Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Peter Dreher

Peter Dreher

Peter  Dreher

Peter Dreher

Wittnau, 22. November 2016

Franziska Leuthäußer: Wann haben Sie Ihr erstes Bild gemalt?

Peter Dreher: Mit fünf. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich war mit meiner Großmutter auf einem Flugplatz in Mannheim. Das hat mich sehr beeindruckt. Und das habe ich versucht zu zeichnen. Oder dann habe ich einen Park in Mannheim gezeichnet, den Luisenpark. Da war ich auch mit meiner Großmutter.

Haben Sie die Zeichnung des Flugplatzes vor Ort oder aus der Erinnerung angefertigt?

Aus der Erinnerung. Ich hatte immer Freude daran – und das mein ganzes Leben lang. Ich habe eigentlich immer das gezeichnet und gemalt, was ich sah. Ich habe nie etwas erfunden oder etwas gezeichnet, was nicht real war. Das war nicht mein Ding.

Was geschieht, wenn man das Gesehene noch einmal, und zwar mit der individuellen Sicht darauf und in einer eigenen Form, wiedergibt?

Ich habe die Dinge so wiedergegeben, wie sie mir in Erinnerung waren. Mein älterer Bruder hatte dasselbe gezeichnet, aber die Bilder unterschieden sich sehr voneinander.

Wuchsen Sie als Kind in einer Umgebung mit Kunst auf?

Wir waren eine Familie mit drei Kindern, und in unserem Haus wurde immer gemalt.

Wann haben Sie entschieden, damit Ihr Leben zu verbringen und an die Kunstakademie zu gehen?

Ab der Quinta habe ich nicht mehr nur in der Schule im Zeichenunterricht gezeichnet, sondern auch zu Hause. Ich habe mir aber nichts dabei gedacht. Ich habe nicht überlegt, ob das Kunst ist oder nicht. An eine Ausbildung habe ich erst später gedacht. Mit 18 bin ich dann an die Kunstakademie gegangen. Damals fragte der Rektor: „Was haben Sie denn bis jetzt gemacht?“ Nachdem ich ihm meine Zeichnungen gezeigt hatte, sagte er: „Ich glaube, wir müssen Sie nehmen“. Ich war von 1950 bis 1956 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Zuerst in der Zeichenklasse bei Professor Karl Hubbuch.

War Ihnen damals die Neue Sachlichkeit schon ein Begriff?

Ja, ich wurde in der Schule von dem damaligen Referenten der Militärregierung angefordert. Er suchte einen Jungen in meinem Alter, der künstlerisch begabt war. Mit ihm habe ich mich über Kunst unterhalten, und er hat mich auch mit in die Kunsthalle Mannheim genommen. Dem Direktor dort habe ich meine Zeichnungen gezeigt, er hat mich in die Sammlung eingeführt und mir seine Gedanken zur Kunst erläutert.

Wie haben Sie sich als Student das Leben finanziert?

Da half mir meine Mutter. Mein Vater war im Krieg gefallen, und meine Mutter hatte es natürlich sehr schwer, aber ich durfte zumindest zu Hause wohnen. Mein älterer Bruder, der Schriftsteller ist, hatte es sehr viel schwerer. Ihn hat meine Mutter rausgeworfen, als er seinen Wunsch äußerte, Schriftsteller zu werden.

Waren Schriftsteller weniger unterstützungswürdig als Maler?

Wir waren drei Buben, und mein älterer Bruder war der Erste, der Kunst machte. Er war vier Jahre älter als ich, und er hatte auch Freunde, die meiner Mutter nicht gepasst haben. Meine Großmutter hat ihm, nachdem er rausgeflogen war, das Essen aufs Fensterbrett gestellt. Mich hat man irgendwie ausgehalten. Es hieß: „Der Bub soll halt seinen Kram machen.“

Was haben die Professoren Ihnen an der Akademie beigebracht?

Hubbuch war ein ziemlich strenger Lehrer. Wir haben viel Modell gezeichnet. Nach zwei Semestern bei Hubbuch kam ich zu Erich Heckel. Und als Heckel nicht mehr da war, habe ich bei Wilhelm Schnarrenberger weiterstudiert.

Als Sie mit der Akademie fertig waren, sind Sie nicht gleich Professor oder Lehrer geworden. Gab es je die Überlegung: Wofür mache ich das eigentlich?

Für mich!

Dennoch wollen die Bilder ja gesehen werden.

Es freut mich natürlich, wenn sie gesehen werden und mit mir darüber gesprochen wird. So geht es eigentlich jedem jungen Künstler. In der Akademie hatten wir den üblichen Austausch. Wir waren etwa 15 Schüler in der Klasse, und jeder hatte seine eigene Art. Das war eine sehr anregende Zeit.

In den 60er-Jahren beginnt sich in Deutschland eine Kunstszene zu etablieren. Viele Künstler, darunter Gerhard Richter, Günther Uecker, Sigmar Polke, kamen aus der DDR nach Westdeutschland. Hatten Sie Kontakte zu dieser Szene in Köln oder Düsseldorf?

Nein. Ich bin nach Karlsruhe gegangen. Das war das Nächstliegende. Dort habe ich angefangen zu studieren.

Haben Sie Gerhard Richter je getroffen?

Ja. Wir hatten einen lockeren Umgang miteinander. Ich war bei ihm in Düsseldorf und habe seine Arbeiten angesehen, und er war zwei-, dreimal bei mir in Karlsruhe, weil er dort mit einem anderen Künstlerkollegen befreundet war. Das war schon anregend und wichtig für mich, weil er bereits damals eine besondere Figur in der Kunstwelt war und auch eine besondere Rolle innehatte. Wir hatten ein gutes, kollegiales Verhältnis.

Horst Antes Horst Antes (* 1936 Heppenheim) studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei HAP Grieshaber und entwickelte ausgehend von Informel und Tachismus eine Malerei abstrahierter Figuration mit der wiederkehrenden Darstellung des „Kopffüßlers“. Antes war auf der documenta 3 (1964), 4 (1968) und 6 (1977) vertreten und wurde 1966 auf der „33. Biennale von Venedig“ mit dem Preis für Malerei ausgezeichnet. Von 1967 bis 1971 sowie erneut von 1984 bis 2000 lehrte er als Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. war zeitgleich mit Ihnen an der Kunstakademie in Karlsruhe, oder?

Ja. Allerdings war jeder in seiner Klasse ziemlich eingebunden. Dennoch war Antes für mich eine sehr interessante, spannende und lehrreiche Bekanntschaft. Antes war bei HAP Grieshaber. Und Grieshaber war wiederum ein sehr guter und sehr beliebter Lehrer. Die Schüler hatten noch über das Studium hinaus zu ihm Kontakt. Hubbuch war anders, aber man konnte mit ihm sprechen. Ich war auch einige Male bei ihm im Atelier.

Einige Jahre später hatten Sie selbst Schüler. Einer der berühmtesten Schüler, der aus Ihrer Klasse hervorgegangen ist, ist Anselm Kiefer. Er hat bei Ihnen seinen Abschluss gemacht, und zwar mit der heute sehr bekannten Arbeit „Besetzungen“ 1969 reiste Kiefer mit einer Uniform seines Vaters nach Frankreich, Italien und in die Schweiz, um in der Landschaft vor wichtigen Bauten und Denkmälern den Hitlergruß auszuführen. Die Aktionen nannte Kiefer „Besetzungen“. 1970 entstanden nach eigenen fotografischen Vorlagen acht Gemälde unter dem Titel „Heroische Sinnbilder“. Vgl. hierzu „Anselm Kiefer. Bücher 1969–1990“, hg. von Götz Adriani, Ausst.-Kat. Kunsthalle Tübingen, Ostfildern 1990, S. 8–19, hier S. 12. . Was haben Sie damals gedacht, als er Ihnen diese Bilder vorlegte? Vgl. hierzu Anselm Kiefer.

Kiefer hat sich in den Besprechungen der Arbeiten immer sehr zurückgehalten. Mir hat das, was er machte, sofort gefallen. Das war ja nicht unbedingt das, was er später machte. Bei den Aufnahmegesprächen saßen damals immer fünf Lehrer zusammen. Ein Bewerber nach dem anderen kam herein und wurde ausgiebig befragt. Da gab es natürlich Leute, die man sofort aufgenommen hat, und andere, die abgelehnt wurden. Kiefer war damals einer der besten Bewerber. Wenn nicht der Beste. Ich habe damals gesagt: „Den würde ich gerne in meine Klasse nehmen.“ Und dann bekam ich ihn auch.

Was haben Sie Ihren Schülern beigebracht? Haben Sie sie, wie Herr Hubbuch, vor das Modell gesetzt?

Ja, natürlich. Das habe ich auch gemacht. Vielleicht nicht so regelmäßig wie Hubbuch, aber doch auch. Die Figur des Menschen ist ein wichtiger Bestandteil des Studiums. Darüber hat man sich ausgiebig unterhalten. Und man hatte zum Teil auch ein lebendiges Verhältnis zu den Modellen. Das war wichtig.

Ich habe mich immer dafür interessiert, was meine Studenten machten, auch wo sie sich Anregungen holten. Bei anderen Lehrern und Kollegen … Ich wollte einen möglichst lebendigen Austausch mit ihnen haben. Auch ein bisschen über das Studium und das Malen hinaus. Ich habe mich mit ihnen beispielsweise auch über ihre Freundin und solche Dinge unterhalten. Wir hatten ein relativ kameradschaftliches Verhältnis, weil es mir eigentlich nicht lag, den Lehrer rauszuhängen zu lassen. Nicht, dass ich dauernd die Studenten in ihrer Wohnung besucht hätte, aber ab und zu. Anselm Kiefer zum Beispiel.

Von Karlsruhe aus ging Kiefer nach Düsseldorf zu Joseph Beuys … Vgl. hierzu Anselm Kiefer.

Kiefer war noch Student, als er zu Beuys ging. Er war eine Zeit lang an beiden Akademien, in Karlsruhe und in Düsseldorf.

Waren Sie mit Beuys bekannt?

Beuys war natürlich damals schon eine Figur, die einen interessiert hat. Persönlich kannte ich ihn aber kaum. Eher vom Sehen und von Gesprächen, an denen er teilnahm.

Kannten Sie seine Arbeiten?

Ja. Die fand ich sehr interessant. Es war nicht unbedingt mein Ding, aber ich fand es interessant, und ich habe Beuys als jungen Künstler sehr geschätzt.

Haben Sie Beuys auch auf der documenta erlebt?

Ich erinnere mich nicht, ob ich ihm dort begegnet bin. Da gewesen bin ich. Auch zum Teil mit meinen Studenten zusammen. Das war für uns, die wir in der Nazizeit aufgewachsen waren, sehr wichtig. Denn die documenta war der einzige Ort, an dem moderne Kunst im großen Stil gezeigt wurde. Für uns war die documenta sozusagen das Zentrum der Welt. Sie war genauso wichtig – wenn nicht wichtiger – wie die amerikanische Kunst, die damals sehr im Schwange war. Robert Rauschenberg, Jasper Johns und so weiter.

Hatten Sie damals irgendwelche Verbindungen in die DDR?

Ja. Meine damalige Galeristin aus Frankfurt, Kristine Oevermann, hatte Kontakt zu einigen Künstlern dort und hat sie auch ausgestellt. Sie hatte relativ enge Verbindungen zur DDR. Mit ihr bin ich ein paar Mal rübergefahren. Wir haben Dresden, Berlin und andere Städte besucht. Ich habe mich sehr dafür interessiert, denn damals war es ja so, dass die realistischen Maler oder Künstler in der BRD von den anderen relativ abgeschirmt waren. In der DDR hat man sie persönlich kennengelernt. Das hat mir sehr gefallen. In der Bundesrepublik war die Abstraktion die große Kunst. Wenn man gefragt wurde: „Was machst du?“, und sagte: „Ich gehe auf die Kunstakademie“, war die nächste Frage: „Malst du abstrakt?“ Das war wie eine Art Auszeichnung. Das war wichtig.

Waren das wirklich Vertreter des Sozialistischen Realismus, die Sie damals in der DDR getroffen haben? Willi Sitte Willi Sitte (1921 Kratzau, Tschechoslowakei, heute Tschechische Republik – 2013 Halle an der Saale) war ein Maler und Grafiker. Bekannt ist er vor allem für seine figurative Malerei. 1947 trat er der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Zwischen 1974 und 1988 war er Präsident des Verbands Bildender Künstler (VBK) der DDR. Sitte zählt zu den einflussreichsten Vertretern des Sozialistischen Realismus. zum Beispiel?

Ja, Willi Sitte war mir ein Begriff. Ich glaube, wir waren auch ein-, zweimal kurz bei ihm. Er war in der DDR damals schon sehr verankert und spielte drüben auch schon eine große Rolle.

Wenn Sie gefragt wurden: „Malen Sie auch abstrakt?“, und Sie dann geantwortet haben: „Nein.“ Wie war die Reaktion?

Etwas verwundert und von oben herab. „Der malt realistisch?“ Es war aber auch nicht so, dass man sich dafür geschämt hätte.

Wie würden Sie insgesamt die Rezeption Ihres Werks einschätzen? Gab es Zuspruch oder Ablehnung? Gab es überhaupt irgendeine Reaktion von der Öffentlichkeit?

Ja, wir haben unter anderem im Kunstverein in Karlsruhe und in der Kunsthalle in Baden-Baden ausgestellt. „Deutscher Holzschnitt“, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 1966, „Peter Dreher“, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 19. November 1977–15. Januar 1978; „Vorbilder“, Badischer Kunstverein Karlsruhe, 1988. Da haben wir als junge Kunststudenten schon mit ausstellen dürfen. Sogar in Baden-Baden. Klaus Gallwitz Klaus Gallwitz (* 1930 Pillnitz) leitete die Kunsthalle Baden-Baden von 1967 bis 1974. Von 1974 bis 1994 war er Direktor am Städel Museum in Frankfurt am Main und führte anschließend von 1995 bis 2002 das Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems. Ab 2004 war er unter anderem als Gründungsdirektor des Museums Frieder Burda in Baden-Baden und des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in Remagen tätig. Zwischen 1976 und 1980 betreute Gallwitz dreimal den Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig, wo er Ausstellungen mit Joseph Beuys (1976), Jochen Gerz (1976), Reiner Ruthenbeck (1976), Dieter Krieg (1978), Ulrich Rückriem (1978), Georg Baselitz (1980) und Anselm Kiefer (1980) verantwortete. war da sehr lebendig und hat sich sehr interessiert.

Ich habe das Gefühl, Sie haben sich vom sogenannten Kunstbetrieb am liebsten ferngehalten. Sie konnten es sich leisten, weil Sie Professor waren und nicht darauf angewiesen zu verkaufen. Dennoch: 1967 fand der erste Kunstmarkt in Köln statt, viele Galerien eröffneten oder übersiedelten ins Rheinland. Es gibt Fluxus und Happenings, neue Medien, Videokunst und Pop-Art. Wie haben Sie diesen Betrieb aus der Distanz wahrgenommen?

Ich war auch mal auf dem Kunstmarkt in Köln, das hat mich aber eigentlich nicht interessiert. Ich bin auch irgendwie im Betrieb mitgeschwommen und habe mitgeguckt. Das hatte aber keinen großen Einfluss auf mich und meine Arbeit.

Würden Sie sagen, dass der Wettbewerb in Karlsruhe gar keine Rolle gespielt hat?

In Düsseldorf war das sehr viel mehr. Da war man sehr viel direkter und war auf Bekanntheit aus. In Karlsruhe war es im Verhältnis dazu ein bisschen spießig. Wir haben beobachtet, wie das in Düsseldorf ablief, aber es hat uns nicht direkt beeinflusst. Obwohl wir natürlich ganz erfreut waren, dass neben der abstrakten Kunst, die damals in meiner Generation eine Rolle spielte, die Figuration immer stärker wurde. In Berlin wurde das dann zentraler. Wir haben uns zum Beispiel für Schönebeck interessiert. Aber nicht so, dass er unser Vorbild war.

Hatten Sie Kontakt zu den Galeristen? Alfred Schmela, Rudolf Zwirner, Heiner Friedrich …

Wenig. Ich habe einige Künstler gekannt. Aber hauptsächlich Leute, die von der Akademie kamen, Schnarrenberger, Heckel … Ein anderer Kollege war Hans Martin Erhardt. Er war mit mir schon bei Schnarrenberger in einer Klasse.

Waren in der Klasse auch Studentinnen?

Ich glaube sogar, es gab mehr Frauen als Männer.

Und als Sie selbst Professor waren, hatten Sie auch viele Studentinnen in der Klasse?

Es war etwa ausgeglichen.

Würden Sie sagen, dass die Frauen es etwas schwerer hatten?

Man hat das manchmal gehört. Ich habe es nie erlebt, dass sie es schwerer hatten. Aber es war auch unter uns Studenten – nicht bei mir – eine Stimmung, dass man ein wenig auf Frauen herabschaute. „Frauen können keine Kunst machen“ – das habe ich noch im Ohr.

Woher kommt das?

Das weiß der Teufel – ich hatte damals den Verdacht, dass die männlichen Studienkollegen auf diese Art ein wenig auf dicke Hose gemacht haben. Das geht ja leichter, wenn man jemanden hat, der unter einem oder scheinbar unter einem steht. Ich habe mich aber immer dafür interessiert, was meine Kolleginnen machten. Ich hatte eigentlich nie Vorurteile. Dass Frauen keine Kunst machen können, ist meiner Ansicht nach Blödsinn.

1978 waren Sie für mehrere Monate in Amerika. Was war für Sie der Anlass, diese Reise zu unternehmen?

Die amerikanische Kunst hat mich sehr interessiert. Ich fand das sehr aufschlussreich, interessant und zeitgenössisch. Die Amerikaner waren führend in der zeitgenössischen Kunst. Und als ich dann zum ersten Mal die Gelegenheit hatte, weil ich es mir durch die Bezahlung an der Akademie leisten konnte, bin ich nach New York gereist. Mein Schwager, der damals dort lebte, hat mich in Verschiedenes eingeführt und auch in Ateliers amerikanischer Künstler mitgenommen.

Er hatte Kontakt zur Kunstszene?

Ja, er war beim Fernsehen in Köln und hatte dadurch überallhin Kontakte.

Wen haben Sie in New York getroffen?

Nicht sehr viele. Weniger, als ich gehofft hatte. Weil ich auch ein bisschen scheu war und nicht bei jedem ins Atelier reintappen wollte.

In New York sind damals auch Bilder von Ihnen entstanden.

Ja. Ich habe relativ viel gemalt. Das war sehr anregend. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in die Materialgeschäfte ging und dort Leinwände und Farben kaufte.

War das dort anders als hier?

Es war anders. Wenn man dort in ein Geschäft ging, hatte man das Gefühl, es sei sachverständiger, interessanter und reicher als es hier in Deutschland war. Man wurde dort als Deutscher nicht abgelehnt. Man wurde aber auch nicht mit offenen Armen empfangen. Jedenfalls habe ich mich in Amerika, in New York, sehr wohlgefühlt. Vielleicht war mein Aufenthalt in New York meine schönste Zeit überhaupt.

Warum sind Sie damals nicht dort geblieben oder wieder zurückgegangen?

Ich hatte ja hier meine Professur. Und in New York brauchte man auch Geld, das ich nicht hatte. Irgendwo bin ich auch gerne wieder zurück nach Deutschland gegangen. Das hat mich dann selbst fast verwundert.

Wie war Ihr Verhältnis zur Pop-Art?

Die Pop-Art war interessant. Ich weiß noch, als ich sie zum ersten Mal sah – ich glaube das war in Köln – ich war hin und weg. Bis dahin war alles nur Abstraktion. Die Pop-Art war natürlich ein etwas anderer Realismus als unser Realismus in Süddeutschland. Aber grundsätzlich waren wir außerordentlich elektrisiert durch die realistische Malerei.

Was in der amerikanischen Kunst, in der Pop-Art, in der Minimal Art oder der Konzeptkunst thematisch so gut wie gar nicht vorkommt, ist der Zweite Weltkrieg. In Deutschland hat dieser Krieg Spuren hinterlassen, die auch in den 60er-Jahren noch keineswegs beseitigt waren. Nicht nur die ZERO-Künstler, sondern auch Georg Baselitz und Eugen Schönebeck, Joseph Beuys, Anselm Kiefer und viele andere haben diese Spuren in ihrem Werk aufgenommen. Waren das Ihrer Meinung nach auch Strategien der Aufarbeitung?

Das kann ich nicht sagen, weil ich selbst ein Kriegskind bin. Es hat mich natürlich immer gefreut, wenn ich etwas sah, was in unserer Zeit entstanden war. Von meiner realistischen Ausbildung und eigenen realistischen Malerei her war Baselitz nicht unbedingt mein Ding, aber er war natürlich interessant. Er war auch als Figur interessant. Aber ich gehörte nicht zu seinem engeren Kreis oder zu seinen Bewunderern. Die Berliner haben damals auch eine Sonderrolle gespielt. Das kam durch die Besatzung. Berlin war ja damals noch isoliert.

Aber auch das, was man aus der DDR sah, war interessant und hat auch betroffen gemacht. Sie haben die Nazizeit, die Kriegszeit viel mehr ins Auge gefasst als wir in der Bundesrepublik. Es war aber auch ein anderes Denken. Kommunismus. Das hatte einen anderen Geruch als bei uns. Es war die Staatskunst der DDR, so wurde es uns jedenfalls gesagt.

Ich habe den Krieg erlebt. Ich saß in Bunkern. Verwandte und Bekannte meiner Eltern waren Soldaten und sind gefallen. Insofern war ich mit dem Krieg schon befasst, zum Teil auch mit unschönen Erfahrungen …

Aber Sie hatten nie das Bedürfnis, diese Erfahrungen auch in die Kunst einfließen zu lassen?

Nein. Vielleicht waren das eher diejenigen, die dem etwas neutraler gegenüberstanden, die Jüngeren. Für mich waren der Krieg und die Bomben, die auch unser Haus plattgemacht haben, ein Schrecken. Als unser Haus zerstört war, sind wir in den Schwarzwald gezogen. Als Flüchtlinge. Ich habe zum Beispiel während des Kriegs diese riesigen Geschwader von amerikanischen Flugzeugen erlebt. Das war ein Krach! Das waren vielleicht 100 Flugzeuge in einem Geschwader. Später haben die Franzosen unseren Ort besetzt, das waren nicht unbedingt schöne Erlebnisse. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal durch den Ort ging – und so etwas ist öfter passiert – ich hatte eine Kappe auf, und dieser französische Soldat oder Offizier schlug mir mit seiner Reitpeitsche das Ding vom Kopf. Solche Erlebnisse sind mir in Erinnerung geblieben.

Sie waren ein Kind. Wann begannen Sie zu verstehen, was in diesem Krieg eigentlich passiert ist?

Ich war 10, 12, 14, als die Besatzungszeit war. Positioniert habe ich mich eigentlich nicht, denn irgendwo waren wir ja erzogen, die Besetzer bis zum Kriegsende als Feinde zu sehen. Und dann haben wir etwas erstaunt geguckt. Als die Franzosen in unseren Ort einzogen, sehr viele Soldaten, Gruppen von Soldaten und Pferde, war uns das sehr fremd. Wenn ich später erzählt habe, dass ich dort tatsächlich weiße Kamele gesehen habe, wurde ich immer aufgezogen. Andererseits erinnere ich auch, dass ein französischer Offizier mich in die Garage seines Jeeps mitgenommen hat und mir das Auto erklärte. Später durfte ich auch einmal mitfahren. Die waren eigentlich gar nicht übel, diese Franzosen. Besonders die ersten drei Tage der französischen Besatzung waren prima! Sie haben uns Schokolade geschenkt. Später drehte sich das etwas.

Sie sagten einmal, dass Sie bereits als Kind erfahren haben, dass Sie während des Zeichnens von den anderen wie ein Schlafender behandelt wurden, das heißt, man hat sie in Ruhe gelassen?

Ja, so ist es.

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