Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Rochus Kowallek

Rochus Kowallek

Rochus  Kowallek

Rochus Kowallek

Frankfurt am Main, 13. September 2012

Katharina Knacker: Sie sind 1926 in Berlin geboren.

Rochus Kowallek: Ja, ich bin ein waschechter Berliner, einer der letzten 300, die noch leben.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit der Kunst?

Das war im Schlafzimmer meiner Großeltern. Ich habe irgendetwas gesucht, ich war noch sehr klein. Das war 1932, ich war das erste Jahr in der Schule. Dort lagen „Velhagen & Klasings Monatshefte“, und ich blätterte darin und sah ein ganz eigenartiges Bild Max Oppenheimer, „Die Amati“, 1932. : Einen Geigenvirtuosen, von dem man nur die Hände sah, die Geige, die Beine und einen Notenständer. Kein Gesicht. Und darunter stand: MOPP. Das war die Abkürzung für den Maler Max Oppenheimer. Ich sagte zu einem meiner von mir heiß geliebten Onkel: „Der hat hier vergessen, weiterzumalen.“ – „Nein, nein, das ist Kunst aus den 20er-Jahren.“ Und dann erzählte er von den Impressionisten, den Expressionisten, den Dadaisten und, und, und. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Und eines Tages entdeckte ich – wir hatten eine sehr große Bibliothek – ein Buch von Kleinschmidt: „Geschichte der christlichen Kunst“ Beda Kleinschmidt, „Geschichte der christlichen Kunst“, Paderborn 1926. . Das war ein sehr dickes Buch, und ich habe mir mit Leidenschaft die Bilder angesehen. Das war natürlich klassische Kunst, Renaissancekunst und so weiter und so fort. Da mir fürs Malen die Begabung fehlt – ich kann bis heute kaum ein Strichmännchen zeichnen –, habe ich gedacht, ich möchte irgendetwas anderes in diese Richtung machen. So bin ich also zur Kunst gekommen.

Kannten Sie Rudolf Springer damals schon?

Ja, Rudolf und ich waren befreundet. Seine Galerie war am Kurfürstendamm 16, im Hinterhof. Das vergesse ich nie. Bei Rudolf waren wir oft nachmittags. Wir haben uns gut gekannt.

Wussten Sie bereits nach Kriegsende, dass Sie Kunstgeschichte studieren wollen?

Ja, das hatte ich mir dann so überlegt. Erst war ich in Göttingen, da bin ich wegen „kommunistischer Umtriebe“ relegiert worden. Damals kamen zwei Kommunisten aus Freusburg oder so ähnlich und sagten, wir würden ein warmes Mittagessen und einen Vortrag bekommen. Das war 1946. Sechs von uns haben sich gemeldet, und dann wurden wir mit dem Auto abgeholt. Der Vortrag war zum Einschlafen, wir hatten von Politik null Ahnung und verstanden nix. Ich hatte damals auch Karl Marx noch nicht gelesen. Aber es gab ein schönes Mittagessen, und dann sind wir wieder nach Hause gefahren worden. 14 Tage später flog ich von der Uni.

Sie haben dann in Marburg an der Universität weitergemacht.

In Marburg war Professor Dr. Hamann, Hamann-MacLean Richard Hamann-MacLean (1908 Charlottenburg – 2000 Mainz) war ein deutscher Kunsthistoriker, der von 1945 bis 1967 als Privatdozent und Professor an der Universität in Marburg lehrte. Er gründete 1913 das Bildarchiv Foto Marburg, das weltweit als eines der größten Bildarchive für europäische Kunst und Architektur gilt. Vgl. Christian Bracht, „Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte“, in: „Rundbrief Fotografie“, (2007), Vol. 14, S. 15–19. , der hatte noch den Geburtsnamen seiner Mutter, die Engländerin war. Hamann machte ein riesen Fotoarchiv. Dort haben wir auch gearbeitet. Das Studium habe ich später aber abgebrochen.

Sie sind dann nach Frankfurt gegangen.

Wenn ich früher – also vor X Jahren in West-Berlin – von meinen Kumpels gefragt wurde „Sag mal, wo wohnst du denn jetzt?“, und ich antwortete „In Frankfurt“, sagten die: „Ach, da war ich neulich mit dem Fahrrad!“ – „Frankfurt am Main!“ – „Ach Gott, ja, da bin ich noch nie gewesen.“ Ich hatte einen Onkel, der hier in Frankfurt vier große Firmen hatte. Der sagte: „Komm zu mir.“ Obwohl ich von kaufmännischen Dingen überhaupt keine Ahnung hatte, habe ich bei meinem Onkel als Juniorchef gearbeitet. Fragen Sie mich nicht, was ich da gemacht habe. Ich habe außerdem in Frankfurt an der Uni weiter Vorlesungen besucht und meinen beruflichen Weg im Hessischen Rundfunk begonnen, damals lebte mein Freund Gerhard Winkler Gerhard „Gerd“ Winkler (1929–1978) war ein deutscher Kunstjournalist und Fernsehautor, der unter anderem die Kolumne „Kunstwetterlage“ im Magazin „Pardon“ verantwortete. noch. Beim Rundfunk habe ich zum Beispiel mit dem berühmten Schriftsteller Ror Wolf Ror Wolf (eigtl. Richard Georg Wolf; * 1932 Saalfeld) ist ein deutscher Schriftsteller und Künstler, der von 1958 bis 1963 als Feuilletonredakteur des Magazins „Diskus“ sowie als Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk arbeitete. zusammengearbeitet. Ror und ich haben uns auch einen Raum geteilt. Nach ein paar Monaten kam dann der Hauptabteilungsleiter und sagte, in Berlin wird eine Korrespondentenstelle frei. Und so bin ich wieder nach Berlin gegangen. Das war 1964.

Das war dann nach der Zeit der Galerie dato?

Ja, ja, die war noch davor. Ich war sehr mit Klaus Franck Klaus Franck (1906 Berlin – 1997 Bad Soden) war ein Versicherungsangestellter und Galerist, der von 1949 bis 1961 die Zimmergalerie Franck in der Böhmerstraße 7 und ab 1954 in der Vilbeler Straße 29 in Frankfurt am Main führte. Sein Programm umfasste vor allem frühe Positionen des deutschen Informel, darunter K.O. Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze. befreundet. Er war eigentlich der Auslöser, dass ich damals diese Wahnsinnsidee hatte, eine Galerie zu machen.

Haben Sie bei Klaus Franck in der Zimmergalerie auch Künstler kennengelernt?

Ja, natürlich. Karl Otto Götz K.O. Götz (eigtl. Karl Otto Götz; 1914 Aachen – 2017 Niederbreitbach) zählt zu den Hauptvertretern des deutschen Informel. Ab 1952 gehörte er gemeinsam mit Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze zur Quadriga, eine Vereinigung, zu der sich die vier deutschen informellen Maler zusammengeschlossen hatten. Götz nahm an der „documenta 2“ (1959) sowie den Biennalen von Venedig in den Jahren 1958 und 1968 teil. Von 1959 bis 1979 war Götz Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Unter anderen gehörten Sigmar Polke, Gerhard Richter und Franz Erhard Walther zu seinen Schülern. zum Beispiel, den verehre ich sehr. Zu Bernard Schultze dagegen hatte ich gar kein Verhältnis. Seine Frau, die Ursula, hat mich auf der Straße nicht einmal gegrüßt. Mit Heinz Kreutz wiederum konnte ich sehr gut. Und auch zu Otto Greis, der außerhalb Frankfurts wohnte, hatte ich ein gutes Verhältnis. Vor allem aber mit dem Götz. Wir waren noch dicke befreundet, als er später nach Düsseldorf ging, er hat ja auch viele Künstlerfreunde von mir ausgebildet. Und auch in Düsseldorf waren wir oft zusammen.

Was Sie hier sehen, ist übrigens keine Kunstsammlung. Das sind die Überreste meiner Sammlung, die ich damals aus finanziellen Gründen verkaufen musste. Das sind Thomas Bayrle, die Frau von Karl Otto Götz, Rissa, Hans Platschek aus Berlin – er war Jude und ist damals emigriert. Ich habe ihn dann hier in Frankfurt wiedergetroffen. Ein toller Mann. Irgendwann rief mich mein Ex-Chefredakteur Axel Hecht Axel Hecht (1944 Rokstätt – 2013 Hamburg) war ein deutscher Kunstjournalist und von 1979 bis 2005 Chefredakteur des Kunstmagazins „art“. an und sagte: „Rochus, ich muss Ihnen etwas sagen. Ihr Freund Platschek hat im Bett geraucht und ist an der Kippe erstickt.“ Ich kannte auch seinen Bruder. Die beiden sind damals nach Montevideo emigriert. Wir waren dicke Blutsbrüder, kann man sagen. Da oben hängt noch ein ganz frühes Bild von ihm. Und dort hängt Franz Mon Franz Mon (eigtl. Franz Löffelholz; * 1926 Frankfurt am Main) ist ein deutscher Dichter aus dem Bereich der Konkreten Poesie. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit dem Verhältnis von Wort und Fläche. Mon lehrte ab Mitte der 1990er-Jahre bis 2000 Visuelle Poesie an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. . Wir sind derselbe Jahrgang und haben am selben Tag Geburtstag. Er heißt ja eigentlich Dr. Löffelholz. Franz Mon ist sein Künstlername, ein toller Junge. Und das dort ist von C.O. Paeffgen. Der hat in Berlin mit Otto Schily zusammen studiert, und wir waren oft zusammen. Otto Schily ist ein Kunstbanause, aber das nur nebenbei.

Ein Name, der jetzt noch gar nicht gefallen ist, ist Hermann Goepfert.

Mein Trauzeuge! Ihn kannte ich über die Zimmergalerie Franck. Er wohnte mit seiner Frau und seinen Töchtern in der Georg-Speyer-Straße, und ich zog damals, vermittelt durch Bazon Brock, in die Blanchardstraße. Da haben wir, das heißt meine Frau und ich, sehr lange gewohnt, nachdem wir aus Berlin gekommen waren. Ich hatte das ganze Haus gemietet. Und Goepfert sagte irgendwann zu mir: „Du bist doch immer an Leuten interessiert, die einfarbig malen.“ – „Du meinst monochrom?“ – „Ja, genau.“ Goepfert malte damals noch eher informell. Ich bot ihm an: „Besuch mich doch mal.“ Und so haben wir uns kennengelernt, ich habe ihn dann auch gestützt und ihn mit zu den ZERO-Leuten Ab 1958 verwendeten Heinz Mack und Otto Piene den Begriff „ZERO“ im Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellungen sowie als Titel für die drei Ausgaben ihrer in Düsseldorf publizierten Zeitschrift. Ab 1961 nahm auch Günther Uecker regelmäßig an den Ausstellungen und Aktionen von ZERO teil. ZERO stand für die Stunde null, für Aufbruch und einen radikalen Neuanfang nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. ZERO setzte sich deutlich vom etablierten Informel ab. Mit neuen Materialien und der Einbeziehung von Bewegung, Licht und Raum in das künstlerische Werk etablierte ZERO eine neue Formensprache. Vgl. Wieland Schmied, „Etwas über ZERO“, in: Dirk Pörschmann/Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 9–18. genommen.

Sie haben Goepfert bekannt gemacht?

Ja, das habe ich.

Im April 1961 haben Sie gemeinsam mit Engelbert Eckert, dem Architekten, die Galerie dato in der Kaiserhofstraße 13 eröffnet.

Im ersten Stock. Das war eine interessante Galerie.

Wie kam es dazu?

Das will ich Ihnen sagen. Ich lernte den Eckert, den Architekten, kennen, der von Kunst überhaupt keine Ahnung hatte. Er kannte den Goepfert zufällig und sagte dann: „Da mache ich mit und beteilige mich.“ Er hatte ein bisschen Vermögen. Aber das ist ja dann in die Hose gegangen. Er hat sich von mir getrennt, und ich habe die Galerie dann aufgegeben und habe zu William Simmat – wir kannten uns durch die Uni, er studierte Wahrnehmungspsychologie, ein eminent kluger Junge – gesagt: „Weißt du was, William, wir machen zusammen eine Galerie auf.“ – „Klar, aber wir gründen einen Verein.“ Er war cleverer als ich. In dem Verein waren dann der Simmat und ich, der Künstler Hermann Goepfert, der verstorbene Schriftsteller Horst Bingel und Fritz Usinger. 1962 eröffneten wir in der Bockenheimer Anlage 35 die Galerie d, und dort habe ich mein Programm weitergeführt.

Was haben Sie damals unter dem Beruf des Galeristen verstanden?

Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe mich mehr als Kommunikator verstanden denn als Händler. Ich meine, wir haben natürlich auch verkauft – bei d noch etwas mehr, bei dato ganz wenig. Ich habe damals angefangen, weil ich von den ZEROisten begeistert war. Ich hatte die Schnauze voll von informeller Kunst – oder wie es in Deutschland hieß: Tachismus. Und nachdem ich aus der Galerie in der Bockenheimer Anlage ausgestiegen war, weil Berlin mich gerufen hatte, war ich der glücklichste Mensch in Berlin.

Kannten Sie Michael Werner Michael Werner (* 1939 Nauen) ist ein deutscher Galerist. Ab 1960 arbeitete er in der Galerie Rudolf Springer in Berlin. 1963 eröffnete er mit Benjamin Katz am Kurfürstendamm die Galerie Werner & Katz und führte ab 1964 seine eigene Galerie in einer ehemaligen Kohlenhandlung. 1968 zog Werner nach Köln und übernahm dort die Galerie Hake, die er ab Oktober 1969 unter seinem eigenen Namen weiterführte. In den 70er- und 80er-Jahren vertrat die Galerie Michael Werner unter anderen die Künstler Georg Baselitz, Antonius Höckelmann, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck. Heute ist die Galerie in Berlin, London und New York vertreten. 2011 wurde Werner mit dem Preis der Art Cologne ausgezeichnet. damals schon?

Michael und ich sind uralte Freunde. Der hat, wenn er in Frankfurt war, immer bei meiner Frau und mir in der Kaiser-Sigmund-Straße übernachtet. Ich schätze ihn über alles. Michael hat mit Benjamin Katz, dem berühmten Fotografen, der heute in Köln lebt, zusammen angefangen. Die waren damals am Kurfürstendamm in einem Seitenhaus des berühmten Café Schilling. Ich habe Michael bewundert. Ich habe damals auch den Prozess Vom 01. bis 25. Oktober 1963 zeigte die Galerie Werner & Katz in Berlin eine Einzelausstellung von Georg Baselitz. Diese umfasste 52 Bilder, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der „Unsittlichkeit“ von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und juristische Schritte gegen Georg Baselitz eingeleitet. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84. mit Baselitz verfolgt, obwohl ich zu Baselitz überhaupt keine Verbindung habe. Wir sind uns einmal flüchtig begegnet. Mit Michael aber war ich oft zusammen. Auch der Rudolf Zwirner und ich kennen uns ewig. Ich bin immer zu den Geburtstagen in seinem Haus im Grunewald gewesen, auch im letzten Jahr. Wir kennen uns ja alle untereinander. Judy Lybke beispielsweise schätze ich persönlich sehr. Den habe ich hier in Frankfurt auf einer Messe kennengelernt. Er war ja der DDR-Mann. Ich habe damals schon gesagt: „Weißt du was, Junge? Aus dir wird mal was!“ – „Wie heißt du denn?“ – „Rochus Kowallek.“ – „Du hast doch mit so Einfarbigen zu tun?“ Ich kannte alle Galerien, und sie kannten mich. Auch mit Rolf Ricke bin ich dicke befreundet.

Michael Werner hat versucht, eine Gruppe von Künstlern aufzubauen …

Das habe ich ja auch gemacht! Das war damals die Zeit. Schauen Sie mal, ich habe mich innerlich gegen das epigonale Vorgehen der Nach-Tachisten gewehrt. Selbst in der Städelschule machten sie Tachismus! Das langweilte. 1959 habe ich bei Alfred Schmela, der damals wirklich der berühmteste Galerist war, die erste Piene-Ausstellung „Otto Piene: Lichtballett“, Galerie Schmela, Düsseldorf, 11. Mai – 01. Juni 1959. gesehen. Das war zufällig an meinem Geburtstag. Ich war in Düsseldorf und besuchte Schmela noch in der Hunsrückenstraße – wir haben uns damals noch gesiezt: „Sagen Sie mal Schmela, wie heißt der Künstler?“ – „Otto Piene. Das ist ZERO.“ So lernte ich dann auch Heinz Mack und Günther Uecker kennen, mit dem ich hier in Frankfurt ein sehr schönes Erlebnis hatte, darüber lachen wir heute noch, wenn wir telefonieren. Ich habe sie ja dann alle ausgestellt. 1961 sagte ich: „Ich muss das hier in Frankfurt einfach zeigen.“ Damit habe ich in Frankfurt wohl den größten Lacherfolg erzielt. Die haben mich für völlig schwachsinnig gehalten. Es gab eine Frau in Frankfurt, die ich sehr schätzte und verehrte, weil sie den Expressionismus in Frankfurt vertrat: Frau Hanna Bekker vom Rath Hanna Bekker vom Rath (geb. Hanna vom Rath; 1893 Frankfurt am Main – 1983 Bad Nauheim) war eine Sammlerin, Galeristin und Malerin. Während des Nationalsozialismus organisierte sie in ihrem Berliner Atelier heimlich Ausstellungen mit politisch verfolgten Künstlern. 1947 gründete sie das Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath in der Kaiserstraße in Frankfurt am Main. Kurze Zeit später zog sie in neue Räumlichkeiten am Börsenplatz, wo sie mit Max Beckmann, Otto Dix und Max Ernst vor allem künstlerische Positionen aus dem Exil zeigte. Bekker vom Rath gilt als bedeutende Sammlerin der Werke von Alexej von Jawlensky. , eine reizende, hochkultivierte Frau, die in erster Ehe mit Paul Bekker Paul Bekker (1882 Berlin – 1937 New York) war ein deutscher Dirigent und Musikkritiker, der von 1927 bis 1932 als Intendant das Hessische Staatstheater in Wiesbaden leitete. aus Berlin verheiratet war. Sie machte das Frankfurter Kunstkabinett. Hanna Bekker vom Rath kam damals zu mir in die Galerie, stand vor einem Lucio Fontana und sagte: „Herr Kowallek, jetzt bemühen wir uns in dieser schwierigen Stadt, unsere Expressionisten zu verkaufen, und Sie zeigen einfarbige – Bilder kann ich dazu gar nicht sagen – Erzeugnisse, die sogar kaputtgeschnitten sind. Was ist das denn?“ – „Das ist Lucio Fontana, ein sehr berühmter Künstler.“ Ich war mit Lucio sehr befreundet. Ich habe ihn ja dann auch in Berlin in der Galerie Chruxin mit Jef Verheyen und Hermann Goepfert zusammen ausgestellt. „Lucio Fontana, Hermann Goepfert, Jef Verheyen“, situationen 60 galerie, Berlin, 06. März – 20. April 1965. Irgendwann kam Ursula Lichter, eine alte Freundin von mir aus Frankfurt, nach Berlin und sagte: „Komm doch nach Frankfurt, ich möchte eine Galerie aufmachen – aber nur, wenn du mitmachst.“ Ich habe gesagt: „Uschi, ich komme.“ Und bin dann mit meiner Frau von Berlin wieder nach Frankfurt gezogen. Rochus Kowallek kehrte 1967 nach Frankfurt am Main zurück, um als künstlerischer Direktor die neu gegründete Galerie Ursula Lichter in der Mendelssohnstraße 94 zu führen. Das war der größte Fehler meines Lebens. Ich habe viele große Fehler gemacht, aber das war der größte.

Ich sollte Sie noch an Uecker erinnern, da gab es wohl eine wichtige Geschichte?

Das war so: Ich wohnte damals noch mit Bazon Brock zusammen, und Uecker pennte bei uns im Haus. Ich hatte die Uecker-Ausstellung „Sintflut der Nägel“, Galerie d, Frankfurt am Main, 13. September – 26. Oktober 1963. in der Galerie d in der Bockenheimer Anlage gemacht. Bazon hatte einen Text geschrieben, der auf eine Hartholzfaserplatte aufgeklebt wurde, und Uecker hat ihn übernagelt. Günther Uecker, „Sintflut der Nägel. Übernagelung eines Textes von Bazon Brock“, 1963. Das Ding haben wir dann versteigert, Simmat hat die Auktion geleitet. Es war bombenvoll und für die Uecker-Arbeit steigerten eine Frau und ein Mann, und irgendwann sah ich, dass es ein Ehepaar – nämlich die Lichters – war, und sagte: „William, Moment, das ist ja ein Ehepaar.“ Ursula Lichter sah ihren Mann an: „Alfred, hast du auch geboten?“ – „Du auch?“ Die Uschi Lichter hat das Bild dann bekommen, und der Uecker und ich, wir lachen heute noch, wenn wir daran denken.

War das üblich, dass man in der Galerie Auktionen veranstaltete?

Nö. Wir haben es einfach gemacht. Der Marktpreis war der Startpreis, und dann wurde gesteigert. Das war ein schöner Gewinn damals, für die damaligen Zeiten. Heute würde man darüber lachen.

War Ihnen ein freundschaftliches Verhältnis zu den Künstlern wichtig?

Ja. Das hat Heiner Stachelhaus in seinem Buch „Zero“ Vgl. Heiner Stachelhaus, „Zero. Heinz Mack, Otto Piene, Günther Uecker“, Berlin 1993. beschrieben.

Sie dürfen nicht vergessen: 1959 kannten mich alle, unter anderem, weil sie immer Einladungen von mir bekamen. Die Adressen hatte ich von den ZERO-Künstlern, die sagten: „Hier, das ist ein Kollege. Den können Sie auch einladen.“ Wir haben uns ja nachher alle geduzt.

Haben Sie mit den Künstlern auch über ihre Kunst diskutiert?

Das können Sie aber laut singen! Wenn ich in Düsseldorf war, im Ratinger Hof Der Ratinger Hof in der Düsseldorfer Altstadt war eine Kneipe und ein Musikklub und von 1975 bis 1989 ein Treffpunkt der deutschen Kunstszene. , wo die Tassen hochgehoben wurden, zum Beispiel mit Sigmar Polke, den ich auch ausgestellt habe, „Sigmar Polke: Zeichnungen“, Galerie Rochus Kowallek, Frankfurt am Main, März – April 1972. mit Gerhard Richter, Konrad Fischer und so weiter, haben wir irrsinnige Diskussionen geführt. Auch mit den ZERO-Leuten. Es gibt tolle Briefe, die liegen alle im ZADIK. Es war fantastisch.

Was war Ihnen an der Kunst wichtig? Sie haben vorhin die Piene-Ausstellung 1959 bei Alfred Schmela erwähnt. Was genau hat Sie daran so begeistert?

Ich hatte viel Kunst gesehen, weil ich ständig in Museen war, aber ich hatte noch nie Kunst gesehen, die auf mich so gewirkt hat, also auch emotional. Man konnte in die Bilder hineindenken. Ich glaube, Heinz Mack hat mich mal gefragt, ob ich in den Bildern eine Antwort bekommen hätte. Das Bild hat irgendwie optisch auf mich gewirkt. Ich konnte plötzlich wie in einer Gehirnprothese darin nachdenken. Das hat mich so erfasst wie kaum etwas.

Da hinten hängt ein Uecker, mit einer Widmung an mich. Ich habe es behalten, weil die Widmung so schön ist. Wir waren ziemlich blau, und die Nägel vom Uecker haben mich einfach fasziniert. Ich kann es nicht anders beschreiben. Es gab einen Mann, der leider ein bisschen verschwunden ist, Uli Pohl, der machte durchsichtige Plastikdinger mit Löchern, sodass sie sich spiegelten. Solche Dinge haben mich fasziniert. Ich habe später auch Leute wie Harry Kramer, der in Paris lebte, ausgestellt, oder Bernard Aubertin, der war auch Teil des ZERO-Netzwerks, auch aus Paris. Oder eben Polke, und zwar damals in der Galerie Lichter in einem Extraraum. Wir hatten eins, zwei, drei, vier, fünf Räume und eine Toilette dazu.

Wie kamen Sie auf Polke? Seine Kunst unterscheidet sich ja sehr von der Kunst der ZERO-Künstler.

Ja, ich habe aber Leute wie Polke und Richter immer als große Künstler akzeptiert. Michael Werner ist im Grunde genommen übrigens nicht nur der Entdecker von Baselitz und Markus Lüpertz – mit Markus war ich sehr befreundet –, sondern auch von Polke und vielen anderen: Das sind alles Werners Entdeckungen. Ihn lobe ich über alles.

Können Sie mit dem Generationsbegriff etwas anfangen, wenn Sie an die Galeriearbeit denken?

Ja. Es war eine andere Generation! So wie Sie vorhin sehr richtig erwähnten, haben sowohl Michael Werner als auch ich oder Rolf Ricke ganz bestimmte Künstler, die wir geführt haben, als eine Crew zusammengeführt. ZERO war ja nie eine Gruppe, dagegen haben wir uns ja immer gewehrt. Es war eine Künstlergemeinschaft gleichgesinnter Artisten. Wir waren alle sehr befreundet. Ich habe auch Piero Manzoni – ein Hocharistokrat, ein Herzog – und Enrico Castellani – ein sehr schwieriger Mann – in Mailand besucht.

Sie waren alle ungefähr gleichen Alters?

Das war mir wurscht, darauf haben wir nicht geachtet. Ich bin Jahrgang 26, Piene ist Jahrgang 28, Mack ist Jahrgang 31 … Ich war zum Beispiel auch sehr, das kam durch Bazon Brock, mit Daniel Spoerri befreundet: Er wollte damals bei mir eine Ausstellung machen. Und dann kam Dorothea Loehr Dorothea Loehr (1913 Stettin, Pommern, heute Polen – 2006 Frankfurt am Main) war Fotografin und Galeristin. Im November 1959 übernahm sie eine Filiale des Unternehmens Bauhütte Möbel in Frankfurt am Main und nutzte die Räumlichkeiten parallel für erste Ausstellungen. Nachdem sie seit 1961 eigene Galerieräume im Frankfurter Westend betrieben hatte, bezog sie1964 ein altes Bauerngehöft in Niederursel und etablierte den Ort als Treffpunkt der jungen performativen Kunstszene. In ihrem Programm zeigte sie unter anderem Arbeiten von Bazon Brock, Jan Dibbets, Max Mohr, Franz Mon, Daniel Spoerri und Wolf Vostell. – auch aus Berlin –, die hatte einen Möbelladen und machte eine Galerie auf. Ich habe mir an den Kopf gefasst, als ich das damals gesehen habe. Die Ausstellungen, die sie gemacht hat, ehe sie nach Niederursel gezogen ist, waren mir ein Graus. Und als ich nach Berlin ging, übernahm sie plötzlich Goepfert, Fontana und Verheyen und stellte Raimund Girke aus. Als ich 1967 wegen der Lichter wiederkam, waren sie aber alle wieder bei mir, von Jan Schoonhoven bis sonst was.

Wer war für Ihre Galeriearbeit sonst noch wichtig? Wie haben Sie zum Beispiel die Sammler kennengelernt, und wie sehr haben Sie aktiv Öffentlichkeitsarbeit betrieben?

Sammler habe ich hier nur einen kennengelernt: Gerhard Lenz und seine Frau. Ab Mitte der 1960er-Jahre sammelten Gerhard und Anna Lenz Werke zeitgenössischer Kunst und insbesondere Kunst der ZERO-Künstler. Die Sammlung wurde später als Sammlung Lenz Schönberg bekannt. Ich bin mit beiden sehr befreundet, die Kinder kannte ich schon, als sie noch im Sandkasten in Schönberg, hier im Taunus, spielten. Dort gab es dann auch mal ein großes ZERO-Festival. Gerhard Lenz kannte den Mann von Ursula Lichter, und irgendwann war er einmal bei uns. Er wurde unser bester Sammler, und andere zogen dann nach. Ich habe ja Schnauze und habe sie damit einfach überzeugt. Ich konnte denen die Herkunft erklären und manchmal auch die Zukunft. Ich habe immer recht behalten. Später in der Galerie Lichter rief Frau Bekker vom Rath an: „Herr Kowallek, ich habe noch eine Frage: Was kostet ein Fontana heute?“ – „Geben Sie mir doch mal die Größe.“ Das wurde ja damals nach dem Punktesystem ausgerechnet. Ich habe ihr den Preis genannt, für die damalige Zeit gigantisch, vielleicht 8.500 D-Mark. Da sagte sie: „Wie? Das hat doch damals bei Ihnen 2.000 D-Mark gekostet.“ Ich freue mich immer, wenn ich Auktionsberichte in der „F.A.Z.“ lese, wie die Künstler, die ich vertreten habe, ins Rennen gekommen sind.

Das heißt, mit der Galerie Ursula Lichter begann dann auch ein kommerzieller Erfolg?

Ein absoluter. Wir haben – das kann ich Ihnen heute ruhig verraten – in dem besten Jahr 1.200.000 D-Mark Umsatz gemacht. Das war damals eine Sensation.

Kamen die Käufer damals aus Frankfurt?

Teilweise. Zu mir sind aber alle möglichen Sammler gekommen. Viele sind heute sehr bekannt, und deren Bilder hängen in den Museen. Sie kamen aus Düsseldorf und von überall her. Wir sind dann abends essen gegangen, hatten telefonische Verbindung und natürlich Schriftwechsel. Hier in Frankfurt habe ich nie nach Künstlern geguckt. Ich hatte nur zwei Künstler hier: Hermann Goepfert und Wolfgang Schmidt Wolfgang Schmidt (1929 Fulda – 1995 Witzenhausen) war ein deutscher Maler und Grafiker, der vor allem für seine Gestaltung des Orientierungssystems der U-Bahnhöfe in Frankfurt am Main bekannt ist. , der wohnte in Dreieichenhain und machte ganz reduzierte Sachen, Piene mochte ihn auch immer sehr. Ein unheimlich feiner und zurückhaltender Junge. Der ist dann menschlich so abgesackt, plötzlich ist er zum Penner geworden und hat sich dann auch umgebracht, vor Jahren. Sonst? Ich habe natürlich die anderen Galerien besucht, oder die haben mich besucht. Mit Horst Appel Horst Appel führt seit 1959 die Galerie Appel in Frankfurt am Main. bin ich nach wie vor befreundet und vor allen Dingen auch mit Klaus Lüpke Klaus Lüpke führte von 1984 bis 1999 die gleichnamige Galerie in Frankfurt am Main. aus der Braubachstraße, der heute keine Galerie mehr hat. Und bei der Nachfolgerin von der Bekker vom Rath, der Frau Wegner, habe ich auch noch Reden gehalten. Sie rief mich einmal an und fragte: „Kennen Sie Elvira Bach?“ Ich sagte: „Die hat doch mal in der Nähe von Frankfurt gelebt, die wohnt jetzt in Berlin.“ Daraufhin rief Elvira mich an und sagte: „Rochus, wir haben uns kürzlich in der Lindenstraße in Berlin irgendwo in einer Ausstellung getroffen.“ Ich sagte: „Ich eröffne deine Ausstellung, unter einer Bedingung: Ich rede, was ich will.“ Und so habe ich es auch gemacht. Elvira ist ein prima Mädchen, ich freue mich, dass sie so einen Erfolg hat.

1968 haben Sie einen sogenannten Air-Art-Salon Am 08. August 1968 initiierte die Galerie Ursula Lichter den ersten Air-Art-Salon, bei dem Objekte von 20 Künstlern des Galerieprogramms auf einem Flug von Frankfurt nach Sizilien präsentiert wurden. Vgl. o. A., „Wandel im Kunsthandel. Zwei Beispiele ohne Beispiel“, in: „Die Zeit“, Nr. 33, 16.08.1968, S. 28. gemacht.

Air-Art? Was habe ich denn da gemacht?

Im Flugzeug Kunst verkauft.

Ja, stimmt. Und zwar – jetzt fällt es mir wieder ein – waren das alles Formate, die man mit einer Hand tragen konnte. Es waren nur ZERO-Künstler dabei, und ich habe eine riesen Publicity bekommen. In allen Zeitungen, in der „Süddeutschen“, überall. Das war irgendwie eine irre Idee von mir. Ich habe einfach gesagt, ich würde gerne mal im Flugzeug etwas verkaufen, und habe dann die ZERO-Künstler angerufen. Die waren sofort begeistert: „Mensch, das ist doch eine Bombenidee! Mach das!“ Ich bin nicht mitgeflogen. Aber die Leute haben wohl begeistert applaudiert.

Gab es Ausstellungen, die für Sie nachhaltig prägend waren? In Museen, Galerien, eine der documenta-Ausstellungen oder Biennalen?

Das ist eine gute Frage. Die größte Enttäuschung meines Lebens war jedenfalls in Dresden. Da war ich mit meiner Frau. Wir wohnten bei Verwandten, das war noch zur DDR-Zeit, und damals habe ich zum ersten Mal die „Sixtinische Madonna“ Raffael, „Sixtinische Madonna“, 1512/13. Das Bild befindet sich mit Unterbrechungen seit 1754 in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. von Raffael gesehen und war so was von enttäuscht. Warum, weiß ich gar nicht mehr. Also, das nur nebenbei. Meine größte Enttäuschung. Und außer den Künstlern, die ich vertreten habe und auch hier und da fördern durfte, gibt es einen Mann, der meines Erachtens viel zu spät so eine hohe Anerkennung bekommen hat: Gerhard Richter. Das gilt auch für Sigmar Polke und für den Bildhauer Norbert Kricke. Norbert war grandios.

Wie wichtig war die documenta für Sie? 1964 auf der „documenta 3“ waren auch Ihre Künstler vertreten. Die „documenta 3“ fand vom 28. Juni bis 06. Oktober 1964 unter der Leitung von Arnold Bode und Werner Haftmann in Kassel statt. Unter der Leitidee „Museum der 100 Tage“ umfasste das Programm vor allem die traditionellen Gattungen Malerei, Skulptur und Grafik mit einem Schwerpunkt in der abstrakten Kunst. In der Ausstellungssektion „Licht und Bewegung“ wurden junge Positionen der kinetischen Kunst präsentiert, darunter Harry Kramer, Heinz Mack und Otto Piene.

Die documenta hat mich immer interessiert. Als ich damals Arnold Bode vorschlug, Mack, Piene, Uecker und Goepfert auszustellen, sagte Werner Haftmann: „Der Kowallek kann sonst jemand nennen: Die nur über meine Leiche.“ Sie wurden dann trotzdem ausgestellt, mit Erfolg. Das war für mich natürlich eine Riesenfreude.

Wie hat sich der Erfolg der ZERO-Künstler auf den Verkauf in Ihrer Galerie ausgewirkt?

Da muss ich einen ganz besonders loben: Hubertus Schoeller Hubertus Schoeller (* 1942 Düren) führte von 1970 bis 2002 die gleichnamige Galerie in Düsseldorf. Seit 2008 ist er Mitglied des Kuratoriums der in Düsseldorf ansässigen ZERO foundation. . Hubertus hat damals diese ZERO-Leute mit aller Kraft in Düsseldorf weitergemacht. Da ziehe ich ganz weit den Hut. Hubertus hat das hervorragend gemacht. Er ist ein großartiger Galerist gewesen, heute ist er Geschäftsführer der ZERO foundation.

Sie zeigten in Ihrer Frankfurter Galerie nicht nur deutsche Künstler, sondern Künstler aus ganz Europa.

Für mich spielt Deutschland überhaupt keine Rolle. Das hat aber mit der Kunst nichts zu tun … Natürlich gibt und gab es hervorragende deutsche Künstler, für die ich heute noch schwärme. Ich lese ja die „Kunstzeitung“ von meinem Freund Carlo Schmid Gemeinsam mit Gabriele Lindinger ist Karlheinz Schmid Chefredakteur und Herausgeber der 1996 gegründeten „Kunstzeitung“. , den ich in der Städelschule kennengelernt habe, als ich dort einmal zwei Jahre lang einen Lehrauftrag hatte. Das ist eine innige Freundschaft geworden. Wir sind früher oft zusammen gewesen und waren auch noch gemeinsam beim „art“-Kunstmagazin. Ab 1973 war Rochus Kowallek unter anderem als Frankfurt-Korrespondent des Kunstmagazins „art“ tätig. In der Zeit haben wir uns in Hamburg oft getroffen. Und da habe ich auch tolle Künstler kennengelernt. Das Problem ist nur, dass dort nicht so kommuniziert wird – und das sage ich jetzt mal ganz arrogant –, wie ich es gemacht habe. Mich hat doch die Stadt nicht interessiert. Mich hat Kunst interessiert. Und dass Frankfurt eine bedeutende Finanzmetropole und Handelsmetropole ist, wird ja nicht bestritten, aber es ist nie eine Kunststadt gewesen. Nie! Die Galerie von Lichter habe ich ja dann zugemacht, weil ich keine Kohle mehr hatte und aus Hamburg das Angebot kam, in der „art“-Redaktion als Korrespondent für die Rhein-Main-Region zu schreiben. Es ist mir aber immer schwergefallen, über Frankfurt zu schreiben.

Was waren in den 50er- und 60er-Jahren in der Bundesrepublik die Kunstmetropolen?

Keine Frage: Düsseldorf und Köln. Eine Stadt, die ebenso keine Kunststadt war, war Hamburg. Da lachen wir uns heute noch kaputt, wenn wir, die alten Kumpels wie Zwirners und so weiter, unter uns sind: „Du, Rudolf, wie hieß die Galerie in Hamburg, die weltberühmt war? Die einzige?“ – „Mensch.“ Die in Hamburg ansässige Galerie Mensch wird von dem Galeristen und Künstler Bernd Mensch geführt. . Das weiß jeder. Hamburg war noch viel schlimmer als Frankfurt. Und München war und ist eine Kunst- und Kulturstadt – gar keine Frage, schon von alters her, wie Dresden auch. Aber wenn es um Zeitgenossen ging, da waren sie in München im Ausstellungswesen noch sehr konservativ.

1970 haben Sie erstmals mit Ursula Lichter am Kölner Kunstmarkt Auf Bestreben der Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt unter Beteiligung von 18 Galerien vom 13. bis 17. September 1967 in den Räumen der historischen Festhalle Gürzenich statt. teilgenommen. 1973 haben Sie dann diese didaktische Schauausstellung mit Ihrer Galerie gemacht. Was sind Ihre Erinnerungen an den Kunstmarkt?

Ich weiß nur, dass er immer überfüllt war. Dort gab es ein riesen Sammlerpotenzial, die kamen aus Düsseldorf und von sonst wo in Nordrhein-Westfalen. Als der erste Kunstmarkt in Köln stattgefunden hat, war ich ja noch in Berlin. Und ich war damals sehr skeptisch, genauso wie der verstorbene Kollege Heinz Ohff Heinz Ohff (1922 Eutin – 2006 Berlin) war ein deutscher Kunstkritiker, der von 1961 bis 1987 das Feuilleton des „Tagesspiegels“ in Berlin leitete. , der Feuilletonchef vom „Berliner Tagesspiegel“, den wir bis heute abonniert haben – der gehört ja nicht Springer, denn da gilt immer noch der alte Spruch: „Springer-Presse, halt die Fresse.“ Der „Tagesspiegel“ schrieb damals schon: „Wo soll das hingehen?“ Und ich stimmte zu: „Kommerz ist eine Katastrophe.“ Ich war damals sehr skeptisch, aber wir haben toll verkauft.

1970 standen Joseph Beuys, Klaus Staeck und noch einige andere vor dem Kunstmarkt vor verschlossener Tür und drohten: „Wir betreten den Kunstmarkt.“ Erinnern Sie sich daran?

Der Joseph und der Staeck haben gesagt: „Da wird demonstriert.“ Der Klaus kam damals aus der DDR, ging nach Heidelberg, studierte dort Jura und hat sich sehr bald mit mir in Verbindung gesetzt. Wir sind heute noch befreundet. Jedenfalls fragte ich: „Joseph, wogegen demonstriert ihr denn?“ – „Ja, gegen den Kunstmarkt.“ Ich glaube, Michael Werner war auch noch dabei. Es war nämlich gerade Mittagspause oder irgendwas, und die haben dann da rumgebrüllt. Helmut Rywelski Helmut Rywelski (1928–1998) war Journalist, Galerist und Kunstkritiker. 1966 eröffnete er die Galerie art intermedia in der Domstraße in Köln. Dort zeigte er unter anderem Arbeiten von Jörg Immendorff, Per Kirkeby, Nam June Paik, Franz Erhard Walther und Wolf Vostell. 1967 zeigte Chris Reinecke dort in der Einzelausstellung „Cooperative“ eine Auswahl ihrer Werke. , der Galerist, war auch noch dabei.

Haben die Galeristen darüber gesprochen?

Ach Quatsch. Zwirner sagte: „Rochus, wen interessiert das?“ – „Keinen toten Friseur unterm Arm.“ Das war uninteressant.

Das war also eine kleine Show-Einlage?

Ich wollte in der Galerie Lichter eine Ausstellung „14 Media“, Galerie Ursula Lichter, Frankfurt am Main, 04. September – 04. Oktober 1968. machen, und da rief ich Beuys an und sagte: „Was willst du denn machen?“ – „Ich mache einen Fernseher mit Filz zu und eine Konfrontationsscheibe auch mit Filz, wir lassen ihn aber laufen.“ Joseph Beuys, „Filz TV II. Das Bein von Rochus Kowallek nicht in Fett ausgeführt (JOM)!“, 1968. Wir sind auf die Zeil gegangen, haben alles gekauft, und die Leute waren begeistert. Der Ton war an, aber man sah kein Bild. Es gab zwei Stück davon. Später ist der Fernseher teuer versteigert worden. Joseph war ein prima Kerl. Wir waren erst fünf, sechs Jahre hier, damals in der Blanchardstraße, wo ich früher mit Bazon Brock wohnte, und da waren Joseph und Claus Paeffgen da, und als meine Mutter reinkam, zog der Joseph den Hut und bekam gleich Tränen in die Augen. Der hatte ja eine Verwundung am Schädel, deswegen hat er immer einen Hut getragen. Meine Mutter wusste das und sagte: „Herr Beuys, lassen Sie um Himmels willen doch Ihren Hut an!“ Da hat er gesagt: „Frau Kowallek, da Sie die Mutter vom Rochus sind, wollte ich Ihnen die große Ehre erweisen, weil ich den Rochus gern mag.“ Also, er war ein richtig toller Mann. Ich bin auch oft bei ihm zu Hause gewesen und kenne auch den Sohn und die Tochter noch.

Sie sind auch in seiner Biografie erwähnt.

Ja?

In seinem „Lebenslauf/Werklauf“ Vgl. „Joseph Beuys: Werke aus der Sammlung Karl Ströher“, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Basel 1969. heißt es 1968 unter anderem: „Frankfurt Main, Filz TV II. Das Bein von Rochus Kowallek nicht in Fett ausgeführt (JOM)!“

Richtig. Das war JOM-Kunst Unter dem Begriff „JOM“ verstand Joseph Beuys die Möglichkeit, alltägliche Objekte durch künstlerische Eingriffe in energetische Kraftwerke zu transformieren. Vgl. Alfred M. Fischer/Dierk Stemmler, „Sammlung deutscher Kunst nach 1945. Städtisches Kunstmuseum Bonn“, Bd. 2, Bonn 1983, S. 591. . Er sagte: „Du, Rochus, weißt du was: Wir schlagen hier die Mauer aus, und ich fette dein Bein ein. Das kann doch immer stehen bleiben.“

Haben Sie das gemacht?

Nein, nein, das ging gar nicht.

1972 haben Sie als erster westdeutscher Galerist mehrere Künstler aus der UDSSR ausgestellt. „UDSSR Kunst“, Galerie Rochus Kowallek, Frankfurt am Main, 15. November – 14. Dezember 1972.

Das war ein Verriss. Da ist die gesamte deutsche Presse über mich hergefallen, bis auf den verstorbenen – Gott hab ihn selig – John Anthony Thwaites John Anthony Thwaites (1909 Kensington, Großbritannien – 1981 Leienkaul) war ein Kunstkritiker und Publizist. 1949 gründete er gemeinsam mit dem Maler Rupprecht Geiger die Künstlergruppe ZEN 49 in München. 1955 verlagerte sich sein Lebensmittelpunkt nach Düsseldorf, wo er insbesondere die Künstler der Gruppe 53 sowie die Entwicklung des ZERO-Umfelds begleitete. Seine journalistische Arbeit trug wesentlich zur öffentlichen Wahrnehmung der deutschen Nachkriegskunst bei. , der in Düsseldorf liegt. Er hat geschrieben, man muss den Kowallek verstehen, der macht das aus Jux, oder so ähnlich. Es waren teilweise ganz gute Bilder dabei. Die Leute waren erstarrt: bombenvoll! Die haben in der Mendelssohnstraße Schlange gestanden, auch Leute, die keiner kannte, die wohl Freunde der Sowjetunion oder weiß der Teufel was waren. Das war wundervolle Malerei. Gegenständlich. Und das bei mir! Gefunden hatte ich es durch Leute, die irgendwo im Westerwald wohnten, Geschäftsleute, die mit Russland Geschäfte machten, was genau, habe ich vergessen. Ich musste im Rundfunk antreten. Meine besten Freunde, die Journalisten, die haben unglaubliche Dinger geschrieben.

Was war denn Ihre Intention mit der Ausstellung?

Och, ich dachte einfach: „Du musst doch auch mal zeigen, was die Russen machen.“ Ich wusste es ja auch nicht! Woher denn?

Haben Sie sich damals auch für die Kunst in der DDR interessiert?

Ja, ich war zum Beispiel der erste westdeutsche Galerist, der damals in Ostdeutschland Carlfriedrich Claus ausgestellt hat. Bei ZERO war er dann auch mal dabei.

Durch wen hatten Sie in der DDR Kontakte?

Ich glaube, durch Franz Mon. Ich glaube, der Franz hatte die Adresse.

Und Sie konnten ohne Probleme einreisen?

Problemlos. Ich mit meinem Polacken-Namen, da haben die Genossen gedacht: „Ah!“

Sie haben sich in den 60er-Jahren auch über das Städel Museum geäußert, durchaus auch sehr kritisch.

Das weiß ich gar nicht mehr. Mit dem Klaus Gallwitz Klaus Gallwitz (* 1930 Pillnitz) ist ein deutscher Kunsthistoriker und Kurator, der von 1967 bis 1974 die Kunsthalle Baden-Baden leitete. Von 1974 bis 1994 war er Direktor am Städel Museum in Frankfurt am Main, von 1995 bis 2002 leitete er das Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems. Ab 2004 war er unter anderem als Gründungsdirektor des Museums Frieder Burda in Baden-Baden und des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in Remagen tätig. Zwischen 1976 und 1980 betreute Gallwitz dreimal den Deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig, wo er Ausstellungen mit Joseph Beuys (1976), Jochen Gerz (1976), Reiner Ruthenbeck (1976), Dieter Krieg (1978), Ulrich Rückriem (1978), Georg Baselitz (1980) und Anselm Kiefer (1980) verantwortete. hatte ich ein sehr gutes Verhältnis, weil ich schätzte, was er in Baden-Baden gemacht hatte. Mit seinem Vorgänger, Herrn Holzinger Ernst Holzinger (1901 Ulm – 1972 Zaun, Schweiz) war ein deutscher Kunsthistoriker und von 1938 bis 1972 Direktor des Städel Museums in Frankfurt am Main. , habe ich mich nur höflich gegrüßt. Den jungen Hollein allerdings sollte Frankfurt zum Ehrenbürger machen. Was der Junge macht! Da können Sie alles andere vergessen. Den bewundere ich außerordentlich und freue mich, dass er auch noch der Sohn meines Freundes ist.

1974 war im Städel Museum die Sammlung Lenz ausgestellt. „Zero. Beispiele aus der Sammlung Lenz, Kronberg“, Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, 28. November 1974 – 26. Januar 1975. Damals wurden auch einige Werke für das Museum erworben, unter anderem Soto, Manzoni, Fontana und Uecker. Peter Iden Peter Iden (* 1938 Meseritz, Posen, heute Polen) ist ein deutscher Kunst- und Theaterkritiker. Nach seinem Studium der Fächer Philosophie, Geschichte und Theaterwissenschaften war er als Redakteur für die „Frankfurter Rundschau“ tätig. Von 1993 bis 2000 leitete er das Feuilleton der Zeitung. 1966 gehörte Iden zu den Mitbegründern des internationalen Theaterfestivals Experimenta in Frankfurt am Main, das er 1972 als Teil des Organisationskomitees in die „documenta 5“ einbrachte. Zwischen 1978 und 1987 leitete er als Gründungsdirektor den Aufbau des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main und setzte sich besonders für den Erwerb eines Teilkonvoluts der Sammlung Ströher ein, was im Jahr 1981 gelang; dieses Konvolut bildet bis heute den Grundstock der Sammlung des MMK. stand der Sache etwas kritisch gegenüber, nicht zuletzt, weil die Preise für die Werke schon einigermaßen hoch waren.

Der Peter wusste genau, was er schreibt. Denn Peter und auch sein damaliger Kollege Hanno Reuther Hanno Reuther (* 1934) ist ein deutscher Kunstkritiker und Rundfunkautor, der bis 1967 für die „Frankfurter Rundschau“ tätig war und anschließend die Sendung „Kritisches Tagebuch“ im WDR mitbegründete. , der später nach Köln zum NDR gegangen ist, waren die ersten Journalisten, die bei mir voll eingesprungen sind. Und ich muss noch einen loben: Wieland Schmied Wieland Schmied (1929 Frankfurt am Main – 2014 Vorchdorf, Österreich) war ein österreichischer Kunsthistoriker und Kurator, der von 1963 bis 1973 als Direktor die Kestnergesellschaft in Hannover und von 1978 bis 1986 den Deutschen Akademischen Austauschdienst in Berlin leitete. Ab 1986 lehrte Schmied bis zu seiner Pensionierung 1994 als Professor für Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste München. , damals „F.A.Z“. Ein toller Junge.

Kamen die Journalisten von sich aus zu Ihnen in die Galerie, oder haben Sie die regelmäßig kontaktiert?

Sie sind, wie das allgemein üblich ist, angeschrieben worden.

Erinnern Sie sich noch, wann Sie Piero Manzoni ausgestellt haben?

1961. In der Ausstellung „Exposition dato 1961“, Galerie dato, Frankfurt am Main, 01. bis 31. Dezember 1961, war Piero Manzoni erstmals bei Rochus Kowallek vertreten. An der Ausstellung beteiligt waren unter anderen auch Bernard Aubertin, Hermann Goepfert, Yves Klein, Heinz Mack und Günther Uecker. Den Piero habe ich, glaube ich, 1960 kennengelernt, da hatte ich noch keine Galerie. Der ist mit Daniel Spoerri und mir in das Schloss seiner Mutter gegangen: „Ich will euch mal zeigen, wo ich die Windeln gewechselt bekam.“ Da war ein Türklopfer, den bediente er, und dann kam ein Diener und fragte: „Ja, bitte?“ – „Ich bin Piero Manzoni, erkennen Sie mich nicht?“ – „Ja, und Sie wünschen?“ – „Ich möchte mal in das Haus.“ – „Tut mir leid, ich muss erst Ihre Frau Mutter fragen.“ Wir sind nicht reingekommen. Und wo sind wir dann hin? In die nächste Kneipe.

Hätte ich was Anständiges gelernt, wäre ich heute Millionär. Das ist wirklich so. Was haben wir alle mit der Kunst zu tun?

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Rochus Kowallek