Maler, der mein Nachbar war. Er litt an Schüttellähmung und vegetierte nebenan dahin. Ich habe aus dem Koffer alles herausgenommen, ein paar andere Objekte hineingetan und bin damit über Reykjavik nach New York geflogen, weil Island Airlines damals die billigste Fluglinie war. Der Inhalt des Koffers K.H. Hödicke, „Europäischer Reisekoffer“, 1976. wurde dann in der Galerie auf einem flachen Tisch ausgebreitet. Damals kam Nam June Paik in die Ausstellung und war ganz begeistert. Er ging zu jedem hin und sagte: „Think small, think small.“ Weil alles so klein war.
Nicht ganz so klein ist ein weiteres Bild, das heute im Städel Museum ist: „Die Straßenarbeiter“ K.H. Hödicke, „Straßenarbeiter“, 1976. .
Das hat die Deutsche Bank damals gekauft. Wenn ich mich recht erinnere, hing es in Moskau beim Direktor der Deutschen Bank. 1983 gab es dort die erste Ausstellung moderner Kunst in Moskau. „Mensch und Landschaft in der zeitgenössischen Malerei und Graphik", Zentrales Haus des Künstlers, Moskau/Zentraler Ausstellungssaal, Leningrad, 1983. Das war anlässlich eines Erdgas-Röhren-Geschäfts zwischen der Deutschen Bank und Russland. Und irgendjemand wollte ein kulturelles Event dazu haben. Es war sogar ein Katalog vorgesehen, der dann aber eingestampft wurde, weil es West-Berlin nach sowjetischer Ideologie gar nicht gab. Meine damalige Frau, Christa Dichgans Christa Dichgans (* 1940 Berlin) studierte von 1960 bis 1965 bei Fred Thieler an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Berlin und arbeitete dort von 1984 bis 1988 als Assistentin von Georg Baselitz. Die Motive ihrer Bilder stammen häufig aus ihrer Alltagswelt. Sie war mit K.H. Hödicke in erster Ehe, sowie mit dem Galeristen Rudolf Springer in zweiter Ehe verheiratet. , und ich waren darin unter West-Berlin aufgeführt. Das wurde alles zensiert und ging in die Tonne. Im Neudruck war ich dann plötzlich Düsseldorfer. Es war ein schöner Katalog mit sehr schönem russischen Design. Das ist fast so gut wie das Schweizer Design.
Es gibt ein weiteres Bild von Ihnen, mit dem Titel „Der Schweißer“ K.H. Hödicke, „Der Schweißer“, 1978. . Ist das zur gleichen Zeit entstanden?
Etwa, ja. Die ganze Arbeitergeschichte entstand rund um diese Serie. „Der Schweißer“ ist zum Beispiel durch die Ruine des Hauses Vaterland – das war eine der größten Ruinen, die noch stand – inspiriert. Die wurde mit einer Abrissbirne zerstört, und zum Schluss haben sie die Schweißer reingeschickt, die dann Stahlträger für Stahlträger abgetrennt haben.
Waren Sie sich bewusst, dass sie mit diesen Themen nahe an denen der DDR-Künstler waren?
Ich habe das nicht als Sozialistischen Realismus gesehen.
In den 80er-Jahren gab es viele der großen Überblicksausstellungen. „A New Spirit in Painting“ haben Sie schon erwähnt.
Damals habe ich zu Ileana Sonnabend Ileana Sonnabend (1914 Bukarest – 2007 New York) war eine Galeristin. Von 1932 bis 1959 lebte sie in einer Ehe mit dem Kunsthändler und Galeristen Leo Castelli und eröffnete 1962 eine Galerie in Paris, wo sie insbesondere auch die amerikanische Pop-Art vertrat. 1971 gründete Sonnabend eine weitere Galerie in New York und zeigte dort junge europäische Kunst. Sie stellte unter anderen Georg Baselitz, Bernd und Hilla Becher, Gilbert & George, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Andy Warhol aus. gesagt: „Ich weiß gar nicht, warum Cy Twombly und Andy Warhol dabei sind. Das sehe ich gar nicht ein.“ Da sagte sie: „Beruhige dich, das ist gut für die Ausstellung.“ Wahrscheinlich war es so gewollt. Ursprünglich war das eine Idee von Christos Joachimides. Der ist mit dem Päckchen der Leute, die er kannte, hausieren gegangen. Das waren nicht ewig viele – wenn es hochkommt, hat er vielleicht ein Dutzend Leute gehabt, mit denen er das machen konnte. Aber für so ein ambitioniertes Projekt hätte es vermutlich nicht gereicht. Obwohl ich persönlich immer der Meinung war: Dann machen wir es halt zu zwölft. Jedenfalls war die Ausstellung in London ein riesiges Event. Und auch in Paris gab es damals eine große Ausstellung: „Art Allemagne aujourd’hui“ „Art Allemagne aujourd’hui“, Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, 17. Januar – 08. März 1981. . Die war auch sehr umfangreich. Was gab es noch? „Zeitgeist“ „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 16. Oktober 1982 – 16. Januar 1983. .
„Zeitgeist“ fand ein Jahr später statt, 1982 in Berlin. Die Ausstellung war sehr umstritten. Viele haben die Auswahl kritisiert und angeblich waren die Formate vorgegeben …
Die waren nicht vorgegeben. Es gab im Nachhinein irgendwelche Probleme wegen der Finanzen oder so, aber von künstlerischer Seite her kann ich mich nicht erinnern. Wenn Sie solche großen Projekte machen, wird immer irgendetwas erzählt, und die meisten beziehen ihre Position, die sie immer hatten. Die einen sind dann dafür, die anderen dagegen.
Künstlerinnen haben protestiert, weil nur eine Frau unter den Künstlern vertreten war.
Das war schon bei „A New Sprit in Painting“ ein Thema. Damals habe ich mich noch persönlich stark gemacht und gesagt: „Nehmt die Käthe Kollwitz mit dazu.“ Sie war dann mit einer kleinen Arbeit vertreten. Das war immer ein Problem, aber es war ja nicht meins. Heute gibt es Ausstellungen, in denen nur Künstlerinnen gezeigt werden, da schreie ich auch nicht: „Da sind keine Männer dabei!“ Wenn Sie die Ausstellungsmacher fragen, werden die Ihnen sagen, dass es keine Frauen gab.
Würden Sie sagen, dass die „Zeitgeist“-Ausstellung Ihnen zum Durchbruch verholfen hat?
Durch die Ausstellung „A New Spirit in Painting“ bekam ich die Möglichkeit, in New York auszustellen. Ich habe bei Annina Nosei ausgestellt und etwas später auch bei Marisa del Re. „K.H. Hödicke“, Marisa del Re Gallery, New York, 1987. 1982, nachdem René Block seine Galerie geschlossen hatte, bin ich in Berlin in der Galerie Folker Skulima gelandet. Der hat die beiden amerikanischen Ausstellungen weitestgehend gemanagt, was bedeutet, dass die Ausstellungen von ihm gekauft und dann nach Berlin transportiert wurden. Ich musste mich um die Abrechnung überhaupt nicht kümmern.
Das heißt, Sie waren nur bei einem Galeristen und wenn Sie in anderen Galerien ausgestellt haben, ging das über Ihre Hauptgalerie?
Die haben dann irgendetwas ausgeheckt.
1983 hatten Sie in der Galerie Wolfgang Gmyrek eine Einzelausstellung mit dem Titel „Standbilder“ „K.H. Hödicke. Standbilder 1980–1982“, Galerie Wolfgang Gmyrek, Düsseldorf; Annina Nosei Gallery, New York; L. A. Louver Gallery, Los Angeles; Galerie Folker Skulima, Berlin, 1983. .
Das war meine erste Ausstellung in der Galerie Gmyrek. „Standbilder“ war ein ganz bestimmtes Bildprogramm, das waren stehende Figuren.
Im Katalog der Ausstellung habe ich das „Sirenen“-Bild K.H. Hödicke, „Sirenen“, 1982. entdeckt, das sich heute auch im Städel Museum befindet.
Das Bild hing auch in der „Zeitgeist“-Ausstellung, soweit ich mich erinnere. Es gibt mehrere davon. Ich habe damals Sirenen und Argonauten gemalt und wollte sehen, wie mythologische Bilder gehen. Es gibt auch welche, die während des Falklandkriegs Der 74 Tage andauernde Falklandkrieg begann am 02. April 1982 mit der Besetzung der Falklandinseln, die seit 1833 zu Großbritannien gehören, durch die argentinische Armee. Dem Annexionsanspruch des von einer Militärjunta unter Diktator Leopoldo Fortunato Galtieri regierten Argentinien begegnete die britische Regierung Margaret Thatchers mit einem militärischen Rückschlag. Der Krieg endete am 14. Juni 1982 mit dem Rückzug Argentiniens und kostete nach offiziellen Angaben 265 britischen und 712 argentinischen Soldaten das Leben. entstanden sind, die wurden dann etwas trüber.
2010 hat das Sammlerehepaar Sanders ein Bild von Ihnen an das Tel Aviv Museum geschenkt. Haben Sie Kontakte zu Sammlern gepflegt?
Ich kenne den einen oder anderen Sammler, die kann ich an einer Hand abzählen. Gepflegt habe ich den Kontakt eigentlich nicht. Aber die Sammler haben ihre Künstler zum Teil gepflegt.