Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Georg Baselitz

Georg Baselitz

Georg  Baselitz

Georg Baselitz

München, 19. August 2008

Eva Mongi-Vollmer: Michael Werner Michael Werner (* 1939 Nauen) ist ein deutscher Galerist. Ab 1960 arbeitete er in der Galerie Rudolf Springer in Berlin. 1963 eröffnete er mit Benjamin Katz (* 1939 Antwerpen) am Kurfürstendamm die Galerie Werner & Katz und führte ab 1964 seine eigene Galerie in einer ehemaligen Kohlenhandlung. 1968 zog Werner nach Köln und übernahm dort die Galerie Hake, die er ab Oktober 1969 unter seinem Namen weiterführte. In den 70er- und 80er-Jahren vertrat die Galerie Michael Werner vor allem die Künstler Georg Baselitz, Antonius Höckelmann, Jörg Immendorff, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck. Heute ist die Galerie auch in Berlin, London und New York vertreten. 2011 wurde Werner mit dem Preis der Art Cologne ausgezeichnet. erwähnte mir gegenüber, Sie seien schon 1950 in Paris gewesen. Damals waren Sie gerade zwölf Jahre alt.

Georg Baselitz: Nein, wir waren das erste Mal 1960 in Paris – per Autostopp. Es hieß damals, und das hat sich auch bestätigt, dass es zwei Museen in Europa gäbe, die moderne Kunst zeigen. Das eine war in Amsterdam, das Stedelijk Museum, das andere in Basel. Und Paris sollte auch nicht schlecht sein. Nach Paris sind wir aber nicht wegen des Museums gefahren, sondern wegen der dortigen Szene, der Kunstszene und der Migrantenszene. Paris war damals das Zentrum des Handels, das Zentrum der Kunst. London hingegen gab es praktisch nicht. Und über Amerika sprach man noch nicht, man machte höchstens ein paar Witze darüber. Paris war’s.

Haben Sie damals auch Iris Clert Iris Clert (1917 Athen – 1986 Cannes) führte von 1955 bis 1971 eine Galerie in Paris. Ihr Programm umfasste Künstler aus dem Umfeld des Nouveau Réalisme. Insbesondere mit Präsentationen von Arman, Yves Klein und Jean Tinguely galt die Galerie ab Anfang der 1960er-Jahre als ein wesentlicher Kristallisationspunkt neuester Kunstentwicklungen. kennengelernt?

Iris Clert war damals die interessanteste Galerie für mein Empfinden. Neben progressiven, aktuellen Künstlern wie Lucio Fontana oder Piero Manzoni stellte sie auch Außenseiter wie Gaston Chaissac aus. Das interessierte mich.

1961 haben Sie mit Eugen Schönebeck das erste „Pandämonische Manifest“ formuliert und publiziert. Georg Baselitz (eigtl. Hans-Georg Kern; * 1938 Deutschbaselitz) und Eugen Schönebeck (* 1936 Heidenau) lernten sich 1957 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin kennen und gingen in den folgenden fünf Jahren eine produktive Zusammenarbeit ein. Gemeinsam verfassten sie die Manifeste „Pandämonium I“ (1961) und „Pandämonium II“ (1962) und forderten darin eine neue Bildsprache, die sich von der vorherrschenden abstrakten Malerei absetzt und einen neuen Zugang zur Realität anstrebt. Sie rebellierten gegen die etablierten Kunstformen, gegen das Glatte und forderten einen neuen expressiven Malstil. „Ihr seht in meinen Augen den Naturaltar, das Fleischesopfer, Speisereste in der Kloakenpfanne, Ausdünstungen der Bettlaken“ heißt es darin. Daraus resultierte auch die erste Begegnung mit Michael Werner in der Galerie Rudolf Springer Rudolf Springer (1909 Berlin – 2009 Berlin) war ein Galerist und Verleger. Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete er ab 1947 die Galerie Gerd Rosen in Berlin. 1948 eröffnete er eigene Galerieräume und vertrat Berliner Künstler seiner Zeit, zum Beispiel Hans Uhlmann und Werner Heldt, sowie internationale Vertreter der Moderne, die er aufgrund seiner engen Verbindung zu Frankreich, wo er im Krieg Kontakte zur Widerstandsbewegung Résistance hatte, zum großen Teil in Paris fand. Darunter waren Henri Laurens, Hans Bellmer, Max Ernst, Hans Arp, Ernst Wilhelm Nay und Willi Baumeister. Anfang der 1960er-Jahre beschäftigte er in der Galerie den jungen Michael Werner, mit dem er später in enger Verbindung blieb. Aus dem Programm der Galerie Michael Werner zeigte Springer etwa Georg Baselitz, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck in seiner Berliner Galerie. Gemeinsam mit dem Künstler und Kurator Johannes Gachnang (1939–2005) gründete Springer 1983 den Verlag Gachnang & Springer. , als Sie nämlich dort das Manifest ins Schaufenster hängen wollten und ihn nötigten, das Klebeband zu besorgen.

Ja, stimmt. Wenn man heute zurückblickt, ist das Verständnis für das, was damals war, schwierig. Denn man hat keine Vorstellung mehr davon, was wirklich war. Wenn ein Künstler heute sagt, wie ich das ja damals getan habe: „Man fängt noch mal von vorne an“, dann wäre das heute einfach eine etwas unverständliche Attitüde, eine Allüre sogar oder eine Macke. Aber damals musste man sich gar nicht bemühen, von vorne anzufangen: Man musste von vorne anfangen, weil nichts da war. Es war in Deutschland eine besonders eigene Situation. Es war ja nicht nur eine äußerliche Zerstörung geschehen, sondern es waren auch alle Lehrer weg, alle Helden waren weg, alle großkopferten Künstler waren weg. Nicht nur, dass sie nicht mehr physisch da waren, sie waren auch ausgelöscht in der Literatur. Sie konnten nicht in die Bibliothek gehen und zum Beispiel ein Buch über den Expressionismus herausziehen oder über das Bauhaus – das war einfach nicht vorhanden. Und als ich 1957 aus dem Osten kam, war ich noch ein bisschen schlimmer dran. Im Westen waren inzwischen zwölf Jahre vergangen – in Freiheit. Es gab zwei, drei Galerien in West-Berlin, und es gab auch schon den Versuch, eine Nationalgalerie mit Bildern zu füllen. Alles das gab es ja im Osten nicht. Im Osten gab es überhaupt keine Informationen. Ich wusste nicht, was das Bauhaus war, als ich ankam. Ich wusste nicht, wer Wassily Kandinsky war, ich hatte den Namen Paul Klee nie gehört, geschweige denn Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und dergleichen. Ich hatte zwar den Namen Pablo Picasso gehört, aber das war ungefähr auch alles. So musste man also vollkommen von vorne beginnen.

Und einer der Anlaufpunkte war für Sie die Galerie Springer, in der Sie Ihr Manifest aufhängten?

Springer war die einzige Galerie, die zeitgenössische Kunst im progressiven Sinne ausstellte. Rudolf Springer informierte sich in Frankreich und auch in Amerika. Er stellte Migranten aus, wie zum Beispiel Wols, aber auch Hans Arp und Henri Laurens. Er zeigte österreichische Kunst mit Arnulf Rainer und so weiter. Und er hatte eine Ausstellung mit Emilio Vedova, Die Galerie Rudolf Springer richtete Emilio Vedova zwei Einzelausstellungen aus: vom 01. bis 31. Oktober 1957 und vom 28. Oktober bis 21. November 1959. die mich sehr beeindruckt hat. 58 muss das gewesen sein oder 59, ich weiß es nicht mehr genau. Von Vedova habe ich erst zehn Jahre später ein Bild gekauft. Rudolf Springer war ein sehr sympathischer Mann und hatte eine sehr gute Galerie – aber Geschäfte fanden da nicht statt. Das konnte er nicht.

Als Sie in die Galerie gegangen sind, um das Manifest aufzuhängen, hatten Sie da die Hoffnung, dass er Ihr Händler werden könnte?

Nein. Dieser Gedanke, dass man von dem, was man machte, in irgendeiner Weise leben könne, stellte sich gar nicht. Denn es gab kein Vorbild, niemanden, dem man es hätte nachmachen können: Der lebt davon, das kannst du dann auch, weil du sowieso besser bist. Die Chance sah man nicht. Meines Wissens gab es drei Galerien in Berlin: Springer, Rosen und Schüler. Und Springer war in unserem Sinne der Beste; vielleicht war er wirklich auch absolut betrachtet der Beste, es gibt ihn ja schließlich heute noch. Bei Springer habe ich mal eine Ausstellung gemacht „Warum das Bild ‚Die großen Freunde‘ ein gutes Bild ist!“, Galerie Rudolf Springer, Berlin, 1966. – bei den anderen nicht. Schüler stellte zum Beispiel Emil Schumacher und Bernard Schultze, also Tachismus, aus. Springer dagegen hatte kein strenges Programm, sondern war ziemlich offen. Für Springer waren die Künstlerbegegnungen wichtig – das andere entwickelte sich. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, ob ich Hoffnungen mit Springer hatte, Hoffnungen, davon leben zu können. Man hatte Träume in dem Sinne von „es wird schon werden“, das war ja allgemein die Berliner Situation. Berlin lebte ja von einer Hoffnung, die sich Jahr für Jahr verschob. Das Ziel wurde nie erreicht, bis zum Wegfall der Mauer. Erst mal wurde die Mauer gebaut und viele Jahre später, Jahrzehnte später erst, fiel sie. In dieser ganzen Zeit veränderte sich Berlin enorm. Alle, die von etwas leben mussten – also alle, die Geschäfte hatten oder etwas produzierten –, gingen weg. Und dann wurden sogenannte „Subventionen“ eingeführt, damit eben doch nicht alle weggingen. Man bekam zum Beispiel Steuerermäßigungen. Ich war eine Zeit lang Professor in Berlin, Georg Baselitz lehrte von 1983 bis 1988 und von 1992 bis 2003 als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. weil ich da weniger Steuern zahlen musste als im übrigen Westen. Man bekam Vergünstigungen, wenn man heiratete; es gab billigere Mieten und so weiter. Also man versuchte, die Bevölkerung in West-Berlin mit allen Mitteln zu halten. Die Kunst war später gar nicht so schlecht gestellt, weil es beispielsweise Bauherren gab, die über diese Subventionen Mietshäuser bauten. Diese Leute verdienten sehr, sehr viel Geld und engagierten sich in der Kunst. Das ist für Berlin von großem Vorteil gewesen und ist bis heute noch zum Teil von Vorteil, weil ein Teil dieser Sammlungen ja noch da ist. Die Sammlung Marx Erich Marx (* 1921 Brombach) ist ein Unternehmer und Kunstsammler. Ab Mitte der 1970er-Jahre baute er eine umfangreiche Sammlung zur europäischen und US-amerikanischen Gegenwartskunst auf. Darin enthalten sind Werke von Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Robert Rauschenberg und Andy Warhol. Seit 1996 befindet sich die Sammlung als Dauerleihgabe im Hamburger Bahnhof in Berlin. zum Beispiel und zum Teil auch die Sammlung Onnasch Reinhard Onnasch (* 1939 Görlitz) ist ein deutscher Bauunternehmer, Galerist und Kunstsammler. 1969 eröffnete er eine Galerie am Kurfürstendamm in Berlin, die er 1971 durch eine Dependance im Galeriehaus Köln und 1973 durch Räumlichkeiten im New Yorker Stadtteil Manhattan erweiterte. Er zeigte vorwiegend Positionen der deutschen und amerikanischen Gegenwartskunst, darunter Edward Kienholz, Markus Lüpertz, Kenneth Noland, Claes Oldenburg, Jason Rhoades und Gerhard Richter. Parallel zu seinen Aktivitäten als Galerist baute Onnasch eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst auf, die unter anderem Werke von Larry Bell, George Brecht, Jim Dine, Dan Flavin, Dieter Roth, Richard Serra und Stefan Wewerka umfasst. Von 2007 bis 2009 organisierte er zu ausgewählten Sammlungspositionen Ausstellungen in dem temporären Showroom El Sourdog Hex in Berlin. . Das war ganz ungewöhnlich in Berlin. Die Sammler sammelten großzügig, gerne internationale Kunst, vor allen Dingen Amerikaner.

Gehen wir noch einmal ins Jahr 1963. Werner war damals als Assistent bei Springer rausgeflogen. Er schilderte, dass Sie ihn motiviert hätten, seine eigene Galerie zu eröffnen. Wie wichtig war es, eine neue Galerie ins Leben zu rufen? Diese Galerie war, wie Sie es gerade geschildert haben, wohl weniger aus wirtschaftlichen Gründen für Sie von Bedeutung, sondern eher als Forum?

Werner hat eine Galerie aufgemacht. Dann hat er – und das begann eigentlich schon mit dem Wegzug nach Köln – erfolgreich versucht, mit Korrespondenzgalerien in anderen Städten zu arbeiten. In Paris vorwiegend, später in Amerika, in Hamburg, in München. Werner ahnte wohl oder hatte einfach erfahren, dass er zwar ein guter Ideologe ist, vielleicht auch ein guter Mentor, aber dass er kein guter Verkäufer ist. Der Verkauf ist ihm – und das sehe ich jetzt nicht negativ, sondern einfach als Fakt – nur über Korrespondenzgalerien gelungen. Für die Künstler war das natürlich von Vorteil, weil man auf diese Weise ganz leicht in andere Situationen kam, in andere Länder. Amerika, um das vorwegzunehmen, passierte in meinem Fall ohne Michael Werner, da ich während der Biennale von Venedig 1980 Die „39. Biennale von Venedig“ fand vom 01. Juni bis 28. September 1980 unter der Leitung von Luigi Carluccio statt. Im Deutschen Pavillon, kuratiert von Klaus Gallwitz, stellten Georg Baselitz und Anselm Kiefer aus. Ursprünglich war auch Markus Lüpertz eingeladen, der seine Teilnahme jedoch absagte. zwei Briefe im Abstand von einer Woche bekam. Einen von Xavier Fourcade Xavier Fourcade (1926 Paris – 1987 New York) eröffnete 1970 Galerieräume in New York. In seinem Programm zeigte er vor allem Positionen der US-amerikanischen Gegenwartskunst, darunter John Chamberlain, Michael Heizer, Willem de Kooning, Walter De Maria und Joan Mitchell. Neben seiner Galerietätigkeit betreute er zudem den künstlerischen Nachlass von Barnett Newman und Eva Hesse unter anderen. und den anderen von Ileana Sonnabend Ileana Sonnabend (1914 Bukarest – 2007 New York) war eine Galeristin. Von 1932 bis 1959 war sie mit dem amerikanischen Kunsthändler und Galeristen Leo Castelli verheiratet. 1962 eröffnete sie eine Galerie in Paris, wo sie insbesondere auch die amerikanische Pop-Art vertrat. 1971 gründete Sonnabend eine weitere Galerie in New York und zeigte dort junge europäische Kunst. Sie stellte unter anderen Georg Baselitz, Bernd und Hilla Becher, Gilbert & George, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Andy Warhol aus. . Also von zwei ganz wichtigen Galerien in New York. Beide wollten mit mir zusammenarbeiten. Die Verhandlung darüber hat dann Michael Werner geführt. So sind wir nach New York gekommen. Michael ist dann später wirklich dort hingegangen. Erst hat er die Galeristin Mary Boone geheiratet und dann eine eigene Galerie aufgemacht, die er bis heute hat. Ab 1980 änderte sich alles in meiner Biografie wirklich radikal. Denn plötzlich tauchte Amerika als Kunsthandelsplatz, als Zentrum des Kunsthandels auf und es wurden Werke verkauft. Als Professor kenne ich ja viele junge Künstler, die eine unvergleichlich andere Situation vorfinden, als wir sie damals hatten. Natürlich können Sie als junger Künstler, der abstruses Zeug macht, nicht in eine etablierte Galerie gehen und sagen: „Hier, ich habe das gemacht, stellen Sie das aus.“ Man muss möglichst den Galeristen selber erfinden, der aus der eigenen Generation kommt, aus dem Freundeskreis. Das war ja bei Michael Werner der Fall. Wir haben ihn in der Galerie Springer kennengelernt. Er kam dann zu Atelierbesuchen zu mir und zu Schönebeck, kaufte etwas und hatte wiederum Freunde, die etwas von ihm kauften. Bis ich den Werner und den Katz so motiviert hatte, eine Galerie aufzumachen. Im Oktober 1963 gründeten Benjamin Katz und Michael Werner die Galerie Werner & Katz am Kurfürstendamm in Berlin. Ihre Räumlichkeiten eröffneten sie mit der ersten Einzelausstellung von Georg Baselitz. Diese umfasste 52 Bilder, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der „Unsittlichkeit“ von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84.

Sie haben in einem Interview in der „Art“ 1990 gesagt, dass Werner für Sie und die Gruppe eine Art Coach war. Wenn ich Ihre Schilderungen überdenke und das ein wenig überspitzt zusammenfasse: Waren Sie vielleicht am Anfang sein Coach?

Ja, ich habe die Sachen gemacht und ich wusste, was ich mache. Ich bin ja kein Irrer, der therapeutisch arbeitet oder den hin und wieder ein Zwang überfällt, ein Bild zu malen. Sondern ich habe sehr, sehr bewusst gearbeitet. Ich habe auch bewusst gearbeitet in dem Sinne, dass ich sehr gut informiert war. Meinen großen Mangel an Informationen habe ich innerhalb von einem Jahr nachgeholt. Ich war sehr neugierig.

Der Mangel, der in Ostdeutschland entstanden war?

Ja. Ich war sehr neugierig und bin wirklich jedem Faden nachgegangen, der ausgelegt wurde. Ich habe in kürzester Zeit ein Kunstgeschichtsinformationsstudium durchgemacht – wobei ich zwischen all diesen Informationen meinen Sonderweg gesucht habe, meine Spur in diesem ganzen Angebot, was an Kunstgeschichte da war. Und das war eben nicht Pop-Art, das war nicht der Einfluss von Amerika, sondern das war etwas anderes. Und das andere war so anders, dass ich mit diesem anderen nicht irgendwo hätte hingehen können, zum Beispiel in die Galerie von Iris Clert, und sagen können: „Iris, das mache ich.“ Die hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und hätte es ganz sicher nicht ausgestellt. Niemand hätte das damals ausgestellt, denn es war abstrus, bekloppt, das war einfach irre das Zeug. Und Sie sehen es ja an meinen Generationskollegen, die in Westdeutschland gearbeitet haben – an Gerhard Richter, Sigmar Polke, Blinky Palermo –, die unter starkem Einfluss von Amerika standen und die Pop-Art nach Deutschland brachten oder die in Deutschland ausgestellte Pop-Art in einer rheinischen Variante nachmachten. (Palermo weniger, der orientierte sich eher an Ellsworth Kelly.) Diese Dinge kannte ich und ich habe es verachtet, dass man in Deutschland so etwas macht. Wir sind uns etwas anderes schuldig, wir müssen etwas anderes machen. Und ich hatte natürlich eine große Verantwortung dem gegenüber, was ich mache, was ich bin. Ich habe das nie leichtgenommen. Deshalb gab es einen gewissen Zwang, jemanden zu finden, der das an die Wand hängt, der sich verantwortlich zeichnet dafür. Das war am Anfang Werner & Katz. Dass die beiden damit keine Geschäfte machen konnten, das habe ich verstanden. Aber das war natürlich nicht zu akzeptieren. Ich habe gesagt: „Ihr seid einfach zu schlecht. Es muss doch jemanden geben, der sich dafür interessiert.“ Es gab also ständigen Druck und auch Schuldzuweisung meinerseits. Man brauchte ja irgendwie Geld. Werner hat nie gesagt: „Du machst die falschen Sachen.“ Das hat er erst viel später gesagt. „Du machst einfach Sachen, die nicht verkäuflich sind. Das musst du mal kapieren. Ich muss mein Geld anderswo verdienen.“ Das habe ich bis heute kapiert. Es gab ja dann auch in der Galerie zunehmend andere Künstler. Auf seine Frage: „Was soll ich denn ausstellen?“, schlug ich andere Künstler vor, sagte: „Guck doch mal hier und guck doch mal da.“ Und das hat er dann auch gemacht. Damit meine ich natürlich nicht Lüpertz, Kirkeby, Penck oder Immendorff. Ich meine den geschichtlichen Hintergrund, also zum Beispiel Eugène Leroy oder Gaston Chaissac, eben absonderliche Wege.

Wie sind Sie zu den Galeristen Friedrich und Dahlem Franz Dahlem, Heiner Friedrich und Six Friedrich eröffneten im Juli 1963 die Galerie Friedrich & Dahlem in der Maximilianstraße 15 in München. Dort zeigte sie in den ersten Jahren unter anderem Werke von Uwe Lausen, Gerhard Richter, Francis Bacon, David Hockney, Cy Twombly, Georg Baselitz und Robert Rauschenberg. Nach Uneinigkeiten in der gemeinsamen Galerie eröffnete Dahlem zum Jahreswechsel 1966/67 eine eigene Galerie in Darmstadt. in München gekommen?

Das war durch Werner. Ich hatte 1965 das Villa-Romana-Stipendium in Florenz. Es kam ein Brief von Heiner Friedrich an mich oder an die Galerie Werner, dass man sich für meine Sachen interessieren würde. Die sind dann nach Berlin gekommen – ich war aber nicht da, weil ich ja in Italien war. Und damals war das Reisen nicht so einfach. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, in mein Atelier nach Berlin zu fahren, um Heiner, den ich gar nicht kannte, meine Sachen zu zeigen. Das hat Michael Werner gemacht. Die beiden haben die Ausstellung verabredet. Ich weiß nicht mehr, wie das rechnerisch lief, mit den Prozenten. Auf alle Fälle habe ich die Ausstellung bei Friedrich & Dahlem gemacht. „Georg Baselitz. Ölbilder und Zeichnungen“, Galerie Friedrich & Dahlem, München, 1965. Das war damals neben Zwirner Rudolf Zwirner (* 1933 Berlin) betrieb von 1959 bis 1962 eine Galerie in Essen. 1962 eröffnete er neue Räumlichkeiten im Kolumbakirchhof in Köln. Zwirner zählte in den 1960er-Jahren zu den ersten deutschen Kunsthändlern, die in ihrem Programm US-amerikanische Gegenwartskünstler, darunter John Chamberlain, Dan Flavin, Allen Jones, Roy Lichtenstein und Andy Warhol, vertraten. 1966 gründete Zwirner gemeinsam mit Hein Stünke den Verein progressiver deutscher Kunsthändler, aus dem 1967 der erste Kölner Kunstmarkt hervorging. die wichtigste Galerie in Deutschland – und sie haben auch sehr gut verkauft. Später habe ich erfahren, dass die Verkäufe mehr oder weniger fingiert waren, weil alles in der Familie verteilt wurde.

Aber Sie sind Heiner Friedrich auf jeden Fall noch länger treu geblieben.

Ja, bis heute eigentlich. Thordis Moeller, Heiners Lebensgefährtin, machte die Galerie zunächst in München weiter, später dann in Köln. Und ein Mitarbeiter der Galerie, Fred Jahn, Fred Jahn (* 1944 Berg) ist ein deutscher Galerist, der seit 1978 eine Galerie in München führt. Gemeinsam mit Gernot von Pape begann er 1967, unter dem Label der Edition X in München Grafik zu verlegen. Von 1969 bis 1977 war Jahn für die Galerie Heiner Friedrich tätig, die ab 1974 nach personeller und inhaltlicher Umstrukturierung in die Edition Galerie Heiner Friedrich umbenannt wurde. machte seine eigene Galerie auf – da stelle ich heute noch aus. Sabine Knust, Sabine Knust (* 1943) arbeitete ab 1969 in der Galerie Friedrich. Ab 1974 betrieb sie zusammen mit Six Friedrich und Fred Jahn die Edition Galerie Heiner Friedrich. 1982 eröffnete Knust ihre eigene Galerie in der Münchner Maximilianstraße, in der sie Positionen der internationalen Gegenwartskunst, darunter John Baldessari, Georg Baselitz, Liam Gillick, Per Kirkeby, Olaf Nicolai und Richard Prince, zeigt. die Lebensgefährtin von Heiners Bruder, machte ebenfalls eine Galerie in München auf und vertritt immer noch meine Grafik. Wir arbeiten tatsächlich nach wie vor zusammen.

1965 sind Sie, nach der Rückkehr aus Italien, nach Osthofen aufs Land gezogen. Wie ist das zustande gekommen?

Ich hatte einfach das dringende Bedürfnis, aus dieser verfahrenen Berliner Situation herauszukommen, mich zu verändern. In Berlin – damals wie heute – wucherte es so, alles wurde nur noch Geplapper: Jeder redete, jeder hatte irgendeine Vision, aber keiner machte was. Es fanden diese Angebereien und diese ewigen Sitzungen in den Kneipen statt. Ich hatte ja schon aus einem Isolationsbedürfnis heraus (biologisch oder psychologisch) eine Familie gegründet und mich immer mehr zurückgezogen. Dann gab es die Chance: Eine Sammlerin, die damals Hildebrand hieß, Frau Dr. Dorette Staab, und die ich über Heiner Friedrich kannte, hatte ihr Elternhaus in Osthofen, Rheinhessen heißt die Gegend. Das war ein Außenhof, ein Mühlenhof, mit Schreinereigebäuden. Er war so gut wie unbewohnt. Dort haben wir uns für 450 D-Mark eingemietet. Das war relativ viel, aber es ging. Um das Geld zusammenzukratzen, hat meine Frau ein Geschäft in Worms aufgemacht. Es gab damals plötzlich für junge Frauen, für Mädchen, eine spezielle Mode, die es vorher nicht gab. Als wir zum Beispiel 65 in Florenz waren, konnte meine Frau nicht in ein Geschäft gehen und irgendetwas kaufen. Die sogenannte „Designermode“ gab es noch nicht. Sie musste zum Schneider gehen – jeder ging zum Schneider und ließ sich das nähen. In Worms machte sie also ein Geschäft, eine Boutique, auf. Das ging im ersten Jahr eher schlecht, dann zog sie innerhalb der Stadt um und ab dem Moment raste die Sache so wahnsinnig, dass uns das über den Kopf wuchs. Wir haben das Geschäft dann verkauft und sind wieder umgezogen. Mit der Kunst hingegen ging es ganz, ganz schlecht, bis Ende der 70er-Jahre, man kann sagen bis 1980.

War der Rückzug aufs Land eine Art späte Reaktion auf den Skandal 63 in Berlin?

Ich bin jetzt wieder umgezogen und habe alles weggeworfen und neu angefangen. Es gibt in mir etwas: Ich bin bis zu einem gewissen Maß geduldig, aber wenn das überschritten ist, breche ich ab. Das habe ich mehrfach gemacht. Und das betrifft auch meine Beziehungen, auch meine Beziehungen zu Händlern. Ich bin sehr geduldig, aber irgendwann werde ich so ungeduldig und merke, dass ich mich nur noch damit beschäftige. Dann muss ich das lösen oder zerstören oder weglaufen. Von Berlin wegzulaufen, war ziemlich schwierig, weil man in Berlin gut jobben konnte. Man konnte irgendetwas machen, um Geld zu verdienen, einfach arbeiten, irgendwelche blöden Dinge. Ich habe mal Kleiderbügel gespritzt, mal beim Zahlenlotto gearbeitet. Mit dem Bildermalen war einfach kein Geld zu verdienen. Aber das war auch nicht weiter schlimm, denn wir waren ja jung, wir waren aggressiv und meine Kunst war völlig unangepasst. Ich wusste ja, was sich verkauft. Ich hatte jede Menge Kommilitonen, die damals Tachismus machten, wenn nicht Pop-Art. Die verkauften das alles – nur meins ging eben nicht. Damals sagte man, ein Grund, warum meine Kunst nicht ginge, sei die Schweinerei, die da drauf ist. Gut, die war drauf, aber irgendwann war sie auch nicht mehr drauf. Es waren dann Kühe und Hunde.

Ab Osthofen?

Ja. Obwohl es da keine Kühe gab. Aber ich war ja eingebunden in eine Szene, die sagte: „Wenn du jetzt die Flügel streichst, wenn du aufgibst, wenn du aufs Land ziehst, ist es vorbei, dann ist es aus.“ Aber es war das komplette Gegenteil, es war überhaupt nicht aus, sondern ich bin wirklich durchgestartet. In dieser Isolation musste ich mich umgeben mit Dingen, die ich dringend brauchte. Ich musste mir plötzlich Bücher kaufen, ich musste ständig in Museen laufen. In Berlin flog einem das zu. Im Gespräch ergab sich alles. Und in Osthofen war ich auf mich gestellt und das bin ich bis heute. Ich habe um mich ein Nest gebildet oder einen Rahmen, wo mir alles das, was ich brauche, zur Verfügung steht. Meine Sammlungen sind ja auch so entstanden. Ich habe mich mit Dingen versichert, von denen ich meinte, dass sie wichtig für mich sind, die ich brauche, die ich sehen muss, die ich anfassen muss.

Für Sie war nach Ihren Worten die Pop-Art keine Option. Wissen Sie noch, bei welcher Gelegenheit Sie zum ersten Mal amerikanische Pop-Art gesehen haben?

Ja, es gab eine Ausstellung. Keine Pop-Art, sondern amerikanischer Abstrakter Expressionismus: die Alfred-Barr-Ausstellung. Die Ausstellung „The New American Painting“, organisiert vom Museum of Modern Art (MoMA), New York, reiste 1958/59 durch acht europäische Länder und war vom 03. September bis 01. Oktober 1958 unter dem deutschen Titel „Die neue amerikanische Malerei“ in der Hochschule für Bildende Künste in Berlin zu sehen. Zeitgleich wurde dort die Ausstellung „Jackson Pollock. 1912–1956“ gezeigt, die auch vom MoMA organisiert war und ebenfalls durch Europa tourte. Diese Ausstellung war mein Erweckungserlebnis überhaupt – das hat mich nie mehr losgelassen, das hat mich gefesselt und sehr motiviert. Die große Ausstellung tourte damals mit edukativer Absicht nach Deutschland. Das waren die Riesenbilder von Pollock, Jackson Pollock (1912 Cody, Wyoming – 1956 East Hampton, New York) gilt als Begründer des Abstrakten Expressionismus und Erfinder des Action-Painting. Bekannt wurde er insbesondere für seine Dripping-Technik. Dabei ließ er Farbe ohne Pinsel direkt auf die am Boden ausgebreitete Leinwand tropfen. Pollock studierte an der Art Students League, New York, und wurde von der Mäzenin und Galeristin Peggy Guggenheim in den 1940er-Jahren unterstützt und gefördert. Werke von Pollock waren auf der documenta 2 (1959) und 3 (1964) ausgestellt. die großen Drippings. Die hingen in der Berliner Hochschule, wo ich studierte, in der Eingangshalle, und in den hinteren Flügeln rechts und links, wo die Studenten ihre Jahresarbeiten aufhängten, hingen die kleineren Pollocks. In der oberen Etage hingen die Bilder von Willem de Kooning, Barnett Newman und auch Philip Guston – das war eine Wahnsinnsausstellung. Erst mal vom Format, die Pollocks sind riesig. Wir gingen immer wieder durch die Ausstellung, es war einfach ein Rausch – unglaublich. Der Künstler, dessen Bilder sich am meisten in den Köpfen eingeprägt hatten, war damals nicht Pollock, sondern de Kooning. Es ging demzufolge eine De-Kooning-Welle durch die Akademie. Die betraf das Bildmodell de Koonings, das heißt die Mischung zwischen Amerika und Picasso, aber nie das Format. Die Formate blieben klein. Ein großes Format zu malen war eine bestimmte Form von Übermut und auch eine bestimmte Form von Angeberei. Ich weiß noch, als ich für meinen Lehrer Hann Trier Hann Trier (1915 Kaiserswerth – 1999 Castiglione della Pescaia, Italien) war ein Künstler, der dem deutschen Informel zugerechnet wird. Von 1957 bis 1980 lehrte er als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. Zwischen 1957 und 1963 zählte Georg Baselitz zu seinen Studenten. die Leinwände präparierte, waren das Formate von 2,50 x 1,80 Meter – für die Biennale von São Paulo. Trier hatte oft darüber gesprochen, dass er noch nie solche Riesenformate gemacht habe: 2,50 x 1,80 Meter ist heute ein Kleinformat. Das war der eine starke Eindruck. Der andere war die Ausstellung von Robert Rauschenberg im Amerika Haus am Bahnhof Zoo. „Robert Rauschenberg. Bilder, Zeichnungen, Lithos – Illustrations for Dante’s Inferno“, Amerika Haus, Berlin, 09. Januar – 04. Februar 1965. Das waren Lithografien. Das muss 61, 62 gewesen sein. Und dann gab es die Reisen. Es gab die Reise nach Amsterdam, dann gab es die Reise nach Basel. Also irgendwann tauchte Pop-Art einfach auf, zum Beispiel auf der frühen documenta Mit Arbeiten von Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg, Andy Warhol und Tom Wesselmann unter anderen waren 1968 erstmals zentrale Positionen der US-amerikanischen Pop-Art auf der documenta vertreten. . Außerdem gab es Reproduktionen in Zeitschriften.

In der „Art International“ zum Beispiel?

Ja, genau.

Dass Friedrich und Dahlem auch die Pop-Art vertreten haben und zugleich Sie, war das für Sie ein Problem oder war das einfach ein Fakt?

Heiner Friedrich und Franz Dahlem gehörten zur gleichen Generation. Die beiden fingen auch gerade erst an. Der Start von uns allen war gleich. Wie auch der von René Block René Block (* 1942 Velbert) eröffnete Anfang 1964 in Berlin das Grafische Cabinet René Block, aus dem noch im gleichen Jahr die Galerie René Block hervorging. Dort zeigte er bis 1979 Ausstellungen und Aktionen unter anderen von Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell. In den Folgejahren organisierte Block als Kurator zahlreiche Ausstellungen für die daadgalerie in Berlin sowie für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart, bevor er 1997 die Direktion des Fridericianums in Kassel übernahm. Seit 2008 führt Block die auf Editionen spezialisierte Galerie Edition Block in Berlin. zum Beispiel. Rudolf Zwirner war anders, denn Zwirner war ein bürgerlicher Kölner Junge, eingebunden in die Kölner Gesellschaft. Hans Neuendorf Hans Neuendorf (* 1937 Hamburg) ist ein deutscher Unternehmer und Kunsthändler, der von 1964 bis 1987 in Hamburg eine Galerie führte. Mit Georg Baselitz, Richard Hamilton, David Hockney, Jörg Immendorff, Allen Jones und Andy Warhol umfasste sein Programm insbesondere Positionen der Pop-Art und des Neoexpressionismus. 1989 gründete Neuendorf die digitale Kunstplattform artnet. übrigens zählt auch noch dazu, als Hamburger. Ich war ja zeitweise von Werner an Hans Neuendorf nach Hamburg vermietet – was ich nicht wusste, denn die beiden haben das vor mir streng geheim gehalten.

Und wann haben Sie das erfahren?

Ich hatte Streit mit Neuendorf. Neuendorf verkaufte sehr gut und ich hatte plötzlich keine Bilder mehr. Ich war ausverkauft. Zurück zur Pop-Art. Das war nach den Abstrakten Expressionisten ein amerikanisches Modell. Das war eine Kunst ohne Probleme. Sie karikierte oder war begründet in der sogenannten „Konsumgesellschaft“. Nur diese Konsumgesellschaft hatten wir in Deutschland nicht. Es gab keine Konsumgesellschaft in Deutschland, sondern es gab immer die Überlegung: Kann man sich einen Kühlschrank leisten? Und wenn man sich den leisten konnte: Muss das sein oder ist das schon der erste Schritt in die bürgerliche kapitalistische Gesellschaft? Uwe Johnson zum Beispiel kam als „frischer Flüchtling“ zu Trier, meinem Lehrer, ins Atelier. Ich hatte von Uwe Johnson bis dahin noch nie gehört, und nun ging es darum, ob Johnson sich jetzt in West-Berlin wohl einen Kühlschrank kauft. Solche blödsinnigen Gespräche gab es. Das ging dann später weiter mit dem Fernsehen, dann kam irgendwann der Fotokopierer dazu. Über Computer unterhielt sich später eigentlich niemand mehr oder über das Handy, das wurde dann einfach mitgenommen. Vielleicht finden bei den Quäkern noch solche Gespräche statt. Meine Situation in Deutschland war ähnlich. Es wurde richtig gequäkert.

Schöner Vergleich.

Wir betrugen uns auch komisch. Wir sahen anders aus – auch wieder wie die Quäker, auffällig. Und diese Auffälligkeit war so provokant, dass man sich gar nicht wundern musste, dass man auf der Straße richtig Prügel bezog, wenn man rausging. Aber es ging nicht anders. Habitus musste sein. Als Roy Lichtenstein mit seinen Rasterpunkten kam, zeigte man immer eine Abbildung einer Schwitters-Collage, auf der auch schon Rasterpunkte waren. Dann gab es diese „Combines“ von Rauschenberg und auch da folgte der Vergleich mit Kurt Schwitters. Wir hatten zwar alles im bürgerlichen Format, aber das in Deutschland als neues Bildmodell zu benutzen – ohne den gesellschaftlichen Hintergrund der Konsumgesellschaft –, fand ich einfach absurd. Ich habe Richter zutiefst verachtet und Polke natürlich noch mehr. Denn Polke mischte fröhlich Pop-Art mit Francis Picabia, den ich wiederum als Anti-Picasso sehr verehrte. Aus dieser natürlich sturen Position sind meine Sachen zu verstehen. Ich habe natürlich um meine Sachen geworben. Erst mal, indem ich sie machte, indem ich sie ausstellte und indem ich sie ständig verteidigte. Ich habe das ja nicht geheim gehalten, sondern ich habe sie wie jeder Künstler, der etwas macht, herausgebracht. Aber ich wurde immer abgelehnt. Diese Ablehnung war bei der Galerie Friedrich besonders stark, denn Heiner war ja mit ganz anderen Mustern versehen. Bei ihm dominierte Richter. Beuys und Polke fanden mich einen lächerlichen Waldschrat, die fanden mich einen Doofen. Das habe ich gespürt.

Michael Werner eröffnete 69 seine erste Galerie in Köln in der St.-Apern-Straße und auf der Einladungskarte für diese erste Ausstellung standen unter anderen Sie sowie Beuys, Fontana, Lüpertz, Penck, Piene, Polke, Rainer, Richter, Rosenquist, Warhol und Wesselmann.

Ja, und bei der Galerie Friedrich in Köln stand mein Name nicht drauf. Der wurde angeblich vergessen, obwohl ich im Galerieprogramm war. Und genau das ist der Punkt: Wenn man das richtig zu lesen versteht, kann man in diesen Kleinigkeiten den Grund für einen gewissen Frust finden.

Aus heutiger Perspektive war das eine wirklich bemerkenswerte Mischung in der Galerie von Michael Werner. Das Feld hat sich dann im Laufe der Zeit immer stärker polarisiert. Bis heute werden Sie und Richter in der Kunstkritik als Gegenpole pointiert. Dabei gab es bereits 1981 unter der Leitung von Jürgen Harten Jürgen Harten (* 1933 Hamburg) war von 1972 bis 1998 Direktor der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf. Im Anschluss war er Gründungsdirektor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf. Er zeichnete sich für viel beachtete Ausstellungen internationaler Gegenwartskünstler verantwortlich, darunter Marcel Broodthaers (1972), Sigmar Polke (1976), Anselm Kiefer (1984) und Gerhard Richter (1986). die Ausstellung „Georg Baselitz, Gerhard Richter“ „Georg Baselitz, Gerhard Richter“, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 30. Mai – 05. Juli 1981. in der Düsseldorfer Kunsthalle.

Ja, oh Gott. Das gab solche Prügeleien – ganz toll. Diese Drängeleien und diese Missgunst und dieser Ehrgeiz natürlich. Jeder hatte ja in irgendeiner Weise seine Sache durchzubringen. Beim Sport wird einfach die Zeit gemessen, das ist in der Kunst zum Glück nicht so. Es gab schon wirklich üble Intrigen. Eine der übelsten Sachen damals lief mit der Sammlung Ströher Karl Ströher (1890 Rothenkirchen – 1977 Darmstadt) war ein deutscher Unternehmer, der zu den wichtigsten Sammlern der europäischen und amerikanischen Nachkriegskunst in Deutschland zählt. Bekannt wurde er insbesondere durch den Erwerb der Pop-Art-Sammlung von Leon Kraushar 1968 und die Zusammenführung des „Block Beuys“ in den Jahren 1967 bis 1969. Nach dem Verkauf der Sammlung durch die Erben Karl Ströhers im Jahr 1982 gingen große Sammlungsbestände in das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt sowie das Hessische Landesmuseum in Darmstadt über. in Darmstadt. Karl Ströher hatte für seine Sammlung mit dem sogenannten „Block Beuys“ eine Ausstellungsmöglichkeit in Düsseldorf gefunden. Die Pop-Art-Sammlung, die Karl Ströher von Leon Kraushar erworben hatte, wurde unter dem Titel „Sammlung 1968. Karl Ströher“ auf einer Ausstellungstournee in folgenden Museen gezeigt: Galerie-Verein im Haus der Kunst, München, 14. Juni – 09. August 1968; Kunstverein in Hamburg, 24. August – 06. Oktober 1968; Neue Nationalgalerie, Berlin, 01. März – 14. April 1969; Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 22. Mai – 12. Juni 1969; Kunsthalle Bern, 12. Juli – 28. September 1969. Vgl. Katrin Sauerländer, „Die Sammlung Kraushar“, in: dies. (Hg.), „Karl Ströher – Eine Sammlergeschichte“, Frankfurt am Main 2005, S. 62–87, hier S. 74. Damals, Ende der 60er-Jahre, begann es, was heute üblich geworden ist, dass Künstler Räume beanspruchen. Da hieß es, die Kunst brauche einen Raum. Nicht der Künstler, sondern die Kunst brauche einen Raum. Ob das ein Faden von der Decke ist oder eine Kiste, die in der Mitte steht, oder eine Filzdecke, die da liegt. Ein Bildermaler konnte das so nie tun, weil Bilder ja gewöhnlich dicht gedrängt hingen, in der Petersburger Hängung oder eines neben dem anderen an der Wand. Diese Bildermaler haben natürlich dann Auswege gesucht und haben angefangen, Großformate, Großserien zu machen. Anselm Kiefer baut neuerdings eine Hütte um das Ganze. Das ist aus diesem Neid entstanden, aus dieser Drängelei, die damals stattfand, zwischen Installationskunst, Videokunst und Bilderkunst. Das Ganze ist absurd, aber es ist einfach so. Beuys machte seine Ausstellung und die Amerikaner machten ihre Ausstellung mit den Werken aus der Sammlung Ströher, und in den drei Tagen Wechsel zwischen Auf- und Abbau dieser zwei Großprojekte wurden dann Palermo, Richter, Polke und meine Sachen gezeigt. Auf drei Tage reduziert! So behandelt zu werden, ist hart. Das habe ich dem Beuys nie verziehen, werde ihm das auch nicht verzeihen. Aber Werner sagte, natürlich Beuys entschuldigend: „Der hat vollständig recht, der darf das, der ist ein Künstler. Der ist einer wie du, du machst ja auch alle fertig neben dir, so ist es halt.“

Im Vorwort zum Düsseldorfer Katalog „Georg Baselitz, Gerhard Richter“ schreibt Harten 1981, die Ausstellung sei frei von „Gruppenchauvinismus“. Vgl. Jürgen Harten, „Zur Ausstellung“, in: „Georg Baselitz, Gerhard Richter“, Ausst.-Kat. Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf 1981, o. S. Wissen Sie, was er mit dem Begriff „Gruppenchauvinismus“ meinte?

Ja. Er meinte damit das, was wir selber nicht spürten, aber die anderen sehr wohl sehr stark spürten: dass von Michael ein Gruppenchauvinismus ausging. Michael duldete nichts neben seinen Künstlern. Und diese Künstler benahmen sich entsprechend, also Penck, Lüpertz, Kirkeby, Immendorff und ich. Auch Antonius Höckelmann war damals noch dabei. Wir wurden überhaupt nie gemocht, aber wir hatten eine ganz starke Position, weil wir in der Galerie Werner waren. Natürlich hatte die Galerie Zwirner oder Conny Fischer Konrad Fischer (1939 Düsseldorf – 1996 Düsseldorf) war ein deutscher Künstler und Galerist, der 1967 in der Düsseldorfer Altstadt eine Galerie eröffnete. Sein Programm umfasste frühe Vertreter der Minimal Art und der Konzeptkunst, darunter Carl Andre, Hanne Darboven, Bruce Nauman und Lawrence Weiner. Als „Konrad Lueg“ war Fischer vor Gründung seiner Galerie als Künstler tätig und stellte mehrfach mit seinem Künstlerkollegen Gerhard Richter aus. Die bekannteste künstlerische Aktion, an der Konrad Lueg beteiligt war, fand im Oktober 1963 im Düsseldorfer Möbelhaus Berges unter dem Titel „Leben mit Pop. Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ statt. eine viel bessere Position. Richter hatte sowieso immer eine bessere Position, weil Richter von Anfang an seine Bilder verkaufte – auch über Michael Werner. Da musste gar nicht gekämpft werden, da musste man gar nichts tun. Das ging von alleine, weil die Bilder so schön waren. Die waren immer angepasst. Es war immer angenehm, es gab nie ein Problem. Das muss man ja mal so sehen. Aber nun, schöne Bilder hat es ja immer gegeben. Und irgendwann redet dann niemand mehr darüber, das weiß man auch. Allerdings: Hässliche Bilder zu malen, um sich zu versichern, dass man später noch darüber redet, ist auch nicht der beste Weg. Das kann danebengehen. Das ist mit Gruppenchauvinismus gemeint. Harten war fest eingebunden in Düsseldorf und stand nicht unter Kölner, sondern unter Düsseldorfer Diktat. Richter war Hausherr oder Platzhirsch. Ich habe mich mit Richter eigentlich immer verstanden. Denn Richter hatte einfach die bessere Position und ich habe ihm nie etwas Böses gewollt. Er war nie unangenehm, sondern das komplette Gegenteil. Wir sind sehr freundlich auseinandergekommen, was man im Verhältnis zu Polke überhaupt nicht sagen kann. Er war immer ganz unangenehm und ist bis heute so geblieben. Das ist einfach ein unangenehmer Typ. Wenn ich beispielsweise Richter sehe, fange ich an, mit ihm sächsisch zu reden – um ihn zu hänseln. Und Richter macht mit. Polke ist dagegen beleidigt und sagt dann wirklich, er sei Schlesier und kein Sachse. Richter und ich, wir haben uns vor der Düsseldorfer Ausstellung zusammengesetzt und die Hängung gemacht, indem wir versucht haben, uns nicht auf die Füße zu treten. Das ist auch gelungen. Ich hatte damals den starken Eindruck, dass ich bei diesem Kräftemessen – und es war die Absicht, die Kräfte zu messen – der Stärkere war, dass ich gewonnen hatte. Weil Richter sich mehr zurückgezogen hatte. Er hatte zum Beispiel, was ich überhaupt nicht verstanden habe, diese merkwürdigen Spiegel aufgestellt. Er hatte wohl gedacht, im Spiegel sieht man die Bilder verkehrt herum – aber man sieht sie ja nur seitenverkehrt, wenn überhaupt. Das waren einfach blöde Geräte, die da herumstanden. Die richtige Ästhetik für diese Dinge hat er immer noch nicht entwickelt. Genauso hat er noch keine richtige Ästhetik für seine an einem Stahlträger aufgehängten komischen Gespensterbilder, diese Reichstagsfahnen und so weiter, entwickelt. Der Hintergrund ist so Sparkassen-ähnlich. Es gab dann noch einen ganz anderen Konflikt: Ich hatte eine Frau und Richter hatte eine Frau. Unser chauvinistischer Hintergrund war, dass ich ein Schloss hatte und Richter in einer Doppelhaushälfte lebte. Und Lüpertz, der gar nicht dabei war, fuhr Rolls-Royce und hatte die Hände voll Gold. Darüber gab es eine richtige Szene mit Heulerei – unvorstellbar.

In dieser Diskussion ging es nicht um die Kunst, sondern um Lebensformen.

Ja.

Bis heute wird in der Kunstkritik zwischen Ihnen und Richter polarisiert. So in der amerikanischen Publikation „Art Since 1900“, in der Benjamin Buchloh Benjamin H. D. Buchloh (* 1941 Köln) ist ein Kunsttheoretiker und seit 1990 Mitherausgeber des kunstkritischen Fachmagazins „October“. Anfang der 70er-Jahre war er Assistent in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln und gab die Kunstzeitschrift „Interfunktionen“ heraus. Buchloh lehrte von 1989 bis 1994 als außerordentlicher Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und war 1991 bis 1994 Direktor des Programms für kritische und kuratorische Studien (Whitney Independent Study Program) des Whitney Museum of American Art in New York. 2005 wurde er an die Harvard University in Cambridge berufen. Buchloh ist Mitherausgeber des kunsttheoretischen Überblickswerks „Art Since 1900. Modernism, Antimodernism, Postmodernism“ (2004) und veröffentlichte unter anderem „Formalism and Historicity. Models and Methods in Twentieth Century Art“ (2015) und „Neo-Avantgarde and Culture Industry. Essays on European and American Art from 1955 to 1975“ (2001). 2007 erhielt er den erstmals für ein herausragendes kunsthistorisches Werk vergebenen Goldenen Löwen der Biennale von Venedig. Buchloh gilt als enger Weggefährte Gerhard Richters. 2004 für Richter stimmt. Siehe dazu auch: „1988. Gerhard Richter paints ‚October 18, 1977‘: German artists contemplate the possibility of the renewal of history painting“, in: Yve-Alain Bois/Benjamin H. D. Buchloh/Hal Foster u. a. (Hg.), „Art Since 1900. Modernism, Antimodernism, Postmodernism“, London 2004, S. 612–616, hier S. 612 f. Werner Schmalenbach dagegen bezeichnet 1996 im „Kunstforum“ Richter als den Verlierer, den er als substanzlos abqualifiziert. Werner Schmalenbach (1920 Göttingen – 2010 Düsseldorf) leitete von 1955 bis 1962 die Kestnergesellschaft in Hannover und war von 1962 bis 1990 Direktor der neu gegründeten Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Er wirkte außerdem an zahlreichen internationalen Großausstellungen mit, darunter als Kommissar der Biennale von Venedig (1960) oder den Biennalen in São Paulo (1961, 1963, 1965). Von 1959 und 1964 war er im Arbeitsausschuss der documenta tätig. Schmalenbach zählt zu den wichtigsten Vermittlern der deutschen Gegenwartskunst nach 1945. Zu seiner Stellungnahme über die Kunst Gerhard Richters siehe auch: „‚Mein Gott, was mache ich mit Michelangelo, den ich so schwer ertrage?‘ – Heinz-Norbert Jocks und Werner Schmalenbach im Gespräch“, in: „Kunstforum International“, Bd. 133, 1996, S. 427–433, hier S. 431, 433.

Es gibt einfach Teetrinker und Schnapstrinker und ich zähle eindeutig zu den Schnapstrinkern. Buchloh ist ein Teetrinker, ein Magertyp. Ich kann damit nichts anfangen. Ich habe ihn meines Wissens in meinem Leben nie gesehen. Aber man weiß, dass er eine andere Ästhetik vertritt.

Es ist interessant, dass immer Richter und Sie als Symbolfiguren für die jeweilige Richtung stehen.

Das habe ich nie so mitgekriegt.

Ich möchte jetzt auch zeitlich noch mal einen Schritt zurückgehen. Sie waren 1972 auf der „documenta 5“ Unter dem Titel „Befragung der Realität – Bildwelten heute“ fand die von Harald Szeemann geleitete „documenta 5“ vom 30. Juni bis 08. Oktober 1972 in Kassel statt. Mit Schwerpunkten im Bereich der Performance- und Aktionskunst, der Konzeptkunst, des Fotorealismus und des Environments rückte die Ausstellung das Verhältnis zwischen künstlerischen und nicht-künstlerischen Bildwelten in den Mittelpunkt. Neben Joseph Beuys’ Büro „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ sorgten vor allem auch die Werke von Geisteskranken sowie die Arbeiten aus dem Feld der politischen Propaganda für anhaltende öffentliche Diskussionen. dabei. Man ging mit der Präsentation Ihrer Werke nicht gerade großzügig um. Werner schilderte, dass Dahlem sich bemühte, ein Bild von Ihnen in den Raum von Ben Vautier einzufügen.

Heute spricht niemand mehr über Ben Vautier. Das ist ja so ein richtiger Kitschmann geworden. Aber damals war er einer der wichtigsten Künstler mit einem der größten Räume.

Genau, er hatte einen Raum für sich, wohingegen Sie zusammengepfercht waren mit …

… mit den üblichen Verdächtigen. Polke und Penck waren dabei.

Der Auftritt Ihres Bilds in dem Vautier-Raum wurde von Szeemann offensichtlich nicht geduldet.

Ja, ich habe mich da nicht weiter drum gekümmert. Ich fand das prima, dass ich dabei war. Es gab ja diesen Untertitel oder Nebentitel – der hieß „private Mythologie“. Die Geisteskranken waren gleich bei mir um die Ecke – insofern war das in Ordnung. Und die documenta war erfolgreich.

Acht Jahre später, 1980 auf der Biennale von Venedig, haben Sie zusammen mit Anselm Kiefer den von Klaus Gallwitz Klaus Gallwitz (* 1930 Pillnitz) leitete von 1967 bis 1974 die Kunsthalle Baden-Baden und war von 1974 bis 1994 Direktor des Städel Museums in Frankfurt am Main. 1995 bis 2002 leitete er das Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems. Ab 2004 war er unter anderem Gründungsdirektor des Museums Frieder Burda in Baden-Baden und des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in Remagen. Zwischen 1976 und 1980 kuratierte Gallwitz dreimal den Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig, wo er Ausstellungen mit Joseph Beuys (1976), Jochen Gerz (1976), Reiner Ruthenbeck (1976), Dieter Krieg (1978), Ulrich Rückriem (1978), Georg Baselitz (1980) und Anselm Kiefer (1980) verantwortete. kuratierten Deutschen Pavillon bespielt.

Gallwitz zum Beispiel ist eine ganz wichtige, aber manchmal in seinen Entscheidungen etwas indifferente Person gewesen. Mal hat er sich getraut und dann wieder nicht. Das sind charakterliche Dinge. Sehr gut war seine Ausstellung in Baden-Baden, die „14 mal 14“ hieß. Zwischen 1968 und 1973 organisierte Klaus Gallwitz die Ausstellungsreihe „14 mal 14. Junge deutsche Künstler“ in der Kunsthalle Baden-Baden. 1968 war Georg Baselitz in der Ausstellung vertreten. 14 Künstler – 14 Tage. Da war ich dabei, später auch Kiefer. Für mich war das sehr gut und enorm wichtig. Die Ausstellung war wunderbar. Die Kunsthalle Baden-Baden war damals durch Gallwitz ganz aktiv – was dann Jahre später, nach Katharina Schmidt, überhaupt nicht mehr der Fall war. Baden-Baden war ein wichtiger Platz und hat auch ein sehr schönes Gebäude. In Venedig war Gallwitz der Kommissar. Er hat natürlich erwartet, dass ich als Maler Bilder aufhänge. Ich habe ja auch Bilder gemalt, aber ich fand diese Bilder dann nicht richtig. Ich habe sie wieder mitgenommen und fand die Skulptur, so falsch sie auch gewesen sein mag, einfach eine größere Herausforderung, von mir aus eine größere Provokation. Denn das Ding war so unglücklich geformt, als Skulptur so dilettantisch gemacht – aber das sollte so sein. Ich wollte ja nicht Beuys sein, der so hoch ästhetische Objekte macht, das fand ich alles idiotisch. Oder dann gab es einen, der dieses Pferd gebaut hatte, der hieß Getsch Gemeint ist Jochen Gerz (* 1940 Berlin), der 1976 zusammen mit Joseph Beuys und Reiner Ruthenbeck im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig ausstellte. Siehe auch: „Jochen Gerz. Die Schwierigkeiten des Zentaurs beim vom Pferd steigen“, hg. von Jochen Gerz/Hermann Kern, Ausst.-Kat. Kunstraum München, München 1976. oder so ähnlich. So ein trojanisches Pferd hat der da reingestellt. Und dann noch Ulrich Rückriem Ulrich Rückriem (* 1938 Düsseldorf) ist ein deutscher Künstler, der für seine gespaltenen Steinblöcke bekannt ist. Der gelernte Steinmetz arbeitete von 1959 bis 1961 an der Dombauhütte in Köln und studierte zeitgleich in der Klasse von Ludwig Gies an den Kölner Werkschulen. 1969 zeigte er seine minimalistischen Skulpturen erstmals in der Konrad Fischer Galerie in Düsseldorf. Ab 1970 war Rückriem in internationalen Ausstellungen vertreten, darunter 1978 auf der Biennale von Venedig sowie auf der documenta 5 (1972), 7 (1982), 8 (1987) und 9 (1992). Er war Professor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1974–1984), der Kunstakademie Düsseldorf (1984–1988) und der Städelschule in Frankfurt am Main (1988). – mir kam das Gähnen, als ich diese amerikanische Verbeugung sah, die Deutschland einfach als Provinz darstellt. Das ist heute schwierig zu definieren. Wir zählen ja gerade wieder Medaillen in Peking. Wurden gestern von England überholt, von Großbritannien. Aber immerhin, vierte Stelle, das ist gar nicht so schlecht. Diese Provinz-Idee kann man natürlich als Künstler nie akzeptieren, wenn man mit so großen Ansprüchen aufgetreten ist in der Vergangenheit. Und wir haben die höchsten Ansprüche gestellt oder gehabt. Oft sind mir irgendwo Leute begegnet, die bewundernd den Hut vor Deutschen gezogen hätten, wenn sie einen aufgehabt hätten. Man sagt: „Toll, kleines Volk und so stark und so groß und so weiter.“ Das sehen natürlich die Inneren hier ganz anders, da sie einen Demutsknick bekommen haben und leider gar nicht mehr sagen wollen, was sie sind. Sie geben sich jetzt lieber jüdische Vornamen – Sie kennen das.

Wie haben Sie sich der Aufgabe gestellt, als Sie wussten, Sie sind von Gallwitz eingeladen, den Pavillon in Venedig zu bespielen?

Der Pavillon ist ein hässlicher Pavillon. Ich bin kein Konzeptkünstler und wollte auch dort keiner sein. Ich habe vorher mit Anselm um die Räume geknobelt und ich wusste nicht, was Anselm machen würde. Wir waren damals befreundet. Ich dachte natürlich, Anselm macht etwas Riskantes. Ich war wirklich bitter enttäuscht, als Anselm die bekannten Dinge anbrachte, alles, was man kannte! Unter dem Titel „Verbrennen, verholzen, versenken, versanden“ zeigte Anselm Kiefer 1980 im Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig eine Werkserie mit Arbeiten aus den Jahren 1970 bis 1978. Dazu gehörten die Bilder „Deutschlands Geisteshelden“ (1973), „Parsifal“ (1973) sowie frühe Variationen von „Wege der Weltweisheit: die Hermannsschlacht“ (1977–1990). Das tut er aber bis heute. Das ist sein Weg, das ist sein Modell. Ich habe immer etwas riskiert. Ich habe sogar neue Sachen gemacht, die völlig untrainiert und ungeübt waren und dann auch oftmals in die Hose gingen. Ich dachte: „Dafür sind solche Ausstellungen wie eine Biennale oder eine documenta geeignet. Dort sollte das so sein.“ Und so verstehe ich das bis heute und ich werde auch keine Ruhe geben. Ich mache das einfach so. Anselm hat auch recht, aber ich habe vielleicht mehr recht.

Da sind wir wieder bei der Medaille, beim Messen.

In einer Medaillenreihe geht es nicht nach Alter, sondern nach Ruhm oder nach Potenz. Richter, Polke, Kiefer und ich: So ist die Reihenfolge. Aber dann geht’s weiter: Nach mir kommen dann wieder andere und das vergessen die Leute. Dass man die Reihe vielleicht glücklicher von hinten liest als von vorne.

Ich möchte noch einmal kurz auf die Skulptur kommen. Sie haben sich damals entschieden, für die Biennale Ihre erste Skulptur zu machen. Georg Baselitz, „Modell für eine Skulptur“, 1979/80. Es ist auffällig, dass sich die wernerschen Gruppenmitstreiter im Anschluss alle intensiv mit Skulptur befassten.

Bei allen solchen Sachen gibt es immer eine starke Beeinflussung. Als ich angefangen habe, habe ich es nicht hinter dem Bett hervorgezogen, sondern stand immer, wenn ich etwas gemacht habe, unter einem Einfluss. Diesen Einfluss zu meiden oder diesen Einfluss mal abzulegen, das ist wirklich eine schwierige Sache. Denn unter einem Einfluss arbeitet es sich einfach besser. Wenn man wie ein Wurm in den Kopf eines anderen schlüpft, ist man sicherer, man macht etwas Trainiertes. Dann interpretiert man, gibt seinen Teil dazu. Dass das nicht geht, das weiß man aus der Kunstgeschichte. Und das ist das schwierigste Problem.

In unserer Branche ist diese ungewöhnliche, blödsinnige Originalität üblich. Bei uns ist es so, dass jeder seine Biografie oder seinen Weg gehen muss, indem er etwas anderes tut als der andere. Er muss sich nicht bemühen, deutsch zu sein, sondern indem er deutsch ist, ist er deutsch. Er darf in seinen Kopf natürlich keinen Amerikaner reinlassen und er darf auch keinen Franzosen reinlassen und auch keinen Italiener. Wenn er das tut, verliert er viel. Das kann man wiederum in der Kunstgeschichte sehen. Man kann diese Zwitter sehr gut erkennen – etwa seit den Impressionisten. In der modernen Kunst ist deutlich zu sehen, wie der Hase läuft. Es gibt Schwerpunkte, wo was herkommt. Die Pop-Art ist amerikanisch und die Londoner Schule ist deutsche Migrantenkunst in London, dazu zählen Francis Bacon, Frank Auerbach, Lucian Freud und so weiter. Aber was nun deutsch war, das zu definieren, war nach dem Krieg schwierig. Es gab eine Karlsruher Schule, eine Düsseldorfer Schule – Reste davon – und eine Berliner Schule. Die Berliner Schule war der Realismus, das war Otto Nagel Otto Nagel (1894 Berlin – 1967 Berlin) war ein Künstler, der vor allem als Maler und Grafiker von Darstellungen aus dem Berliner Arbeitermilieu im Stil der Neuen Sachlichkeit der 1920er-Jahre bekannt ist und sich auch als Schriftsteller und Journalist politisch engagierte. Er war Teil der sozial und politisch engagierten Kunstszene um Käthe Kollwitz, Heinrich Zille, Ernst Busch, Hanns Eisler und Gustav von Wangenheim, mit denen er 1927 das „Rote Kabarett“ in Berlin gründete. Gemeinsam mit Zille leitete er von 1928 bis 1931 die satirische Zeitschrift „Eulenspiegel“. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Nagel mit einem Ausstellungsverbot belegt. Seine Bilder wurden als „entartet“ diffamiert und vernichtet. Nagel, der auch im antifaschistischen Widerstand kämpfte, wurde von 1936 bis 1937 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Nach dem Krieg lebte er in der DDR und war Mitbegründer der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin (1950) sowie von 1956 bis 1962 deren Präsident. Nagel wurde sowohl von der UdSSR als auch von der DDR mehrfach ausgezeichnet. . Und in Düsseldorf gab es Anton Räderscheidt Anton Räderscheidt (1892 Köln – 1970 Köln) war ein Maler und gehörte zu den Hauptvertretern der Neuen Sachlichkeit. Er studierte an der Kunstgewerbeschule Köln sowie an der Kunstakademie Düsseldorf (1910–1914). In den 1920er-Jahren gehörte er mit Max Ernst, Hans Arp, Heinrich Hoerle und anderen zur avantgardistischen Kunstszene Kölns. Räderscheidt war in den Ausstellungen „Gesellschaft der Künste“ (1919), „Neue Sachlichkeit“ (1925) und der Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds (1929) vertreten und gehörte der Gruppe progressiver Künstler (1925) an. Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg 1915 bis 1917 floh er 1936 mit seiner jüdischen Lebensgefährtin Ilse Metzger-Salberg vor dem NS-Regime nach Frankreich. Räderscheidt wurde nach der Besetzung Frankreichs zusammen mit seiner Familie mehrfach interniert, der Sohn seiner Lebensgefährtin 1945 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Von 1943 bis 1945 lebte er in privater Haft im Hotel Bären in Münchenbuchsee (Schweiz) und kehrte erst 1949 nach Köln zurück. und so merkwürdige Dinge. In Karlsruhe gab es neben Hans Purrmann eigentlich niemanden, das war das Karlsruher Zentrum. In München gab es nichts, das war ja Heimatmalerei. Von Kandinsky oder Blauem Reiter war nichts mehr zu spüren nach dem Krieg. Und dann setzte, zunächst überall gleichzeitig, die École de Paris ein. Am vordergründigsten in Düsseldorf oder dem Rheinland, in Berlin dann schon etwas schwerfälliger. Und dann natürlich die zweite Welle: die Pop-Art. Ganz breit. Heute ist es die Installationskunst, würde ich sagen.

Damals gab es diese enge Gruppe in der Galerie Werner – dabei haben wir ja kaum miteinander gesprochen. Wir haben keine Konferenzen abgehalten. Nur ein- oder zweimal haben wir den Versuch gemacht, einen Parteitag zu veranstalten. Das war aber völliger Blödsinn. Das ging völlig daneben, denn jeder wollte der Beste sein.

Wie ist „Krater und Wolke“ Unter dem Titel „Krater und Wolke“ brachte die Galerie Michael Werner zwischen 1982 und 1990 sechs als Editionen konzipierte Hefte heraus, die grafische Arbeiten unter anderen von Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck enthielten. in diesem Kontext zu sehen?

Das war Penck. Das war ein wirklich gutes Ergebnis. Aber ohne jegliche Resonanz. Die Nummern, die einzelnen Hefte, sind wunderbar. Die Bücher und Kataloge sind überhaupt sehr gut gemacht gewesen.

Nach außen hat dieses Projekt „Krater und Wolke“ ein ganz starkes Miteinander vermittelt.

Ja gut. Immer wenn es einen Auftritt gab, war das so. Unsere ersten Auftritte waren in Holland und in Basel und erst danach ab und an in Paris – da spielte Paris allerdings schon gar keine Rolle mehr. Paris hatte keinen Widerstand mehr und keine eigene Kunst – wohl aber Holland. Es gab De-Stijl-Nachfolger, ein bisschen Amerika und ein bisschen Sozialkrams. Die fuhren ja schon Rad und kifften. Die Holländer waren ganz anders situiert. Die gingen alle in die Kirche zum Kiffen. Es gab von der Bevölkerung überhaupt keinen gesellschaftlichen Widerstand, denn jeder durfte alles machen. Aber es gab gegen das, was wir machten, einen enorm starken Widerstand. Da wurden wir als Deutsche und als Expressionisten beschimpft. Expressionismus war ein richtiges Schimpfwort, auf uns bezogen. Da sagte Markus Lüpertz irgendwann: „Wir sind die Neger Europas.“ Was durchaus stimmte. Die Künstler, die man unbedingt verachten musste, waren wir.

Wurde der Expressionismus verurteilt, weil er als regressiv angesehen wurde? Oder worin lag der Grund?

Ich zum Beispiel kannte den Expressionismus nicht. Ich schwöre es: Ich kannte ihn nicht. Ich habe Edvard Munch früher gesehen als Ernst Ludwig Kirchner. Es gab einen Flirt der Nazis mit Munch. Munch hat nicht reagiert, aber die Nazis haben geflirtet, haben Signale gesendet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Vater, der als Lehrer ein gebildeter Mann war, mal einen Munch-Kalender auf dem Schreibtisch liegen hatte. Das habe ich gesehen. Meine ersten Zeichnungen sind Munch-Adaptionen – Kirchner eben nicht. Nachdem man beschimpft wurde oder dem Vorwurf ausgesetzt war, dies und jenes zu sein, habe ich mir in Karlsruhe – als ich schon Professor war – wirklich einmal Emil Nolde und Kirchner angeguckt. Ich bin ins Karlsruher Museum gegangen und dachte: „Ist ja wahnsinnig, was die gemacht haben, ist ja verrückt. Das sind ja Figuren ohne Knochen und Haut, und einige sind völlig verrenkt, grimassiert, was ist denn das? Das ist ja Irrenzeug, wenn man das mal so anschaut, wenn man über das Orange und das schöne Grün und Blau wegguckt. Und diese grobporige Leinwand, wenn man da hinguckt, was die da verunstaltet oder veranstaltet haben!“ Seit diesem Museumsbesuch, das muss so 78, 79 oder 80 gewesen sein, habe ich mich mit den Expressionisten auseinandergesetzt. Ich habe dann solche Bilder gemalt wie „Brückechor“ Georg Baselitz, „Der Brückechor“, 1983. , „Nachtessen in Dresden“ Georg Baselitz, „Nachtessen in Dresden“, 1983. und Munch-Adaptionen und dergleichen, aber erst dann. Das Grundproblem bei mir war, dass ich Weltanschauungen, Ideologien, Religionen wirklich nicht nur abgelehnt, sondern gehasst habe. Seit ich aus der DDR kam, habe ich immer versucht, das zu vermeiden und immer denjenigen, der es ausgeübt hat, gehasst. Gehasst, wenn man Einfluss nehmen wollte auf meinen Kopf, wenn mir einer gesagt hat: Das ist der Weg und es gibt keinen anderen, es gibt nur diesen, zum Frieden, zur Weltgesundheit, zur Arbeit für alle. Oder all diese wohltätigen Programme. Die sind ja immer positiv begründet. Jede Religion ist positiv begründet und alle Philosophien sind positiv begründet. Die wollen immer das Beste, aber verursachen ja nichts als ein riesiges Unglück, wenn man ihnen wirklich folgt. Das betrifft die Religion und das betrifft die Weltanschauung genauso. Am meisten die Gruppen, die es verfechten. Die sogenannten „Sektierer“ oder die „Gläubigen“ oder die „Adepten“ oder wie man sie nennt, die „Jünger“ und so weiter. Seitdem ich dahintergekommen bin, was das ist, hat mich das immer abgestoßen. Ich hasse zum Beispiel im Expressionismus den kommunistischen Hintergrund, den kultischen Hintergrund, den Tanz, die Freikörperkultur. Das finde ich alles schrecklich und deswegen habe ich auch die Malerei nicht gemocht. Ich habe nie eingesehen, warum aus diesem oder jenem Grund eine Kuh jetzt blau sein muss. Die Skulpturen von Kirchner finde ich toll. Aber ich finde sie toll, weil ich inzwischen Kamerun-Skulpturen kenne. Das ist eine Adaption von Kamerun. Auch für Picasso-Skulpturen gibt es Modelle, an die er sich hielt. Die Skulptur Nummer 1, Pablo Picasso, „Figure (1)“, 1907. dieses plumpe Holzding von Picasso, hatte ich mir übrigens ausgeliehen, die wurde von Paris mit Polizeieskorte nach Bordeaux gefahren – zu meiner Skulpturenausstellung 1983 „Georg Baselitz. Sculpture Retrospective“, Musée d’art contemporain, Bordeaux, 1983. .

Weil Sie das Weltanschauliche gerade angesprochen haben: Die großen Ausstellungen in den 80er-Jahren – „Westkunst“, „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. „Zeitgeist“, „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 16. Oktober 1982 – 16. Januar 1983. „von hier aus“, „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“, Halle 13 der Messe Düsseldorf, 29. September – 02. Dezember 1984. „Bilderstreit“ „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“, Museum Ludwig in den Rheinhallen, Köln, 08. April – 28. Juni 1989. – hatten den Anspruch, eine Gesamtentwicklung der Kunst der westlichen Welt zu zeigen. Haben diese Ausstellungen den Anspruch für Sie erfüllt oder finden Sie das überhaupt einen erfüllbaren Anspruch, den damals Kuratoren formuliert haben?

Nein. Heute gibt es ja solche Ausstellungen leider nicht mehr. Das Wichtigste war, dass man dabei sein musste. Wenn man nicht dabei war, hatte man verloren. Egal wie, man musste alle möglichen Verbeugungen, Anstrengungen machen. Werner musste das im Wesentlichen tun. Er hat auch versucht, Freunde zu finden, die kunstpolitisch Macht hatten – Museumsleute, Kuratoren. Im Ergebnis hat dann Jürgen Harten zum Beispiel Siegfried Gohr Siegfried Gohr (* 1949 Aachen) ist ein deutscher Kunsthistoriker und Kurator, der von 1977 bis 1985 die Kunsthalle Köln und anschließend bis 1991 das Kölner Museum Ludwig leitete. Gohr gilt als wichtiger Vermittler des künstlerischen Werks von Georg Baselitz, Per Kirkeby und Markus Lüpertz. keine freie Meinung mehr zugetraut, denn er schien von der Galerie gekauft – was wirklich gar nicht stimmt. Siegfried Gohr hat etwa meine erste Ausstellung in der Kunsthalle Köln gemacht, „Georg Baselitz“, Kunsthalle Köln, 1979. die er damals leitete. Das war für mich ein Wunder, das war für alle ein Wunder. Gohr hatte meine Arbeiten gesehen, fand das toll und hat sie ausgestellt. Zum Anspruch dieser Großausstellungen: Wenn es national begründet war, dann hieß es deutsche Kunst von/bis; wenn es Westkunst hieß, dann war es eben Westkunst und nicht Ostkunst – denn es gab keine Ostkunst, sondern eben nur Westkunst. Multikulti gab es damals auch nicht, das hat sich inzwischen auch schon wieder erledigt. Diese Etiketten waren schon in Ordnung. „Bilderstreit“ zum Beispiel wurde ja wirklich ein Bilderstreit. Es wurde vor allen Dingen auch ein Personenstreit und damit brach ja Köln zusammen, das Rheinland war erledigt. Weil Zwirner meinte, Werner dominiere. Dann haben wir mal gezählt: Zwirner dominierte die Zahl der Bilder gegenüber Werner. Das waren alles solche propagandistischen, aufgebauschten Dinge. Man merkte, welche Nervosität hinter dem Ganzen stand. Ich habe mich gefragt: „Warum gibt es heute diese Ausstellungen nicht mehr? Warum gibt es nicht mehr Ausstellungen mit junger Malerei?“ Ich glaube, es ist gar eine Zeitfrage. Wir hatten ja damals volle Ateliers. Heute hat niemand mehr ein volles Atelier. Die Arbeiten sind ja alle nach einem oder zwei Jahren weg. Vielleicht ist das der Grund: Es geht zu schnell. Das ist etwas, was ich wirklich vermisse. Denn unter anderem haben solche Ausstellungen auch riesigen Spaß gemacht. Wenn man sich traf und plötzlich alle diese schrägen Vögel sah. Ich kann mich noch erinnern: In Deutschland war damals ein Designer aus dem Rheinland berühmt, Charles Wilp. Charles Paul Wilp (1932 Witten – 2005 Düsseldorf) war ein Werbefachmann und Fotograf. International bekannt wurde er vor allem mit seiner Werbekampagne für die Marke Afri-Cola aus dem Jahr 1968. Der hatte immer einen weißen Overall an. Er machte Fotos, zum Beispiel die Beuys-Serie auf den Malediven, wo Beuys in den Sand zeichnete. Er begleitete Beuys, weil er ein wichtiger Mann war. Es wurde ja immer versucht, die Sache auszudehnen. Wie zum Beispiel jetzt bei Anselm Kiefer, der den Friedenspreis bekommen hat. Im Jahr 2008 wurde Anselm Kiefer mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Ich warte immer auf einen Nobelpreis, aber den kann ich gar nicht bekommen, weil ich zu wenig geschrieben habe. Ich kann ihn nur für Literatur bekommen, was anderes geht ja nicht.

Vielleicht den Friedensnobelpreis?

Niemals. Ich bin kein friedliebender Mensch. Ich bin viel zu harsch, habe immer eine andere Meinung.

Ich möchte gerne noch einmal auf die Ausstellungen in den 80er-Jahren zu sprechen kommen. Sie sagten, es habe Spaß gemacht, sich zu treffen.

Es waren immer ganz wichtige und echte Auseinandersetzungen in diesen Begegnungen, die stattfanden. Im Hintergrund die Kunst oder im Vordergrund die Kunst. Da gab es auf einer documenta den „Phallus“ von Christo, diesen Ballon. Christo und Jeanne-Claude, „5,600 Cubicmeter Package“, 1967/68. Das Projekt wurde für die „documenta 4“ realisiert. Das war damals das Symbol der documenta. Das Ding kriegte man aber irgendwie nicht mit der Luft zum Stehen. Heute denkt doch niemand mehr an diesen blöden Luftballon. Dann gab es Franz Erhard Walther, der auf der Wiese seine Übung machte. Franz Erhard Walther, „1. Werksatz“, 1963–1969. Auf der „documenta 5“ führte Franz Erhard Walther Demonstrationen zu allen 58 Elementen seines „1. Werksatzes“ durch. Mehrere Leute mussten in irgendeine Ecke von einem großen Filz- oder Betttuch oder was auch immer reinschlupfen und dann tänzerisch meditieren. Dann gab es diese Musik von La Monte Young. La Monte Young und Marian Zazeela, „Dream House“, 1972. Die Installation war Teil der Sektion „Individuelle Mythologien“ auf der „documenta 5“. Alle hockten auf dem Boden und es wurde „Mmmmh“ gemacht – gesummt, buddhistisch irgendwie. Es waren wirklich absurde Sachen. Niemand gab sich zufrieden oder wollte ein Bildchen an der Wand haben, so wie ich das liebe, sondern alle hatten eine bessere, eine visionärere Welt, an der sie teilnahmen. Was ist daraus geworden? Die meisten sind einfach alt geworden und gestorben, niemand redet mehr davon.

Es kann natürlich sein, dass die Ateliers leer gekauft sind. Es kann aber doch auch sein, dass heute ein derartiger Ausstellungsbetrieb am Laufen ist, dass ein Sich-Einlassen auf eine einzige Ausstellung, das heißt die Zeit, die Hingabe, die Liebe, die Improvisationsfreude vielleicht in diesem Maße gar nicht mehr da sind.

Und es gibt noch etwas anderes. Was es damals noch nicht gab und was heute wirklich dominiert: der Markt. Sie können heute Kunst nirgendwo besser sehen, stiller betrachten, eindringlicher betrachten als in den Auktionsvorbesichtigungen in New York. Dort sehen Sie wunderbare Sachen, alles, was es gibt. Wenn Sie zu einer documenta gehen, sehen Sie gar keine Kunst mehr. Da sehen Sie nur noch Publikum, das mit irgendetwas beruhigt wird, was mit Kunst nichts zu tun hat. Sozialprogramme, sage ich jetzt mal – und das ist der Unterschied. Das ist in andere Hände, in andere Köpfe gekommen. Ein Bild, das sehr teuer ist, wie ein Bild von Richter, muss ja keinen Unterhaltungswert haben, außer man inszeniert, erfindet eine Geschichte dazu. Richter hat oft Stoff für solche Geschichten, indem er Baader-Meinhof gemalt hat oder seine Tante Frieda oder den Onkel Soundso. Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Aber auf der documenta ist ja jeder Grashalm mit einer Ideologie, mit einer Geschichte versehen, die erzählt wird, die interpretiert wird, wo Leute die Ohren spitzen, die auch weitergegeben wird. Meine Frau hat mir das gesagt. Sie hat auf einer documenta – zu einem Zeitpunkt, wo ich schon lange nicht mehr hingegangen bin – am Bahngleis gestanden, wo ihr das Besäen oder das Pflanzenzeug vorgeführt wurde oder die Schweine von Rosemarie Trockel. Auf der „documenta 10“ (1997) zeigten Rosemarie Trockel und Carsten Höller die Arbeit „Haus für Schweine und Menschen“. 100 Tage lang konnten die Besucher von der einen Haushälfte aus einen Eber, zwei Säue und ihre Ferkel durch eine Glasscheibe beobachten. Ich denke mal, das ist einfach weg von uns. Vollständig abgespalten. Und das zum Beispiel sieht man nie in Auktionen. Das kommt da nicht vor.

Sie haben vorher im Zusammenhang mit der westdeutschen Kunst die ostdeutsche Kunst angesprochen. Wie haben Sie die ostdeutsche Kunst nach Ihrem Weggang aus Ostdeutschland oder aus Berlin weiter beobachtet?

Meine Eltern hatten die „Bildende Kunst“ abonniert, das war die offizielle Kunstzeitschrift in der DDR. Und die haben sie mir monatlich geschickt. Darin habe ich Willi Sittes Willi Sitte (1921 Kratzau, Tschechoslowakei, heute Tschechische Republik – 2013 Halle an der Saale) war ein Maler und Grafiker. Bekannt ist er vor allem für seine figurative Malerei. 1947 trat er der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Zwischen 1974 und 1988 war er Präsident des Verbands Bildender Künstler (VBK) der DDR. Sitte zählt zu den einflussreichsten Vertretern des Sozialistischen Realismus. Aufsätze gelesen – Sitte war Vorsitzender des Verbands. Ich habe immer die Bilder gesehen, die die gemalt haben, und irgendwann habe ich den ganzen Schwachsinn überhaupt nicht mehr verstanden, das war mir zu unästhetisch. Diese Hefte waren nicht mal mehr für die Toilette ausreichend. Wenn man die Leute sieht, sind sie so altbacken und inhaltlich so dämlich – man kann nichts mehr dazu sagen. Bitterfelder Weg Der Begriff „Bitterfelder Weg“ bezeichnet ein Programm der sozialistischen Kulturpolitik, das ab 1959 in der DDR verfolgt wurde. Dieses zielte auf ein Kulturverständnis ab, in dem nicht länger zwischen Laienkunst und professioneller Kunst unterschieden werden sollte. Als exemplarisch für diese ideologische Programmatik galten die jährlich stattfindenden Arbeiterfestspiele. Siehe auch: Manuela Bonnke, „Kunst in Produktion. Bildende Kunst und volkseigene Produktion in der SBZ/DDR“, Köln/Wien 2007, S. 189 ff. und solche Programme und die Bilder immer dazu. Es ist ja tatsächlich eine formale Armut entstanden. Wenn man jemanden, der so hochbegabt und auch so irrsinnig intensiv ist wie Penck, in keiner Weise zulässt, sondern vollständig ausschließt: Was soll denn dann sein? Wo soll denn dann etwas stattfinden? Und man hat ja nicht nur Penck, sondern auch viele andere einfach ausgeschlossen. In Deutschland gab es zum Glück nur ein kleines Mäuerchen, sodass Penck im Westen seine Sachen verkaufte. Irgendwann wurde er selber freigekauft. Das, was drüben war, betrifft ja nicht nur die Kunst, das kann man sich gar nicht vorstellen, das betraf jedes Studium. Sie konnten nicht Medizin oder Naturwissenschaften studieren oder einen Abschluss zum Ingenieur machen ohne ideologische Bekenntnisse. Sie mussten auf der Linie sein, und das mussten Sie sagen und das mussten Sie beweisen. Das konnten Sie nicht nur einfach daherplappern, sondern Sie mussten es belegen. Und das wurde wirklich sehr streng kontrolliert. Das Ventil, das dann gestopft wurde – die Mauer –, hat dazu geführt, dass eine vollständige Verarmung eintrat. Und neben der Verarmung auch eine Verblödung. Es gab zum Glück für fast die ganze DDR, Sachsen ausgenommen, das Westfernsehen. Die Dresdener konnten es nicht sehen, deswegen sind sie noch blöder als der Rest der Welt – bis heute. Sie haben es immer noch nicht aufgeholt. Dieses Fernsehen ist, denke ich, in dem Verhindern von Diktaturen letztlich das wichtigste Instrument. Ich denke, dass das wirklich funktioniert. Denn die Bevölkerung lässt sich nicht für blöd verkaufen, sondern sie hat einfach das Bedürfnis, etwas anderes zu sehen. So dreht man an den Knöpfen, sieht etwas und fragt dann: „Wieso? Was haben wir hier für ein Auto?“ Wenn man mit dieser Generation spricht, zum Beispiel mit Ingo Schulze, Ingo Schulze (* 1962 Dresden) ist ein Schriftsteller und Essayist. Bekannt wurde er mit seinem Roman „Simple Storys“ (1998), in dem das Leben in der ostdeutschen Provinz nach der Wiedervereinigung Thema ist. 2007 erhielt Schulze den Thüringer Literaturpreis. dann spürt man etwas, was wirklich irritiert: null Aggression. Die haben keine Aggression. Ich habe eine Wahnsinnsaggression. Ich könnte die heute noch ermurksen. Ich hasse das Ganze, ich finde es so schändlich, was sie gemacht haben. Aber die haben überhaupt kein Problem damit. Wir waren ja als „Nach-Beuys-Generation“, so nenne ich das jetzt mal, keine Täter, wir waren aber auch keine Opfer. Wir hatten etwas, wir waren vollständig unschuldig, zählten trotzdem zu den Tätern und konnten uns gar nicht verteidigen, weil wir gar nicht wussten, was man tun muss, um Täter zu sein. Wir hatten keine Ahnung, wie man Täter wird. Wir waren frei von jedem Gedanken daran, wir mussten das nicht entscheiden, denn wir waren einfach die Kinder. Joseph hat nie darüber geredet – denn er war ja Täter. Er hat darüber geredet, dass die Tartaren ihn in Filz eingewickelt hatten, so was hat er erzählt. Aber dass er dahin geflogen ist und die Leute dort erst einmal totgeschossen hat, darüber hat er nie ein Wort verloren. Es gibt inzwischen eine ganze Menge Biografien, in denen nichts darüber steht, null. Und das ist doch verwunderlich. Bei meinem Vater war das anders. Wenn der auf Urlaub war, gab es die SA-Mütze, Pistolen: Er war Nazi. Er saß ja auch eine Zeit lang im Gefängnis, bis er von einem Dorfsäufer befreit wurde. Denn er selbst hatte den Dorfsäufer bei den Nazis aus dem Gefängnis befreit. Das war so ein Don-Camillo-und-Peppone-Spiel. Aber die nachfolgende Generation war vollständig frei von diesem Stoff, von diesem Lebensgefühl, von diesem Inhalt. Und ich weiß nicht, ob das richtig ist oder falsch: Es ist einfach so. Sie sind auch nicht amerikanisch, denn die Bilder, die sie machen, sehen überhaupt nicht amerikanisch aus, ganz im Gegenteil.

Sie schildern jetzt die Situation des Künstlers im Westen. Im Osten, sagen Sie, ist die Situation eine andere?

Fast alle erfolgreichen Künstler sind ja inzwischen aus dem Osten. Das sind die Leute, die bei meinem Sohn Daniel Blau (* 1962 West-Berlin), der Sohn von Georg Baselitz, eröffnete 1990 eine Galerie in München. In der Galerie vertreten sind unter anderen Christa Dichgans, Anselm Kiefer, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck. ausstellen. Sie machen sich vielleicht lustig über das Ganze, das kann sein. Dieses Schwarz-Weiß-Denken, dieses Schwarz-Weiß-Bild, dieses von der Ideologie geprägte Bild, gut und schlecht, Friedensmensch und Kriegsmensch, Kapitalist und Idealist, Kommunist und so weiter – das lehne ich zwar ab, aber ich habe es ja. Ich bin es ja gewesen. Ich bin ein ausgesprochener Schwarz-Weiß-Mensch. Ich kann zum Beispiel einem Gerhard Schröder – oder einem anderen Parteimenschen von der SPD – nicht glauben, obwohl sie völlig harmlos sind. Die SPD und die CDU sind in ihrem ideologischen Denken gar nicht so weit auseinander, wenn sie überhaupt noch ideologisch denken. Aber ich kann das nicht. Wenn einer „Genosse“ zum anderen sagt … Nein, „du Genosse“, das geht nicht …

„Genosse Penck“ hat in Ostdeutschland gelebt, als Sie ihn kennengelernt haben. Sie waren damals selbst noch in Ostdeutschland?

Ganz kurz, ja.

Und hat er Ihnen über die nichtoffizielle Kunst in der DDR irgendwie einen Kanal an Informationen geöffnet, sodass auch Sie mitgekriegt haben, was in einer anderen Szene in Ostdeutschland passierte?

Ich hab’s vorher versucht, aber es kommt offensichtlich nicht so richtig an. Ich komme aus einer kleinen Stadt. Und mein Versuch, mich zu bilden, fand in der Volkshochschule statt. Da ging man abends hin und zeichnete und malte unter Anleitung eines Künstlers. Meiner machte so eine Art stark kohlekonturierten Expressionismus, gegenständlich. Das war okay. Ich habe ihn sehr bewundert, aber das war natürlich bei Weitem viel schlichter als das, was in Dresden stattfand. Meine Frau, Penck und Peter Graf Peter Graf (* 1937 Crimmitschau) ist ein Maler, der 1956 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee studierte und im Jahr darauf wie Baselitz zwangsexmatrikuliert wurde. Um der Zensur der DDR zu entgehen, war er bis 1985 nicht offiziell als Künstler tätig. , die gingen auch zu einem Kurs. Der war in der Kunstakademie in Dresden, ein Abendkurs der Volkshochschule. Der Lehrer malte schon abstrakt oder wusste zumindest, was das ist. Entsprechend waren die viel aufgeschlossener, viel mehr informiert, gebildeter, begabter. Penck fing ja als Wunderkind an, wurde von seiner Mutter gefördert und musste nie arbeiten gehen. Das waren also ganz andere Voraussetzungen. Bei mir gab es zu Hause immer nur Quälerei, dass man ja was Anständiges wird. Und als ich sie dann in Ostberlin das erste Mal traf, waren die mir natürlich weit voraus. Mein Freund Peter Graf zeichnete wie Henry Moore Henry Moore (1898 Castleford – 1986 Much Hadham) war ein englischer Bildhauer, der über die Abstraktion des menschlichen Körpers arbeitete. Er gilt als wichtiger Wegbereiter der abstrakten Skulptur. , nur ohne Gegenstände – das waren Gedärme oder so was. So etwas hatte ich vorher nie gesehen, ich fand das großartig. Penck machte freihändig jeden Picasso, den Sie wollten, und nebenbei auch Rembrandt. Das war unglaublich, wie er jemanden, der gegenübersaß, sofort erfassen konnte und eine sehr gute Zeichnung machen konnte. Ich habe gestümpert, ich habe dilettiert, ich war unmöglich und fühlte mich unmöglich. Die haben mir sehr, sehr viel gegeben, ohne das zu wollen. Ich hab’s mir genommen, ganz einfach. Und meine ersten Zeichnungen, die ich gemacht habe, die waren ebenso wie die Pencks oder Peter Grafs zwischen Picasso und irgendetwas anderem Westlichen. Wir haben uns gegenseitig gezeichnet, bis ich nach zwei, drei Jahren merkte, dass mit mir etwas anderes stattfindet. Bis ich kritisch oder mir bewusst wurde – oder wie man das nennt. Bis ich einfach wach wurde, ausgeschlafen hatte. Ich habe sie dann immer noch bewundert, aber nicht mehr nachgemacht, sondern meine eigenen Sachen angefangen. Nachdem ich und Peter Graf aus der Schule rausgeflogen waren, bewarb sich Penck ja – das war für ihn biografisch wichtig – in Berlin an derselben Schule. Die haben ihn nicht genommen, weil sie gesagt haben: „Wir haben gerade zwei deiner Art rausgeschmissen.“ Meine Frau hat sich auch beworben, wurde aber sofort abgelehnt mit der Begründung: „Ne, ne, das ist dasselbe Nest, aus dem ihr kommt, wir wollen euch nicht.“ Natürlich war es in der Gesellschaft, in der man war, in der Abhängigkeit von den Eltern, ganz schlecht. Aber es blieb ja der Weg in den Westen.

Meine Frage zielte darauf ab, ob Sie, als Sie schon im Westen waren, durch den Kontakt zu Penck, der ja noch bis 1980 im Osten war, mitbekommen haben, was in der ostdeutschen, inoffiziellen Szene los war?

Es gab keine Szene. Penck hatte einen Zirkel. Die Leute kannte ich und die malten gemeinsam. Die hatten Malprogramme, waren alle Kommunisten und wollten das Beste. Das war alles in Ordnung. Ich habe das, als ich schon im Westen war, sehr kritisch gesehen und überhaupt nicht mehr toleriert.

Was haben Sie daran nicht mehr toleriert?

Ihre grundsätzliche Einstellung. Ich war mit dem Kommunismus fertig. Die nicht. Die hatten immer noch das westliche Feindbild: Der Westen war der Feind. Das darf man nicht vergessen. Die standen ja mit Gewehren und mit Panzern da. Das konnte man nicht verstehen. Zum Beispiel hat Per Kirkeby mir erzählt, dass er zu den Weltjugendfestspielen als dänischer Kommunist in Ost-Berlin war. Gut, als Däne konnte man Kommunist sein. Die waren ja während der Nazizeit neutral gewesen, das war in Ordnung. Außerdem: Was war denn Asger Jorn anderes als ein Kommunist? Aber ein freier Kommunist. Es gab in der DDR nur Offizielles. Einen Künstler, der eine Landschaft oder einen Arbeiter beim Essen malt, können Sie nicht unbedingt auch zu einem DDR-Künstler machen. Der kann trotzdem ein ehrlicher Mensch sein. Künstler sind ja oftmals sehr einfach. Er kann auch eine gute Tradition haben, die Tradition mag dann von mir aus auch über Käthe Kollwitz, über Curt Querner und Otto Dix gehen. Aber die meisten, die da waren, waren einfach schlechte Künstler. Sie haben ihre politische Situation ausgenutzt, um andere zu demütigen oder zu unterdrücken. Nicht indem sie gute Bilder, sondern indem sie schlechte Bilder gemalt haben und schlechte Menschen waren. Das war doch das Wesentliche. Penck zum Beispiel ist zu Querner gegangen, der ja nun eine andere Generation war (in der Dix-Nachfolge nie sehr originell). Er war ein ruppiger Typ und hatte entsprechend große Probleme in der DDR. Penck hat ihn immerhin besucht. Davon gibt es noch ein Foto.

Ich springe jetzt noch einmal in die 80er-Jahre. Der Start in Amerika: Sie sagten, es fing bei Ihnen mit Xavier Fourcade und Ileana Sonnabend an. Was war für Sie dieses erste Zeigen Ihrer Kunst, eines deutschen Künstlers, in Amerika?

Erst mal spreche ich kein Englisch. Mein erster Besuch in Amerika 1975 war anlässlich der Biennale von São Paulo. Damals haben wir in New York Station gemacht. Ich hatte dort eine Galerie, Heiner Friedrich. Und die Biennale verschob sich, als wir in New York waren. Wir haben beschlossen, nicht nach São Paulo zu reisen, sondern 14 Tage oder 3 Wochen in New York zu bleiben. Das war eine Zeit, in der mehrere deutsche Galerien dort aufmachten. Heiner, René Block und andere. Und Kasper König Kasper König (* 1943 Mettingen) ist ein Kurator und Museumsdirektor. Nach einem Volontariat in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln lebte er ab 1965 in New York. Von 1973 bis 1975 arbeitete er als Dozent am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax, Kanada und gründete 1977 mit dem Kunsthistoriker Klaus Bußmann die Skulptur-Projekte in Münster. König war zwischen 1984 und 1988 Professor für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Düsseldorf sowie 1989 bis 2000 Rektor der Städelschule in Frankfurt am Main. Im Jahr 2000 wurde er zum Direktor des Museums Ludwig in Köln berufen, das er bis 2012 leitete. Er verantwortete zahlreiche Großausstellungen, darunter „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“ (1981), „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“ (1984), die Skulptur-Projekte in Münster (1977, 1987, 1997, 2007, 2017) sowie die „Manifesta 10“ (2014) in St. Petersburg. König gilt als wichtiger Vermittler des Werks von Donald Judd, On Kawara, Claes Oldenburg, Gerhard Richter und Franz Erhard Walther. war da. Wir haben bei Kasper König gewohnt, nachdem Walter De Maria Walter De Maria (1935 Albany, Kalifornien – 2013 Los Angeles) zählt zu den wichtigsten Vertretern der Land-Art. Zu seinen bekanntesten Installationen gehören die Arbeiten „Mile Long Drawing“ (Mojave-Wüste, 1968) und „The Lightning Field“ (Catron County, New Mexico, 1977). Ab 1968 stellte De Maria regelmäßig in der Galerie Heiner Friedrich in München, Köln und New York aus. Durch die Unterstützung der Dia Art Foundation wurde die Zusammenarbeit zwischen De Maria und Friedrich auch nach der Schließung der Friedrich Gallery im Jahr 1979 weiter fortgeführt. uns in der Wohnung bei Heiner Friedrich in der Galerie den Fernseher herausgenommen hatte, weil er meinte, wir bräuchten keinen … Das war unglaublich. Wir sind ausgezogen, böse, beleidigt. Das war auch so ein besserer Künstler.

Damals bin ich mit Kasper zur Castelli Gallery gegangen. Da war eine Ausstellung von Rauschenbergs Seidentüchern. „Robert Rauschenberg. Bones & Unions (Graphics)“, Leo Castelli Gallery, New York, 01.–15. November 1975. Diese bedruckten Dinger, die so flatterten, mochte ich gar nicht. Ich bin ein großer Rauschenberg-Fan, aber diese Sachen fand ich, finde ich heute noch, nicht die besten von ihm. Da sagte der Castelli, er sei gespannt auf meine Ausstellung bei Heiner. Das allerdings zynisch. Da dachte ich: „Was ist das? Was gibt es hier in der Stadt für ein Gerücht?“ Blinky Palermo war zu der Zeit auch da. Der hatte sich dort niedergelassen. Damals war ich jeden Tag mit Palermo zusammen. Palermo machte seine Ausstellung bei Heiner in der Wooster Street, erste oder zweite Etage. „Palermo. Zeichnungen“, Heiner Friedrich Gallery, New York, 01. September – 31. Oktober 1975. Und wir kamen zur Ausstellungseröffnung, hatten Einladungen, standen da rum und kein Mensch kam. Ich sagte: „Ist das hier in New York so?“ Da sagte der Heiner, er mag die Leute nicht, er mag es nicht, wenn das Publikum die Bilder angafft. Ich sagte: „Aber du hast doch Einladungen verschickt?“ – „Die habe ich weggeschmissen“, sagte er, „die habe ich alle in den Müll geschmissen.“ Die Begründung war gelogen. Heiner hatte sich einfach geschämt, die Bilder von Blinky zu zeigen. Denn die Bilder von Blinky sahen so wie europäische Ellsworth Kellys aus. Das waren kleine Aluminiumplatten mit Streifen drauf, auch mit Aluminium befestigt. Heute werden sie gezeigt, heute haben sie ihren Platz. Damals hat Heiner sich geschämt. Einfach geschämt. Er hätte niemals von mir eine Ausstellung in New York gemacht, niemals. Aber er konnte auch nicht Nein sagen, denn ich war ja in seinem Programm und Palermo war eben auch im Programm. Palermo fand auch Ellsworth Kelly und Walter De Maria ganz toll. Es gibt ja bei Blinky richtige Adaptionen mit diesem polierten Eisen. Ich habe dazu nichts gesagt, denn Blinky war ein hochsensibler und sehr sympathischer Mensch. Im Übrigen ging er jeden Abend in Neger-Jazz-Lokale und soff sich die Hucke voll und kiffte. Der hat sich einfach ruiniert. Das war das erste Mal, als wir in New York waren.

Das war nicht gerade ermutigend?

Ich habe dort auch ein bisschen gearbeitet, mir in SoHo ein Loft gemietet und da drei, vier Bilder gemalt. Franz Dahlem sagte: „Ihr müsst einen Adler malen!“ Noch am Flugplatz ließ er mich aufrufen, nur um mir zu sagen, ich muss in New York einen Adler machen. Ich habe Sandteichlandschaften gemalt. Dann war ich erst wieder 1981/82 mit Xavier Fourcade und Ileana Sonnabend dort. Wobei ich Fourcade nicht kannte. Den kannte Michael Werner. Er sagte, das sei ein homosexueller Franzose, eine wichtige Galerie in New York, mit einem ganz wichtigen Hintergrund: dem De-Kooning-Nachlass. Ich habe nur von Ileana geredet, denn die kannte ich und wusste, was sie machte.

Kannten Sie Ileana Sonnabend aus Paris?

Ja. Ich kannte ihr Galerieprogramm und hatte sie mal gesehen. Ich habe dann gesagt: „Na gut, dann stelle ich bei beiden aus.“ „Georg Baselitz. Six Paintings 1962–1969, Four Paintings 1982–1983“, Xavier Fourcade Gallery, New York, 31. März – 07. Mai 1983; „Georg Baselitz“, Sonnabend Gallery, New York, 19. Mai – 18. Juni 1983. Das ging damals auch. Das konnte man sich leisten. Das habe ich übrigens auch in London gemacht. Dann hat Fourcade versucht, meine Dinge edukativ in Amerika anzupreisen. Er sagte, ich hätte keine Basis, man würde mich nicht kennen, die wüssten nicht, was das ist. Er hat eine Ausstellung gemacht, in der er „Helden“, alte Bilder von mir und das „Nachtessen in Dresden“ zeigte, dazu gibt es auch einen Katalog. Er hat sehr gut verkauft. Das war natürlich ein wichtiger Schritt, auch im Sinne des besseren Verständnisses. Michael Werner hat später in seiner Galerie auch so etwas gemacht. Er hat die Kunsthistoriker Rudi Fuchs Rudi Fuchs (* 1942 Eindhoven) ist ein niederländischer Kunsthistoriker und Kurator, der von 1975 bis 1987 als Direktor das Stedelijk Van Abbemuseum in Eindhoven und von 1993 bis 2003 das Stedelijk Museum in Amsterdam leitete. 1982 war er der künstlerische Leiter der „documenta 7“. oder Siegfried Gohr für das Publikum in Amerika eingeladen. Die haben dann Vorträge in der Galerie gehalten und über uns erzählt. Michael sagte zu mir – egal, ob ich englisch spreche oder nicht: „Rede nicht in New York, rede nicht wie in Deutschland. Sag nichts. Fang nicht an zu diskutieren, sondern sage immer ‚How do you do?ʻ und Schluss aus. Mehr brauchst du nicht zu sagen, sei freundlich. Niemand will von dir was wissen. Niemand interessiert sich, was du denkst. Wenn, dann kaufen sie deine Bilder oder sie kaufen sie nicht.“ Und das hat mich stark verwundert. Ich habe gesagt: „Wenn ich da bin, will ich doch mit den Leuten reden, ich will ja wissen, warum sie da einen Picasso haben und dort hinten einen Julian Schnabel.“ Der Einzige, mit dem ich reden konnte, war Julian Schnabel. Wir sprachen dann italienisch. Julian Schnabel ist der einzige Künstler, der je auf mich zugekommen ist, als Bewunderer. Das war in der Ausstellung in London, „A New Spirit in Painting“ „A New Spirit in Painting“, Royal Academy of Arts, London, 15. Januar – 18. März 1981. . Da kam einer, von dem ich nie gehört hatte vorher, und sagte: „Setzen Sie sich mit mir an die Bar?“ Und dann hat er sich vorgestellt, er kannte von mir alles. Er kannte die Bildertitel, wusste, was auf den Bildern drauf ist, bis ins Detail. Er ist so ein Typ. Natürlich liebe ich ihn nun heiß und innig und ungebrochen. Aber das war das erste und das einzige Mal, dass so etwas passierte. Ich meine, ich kann mich jetzt verständigen. Mit Rauschenberg habe ich mich wunderbar verständigt, aber wir sind in einer anderen Position. Wir haben alle unsere Sache gemacht. Ich weiß nicht, ob der mit meinen Sachen etwas anfangen konnte – auf alle Fälle konnte man sich angenehm unterhalten.

Sie sind heute ein international vertretener Künstler. Ist Ihnen das in einem anderen Land noch einmal irgendwo widerfahren, dass Sie den Hinweis bekommen haben „sag nichts“?

Nein, weil ich ja mit Michael nicht mehr rede. Michael als Coach ist ausgefallen, als ich irgendwann gemerkt habe: Der benutzt dich. Voller Bedauern, muss ich sagen. Das ist eigentlich viel schlimmer als bedauern, das, was mit den Künstlern passiert ist, die in der Galerie sind. Ich halte Penck für einen ganz großen Maler. Natürlich einen mit einem Bruch – aber wer hat keinen Bruch? Und immer wenn ich die Bilder sehe, bin ich begeistert und frage mich: „Wo ist er denn? Und was ist daraus geworden?“ Dasselbe denke ich bei Kirkeby, bei Immendorff. Immendorff habe ich versucht zu korrigieren beziehungsweise habe sogar manchmal versucht, Einfluss zu nehmen auf seine Lebensweise. Das ist mir nie gelungen. Das war ein westdeutscher Künstler voller Stolz und Eitelkeiten und mit bürgerlichen Hintergründen – das geht mit solchen einfach nicht. Der war zwar nett, umgänglich und ein toller Mann, aber ich konnte mit ihm nicht reden. Zu guter Letzt habe ich gesehen, dass ich anders bin und was anderes will, dass ich mich einfach durchsetzen muss. Und das habe ich gemacht. Werner ist ein großartiger Sammler und er macht in seiner New Yorker Galerie fantastische Ausstellungen. Er handelt mit Kurt Schwitters, er handelt mit Francis Picabia, er handelt mit Jean Fautrier – er hat alles das, den ganzen Traum, den wir hatten, realisiert. Das ist schon ganz toll. Wie er die finanziellen Möglichkeiten gefunden hat, weiß ich nicht. Auf alle Fälle hat er ein geträumtes Galerieprogramm realisiert, wie man das aus der Jahrhundertwende kennt. Also diese großen Vorbilder wie Ambroise Vollard Ambroise Vollard (1865 Saint-Denis, Insel La Réunion, Frankreich – 1939 Versailles, Frankreich) war ein Galerist und Verleger. Ab 1893 führte er eine Galerie in Paris und zeigte 1895 die erste Einzelausstellung von Paul Cézanne. Weiterhin waren in der Galerie unter anderen Paul Gauguin, Henri Matisse, Pablo Picasso und Vincent van Gogh ausgestellt. Vollard zählt zu den wichtigsten Vermittlern der modernen Kunst im frühen 20. Jahrhundert. oder auch wie die deutschen jüdischen Händler wie Heinrich Thannhauser Heinrich Thannhauser (1859 Hürben – 1935 Luzern) war ein Kunsthändler und gilt als einflussreicher Vermittler des französischen Impressionismus und der modernen Avantgardekunst Anfang des 20. Jahrhunderts. 1905 eröffnete er mit Franz Josef Brakl eine Kunsthandlung in München, die er ab 1909 als „Moderne Galerie“ allein weiterführte. Thannhauser arbeitete unter anderen mit Wassily Kandinsky und Franz Marc zusammen und zeigte 1911/12 die erste Ausstellung der Künstlervereinigung Blauer Reiter. . Alles das ist Michael Werner.

In Köln, circa 1972 oder 1973, haben wir, Lüpertz, Immendorff, Kirkeby und ich, zusammengesessen und aus Übermut die Idee zu einer Reise nach London gehabt. Einfach um in London zu gucken, ob da Kunst ist. Wir hatten alle kein Geld, wir haben billig gewohnt. In London gab es ein paar konservative Galerien, zeitgenössische Kunst gab es überhaupt nicht. David Hockney war der einzige Künstler, von dem man damals sprach. Der war allerdings gerade weggegangen, nach Kalifornien. Wir sind enttäuscht wieder abgezogen und haben gesagt: „Hier ist auch nichts los.“ Ich habe immer versucht, Werner nach Amerika zu scheuchen: „Geh da hin und miete einfach.“ Er konnte ja gut englisch. „Miete einfach eine Halle. Miete irgendwo eine billige Halle, eine Sporthalle oder eine Gemüsehalle und hänge unsere Sachen da hin. Du wirst schon sehen.“ Da sagte er: „Bist du bekloppt? In Amerika läuft das alles ganz anders.“ Ist ja auch alles anders geworden. Aber ich dachte, man muss das nur zeigen, dann würde das schon funktionieren. Es wäre natürlich gar niemand hingegangen.

Gerade die deutschen Galeristen hatten in den 70er-Jahren ja nicht viel Erfolg in den USA.

Ja, aber sie haben Amerikanisches ausgestellt oder es zumindest versucht. Beuys, das darf man auch nicht vergessen, hatte 1979 eine Ausstellung im Guggenheim, „Joseph Beuys“, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 02. November 1979 – 02. Januar 1980. die erfolglos war.

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Georg Baselitz