Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Benjamin Patterson

Benjamin Patterson

Benjamin  Patterson

Benjamin Patterson

Wiesbaden, 06. Oktober 2015

Franziska Leuthäußer: Sie kamen 1958 nach Deutschland. Ist das richtig?

Benjamin Patterson: Ja, 58 bis 59 war ich mit der U.S. Army in Stuttgart. Es gab eine Organisation, das Seventh Army Symphony Orchestra, und ich hatte das Glück dort Mitglied zu werden, sodass ich nicht zum Hill 94 in Korea musste – Kanonen schießen. Nachdem Korea 1948 unter dem Einfluss der Sowjetunion und der USA in zwei Staaten geteilt wurde, griffen am 25. Juni 1950 nordkoreanische Truppen mit Unterstützung der Volksrepublik China Südkorea an. Durch das Eingreifen des US-Militärs sowie der Vereinten Nationen entwickelte sich die Auseinandersetzung in den folgenden Monaten zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den Mächten des Kalten Kriegs. Obwohl das Waffenstillstandsabkommen vom 27. Juli 1953 eine Grenzziehung entlang des 38. Breitengrades sowie die Einstellung der militärischen Kämpfe festlegte, sind bis heute US-amerikanische Truppen in Südkorea stationiert. Die Straße am Fuß des Hill 94 in der Nähe von Agok am Fluss Nam galt während des Koreakonflikts als strategisch wichtiges Gebiet, das von der U.S. Army überwacht wurde. Im Herbst 1950 kam es dort zur „Schlacht von Agok“. Siehe auch: Roy E. Applemann, „United States Army in the Korean War. South to the Naktong, North to the Yalu“, Arlington 1998, S. 444 f.; sowie Bernd Stöver, „Geschichte des Koreakriegs. Schlachtfeld der Supermächte und ungelöster Konflikt“, München 2013. Es war großartig! Wir sind durch alle NATO-Länder gefahren und haben Propaganda für die USA gemacht.

Wo waren Sie überall?

In ganz Westdeutschland, Frankreich, Belgien, Italien … Wir haben auf den Weltausstellungen gespielt. Ich hatte – dank Uncle Sam – die große Europatour.

Waren Sie damals auch in West-Berlin?

Ja, wir waren in West-Berlin. Ich weiß sicher, dass wir in Ost-Berlin nicht gespielt haben, aber ich erinnere mich nicht, ob ich versucht habe, die Grenze zu überqueren. Mein eigentliches Interesse galt der Komposition. Ich wollte unbedingt Komposition studieren, aber ich wusste, dass es für junge Komponisten kein Geld gab. Ich beherrschte das Bassspielen damals schon einigermaßen und dachte, ich könnte im Hauptfach Bass und im Nebenfach Komposition studieren. So wurde ich ein ganz guter Bassspieler, und das war der Grund, aus dem ich in dieses Orchester aufgenommen wurde. Mein Interesse an der bildenden Kunst begann eigentlich erst in Köln, als ich 1960 nach Deutschland zurückkam. Nachdem ich die Army verlassen hatte, das war 1959, ging ich wieder nach Kanada. Weil der Dirigent, mit dem ich vorher in Halifax gearbeitet hatte, nach Ottawa gezogen war, ging auch ich nach Ottawa. Ich war dort der erste Bassist und entdeckte im Keller des National Research Center ein kleines elektronisches Studio, in dem ich abends arbeitete. Im Sommer entschloss ich mich, während der Ferienzeit nach Köln, Paris und Mailand zu fahren, um zu sehen, was die „großen Jungs“, das heißt Karlheinz Stockhausen und seine Leute, machten.

Das war Ihr zweiter Aufenthalt in Deutschland. Dieses Mal waren Sie für die Musik gekommen. Können Sie die Atmosphäre beschreiben, auf die Sie damals in Köln getroffen sind?

Ursprünglich war meine Idee, höchstens eine oder zwei Wochen zu bleiben. Aber dann gab es diesen Zwischenfall: Zuerst habe ich Stockhausen getroffen, was sehr enttäuschend war, und am Tag darauf bin ich John Cage und David Tudor und diesen Leuten begegnet.

Was genau war die Enttäuschung bei der Begegnung mit Stockhausen? Welche Erwartungen hatten Sie?

Ich habe erwartet, er würde, wie jeder normale Lehrer, den ich damals kannte, sagen: „Schön, dass du da bist, herzlich willkommen!“ Oder so ähnlich. Ich hatte ein Empfehlungsschreiben von seinem Schwager, der damals der deutsche Botschafter in Kanada war. Nach Stockhausens erstem Konzert habe ich ihm den Brief gezeigt und seine Antwort war: „Dieser Brief ist vom 06. April und heute ist der 20. Juni, wo bist du die ganze Zeit gewesen?“ Das war für meinen Geschmack etwas arrogant und wirklich keine freundliche Begrüßung. Es war tatsächlich sehr merkwürdig. Cage traf ich am nächsten Tag nach dem Konzert. Ich hatte ihn nie zuvor getroffen und wusste nur wenig über seine Musik. Ich stellte mich vor und er fragte: „Was machst du? Was interessiert dich? Hättest du Lust, mit uns morgen Abend aufzutreten?“ Cage sprach mit mir auf Augenhöhe. Es war das komplette Gegenteil zu Stockhausens „Lick my feet“. Ich entdeckte dann auch andere junge Komponisten – das war eine sehr interessante Szene.

Mary Bauermeister veranstaltete Konzerte in ihrem Atelier und viele der Künstler waren Amerikaner. Cage, La Monte Young, Sie … Von 1960 bis 1962 organisierte die Künstlerin Mary Bauermeister (* 1934 Frankfurt am Main) Konzerte und Ausstellungen in ihrem Atelier in der Lintgasse 28 in Köln. Neben Nam June Paik und John Cage beteiligten sich unter anderen auch George Brecht, Benjamin Patterson, David Tudor und La Monte Young. Die Veranstaltungen gelten als wegbereitend für die Entstehung der Fluxus-Bewegung. Vgl. Historisches Archiv der Stadt Köln (Hg.), „intermedial – kontrovers – experimentell. Das Atelier Mary Bauermeister in Köln 1960–62“, Köln 1993, S. 8 ff.

Ich glaube, La Monte war nie persönlich in ihrem Atelier, jedenfalls nicht in der Zeit, in der ich da war. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich La Monte erst in New York getroffen.

Wie waren diese Veranstaltungen organisiert? Sie haben sich in Bauermeisters Atelier getroffen, in dem immer sehr viele Leute waren. Bauermeister war damals noch sehr jung …

Ja, sie war sehr jung. Ich kenne nicht wirklich den Hintergrund des Contre-Festivals „Contre-Festival zum IGNM“, Atelier Mary Bauermeister, Köln, 15.–19. Juni 1960. Am Eröffnungsabend des Festivals war Benjamin Patterson an der Aufführung der Stücke „Card-Piece for Voice“ und „Candle-Piece for Radios“ von George Brecht beteiligt. – das war da, wo Cage aufgetaucht ist. Es gab das große offizielle IGNM Festival Die 1922 von Rudolf Réti und Egon Wellesz gegründete Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) gilt als älteste Dachorganisation zur Förderung der Neuen Musik. Das jährlich an unterschiedlichen Orten ausgerichtete Festival World New Music Days fand 1960 vom 10. bis 19. Juni in Köln statt. in Köln, auf dem Stockhausen und die anderen Jungs waren. Und vielleicht gehe ich fehl in der Annahme, aber das war mein persönlicher Eindruck: Das Contre-Festival war als Gegenveranstaltung zu Stockhausen in Köln gedacht. Die kuriose Sache war, dass Mary und Stockhausen zwei Wochen nach dem Festival eine Affäre begannen. Ihr damaliger Freund Haro Lauhus Der Künstler Haro Lauhus (* 1932) war von 1953 bis 1960 mit der Künstlerin Mary Bauermeister liiert. Nach der Trennung führte er ab 1961 einige Monate eine Galerie in Köln, in der er unter anderem die erste Einzelausstellung von Christo zeigte. ist völlig ausgeflippt und Nam June Paik hat versucht zu schlichten. Schlussendlich ist Haro ausgezogen und hat drei Straßen weiter am Buttermarkt seine eigene Galerie eröffnet. Marys Atelier war strahlend weiß und schlicht, Haros neuer Raum dagegen scheinbar seit dem Krieg nicht gesäubert worden. Alle Wände waren verrußt und der Staub lag zentimeterhoch auf dem Boden. Er hat nichts daran geändert, alles fand an diesem wirklich dreckigen Ort statt. Aber er fuhr mit dem Contre-Festival, wie ich es nennen würde, fort und lud Wolf Vostell, Mimmo Rotella und einige andere Leute ein. Christo hatte dort seine erste Ausstellung „Christo“, Galerie Haro Lauhus, Köln, Juni/Juli 1961. Parallel zur Ausstellung war Christos Arbeit „Stacked Oil Barrels and Dockside Packages“ im Kölner Hafen aufgestellt. Es war die erste gemeinsame Arbeit von Christo und seiner Frau Jeanne-Claude. .

Und Sie haben bei den Eröffnungen gespielt?

Ja, zu Vostells, zu Christos und zu Rotellas.

War Christo damals dort?

Ja, Christo war da. Alle waren da!

Interessant, dass die Galerien damals begannen, an den Ausstellungseröffnungen sogenannte „Events“ zu veranstalten.

Ich war niemand, der vorher in Galerien gegangen ist. Daher hatte ich keine Ahnung, wie das Programm in normalen Galerien ablief. Aber was Sie ansprechen, ist interessant: Vielleicht waren das damals wirklich die Anfänge – heute veranstalten die meisten Galerien ja alle irgendeine Art von Event.

In der Galerie Parnass waren Sie zusammen mit George Maciunas George Maciunas (1931 Kaunas, Litauen – 1978 Boston) war ein Künstler und Kunsttheoretiker, der zu den zentralen Akteuren der Fluxus-Bewegung zählte. Gemeinsam mit Almus Salcius rief er 1960 die AG Gallery in New York ins Leben, in der er neben Ausstellungen auch Konzerte und Performances veranstaltete. In Wiesbaden initiierte Maciunas 1962 die Konzertreihe „Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik“, die als Ausgangspunkt der europäischen Fluxus-Bewegung gilt. in einer Ausstellung „Kleines Sommerfest (Fluxus)“, Galerie Parnass, Wuppertal, 12. Juni – 12. September 1962. An der Ausstellung beteiligt waren unter anderen Jed Curtis, George Maciunas, Benjamin Patterson und Nam June Paik. ?

Ja, aber es war keine richtige Ausstellung. Das Ganze war, so erinnere ich mich, eine Ankündigung für das Fluxus-Festival, das im September stattfinden sollte. Ich kann nicht mehr sagen, ob Maciunas irgendetwas ausgestellt hat. Ich war nur dort, um bei der Eröffnung zu spielen. Was ich noch sehr gut in Erinnerung habe, ist die Vorlesung von Maciunas mit dem Titel „Neo-Dada in New York“ Der Vortag „Neo-Dada in New York“ von George Maciunas fand am 09. Juni 1962 anlässlich der Veranstaltung „Kleines Sommerfest – Après John Cage“ in der Galerie Parnass in Wuppertal statt. . Damals war Fluxus nach seiner Auffassung, und auch nach der Auffassung vieler anderer, noch Neo-Dada. Fluxus gab es als Begriff oder Bezeichnung zu jener Zeit noch gar nicht.

Eigentlich war Nam June Paik für die Ausstellung eingeplant, er war aber offenbar zu beschäftigt mit seinen TV-Experimenten.

Ich weiß, dass er eine Performance oder etwas Ähnliches hätte machen sollen – und aus irgendeinem Grund ist er davon zurückgetreten, woraufhin Maciunas mich gefragt hat. Oder Paik hat es Maciunas vorgeschlagen.

Es gibt einen Brief, der in Ihrem Katalog von der Ausstellung in Wiesbaden 2012 veröffentlicht ist, in dem Paik an Rolf Jährling schreibt und berichtet, dass er Sie in Paris getroffen hat. In diesem Brief empfiehlt er Sie für die Ausstellung. Ich war sehr beeindruckt von seiner fürsorglichen Art. „Für Patterson müssten Sie folgendes bezahlen“ – und dann zählte er die Zugfahrten, Übernachtungen und Verpflegung für die jeweiligen Tage auf. Vgl. Brief von Nam June Paik an Rolf Jährling, 1962, in: „Benjamin Patterson. Living Fluxus“, hg. von Elke Gruhn, Ausst.-Kat. Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Köln/London 2013, S. 36–39. Sie sind damals aus Paris angereist, richtig?

Ja.

Es macht den Eindruck, als ob Paik sich große Mühe gemacht hat, einen adäquaten Ersatz zu finden.

Ich weiß nicht, ob es wahr ist oder nicht: Ich habe von verschiedenen Leuten gehört, dass Paik von Maciunas nicht wirklich überzeugt war. Das war auch der Grund, warum er nicht erscheinen wollte, als Maciunas seine Rede „Neo-Dada in New York“ hielt. Daher hat er mich empfohlen. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, denn von Paik selbst habe ich das nie gehört.

Meinen Sie, er war zu höflich, um einfach zu sagen: „Ich möchte nicht teilnehmen, wenn Maciunas dabei ist“?

Ja, das hätte er nicht gesagt – weder zu Maciunas, noch zu Jährling oder irgendjemand anderem.

Das war Ihr erster Auftritt mit Maciunas und Sie haben auch nie wieder zusammengearbeitet?

Mit Maciunas? Nicht wirklich. Als ich nach New York zurückkam, musste ich einen Job finden, um meine Familie zu ernähren. Viele Leute der frühen Fluxus-Bewegung schienen unerschöpfliche Ressourcen zu haben. Sie arbeiteten nine-to-five, und das gab ihnen möglicherweise mehr Zeit zum Sitzen und über Fluxus zu debattieren, was mich nicht so besonders reizte.

Sie gingen zurück in die USA, um zu studieren und mussten sich auch einen Job besorgen, um Ihre Familie zu ernähren. Ich dachte, Fluxus wollte die Kunst und das alltägliche Leben miteinander verbinden? Ich finde es daher interessant, dass Sie das so strikt trennen. Sie sagten, dass Fluxus Spaß gemacht hat und auch etwas lustig war. Ich habe das nie so betrachtet.

Sie dachten nicht, dass Fluxus lustig war?

Vielleicht, weil die 60er-Jahre in Deutschland nicht unbedingt lustig waren. Für viele waren es offenbar harte Zeiten – es war sehr politisch.

Die Kunst, die ich damals in Deutschland oder Frankreich gemacht habe, hatte wenig mit der jüngsten deutschen, französischen oder europäischen Geschichte zu tun. Man könnte sagen, es war eher eine private Entwicklung. Und das war eigentlich ganz natürlich, denn ich war ja nicht Teil der deutschen Geschichte. Ich habe mit der Musik angefangen, was man als politisch neutral bezeichnen könnte. Und vielleicht ist das ein Grund, warum meine Arbeit nie wirklich politisch war und auch nicht monumental wie bei Beuys. In New York in den späten 60ern, zur Zeit des Civil Rights Movements und des Vietnamkriegs, sah ich nicht einen meiner Kollegen auf dem Washington Square marschieren. Ich war, wie gesagt, viel unterwegs, aber den Anspruch, dass Fluxus politisch war, empfand ich als etwas übertrieben. Möglicherweise gab es mal über dies oder das eine Diskussion … aber niemand übernahm eine aktive Rolle, soweit ich das sehen konnte.

Haben Sie die Künstler von ZERO in Köln kennengelernt?

Die meisten der ZERO-Leute habe ich irgendwann getroffen. Bei den Eröffnungen hat man sich gesehen und gegrüßt, aber Kontakt hatte ich eigentlich keinen mit ihnen. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich technisch mehr an Musik interessiert war und dachte, dass das, was ich machen will, eher Musik als Malerei oder bildende Kunst ist. Also, ich hatte mich den ZERO-Leuten oder den Nouveaux Réalistes Nouveau Réalisme war eine Kunstströmung, die Ende der 1950er-Jahre in Frankreich entstand. In Abgrenzung zum Informel und anderen gestisch-abstrakten Ausdrucksweisen forderten die Künstler die Hinwendung zur alltäglichen Lebenswelt. Konkret sichtbar wurde dieser Anspruch zum Beispiel in der Verwendung von Alltagsgegenständen als Material in der Kunst. Am 27. Oktober 1960 unterzeichneten in der Pariser Wohnung Yves Kleins Arman, François Dufrêne, Raymond Hains, Yves Klein, Martial Raysse, Pierre Restany, Daniel Spoerri, Jean Tinguely und Jacques de la Villeglé das Gründungsmanifest des Nouveau Réalisme. Siehe auch: „Nouveau Réalisme. Revolution des Alltäglichen“, hg. von Ulrich Krempel, Ausst.-Kat. Sprengel Museum Hannover, Ostfildern 2007. – aus welchen Gründen auch immer – nie viel zu tun.

Heute umfasst Ihr Werk durchaus auch Skulpturen.

Ich denke, das hat sich geändert, als ich nach New York ging. Das erste Objekt war möglicherweise „Methods & Processes“ Benjamin Patterson, „Methods & Processes“, Auflage 100, 1962. . Der Kern waren der Text und diese kleinen Zeichnungen – das waren wahrscheinlich meine ersten Versuche, bildende Kunst zu machen.

Was ist mit den „Puzzle Poems“ Benjamin Patterson, „Puzzle-Poems“, 1962. ?

Die kamen nach „Methods & Processes“. „Methods & Processes“ waren im Prinzip Action Poems, und die „Puzzle Poems“ waren eine andere Form der Action Poems, die man zusammenstellen musste. Das war eine ganz natürliche Entwicklung. Das Material war billig, denn eigentlich musste ich nur Klebstoff kaufen – den Rest habe ich von der Straße geholt. Die Vernissage der Ausstellung „Benjamin Patterson. Puzzle Poems“, Galerie Légitime, Paris, Juli 1962. mit Robert Filliou Robert Filliou (1926 Sauve, Frankreich – 1987 Chanteloube, Frankreich) zählt zu den zentralen Vertretern der Fluxus-Bewegung. Ab 1943 kämpfte er in der französischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung. Nach Aufenthalten in den USA und in Südkorea begann er Ende der 1950er-Jahre seine künstlerische Arbeit in Paris. Seine erste Einzelausstellung zeigte Filliou 1961 bei Arthur Køpcke in Kopenhagen. Er war unter anderem auf der „documenta 5“ (1972) und „documenta 6“ (1977) vertreten. und Filliou als Galerist … das werde ich niemals vergessen. Die Ausstellung war zur Eröffnung praktisch ausverkauft.

Wie viele Arbeiten hatten Sie?

Vielleicht 20 oder 25. Robert hatte immer 400 oder 500 Arbeiten als Ersatz, ich hatte nur einen kleinen Rucksack mit Nachschub. Robert war sehr offen und sprach mit allen. Die besten Kunden waren die Ladies, die in den U-Bahnhöfen Spielfiguren verkauft haben. Robert zeigte Ihnen dann meine Arbeiten: „Seht euch das an!“

Also, er hat wirklich seinen Hut gezogen und erklärt: „Das ist ein Patterson“?

Ja. „Nur fünf Francs.“ – „Okay, ich nehme eins.“ Das war für mich der lustigste Part.

Hat er Sie als Künstler vorgestellt?

Ja! Er hat erklärt: „Das ist eine Vernissage. Sie findet an vielen verschiedenen Orten in Paris statt“ – und so weiter. Er war ein guter Verkäufer.

Sie haben Ihre eigenen Themen und Veranstaltungen gehabt und waren nicht so sehr in die Kunstszene involviert. Andererseits war Ihre Arbeit partizipativ und es handelte sich um Multiples, was damals in der Kunst sehr weitverbreitet war. Wenn man Ihre Biografie studiert, hat man den Eindruck, als ob Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Sie haben aber nie für sich beansprucht, irgendwo der Erste gewesen zu sein, obwohl es den Anschein erweckt, als seien Sie in vielen Sachen ein Pionier gewesen.

Möglicherweise, ja. Ich habe vor ein paar Jahren eine Neuauflage von „Methods & Processes“ gemacht und der Direktor der Universität in Rennes ist der Meinung, das war das erste Künstlerbuch. Ich habe nie so gedacht.

Als sie 1963 zurück nach New York gingen, muss sich die dortige Welt der Kunst von der in Deutschland beziehungsweise in Europa sehr unterschieden haben. Konnten Sie Unterschiede in der Abhängigkeit von Nationalitäten ausfindig machen.

Nein, ich habe darüber in dieser Weise nicht nachgedacht. Ich habe dann ein paar neue Stücke gemacht und es gab immer Performances im Loft von Maciunas oder an anderen kleinen Orten. Aber ich hatte keinen intensiven Kontakt mit den großen Strömungen, der Pop-Art oder dem Abstrakten Expressionismus. Aber wie überall … getroffen habe ich sie alle. Sowie auch in Frankreich, in Paris: La Coupole, das Café am Boulevard Montparnasse, war der Ort, an den alle gegangen sind, und ich war fast jeden Abend da.

Wer waren „alle“?

Mein engster Freund war natürlich Daniel Spoerri. Und Filliou. Christo war da, die Nouveaux Réalistes und viele andere mehr. Es war damals wie ein großes Café oder eine Bar. Als ich kürzlich in Paris war, habe ich gesehen, dass man 25 Euro bezahlt, um hineinzukommen, und an jedem Tisch ist ein Messingschild angebracht: „Hier saß Yves Klein“, „Hier saß Daniel Spoerri“ und so weiter. Das ist wie im Max’s Kansas City in New York, in dem die Leute jede Nacht waren. Auch Gandhi war mal da. Ich war sehr oft dort und habe gespielt, aber unterhalten habe ich mich nie.

Es scheint so, als gab es damals wenig Wettbewerb oder, besser gesagt, weniger als heute, weil der Markt für Kunst damals kaum eine Rolle spielte.

Das kann sein, ja.

Wenn Sie Spoerri, Christo oder Filliou in der Bar getroffen haben, ging es eher um Trinken und Zusammenabhängen oder haben Sie sich auch über neue Ideen oder Politik unterhalten? Was waren damals die Themen?

Ich würde sagen, 90 Prozent waren Zusammenabhängen und vielleicht 10 Prozent ernsthafte Gespräche. Aber Gespräche über Kunst fanden in der Regel tagsüber statt und drei oder viermal in der Woche habe ich Spoerri oder Filliou in ihrer Wohnung getroffen. Wenn es etwas Ernstes zu besprechen gab, wurde es dort besprochen.

Haben Sie auch Ideen für neue Projekte besprochen?

Ja. Das Material für „Methods & Processes“ entstand beispielsweise über einen Zeitraum von ungefähr sechs oder sieben Monaten. Und ich habe Spoerri regelmäßig das Neueste gezeigt. Das zu publizieren, war eigentlich Daniels Idee. Ich habe es dann so günstig wie möglich produziert. Ich glaube, es war auf einem DIN-A3-Papier gedruckt und dann in einem Leporelloformat gefaltet. Für die Bindung habe ich Scotchtape verwendet, was heute, nach 50 Jahren, natürlich gelb und ausgetrocknet ist. Aber ich habe mich damals nicht gefragt: „Wie wird das in 50 Jahren aussehen?“

Sie sind dann von Köln nach Paris gegangen. Dort gab es die École de Paris Der Begriff „École de Paris“ umfasst die unterschiedlichen Strömungen der international einflussreichen Pariser Kunstszene zwischen der Jahrhundertwende und dem Zweiten Weltkrieg. Neben den französischen Künstlern Georges Braque, André Derain und Henri Matisse werden auch Hans Arp, Marc Chagall, Giorgio de Chirico, Max Ernst, Pablo Picasso, Joan Miró und Piet Mondrian zur damaligen Pariser Kunstszene gerechnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich die Nouvelle École de Paris, der vor allem Künstler der Lyrischen Abstraktion und des Tachismus zugeordnet werden. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Generation zählen Jean Fautrier, Hans Hartung, Georges Mathieu, Jean Messagier, Serge Poliakoff, Pierre Soulages und Wols. Siehe auch: „Von Renoir bis Picasso. Künstler der École de Paris“, hg. von Erik Stephan, Ausst.-Kat. Kunstsammlung Jena, Jena 2011; sowie „Nouvelle École de Paris. Französische Malerei der Gegenwart“, Ausst.-Kat. Städtische Kunsthalle Mannheim, Mannheim 1958. , die Surrealisten um André Breton und vieles mehr. Sie sind damals mit Ihrer Familie dorthin gezogen?

Mein Sohn wurde in Paris geboren. Man war sich schon bewusst, dass es das Zentrum der Kunstwelt war, aber ich war dort nie im Kontakt mit den Galerien. Ich habe nicht gedacht, dass meine Arbeit im Wettbewerb mit der École de Paris stand, weil es etwas ganz anderes ist. Experimentell, wenn Sie so wollen. Es ging nicht darum, dass das 50 oder 60 Jahre später noch interessant ist. Wenn ich etwas Spannendes entdeckt habe, habe ich es ausprobiert.

Unabhängig davon, ob es Köln oder Paris oder New York war?

Für mich, ja. Ich glaube nicht, dass die Situation der Kunstwelt in Köln, Paris oder New York für mich entscheidend war. New York war aus unterschiedlichen Gründen interessant. Möglicherweise, weil es dort mehr Kunst gab, bin ich nach New York und nicht nach Pittsburgh oder irgendwo anders hingegangen. Gesellschaftlich war New York interessanter.

Es gibt einen Text von Paik, in dem er beschreibt, wie ungern er New York verließ, weil er immer fürchtete, er könnte den einen Telefonanruf verpassen, der ihn zu einem reichen und berühmten Mann machen würde. Der Traum von Reichtum und Berühmtheit, der in New York innerhalb von 24 Stunden wahr werden konnte … Klingt das vertraut?

Nein, ich habe nie davon geträumt, reich und berühmt zu werden.

Aber als Sie Komposition studierten, wollten Sie auch der erste Schwarze in einem Orchester sein?

Ja, ich war der erste Schwarze in einem Orchester. Es gab in keinem US-amerikanischen Orchester einen schwarzen Musiker. Das ist das, was ich über die Situation in New York versucht habe zu sagen: Es war offener und toleranter in Bezug auf die Mischung der sogenannten „Rassen“. Aber ob ich wirklich ein Großer der Kunstszene werden wollte? Ich glaube nicht. Ich habe nichts dafür getan, was man dafür hätte tun sollen. Ich war zum Beispiel nie bei einer Eröffnung in der Galerie von Leo Castelli. Es gab damals niemanden, der mich interessierte. Ich habe deren Arbeiten hier oder dort mal gesehen, aber Fluxus war zu dieser Zeit auf eine Art sehr isoliert. In New York war es ja noch Neo-Dada. Fluxus kam dort erst, als Maciunas zurückkehrte und mit Paik und so weiter. Als Maciunas in seinem Loft mit den ersten Aktionen begann, hieß es noch Neo-Dada. Ich habe es selbst nicht gesehen, aber offenbar gibt es einen Brief von Maciunas an Raoul Hausmann Raoul Hausmann (1886 Wien – 1971 Limoges) war Mitbegründer der Berliner Dada-Bewegung. Bekannt ist er insbesondere für seine Fotocollagen und Texte. , der damals in New York war, und darin schreibt er: „Warum nennt ihr es Neo-Dada? Das verwirrt die Leute. Ihr habt schon einen guten Namen: Fluxus.“ Und dann wurde es Fluxus.

Wie hat sich Ihr Kontakt zu John Cage entwickelt?

In den ersten Jahren in New York erinnere ich mich nicht an größere Begegnungen mit ihm. Wir kannten uns und haben uns vielleicht manchmal auf Ausstellungseröffnungen getroffen. Aber der intensivere Kontakt kam sehr viel später, in den 70er-Jahren, als ich in Stoney Point lebte, wo John mein Nachbar war. Bis dahin wusste ich mehr über seine Arbeit als über ihn persönlich. Nicht, weil ich nicht interessiert war, aber ich hatte einen Job, der viel Zeit in Anspruch nahm – und auch eine Familie. Es blieb also nicht viel Zeit, um Kontakte mit den Künstlern zu pflegen. John war auch etwas älter; ich habe mich eher mit Leuten aus meiner Generation getroffen.

1962 sind Sie auf dem Festival in Wiesbaden „Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik“, Städtisches Museum Wiesbaden, 01.–23. September 1962. An dem Festival beteiligt waren unter anderen Dick Higgins, George Maciunas, Nam June Paik und Wolf Vostell. Es gilt als erste offizielle Manifestation der Fluxus-Bewegung. Vgl. „1962 Wiesbaden Fluxus 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen“, hg. von René Block, Ausst.-Kat. u. a. Museum Wiesbaden, Wiesbaden 1983. im Museum aufgetreten. Wenn ich richtig informiert bin, dauerte das Festival mehrere Wochen, wobei die Veranstaltungen vor allem an den Wochenenden stattfanden. Ich glaube, es war Dick Higgins, der beschreibt, dass sie während der Woche Zeit in Maciunas’ Haus in einem kleinen Dorf in der Nähe verbrachten.

Ich erinnere mich nicht, dass ich damals bei Maciunas im Haus war. Ich lebte zu der Zeit eigentlich in Paris und verkaufte Lexika an amerikanisches Servicepersonal.

Und Bibeln?

Ja. Bibeln und Lexika.

Woher bekamen Sie die Bücher?

Es gab vielleicht drei oder vier Firmen. Wir waren junge Leute, die in Europa lebten, Amerikaner, die Geld verdienen mussten. Man könnte sagen, wir waren nachtschwärmende Verkäufer. Eine Gruppe von fünf oder sechs Leuten, die sich an einem zentralen Ort trafen und abends in alle Richtungen verteilten, an die Türen von Einfamilienhäusern klopften und versuchten, dort diese Lexika und Bibeln zu verkaufen. Meine unterschwellige Verkaufstaktik – manchmal direkter, manchmal weniger direkt – war: „Sie wollen doch nicht, dass Ihr Sohn einmal Feldwebel wird, oder? Hiermit kann er Oberst oder General werden.“ Ich war drei Wochen lang jeden Monat auf den Militärstützpunkten in Deutschland, Frankreich und Italien unterwegs. Ich war also während des Festivals in Wiesbaden nicht kontinuierlich – beziehungsweise nicht während der gesamten Laufzeit – vor Ort. Wenn ich konnte, bin ich für die Wochenenden gekommen. Aber alle internen Diskussionen habe ich damit zum großen Teil verpasst. Ich war immer eine Art Randfigur – nicht außenstehend, aber doch bei vielen der Diskussionen außen vor.

Nach Paris und den USA sind Sie 1989 zurück nach Wiesbaden gekommen. Wie kam das?

Warum zurück nach Wiesbaden? Ab Mitte der 80er-Jahre erhielt ich zunehmend Einladungen, um dies oder jenes an unterschiedlichen Orten in Europa zu machen. Und Ende der 80er-Jahre – ich war damals geschieden und lebte allein – wurde mir bewusst, dass ich mehr Zeit in Europa verbrachte als in den Staaten, und daher beschloss ich nach Europa zu ziehen und in die USA zu pendeln. Damals hatte ich viel mehr Freunde und Kontakte in Italien als in Deutschland und der Plan war eigentlich, einen Ort in Italien zu finden. Aber dann hatte ich einen günstigen Flug nach Frankfurt und besuchte erst einmal Joe Jones Joe Jones (1934 New York – 1993 Wiesbaden) war ein Musiker, der im Umfeld der Fluxus-Bewegung arbeitete. Ab 1962 entwickelte er mechanische Musikinstrumente. 1971 produzierte er gemeinsam mit John Lennon und Yoko Ono das Musikalbum „Fly“. , der in Wiesbaden lebte. Er wohnte im Pfarrhaus bei Michael Berger Michael Berger (* 1941 Berlin) ist ein Kunstsammler und Produzent der Harlekin-Geschenkartikel in Wiesbaden. Neben Objekten der Alltagskultur sammelt er seit den 1960er-Jahren künstlerische Arbeiten der Fluxus-Künstler. in Erbenheim. Und als ich Joe meine Pläne erklärt hatte, sagte er: „Warum suchst du noch weiter? Oben ist ein weiteres Apartment und wir haben das Haus für uns allein.“ Michael nahm für die Miete Kunst statt Geld, was mir die Entscheidung zusätzlich erleichterte. Und so bin ich also wieder in Wiesbaden gelandet.

Dazwischen lagen fast 25 Jahre. Sie sind 1963 in die USA gegangen und kamen 1989 zurück nach Deutschland. Zwischendurch ist sehr viel passiert: Der Ort, an den Sie zurückgekehrt sind, muss ein anderer gewesen sein, als der, den Sie zuvor hinter sich gelassen hatten?

Wie gesagt: Die Entscheidung hierherzuziehen, war dadurch begründet, dass ich zu so vielen Dingen in Europa eingeladen war. Hauptsächlich Performances, aber von Zeit zu Zeit auch Ausstellungen. Ja, es hatte sich sehr verändert. Es war möglich, von dem zu leben, was man mit den Performances verdiente. Vorher wäre das gar nicht denkbar gewesen! Ich kann mich nicht daran erinnern, in den 60er-Jahren je eine Gebühr, ein Honorar oder sonst irgendetwas erhalten zu haben. In den späten 80er- und 90er-Jahren war das Standard. Keine großen Honorare, aber es war möglich.

Wurde Ihnen von irgendwelchen Galeristen angeboten, Sie ins Programm aufzunehmen?

Die erste Galerie in Deutschland, war Schüppenhauer Die Galerie Schüppenhauer wurde 1980 von Christel Schüppenhauer in Essen gegründet und zog 1987 nach Köln. 1992 waren dort in der Einzelschau „What is on my mind?“ Werke von Benjamin Patterson ausgestellt. in Köln – und das war, so kann man es, glaube ich, sagen, ein Zufall, der durch meine erste Ausstellung „Notes on an Ordinary Life“, Emily Harvey Gallery, New York, September 1988. , die ich in der Emily Harvey Gallery in New York hatte, zustande kam. Christel Schüppenhauer war aus irgendeinem Grund in New York, und als sie die Emily Harvey Gallery besuchte, sah sie dort meine Arbeiten an der Wand. Die Ausstellung in ihrer Galerie war ein Hauptgrund, nach Deutschland zurückzukehren. Und im Januar haben sich dann viele weitere Sachen ergeben. Dazwischen habe ich Objekte produziert.

Sie werden immer als Fluxus-Künstler eingeführt und dabei ist es nicht die Frage, ob Fluxus noch am Leben ist oder nicht – das wurde schon sehr oft besprochen – sondern …

Die Antwort darauf ist: Es lebt in vielen unterschiedlichen Formen. Es gibt ein Modelabel, das sich Fluxus nennt, ein Einkaufszentrum in Stuttgart … und dann die vierte Generation von Leuten, die sich Fluxus-Künstler nennen. Es gibt einige, die von Fluxus beeinflusst sind.

Würden Sie Ihr Werk auch heute noch als Fluxus-Kunst bezeichnen?

Fluxus ist im engeren Sinne eigentlich keine Kunstbewegung, denn es gab viele unterschiedliche Richtungen, unterschiedliche Stile und unterschiedliche Leute. Und es gab auch nie eine gemeinsame Ästhetik. Ich habe es oft als großen Zirkus beschrieben, in dem sich viele unterschiedliche, talentierte Leute tummelten: die Löwenbändiger, die Hochseilartisten, die Akrobaten, der Schwertschlucker und natürlich die Clowns. Sie waren alle unter diesem einen großen Zelt. Und Maciunas war im Zentrum als der Meister im Ring und führte an. Jeder hatte seine Fähigkeiten und Talente woanders erlernt. Und alle waren sehr unterschiedlich, aber zusammen auf einem Haufen sorgten sie für einen unterhaltsamen Abend. Das ist ein großer Unterschied zu den Künstlern, die einer bestimmten Schule angehören. Es gab diese Schriften darüber, was Fluxus sein sollte und was nicht. Wenn ich damals ein Fluxus-Künstler war, dann bin ich auch heute noch ein Fluxus-Künstler – was auch immer das heißt.

Sie sind gewissermaßen der Komponist geblieben. Ihre Arbeiten wurden von vielen anderen aufgeführt, Ihre Werke werden auf der ganzen Welt gezeigt, ohne dass Sie selbst anwesend sind. Werden Sie nach der Autorisierung für die Wiederaufführung gefragt?

Manchmal stellen sie Fragen, zum Beispiel wie irgendetwas Bestimmtes gemacht werden soll. Aber ich habe nie ein Copyright-Zeichen benutzt, weil die Leute frei entscheiden sollen, wie sie die Arbeit aufführen. Ich habe zwischen Happenings und Fluxus unterschieden. Für die Fluxus-Arbeiten gab es in der Regel eine Partitur, die gedruckt, veröffentlicht und verteilt wurde, sodass jeder der Anleitung folgen konnte. Die Performances variierten natürlich von einer zur anderen. Aber im Prinzip waren diese Happenings größtenteils einmalige Aufführungen, und nur der Urheber konnte es aufführen, weil so viel von der Persönlichkeit, dem Körper und den Gedanken abhing. It was a happening. It happens today and not yesterday or tomorrow.

Wird Ihr Werk heute noch aufgeführt?

Ja, jetzt gerade in Südafrika. Die ganze Reise begann mit einer E-Mail-Korrespondenz mit einem amerikanischen Musikhistoriker, den ich nie getroffen hatte und von dem ich nichts wusste. Er wollte eine Ausstellung machen mit dem Titel „Think of Number 6“ – das war das erste der Action Poems in „Methods & Processes“ und er stellte dazu Fragen. Dann habe ich gesagt: „Wenn du es schaffst, ein Ticket für mich zu organisieren, komme ich.“ Und so ist es gekommen. Aber es war seine Idee.

Gibt es einen Unterschied, ob ein Stück mit Ihnen oder ohne Sie aufgeführt wird?

Zu einem gewissen Grad, ja. Jeder hat seine eigene Interpretation. Die Partituren können wie ein Programm gelesen werden. Ein Programm, das zeigt, was du machen kannst – was du dann tatsächlich damit machst, ist etwas anderes.

Haben Sie mal ein Werk eines anderen Künstlers aufgeführt?

Oh ja! Bei Fluxus gab es immer Arbeiten, die von irgendjemandem aufgeführt wurden. Ich habe viele Aufführungen von, ich nenne es, klassischen Fluxus-Konzerten gemacht. Angefangen bei Alison Knowles bis hin zu Nam June Paik. Und dazwischen zwanzig weitere Arbeiten von anderen Künstlern – und vielleicht ein oder zwei von mir.

Hatten Sie Lieblingsarbeiten?

Ja, es gab ein Programm von Arbeiten, das sehr viel getourt ist. Ich nenne es: das Goldene Zeitalter von Fluxus. Die meisten Arbeiten sind aus der Zeit zwischen 1960 und 1964. Arbeiten, die ich als klassische Beispiele bezeichnen würde von unterschiedlichen Künstlern wie La Monte Young mit „Poem for Chairs, Tables, Benches“ La Monte Young, „Poem for Chairs, Tables and Benches“, 1960. und „566 for Henry Flynt“ La Monte Young, „566 for Henry Flynt“, 1960. oder wie Alison Knowles mit „Shuffle“ Alison Knowles, „Shuffle“, 1961. . Ich denke, das war immer sehr erfolgreich. Ich habe es auf ein Programm minimiert, das ich „Nano-Fluxus“ nannte; Mini-Performances, die aufgenommen oder mit großen Projektionen live übertragen wurden, sodass die Leute im Hintergrund sehen konnten, was passierte. Das Ganze hat an einem kleinen Tisch stattgefunden – im Miniaturformat.

Gab es einen Punkt in der Beschäftigung mit Fluxus, an dem Sie dachten: „Das ist meine Zeit wirklich nicht wert“? Es ist vielleicht eine merkwürdige Frage, aber heute, da wir von so vielen Veranstaltungen überrollt werden, scheint die Frage nach der Qualität wichtiger denn je. Sie müssen sehr viel gesehen haben.

Ich denke, ich habe eine ganz gute Nase und oft gehe ich gar nicht erst hin. Was soll ich sagen? Ich denke, ich lösche 90 Prozent von dem, was ich jeden Tag als E-Mails erhalte. Aber 1962, als das alles auf der Bühne passierte, war es so neu und so anders, dass es idiotisch gewesen wäre, sich nicht dafür zu interessieren, was der andere machte und warum. Es ging einfach darum, was gerade los war. Und das ist ein radikaler Unterschied zu heute, denke ich. Es erreichte jeden, der irgendwie neugierig war. Vieles von dem, was heute unter Performance stattfindet, ist für mich natürlich nicht wahnsinnig neu oder anders. Und wie Sie sagen: 90 Prozent der Performancekunst bestehen darin, dass jemand in einem lustigen Kostüm herumrennt.

Wenn es so war, wie Sie sagen, dass alles Neue grundsätzlich erst einmal interessant war, warum waren Sie dann nicht bei den ZERO-Veranstaltungen und den Malereiausstellungen? Und andersherum, wer hat Ihre Veranstaltungen besucht? Das waren nicht nur Leute aus Wiesbaden, oder?

Nein. Obwohl ich immer wieder Leute treffe – ein oder zwei im Jahr – die mir sagen: „Ich war damals dabei.“ Wenige sind noch in der Kunstwelt aktiv, sie sind Ärzte oder Anwälte oder sonst irgendetwas, aber damals waren sie da und das waren Leute aus Wiesbaden.

Hatten Sie auch Verbindungen nach Frankfurt? Zur Galerie Dorothea Loehr? Oder zu Paul Maenz?

Nein, ich hatte sehr wenig Kontakt zu Galerien. Am meisten noch mit Italien zur Galleria Caterina Gualco, dann mit Schüppenhauer und einer kleinen Galerie in Berlin, der Emerson Gallery.

Und waren Sie in den 60er-Jahren mal in Frankfurt?

In den 60er-Jahren? Ich denke nicht. Ich kenne bis heute nur den Bahnhof von Frankfurt. Da steige ich in den Zug zum Flughafen um. Ich habe vielleicht zwei Freunde in Frankfurt, und ich weiß, wo das US-amerikanische Konsulat ist. Ich bin in der ganzen Welt gewesen, aber ich war nie im Städel Museum.

Weil es Sie einfach nicht interessiert?

Ich fahre dahin, wohin ich eingeladen werde – und das passierte in den letzten Jahren fast ohne Pause. Manchmal sage ich: „Wiesbaden ist nur der Ort, an dem ich meine Unterwäsche wechsle.“

Waren Sie 1963 zum „Festum Fluxorum“ „Festum Fluxorum. Fluxus. Musik und Antimusik. Das Instrumentale Theater“, Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, 02./03. Februar 1963. An dem Festival nahmen unter anderen John Cage, Robert Filliou, Yoko Ono und Terry Riley teil. an der Kunstakademie Düsseldorf eingeladen?

Nein, ich war nicht da. 1963 war ich schon zurück in New York und bis 82/83 war ich nicht mehr in Europa.

Hatten Sie Joseph Beuys vorher schon persönlich getroffen?

Ja. Es gab zwei Begegnungen, aber wir haben keine längeren Gespräche miteinander geführt oder irgend so etwas.

Kannten Sie seine Arbeiten?

Ich kannte einige Arbeiten, ja. Er war damals wirklich schon eine Persönlichkeit und es war unmöglich, ihn nicht zu kennen.

Beuys sah sich selbst durchaus als Teil der Fluxus-Bewegung, während Maciunas Beuys, glaube ich, nie wirklich dazuzählte?

Sagen wir mal so: Es heißt, dass das Fluxus-Manifest Das „Manifesto“, 1963 von George Maciunas verfasst, gilt als das erste Fluxus-Manifest. Darin forderte er unter anderem eine Loslösung von den abendländischen Kunsttraditionen sowie einen fließenden Übergang zwischen Kunst und Leben. Siehe auch: Clive Phillpot, „Manifesto I – Fluxus. Magazines, Manifestos, Multum In Parvo“, unter: http://georgemaciunas.com/about/cv/manifesto-i/ (eingesehen am 28.06.2017). nach der Sache in Düsseldorf entstand. Und ich denke, ein Großteil des Manifests war von Beuys und nicht von Maciunas. Damals erst wurde Fluxus zu Fluxus und war nicht länger Neo-Dada oder ein großer Zirkus. Aber ich habe mit Beuys darüber nie eine theoretische Diskussion geführt. Und über seine Performance in Düsseldorf Im Rahmen des Festivals „Festum Fluxorum. Fluxus. Musik und Antimusik. Das Instrumentale Theater"“ zeigte Joseph Beuys am 02. und 03. Februar 1963 die Aktionen „Komposition für 2 Musikanten“ und „Sibirische Symphonie 1. Satz“. habe ich in den Staaten nur gehört.

Aber Beuys gehörte nicht zum engen Kreis der Zirkusmannschaft?

Er war nicht Teil des Festivals hier in Wiesbaden. Ich erinnere mich auch an niemanden, der eine Arbeit von Beuys aufgeführt hat und es gehörte auch nicht zu meinem Repertoire von Fluxus-Performances.

Meinen Sie, er hätte das genehmigt? Seine Arbeiten hätten durchaus von anderen aufgeführt werden können. Das hat aber niemand, soweit ich weiß, getan. Und hier liegt vielleicht der Unterschied zwischen Fluxus und Happening, den Sie vorher schon angesprochen haben.

Ich würde ihn mehr beim Happening verorten. Beuys habe ich nie wirklich zu Fluxus dazugezählt. Er war sehr nah an Fluxus, weil er unter anderem mit Maciunas und Paik zu tun hatte, aber er war immer mehr Teil des äußeren Rings, würde ich sagen.

Sie haben vorhin René Block erwähnt. Wie war Ihr Kontakt zu ihm?

Die wichtigste Verbindung entstand eigentlich in den 1990er- beziehungsweise frühen 2000er-Jahren, als die große Fluxus-Ausstellung „Fluxus in Deutschland 1962–1994“, Tourneeausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen, Erstrealisation in Stuttgart, 1994. tourte. Ich war praktisch bei jeder Eröffnung eingeladen aufzutreten – von Neu-Delhi bis wer weiß wohin. Ich wusste auch vorher schon von René Block, jedoch hatten wir keinen richtigen Kontakt, auch nicht geschäftlich. Ich fand aber immer, dass er derjenige war, der verstand, was Fluxus sein sollte und der versuchte, etwas damit anzufangen.

Sie sind einmal bei Rolf Jährling in der Galerie Parnass aufgetreten. Hatten Sie sonst zu irgendwelchen Leuten in Düsseldorf oder Köln Kontakt?

Nein. Als die großen Sammlungen entstanden, habe ich keine Arbeiten gemacht, die sie interessierten.

Ich glaube, 1990 war Fluxus das erste Mal auf der Biennale in Venedig vertreten. Im Rahmen der Biennale von Venedig 1990 organisierte Achille Bonito Oliva die Ausstellung „Ubi Fluxus ibi motus“, in der verschiedene Positionen der Fluxus-Künstler zu sehen waren. Kann das sein?

1990 … Könnte sein, ja.

Waren Sie da?

Ja. Ich erinnere mich, dass es meine erste Biennale war. Nein! 1983 war ich schon in São Paulo.

War das damals für Sie überraschend? 1990 klingt für mich etwas verspätet?

Ich denke, 1990 war es eher eine Retrospektive.

Hatten Sie vorher irgendeine documenta gesehen?

Nein, bis heute nicht.

Was ist mit Jean-Pierre Wilhelm Jean-Pierre Wilhelm (1912 Düsseldorf – 1968 Düsseldorf) war ein deutscher Galerist und Kunstkritiker, der gemeinsam mit Manfred de la Motte von 1957 bis 1960 die Galerie 22 in Düsseldorf leitete. ? Haben Sie ihn gekannt?

Ja. Wir haben uns gesehen und miteinander gesprochen, aber es war keine aktive Beziehung, in der er irgendetwas für mich getan hätte oder so.

Und wer hat etwas für Sie getan? Vostell?

Na ja, ich lebte in seinem Atelier in Köln, ja. Wir hatten also täglich miteinander zu tun. Als ich nach Paris zog, wurde es natürlich weniger und ging dann auch etwas bergab. Das war, als Vostell karriereorientiert wurde …

Es heißt, es gab damals wenig Wettbewerb, aber Nam June Paik schien auch jemand zu sein, der sehr aufpasste, was er anderen zeigte und was nicht. Er hielt vieles geheim. War das bekannt? Wurde darüber geredet?

Nein. Nam June war in dieser Hinsicht und in dieser Zeit einmalig. Nicht, dass ich so viele Künstler kenne, dass ich das grundsätzlich beurteilen kann, aber Nam June war einmalig.

Weil er der Meinung war, er sei ein Erfinder?

Oh, hat er das gesagt?

Nein, das frage ich Sie. Ist die Geschichte nicht: Nam June Paik führte die Videokunst in Europa ein und Vostell in den USA? Im März 1963 zeigte Nam June Paik im Rahmen der Ausstellung „Exposition of Music“ in der Galerie Parnass in Wuppertal erstmals eine Auswahl an Videoarbeiten. Im Mai 1963 stellte Wolf Vostell mehrere manipulierte TV-Geräte in der Smolin Gallery in New York aus. Vgl. Wulf Herzogenrath, „Videokunst und die Institutionen. Die ersten Jahre“, in: Rosanne Altstatt/Rudolf Frieling, „40jahrevideokunst.de. Digitales Erbe: Videokunst in Deutschland von 1963 bis heute“, Ostfildern 2006, S. 20–33, hier S. 20–22. Das war fast zur gleichen Zeit. Künstler streiten gerne darüber, wer Erster war.

Ja, Paik war offensichtlich Erster und Vostell … Also, um es nett zu sagen: Er übernahm nach Paik. Aber das Paik-Video war sicherlich originaler und zeitlich vor Vostell.

Und warum, meinen Sie, arbeitete Paik im Verborgenen?

Ich glaube, das war einfach Nam June – seine Persönlichkeit.

Weil er sich konzentrieren wollte?

Ich würde sagen, erst einmal war er eine sehr großzügige Person. Für Freunde war er immer erreichbar. Aber er schirmte sich gelegentlich auch ab. Wenn ich ihn allerdings besuchte, hieß es nie „Oh, das kann ich dir nicht zeigen“, sondern immer „Sieh dir das an …“. Wir hatten wirklich eine gute Beziehung, würde ich sagen. Aber er hatte möglicherweise eine Nase für Künstler wie Vostell, die sich der Arbeiten bedienten und es ihr Eigen nannten. Als ich Vostell kennenlernte, war er Décollageist.

Sie haben ihn in Köln kennenglernt?

Ja.

Wo?

Spätestens bei Lauhus in der Galerie. Es war Vostells erste Ausstellung „Wolf Vostell. Dé-coll/age“, Galerie Haro Lauhus, Köln, 15.–28. Mai 1961. Zur Eröffnung führten Wolf Vostell und Benjamin Patterson eine Performance vor. und ich bin dort aufgetreten. Vielleicht habe ich ihn vorher schon bei Mary im Atelier getroffen, aber daran erinnere ich mich nicht mehr.

Und nach der Ausstellung bei Lauhus sind Sie in sein Atelier gezogen?

Ja, kurz danach. Warum ich das tat? Ich denke, ich war möglicherweise pleite und konnte die Miete für das kleine Zimmer, das ich damals in Köln hatte, nicht mehr bezahlen. Und dann hat Vostell gesagt: „Du kannst im Atelier schlafen, wenn du möchtest.“ Also habe ich das gemacht. Wie gesagt, als ich ihn das erste Mal getroffen habe, war er ein Décollageist. Und es ist ein ziemlicher Sprung von dort zur Videokunst. Ich erinnere mich nicht, irgendwelche Experimente mit Videokunst gesehen zu haben. Und, wie gesagt, ich war ja im Atelier und habe also gesehen, was da vor sich ging.

Sie haben dort gelebt und er kam zum Arbeiten?

Ja, er hat zur gleichen Zeit dort gearbeitet.

Sie haben also gesehen, dass …

Ja.

Wie lange haben Sie da gewohnt?

Ich denke, ungefähr ein Jahr.

Dann müssen Sie sich gut verstanden haben?

Ja, wir sind gut miteinander ausgekommen. Ich kann mich an keine Probleme erinnern.

Sprachen damals alle Englisch?

Nein, nein. Ich denke, ich habe meistens Deutsch gesprochen.

Wo haben Sie Deutsch gelernt?

An der Universität. Ich habe erst Deutsch und Französisch studiert, was zur klassischen musischen Ausbildung gehörte, weil Texte zum Beispiel auf Deutsch waren. Und dann habe ich es natürlich auch während der Zeit in der Army gelernt. Wenn du in Deutschland wohnst, musst du die Sprache lernen. Ich bin nie zur Schule gegangen, ich habe es so aufgeschnappt.

Ich muss noch mal etwas in der Geschichte zurückgehen: Auf der Einladungskarte für die Ausstellung in der Galerie Parnass wurden Namen hinzugefügt. Ich glaube, es wird in Elke Gruhns Text im Wiesbadener Katalog „Benjamin Patterson. Living Fluxus“, hg. von Elke Gruhn, Ausst.-Kat. Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Köln/London 2013. erwähnt, dass zwar nur Maciunas und Sie angekündigt waren, daneben aber auch weitere Künstler teilnahmen. Und Sie sagten daraufhin: „Wenn das die Ausstellung war, in der Fluxus geboren wurde, dann waren es nur Maciunas und ich.“ Ich frage mich, wer war nun wirklich dabei?

Von den Fluxus-Leuten? Nur Maciunas und ich sind aufgetreten. Paik war da. Und weil ich das Stück „Duo for Voice and a String Instrument“ aufführte und die Stimme einem amerikanischen Sänger, der damals in Köln lebte, William Pearson, gehörte, war der wahrscheinlich auch da. Ich erinnere mich nicht, aber ich denke, sein Name war auch auf die Einladungskarte gedruckt.

Nein, der Name ist nicht gedruckt, nur hinzugefügt.

Später hinzugefügt, okay. Möglicherweise war es auf den versendeten Einladungskarten nicht korrigiert und wurde einfach später hinzugefügt.

Wen hat Haro Lauhus damals noch gezeigt?

Wie gesagt: Vostell, Rotellas erste Ausstellung in Deutschland, Christos erste Ausstellung überhaupt – und Spoerri. Ich denke, Haro Lauhus war auch der Kopf hinter dem Contre-Festival, obwohl es, weil Haro verschwunden ist, immer Mary zugesprochen wird. Heute ist sie die „Mother of Fluxus“.

Als Frau hat sie damals eine sehr besondere Rolle eingenommen, aber sie beansprucht, glaube ich, nicht, die „Mother of Fluxus“ zu sein. In der Umgebung von Fluxus gab es einige Frauen – viel mehr als irgendwo anders in der Kunstwelt. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Möglicherweise, weil es Performancekunst war. Keine Kategorien und keine Galerien oder traditionelle Orte, an denen die Kunst stattgefunden hat. Es konnte also alles passieren. Es gab Carolee Schneemann, Charlotte Moorman, Alison Knowles und die ganze japanische Truppe.

Ja, wir haben ganz vergessen, über Yoko Ono zu sprechen.

Ja, Yoko Ono, Takako Saito, Mieko Shiomi, Shigeko Kubota … Ich hatte eigentlich nie Kontakt zu Yoko Ono. Also, warum gab es bei Fluxus so viele Frauen? Vielleicht, weil sie in der Musik und der Performance immer akzeptiert waren – in der Musikwelt sogar schon viel, viel früher. Das hat es möglicherweise leichter gemacht. In der Welt der Malerei? Wie viele Malerinnen gibt es in der gesamten Kunstgeschichte? Eine Hand voll, nicht mal. Es gab mehr Frauen in der Fluxus-Szene als in der gesamten Malereigeschichte, jedenfalls von denen ich weiß. Ich denke, das hat etwas damit zu tun. Und da Performance praktisch keinen kommerziellen Wert hatte, war es offener und toleranter. Worüber ich vor ein paar Jahren begann nachzudenken, ist, dass Fluxus das größte Publikum, aber auch die meisten Orte, an denen Fluxus sich wirklich entwickelte, in Deutschland, Italien und Japan hatte. In Frankreich? Sehr, sehr wenig oder gar nichts. In Spanien? Die Zaj Gruppe Zaj war eine Gruppe von experimentellen Komponisten und Performancekünstlern, die 1959 von Walter Marchetti und Juan Hidalgo in Mailand gegründet wurde. Aufgrund ihrer engen Kontakte zu John Cage und George Maciunas beteiligte sich Zaj während der 1960er- und 1970er-Jahre an zahlreichen Veranstaltungen im Umfeld der Fluxus-Bewegung. Die Gruppe löste sich 1993 auf. Siehe auch: Antonio Leyva Sanjuan, „Zaj. A Conversation with Juan Hidalgo“, in: „Crónica“, Nr. 42, 1991, S. 32 f. , das war aber mehr Musik. Und in den USA? Eigentlich nur durch die Eingewanderten. Und ich habe mich gefragt, warum? Deutschland, Italien, Japan – was haben die gemeinsam? Die drei Länder waren die Powerachsen im Zweiten Weltkrieg. Die Verlierer. So macht es Sinn: Raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen. Die alte Philosophie hat offensichtlich nicht funktioniert.

Darauf zielte meine Frage hinsichtlich der Unterschiede in den USA und in Deutschland ab. Sie sind mit den Amerikanern nach Deutschland gekommen, und der Einfluss der Amerikaner in der Bundesrepublik war groß. Viele der Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg, Kriegskinder, hatten erst einmal damit zu tun, die Kriegsbilder und den Verlust von Angehörigen zu bewältigen. Es scheint, als konnten Sie hier und dort arbeiten, als wären Sie in einem ganz eigenen Universum unterwegs gewesen.

Oder in irgendeinem Universum. Es war eine Art der Isolation. Ich musste unter bestimmten Umständen leben. In den Staaten gab es immer noch Rassentrennung Nach der Abschaffung der Sklaverei 1865 regelten die sogenannten „Jim-Crow-Gesetze“ die Rassentrennung in den USA. Diese umfasste unter anderem eine getrennte Nutzung von Wohnvierteln, öffentlichen Institutionen und Bildungseinrichtungen. Die Rassentrennung wurde erst 1964 unter der Präsidentschaft von Lyndon B. Johnson durch den Civil Rights Act aufgehoben. Siehe auch: Daniel Moosbrugger, „Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. ‚Schwarze Revolution‘ in den 1950er und 60er Jahren“, Stuttgart 2004. , aber meine Familie gehörte in der schwarzen Gesellschaft zur gehobenen Mittelschicht. Ich hatte also auf der einen Seite von Anfang an einige Privilegien. Auf der anderen Seite gab es aber, als ich aufwuchs, auch noch Restaurants in Pittsburgh in einer eigentlich „non-segregated“ Gegend, die hat man betreten, sich an einen Tisch gesetzt und gewartet und gewartet und gewartet. „Entschuldigung, wir schließen.“ Solche Dinge passierten damals. Sie hatten ihren eigene Weise damit umzugehen. Also war ich zwar einerseits privilegiert, anderseits aber im System gefangen. Vielleicht habe ich einfach innerhalb des Globus mein eigenes Universum geschaffen. Das hat mir das Arbeiten erleichtert.

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