Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Rudolf Zwirner

Rudolf Zwirner

Rudolf  Zwirner

Rudolf Zwirner

Berlin, 11. Juni 2008

Eva Mongi-Vollmer: Hatten Sie ein sogenanntes „Programm“, als Sie 1959 in den Kunsthandel eingestiegen sind?

Rudolf Zwirner: Ich hatte kein ausgesprochenes Programm. Aber nachdem ich 1959 auf der documenta als Generalsekretär gearbeitet hatte, Vom 11. Juli bis 11. Oktober 1959 fand in Kassel unter der Leitung Arnold Bodes die „documenta 2“ mit dem Titel „Kunst nach 1945“ statt. Nach der ersten documenta, 1955, die vor allem einen retrospektiven Blick auf die Kunst legte, sollten vier Jahre später die neuen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt werden. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Abstrakten Kunst, insbesondere dem europäischen Informel und Tachismus sowie dem Abstrakten Expressionismus der Amerikaner, die auf dieser documenta unter anderen mit Jackson Pollock, Franz Kline und Clyfford Still erstmals vertreten waren. wusste ich, dass ich als Kunsthändler nicht den international-abstrakten Stil – so wie er 59 auf der documenta gezeigt wurde – propagieren würde. Also keine Apotheose an das Informel französischer Prägung. Es war klar, wenn ich eine Galerie aufmache, stelle ich mit Sicherheit nicht nur Künstler der École de Paris vor. Im Dezember 59 habe ich mit Werken von Karel Appel angefangen. 1961 habe ich Zeichnungen und Gouachen von Cy Twombly ausgestellt. „Cy Twombly: Gouachen und Zeichnungen“, Galerie Rudolf Zwirner, Essen, 1961. Das war schon etwas anderes. Das war einerseits figurativ – Karel Appel – und anderseits die lyrische Abstraktion amerikanischer Prägung, die noch gestischer war und sich von dem hedonistischen Informel unterschied. Aber auch in Paris gab es Ausnahmen: Wols und Jean Fautrier waren die beiden Künstler, die ich dort immer als besonders wichtig empfunden habe. Es hat nicht lang gedauert, bis sich mein Interesse stärker auf die figurative Kunst richtete. Ich musste auf der „documenta 2“ feststellen, dass die Abstraktion als Weltsprache propagiert wurde, um nicht zuletzt unsere Geschichte mit all den Problemen, besonders für Deutschland, auszublenden. Wenn Sie die „documenta 2“ als programmatische Ausstellung untersuchen, werden Sie feststellen, dass Dada sowie die Neue Sachlichkeit und die neueren Ausprägungen figurativer Malerei wie zum Beispiel Francis Bacon nicht gezeigt wurden, aber auch der Surrealismus trotz seiner ungeheuren Bedeutung für das 20. Jahrhundert so gut wie nicht zu sehen war. Wir haben, sozusagen als Feigenblatt, René Magritte und Paul Delvaux Paul Delvaux (1897 Antheit, Liège, Belgien – 1994 Veurne, Belgien) war ein Maler und Vertreter des Surrealismus. Er war mit René Magritte und Giorgio de Chirico bekannt und war ab 1950 Professor für Monumentalmalerei an der École nationale supérieure d’Architecture et des Arts décoratifs de la Cambre in Brüssel. in die Auswahl hinzugenommen. Delvaux wurde nur mit einem Bild, nahezu auf der Toilette, gezeigt. Ich erinnere mich, dass Klapheck Delvaux’ Bilder suchte und ich ihm dann sagen musste: „Die haben wir gar nicht ausgestellt“, weil Arnold Bode und Werner Haftmann diese Art von figurativer Malerei nicht ausstellen wollten. Haftmann – selbst auch mit einer leicht braunen Weste, wie ich später erfahren habe – mied jede Form von gegenständlicher Kunst. Hier spiegelte sich die Auseinandersetzung wider, die zwischen Willi Baumeister und Karl Hofer nach dem Krieg tobte. Im Februar 1955 veröffentlichte der expressionistische Maler und Direktor der Berliner Hochschule für Bildende Künste Karl Hofer (1878 Karlsruhe – 1955 Berlin) die beiden Artikel „In eigener Sache“, („Der Tagesspiegel“, 25.02.1955) und „Zur Situation der Bildenden Kunst“, („Der Monat“, Heft 77). Auf polemische Weise äußerte er darin grundlegend Kritik an der dominanten Rolle der Abstraktion. Den Einwänden begegnete der Kunstkritiker Will Grohmann (1887 Bautzen – 1968 Berlin) nur einige Wochen später mit dem Beitrag „Der Kritiker ist für die Kunst. Ein neuer Diskussionsbeitrag“, („Der Monat“, Heft 78). Er bezeichnete die gegenständliche Kunst als unzeitgemäß. Der Streit führte zu einer anhaltenden Debatte über den allgemeinen Stellenwert von Abstraktion und Realismus. Mit Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay und Fritz Winter protestierten Vertreter der abstrakten Malerei gegen die Position Hofers und traten im Zuge des Konflikts aus dem Künstlerbund aus. Siehe auch: Myriam Maier, „Der Streit um die Moderne im Deutschen Künstlerbund unter dem ersten Vorsitzenden Karl Hofer“, Berlin 2007, digitale Publikation, unter: http://d-nb.info/988162512/34 (eingesehen am 05.05.2017) sowie o. A., „Hofer“, in: „Der Spiegel“, Nr. 16, 1955, S. 50. In den späteren Jahren wurde dann die Kunst Osteuropas, insbesondere Ostdeutschlands, ausgeblendet. Ich bin durch meine kunsthistorischen Väter, Bode und Haftmann, einseitig informiert worden und habe deshalb auch in eine andere Richtung tendiert. Ich gehörte noch zu der alten Generation, nicht der Galeristen, sondern der Kunsthändler. Ich habe dann sehr früh die vergessenen Künstler der Neuen Sachlichkeit gezeigt. Wir kannten nur Otto Dix und George Grosz, aber wir kannten nicht mehr das Werk von Christian Schad oder von Grethe Jürgens. Die größte Überraschung an dieser Ausstellung war, dass sie zunächst überhaupt keinen wirtschaftlichen Erfolg hatte. Es war offensichtlich noch nicht die Zeit, sich mit der gegenständlichen Malerei der 20er-, 30er-, 40er- und 50er-Jahre zu beschäftigen. Die Rezeption war sehr mühsam, und der Wandel vollzog sich nur langsam. Der Wechsel kam erst 1960 mit den Nouveaux Réalistes In Abkehr vom Informel und anderen gestisch-abstrakten Ausdrucksweisen forderten die Nouveaux Réalistes Ende der 1950er-Jahre zunehmend die Hinwendung zur alltäglichen Lebenswelt. Konkret wurde dieser Anspruch zum Beispiel in der Verwendung von Alltagsgegenständen als Material in der Kunst sichtbar. Am 27. Oktober 1960 wurde in der Pariser Wohnung Yves Kleins das Manifest Nouveau Réalisme von Arman, François Dufrêne, Raymond Hains, Yves Klein, Martial Raysse, Pierre Restany, Daniel Spoerri, Jean Tinguely und Jacques de la Villeglé unterzeichnet. Siehe auch: „Nouveau Réalisme. Revolution des Alltäglichen“, hg. von Ulrich Krempel, Ausst.-Kat. Sprengel Museum Hannover, Ostfildern 2007. . Die Zäsur in der Zeit war massiv. In diesem Zusammenhang muss ich erwähnen, dass ich 1958 in Paris lebte und arbeitete. Ich habe bei Berggruen Heinz Berggruen (1914 Berlin – 2007 Paris) war ein deutscher Kunsthändler, Mäzen und Sammler. Mit Werken von Paul Klee, Henri Matisse, Joan Miró und Pablo Picasso baute er eine der wichtigsten Sammlungen zur klassischen Moderne auf. Berggruen, der jüdischer Abstammung war, floh 1936 aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA und war dort ab 1939 am San Francisco Museum of Modern Art tätig. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründete er eine Galerie in Paris, in der er unter anderen Marc Chagall, Fernand Léger, Henri Matisse und Pablo Picasso zeigte. Ab 1980 widmete sich Berggruen ausschließlich dem weiteren Aufbau seiner Sammlung, die er im Jahr 2000 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verkaufte. Die Werke befinden sich heute im Museum Berggruen in Berlin-Charlottenburg. hospitiert und regelmäßig die Galerien besucht. In dem Jahr habe ich den Wechsel miterlebt. Und als ich 1960 meine Galerie eröffnete, begann der Paradigmenwechsel auch im Kunsthandel. In Frankreich wurde das Informel durch die Bewegung der Nouveaux Réalistes mit Yves Klein, César und Arman, aber auch durch Mimmo Rotella und die Decollagisten erweitert, die wiederum von der ersten Ausstellung von Jasper Johns Jasper Johns (* 1939 Augusta, Georgia) ist ein Maler, der insbesondere für seine Gemäldeserien von Flaggen, Zielscheiben und Nummern bekannt ist. Er gilt als Vertreter der US-amerikanischen Pop-Art. Von 1947 bis 1948 studierte er Kunst an der University of South Carolina und siedelte im gleichen Jahr nach New York über, wo er nach seinem Einsatz im Koreakrieg (1951–1953) unter anderen John Cage, Merce Cunningham und Robert Rauschenberg kennenlernte. 1958 zeigte die Leo Castelli Gallery seine erste Einzelausstellung in New York. Im Juni 1960 folgte die Ausstellung „Peintures & Sculptures & Dessins & Lithos. Jasper Johns“ in der Pariser Galerie Rive Droite. Er war vielfach auf der documenta sowie auf der Biennale von Venedig vertreten, wo er 1988 mit dem Großen Preis für Malerei geehrt wurde. in der Galerie Rive Droite beeindruckt waren. Mein Interesse an den Nouveaux Réalistes hatte zum einen mit meinem Jahrgang zu tun – für mich war das Informel bereits historisch –, zum anderen hatte es auch eine kommerzielle Seite: Ich war nicht in der Lage, Bilder von Willem de Kooning, Jackson Pollock, Franz Kline und auch nicht von Pierre Soulages oder Hans Hartung zu kaufen. Diese Künstler waren für einen jungen Kunsthändler ohne Geld zu teuer. Aber als junger Händler stößt man glücklicherweise auf Künstler, die noch nicht im Markt sind. Das waren in meinem Fall unter anderem Daniel Spoerri und Jean Tinguely. Deren Werke waren für mich erreichbar, auch wirtschaftlich. Und so entwickelte sich mein Programm über den Nouveau Réalisme und die Neue Sachlichkeit in eine Antihaltung zur offiziellen Kunst in Europa. Ich war irritiert, dass in jedem deutschen Museum Werke von Serge Poliakoff, Gustave Singier, Alfred Manessier und anderen Künstlern der École de Paris hingen. Meine Konkurrenz in Köln war die Galerie von Herrn Dr. Rusche, der in Zeitungen annoncierte: „Kaufen Sie nichts Gutes, kaufen Sie nur das Beste. Bei Dr. Werner Rusche, Köln, Wiethasestraße 18.“ Und das Beste war das Programm der École de Paris in der Galerie de France. Ich fand es wunderbar, dass das offizielle Programm von einer Galerie getragen wurde, die sich Galerie de France nannte. Noch in den 50er-Jahren stellten die Amerikaner in Paris aus, obwohl sie wussten, dass keiner dort ihre Bilder kaufen würde. Sie machten es dennoch, um ihrem Klientel in New York oder in Chicago das Etikett „ausgestellt in der Galerie de France“ demonstrieren zu können. Leo Castelli hatte eine Galerie an der Place Vendôme, später auch Larry Rubin und Ileana Sonnabend. 1964 habe ich meine erste New-York-Reise unternommen, die mich für meine zukünftige Galeriearbeit sehr geprägt hat. Ich habe dort die Künstler meiner Generation kennengelernt: George Segal, James Rosenquist, Jim Dine, Roy Lichtenstein, Andy Warhol und so weiter. Seither habe ich immer wieder mit verschiedenen amerikanischen Kollegen wie zum Beispiel Dick Bellamy, Leo Castelli, Sidney Janis, André Emmerich, Larry Rubin und Ileana Sonnabend zusammengearbeitet.

Etwa zur gleichen Zeit, im Oktober 1963, starteten Michael Werner Michael Werner (* 1939 Nauen) ist ein deutscher Galerist. Ab 1960 arbeitete er in der Galerie Rudolf Springer in Berlin. 1963 eröffnete er mit Benjamin Katz am Kurfürstendamm die Galerie Werner & Katz und führte ab 1964 seine eigene Galerie in einer ehemaligen Kohlenhandlung. 1968 zog Werner nach Köln und übernahm dort die Galerie Hake, die er ab Oktober 1969 unter seinem Namen weiterführte. In den 70er- und 80er-Jahren vertrat die Galerie Michael Werner unter anderen die Künstler Georg Baselitz, Antonius Höckelmann, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck. Heute ist die Galerie auch in Berlin, London und New York vertreten. 2011 wurde Werner mit dem Preis der Art Cologne ausgezeichnet. und Benjamin Katz in Berlin mit der sogenannten „Baselitz-Skandal-Ausstellung“. „Baselitz“, Galerie Werner & Katz, Berlin, 01.–25. Oktober 1963. Die Ausstellung umfasste 52 Bilder, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der Unsittlichkeit von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84. Haben Sie die Ausstellung damals wahrgenommen?

Ja, natürlich! Die Ausstellung bei Werner & Katz habe ich nicht gesehen, aber die Ausstellung „Baselitz“, Galerie Rudolf Springer, Berlin, 29. Januar – 12. Februar 1966. bei Rudolf Springer habe ich gesehen. Ich kam gerade aus New York zurück, wo ich für 10.000 US-Dollar, also nicht gerade wenig, einen „Elvis Presley“ Andy Warhol, „Double Elvis“, 1963. von Andy Warhol gekauft hatte, und dann sehe ich bei Rudolf Springer diese „Helden“-Bilder von Baselitz. Ich war geschockt und habe mich gefragt, wie man so rückwärtsgewandt sein kann. Wie kann man in der Zeit so zurück sein? Meine jüngste Erwerbung war dieser silberne lebensgroße Elvis Presley, die „Helden“ von Baselitz erschienen mir dagegen wie Romantiker des 19. Jahrhunderts. Sie hatten zerzauste Haare im expressionistischen Malstil – für mich damals der höchst denkbare Gegensatz zum Bild meines Elvis Presleys. Das multiplizierte, im Siebdruckverfahren hergestellte, kühle Bild eines Medienstars und das expressiv gemalte, geradezu dramatische Bild eines scheiternden Helden. Ich habe Baselitz mit diesen Bildern abgelehnt. Meine Position war zu der Zeit die US-Version von kühler, sachlicher, auch reproduktiv hergestellter Kunst. Für mich war Andy Warhol ein ganz wichtiger Künstler. Für Michael Werner und sein Programm hatte ich hingegen keine große Bewunderung. Das war für mich rückwärtsgewandt und deutschtümelnd. Das änderte sich einige Jahre später, nicht durch Michael Werner, sondern durch die Galerie Tobiès & Silex. Eine Galerie, die damals in Köln nicht zu unterschätzen war. Frau Tobiès und Herr Silex waren mit dem Schweizer Kollegen Carl Laszlo, einem Experten für Surrealismus und Dadaismus, verbunden. Das Paar machte eine Ausstellung mit Baselitz-Bildern „Georg Baselitz. Bilder 1962–1970“, Galerie Tobiès & Silex, Köln, 22. Dezember 1971 – 28. Februar 1972. , und da habe ich mich länger aufgehalten. Dort habe ich nicht nur die „Helden“, sondern auch frühe Bilder gesehen, deren malerische Kraft mich so beeindruckte, dass ich mich von da an auch für Baselitz interessierte. Darin liegt wirklich ein Witz der Kunstgeschichte: Die ersten Museumserfolge, die es für Baselitz überhaupt gab, haben nicht durch Michael Werner oder Franz Dahlem Franz Dahlem (* 1938 München) gründete 1963 gemeinsam mit Heiner und Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem in München. Nach der Trennung von der Galerie Friedrich eröffnete Dahlem zum Jahreswechsel 1966/67 eine Galerie in Darmstadt und lernte dort den Sammler Karl Ströher kennen. Gemeinsam mit Heiner Friedrich vermittelte er Ströher 1968 die Sammlung des US-amerikanischen Versicherungsmaklers Leon Kraushar sowie 1969 den „Block Beuys“. Dahlem gilt als enger Vertrauter und wichtiger Vermittler der Kunst von Georg Baselitz, Joseph Beuys, Uwe Lausen und Blinky Palermo. stattgefunden, sondern durch mich. Ich habe „Die große Nacht im Eimer“ Georg Baselitz, „Die große Nacht im Eimer“, 1962/63. und das andere große bedeutende Bild, „Die großen Freunde“ Georg Baselitz, „Die großen Freunde“, 1965. , bei Franz Dahlem in Darmstadt aus der Garage heraus gekauft und habe es tatsächlich geschafft, Peter Ludwig Peter Ludwig (1925 Koblenz – 1996 Aachen) war ein deutscher Industrieller und international agierender Kunstmäzen, der ab 1969 eine der bedeutendsten Sammlungen im Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst aufbaute. Durch Schenkungen und Leihgaben etablierte Peter Ludwig zahlreiche Kooperationen zwischen öffentlichen Trägern und seiner Privatsammlung. Die Stadt Köln erhielt 1976 eine umfangreiche Auswahl seiner Sammlung – unter der Voraussetzung, für diese einen eigenen Präsentationsort, das heutige Museum Ludwig, zu errichten. 1982 gründeten Peter und Irene Ludwig die Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung, die nach dem Tod Peter Ludwigs 1996 in die Peter und Irene Ludwig Stiftung überging. Vgl. Heinz Bude, „Peter Ludwig. Im Glanz der Bilder“, Bergisch Gladbach 1993. davon zu überzeugen, dass das keine spätexpressionistischen Bilder sind, sondern eine Weiterentwicklung eines Stils, der durch die politischen Umstände 1933 abgebrochen worden war. Ein Stil, der sich noch nicht ausformuliert hatte. Die Aussage der Bilder und deren malerische Qualität sind so stark, dass es mir egal war, ob man dabei an Corinth dachte. Ich habe dann auch politische Werke wie die „Standart“-Bilder Ab 1970 entwickelte A.R. Penck (eigtl. Ralf Winkler; 1939 Dresden – 2017 Zürich) für seine Malerei ein Zeichensystem, das jedem Betrachter die Lesbarkeit und Dechiffrierbarkeit seiner Bilder ermöglichen sollte. Unter dem Begriff „Standart“ fasste Penck sein Bildkonzept zusammen. von A.R. Penck und die „Dithyramben“ Ab 1964 entwickelte Markus Lüpertz das Konzept einer dithyrambischen Malerei, der Versuch einer Synthese von gegenständlicher und abstrakter Darstellung. Zu den bekanntesten Arbeiten dieser Werkgruppe zählen „Dithyrambe – schwebend“ (1964), „Feigling – dithyrambisch“ (1964) und „Tod und Maler – dithyrambisch“ (1973). Siehe auch: Armin Zweite, „Dithyramben und anderes“, in: „Markus Lüpertz“, hg. von dems., Ausst.-Kat. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Ostfildern 1996, S. 11–29, hier S. 14–18. von Markus Lüpertz gekauft und ausgestellt. Michael Werner liebte nicht so sehr die politische Thematik, sondern wollte seinen Künstler die Malerei des späten Picasso näherbringen. Kiefer war ihm zu politisch.

Dabei hat er sich ja gerade bemüht, deutsche Künstler aufzubauen.

Ganz richtig, am Anfang war das wirklich so. Später hat er aber auch mit James Lee Byars zusammengearbeitet. Bei Lüpertz hätte er sich besser auf seine politischen Bilder, seine Stahlhelm-Bilder Seit Beginn der 1970er-Jahre taucht in den Bildern von Markus Lüpertz wiederholt das Motiv des Stahlhelms auf. Zu den bekanntesten Arbeiten in diesem Kontext gehören „Helme sinkend I – dithyrambisch“ (1970), „Helm III“ (1970) und „Schwarz-Rot-Gold“ (1974). , konzentriert.

Sie haben eben den Sammler Ludwig erwähnt, der Künstler wie Baselitz in seine große Pop-Art-Sammlung aufgenommen hat. In dieser Zeit, Ende der 60er-Jahre, hat Werner seinen Wechsel von Berlin nach Köln vollzogen. Seine ersten drei Ausstellungen hießen „Avantgarde 1“, „Avantgarde 2“ und „Avantgarde 3“, dort hat er Warhol mit Baselitz und Richter gezeigt. Werner nannte es „Integrations-Programm“, weil er auf diese Weise mit seinen Künstlern, vor allem mit Baselitz und Penck, im Rheinland Fuß fassen wollte.

1968 tauchte Peter Ludwig als Sammler bei mir auf. Möglicherweise hat Werner sein Programm ein bisschen in seine Richtung betrieben, aber eigentlich glaube ich das nicht, weil Peter Ludwig zu der Zeit noch nicht an deutscher Kunst interessiert war. Obwohl ich nicht der Vertreter dieser Künstler war, kam sein Interesse daran erst durch mich zustande. Wie das manchmal so ist: Es entsteht eine Vertrauensbeziehung zwischen Händler und Sammler – und die bestand nun einmal zwischen Peter Ludwig und mir. Das Werk von Baselitz habe ich zum Beispiel nicht über Franz Dahlem, sondern über Silex „sehen gelernt“, obwohl Dahlem mich ununterbrochen mit seinen Elogen für Baselitz zugekleistert hat.

Ab 69 haben Sie Sigmar Polke ausgestellt. Auch Michael Werner hatte ihn im Programm. Werner selbst beschreibt, dass es eine gewisse Spannung um Polke gab. Wie muss man sich das vorstellen?

Es darf Sie nicht überraschen, dass ich Werke von Polke ausgestellt, ihn aber nicht vertreten habe, weil ich grundsätzlich keinen Künstler exklusiv vertreten habe. Das war eine Grundsatzentscheidung. Ich war als Kunsthändler tätig, aber nicht für die Karriere der Künstler zuständig. Ob Richter oder Klapheck, das habe ich allen Künstlern gesagt, mit denen ich länger zusammengearbeitet habe. Ich wollte unabhängig bleiben und nicht Klinken putzen, um irgendeinen Künstler durchzusetzen. Mein Programm war es, zeitgenössische Kunst mit historischer Kunst zusammen zu zeigen. Ich habe in meiner Galerie Arbeiten von Picasso, Magritte, Miró, Tanguy und so weiter zusammen mit Gegenwartskunst gezeigt. Ich kann mich gut erinnern, dass in meiner Galerie gleichzeitig Bilder von Baselitz, Penck, Polke, Richter mit den eben genannten Künstlern zu sehen waren und ich oft gesagt habe: „Sie können für 120.000 D-Mark dieses Bild von Dubuffet kaufen oder dieses Bild von Polke für 12.000 Mark. Es ist die gleiche Qualität, nur …“, und dann habe ich einen Vortrag gehalten. Ich habe versucht, die historisch bereits gesicherte Kunst mit der Gegenwartskunst, die mich berührte, in Verbindung zu bringen, aber nicht den jungen Künstler zu promoten. Und so habe ich auch Polke gezeigt. Damit komme ich auf Ihre Frage zurück: Die Spannung lag bei Polke selbst. Polke wollte unabhängig sein und bleiben. Er hat zu jedem Galeristen eine gewisse Distanz aufgebaut. Polke ist ein Einzelgänger, und deshalb waren da sicherlich auch immer wieder Spannungen. Für mich gab es den händlerischen Kontakt: Man geht ins Atelier, kauft und macht Absprachen. Was die Künstler darüber hinaus oft erwarten, dass man die Abende und Nächte miteinander verbringt, konnte und wollte ich nicht leisten. Wenn man eine Programmgalerie leitet, muss man auch weit in das Privatleben der Künstler mit einsteigen und bereit sein, einen Großteil der Zeit mit den Künstlern zu verbringen. Sonst ist man kein Vertreter. Und das habe ich bei Polke nicht gewollt. Es kann sein, dass es da auch eine Spannung zwischen mir und Werner gab – das weiß ich aber heute nicht mehr; eigentlich hatten wir ganz unterschiedliche Gebiete: Ich war sehr viel händlerischer, und er war sehr viel programmatischer. Im Durchsetzen seines Programms hat er in mir oft den Bremser gesehen. Er verstand nicht, dass ich sein gesamtes Programm nicht bei Peter Ludwig durchsetzen wollte. Das hielt er für eine Unfähigkeit meinerseits. Der Hauptgrund, warum ich nicht Programmgalerist geworden bin, war meine Sorge, das Œuvre insgesamt, mit seinen Licht- und Schattenseiten, akzeptieren und letztlich auch nach außen vertreten zu müssen. Man kann einem Sammler nicht sagen: „Das Bild von Richter ist dritte Qualität.“ Für einen Galeristen gibt es nur erste Qualität. Ich hatte eine Reihe von Baselitz-Bildern in der ersten Etage meiner Galerie, als der Künstler hereinkam – das werde ich nie vergessen – und er seine eigenen Bilder kommentierte: „Schlecht, schlecht, schlecht, gut, sehr gut!“ Baselitz urteilte selbst über seine Werke. Wenn ich das als Händler tue, habe ich den Künstler sowie meine Sammler sofort verloren. Und das ist das Problem aller Programmgaleristen: Es muss alles sehr gut sein, was es aber nicht sein kann. Mit Sicherheit hat es da zwischen mir, Kollegen und Künstlern auch mal Spannungen gegeben. Allein über Lüpertz hat es zwischen mir und Michael Werner immer wieder einen Dissens gegeben. Und der besteht auch heute noch.

Sie haben sich gerade dezidiert als Händler beschrieben. Sie waren aber auch als Kurator tätig. 1981 waren Sie für die Abteilung „Heute“ in der Ausstellung „Westkunst“ „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. verantwortlich. Wie war das mit Ihrer händlerischen Tätigkeit vereinbar?

Das war akzeptabel, weil ich Programm und Handel nicht mischte. Wenn ich eine kuratorische Tätigkeit übernahm, habe ich nicht nur Künstler eingeladen, bei denen ich persönlich Zugriff auf die Werke hatte. Ich habe aus einer selbst kuratierten Ausstellung nie ein Bild gekauft, verkauft oder vermittelt. Grundsätzlich ist das aber ein Problem, da gebe ich Ihnen recht. Damals jedoch war die Situation aus der Not geboren. Ich hatte die „Westkunst“-Ausstellung durch meine guten Kontakte zu Kurt Hackenberg, dem Kulturdezernenten der Stadt Köln, angekurbelt. Ich habe ihn überzeugt, Kasper König Kasper König (* 1943 Mettingen) ist ein Kurator und Museumsdirektor. Nach einem Volontariat in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln lebte er ab 1965 in New York. Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Klaus Bußmann gründete er 1977 die „Skulptur.Projekte“ in Münster. König war zwischen 1984 und 1988 Professor für „Kunst und Öffentlichkeit“ an der Kunstakademie Düsseldorf sowie 1989 bis 2000 Rektor der Städelschule in Frankfurt am Main. Im Jahr 2000 wurde er zum Direktor des Museums Ludwig in Köln berufen, das er bis 2012 leitete. Er verantwortete zahlreiche Großausstellungen, darunter „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“ (1981), „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“ (1984), die Skulptur-Projekte (1977, 1987, 1997, 2007, 2017) in Münster sowie die „Manifesta 10“ (2014) in St. Petersburg. König gilt als wichtiger Vermittler des Werks von Donald Judd, On Kawara, Claes Oldenburg, Gerhard Richter und Franz Erhard Walther. dafür aus Frankfurt nach Köln zu holen. Dann stellte ich fest, dass Kasper König das Budget weitgehend für klassische Kunst verplant hatte, weil er nicht genau wusste, wie viel er für Versicherung und Transport der Werke kalkulieren musste. Kurz vor dem Ende der Planung stellte sich also heraus, dass das Budget für die Gegenwartskunst nicht mehr ausreichte. Dabei war die Idee, die mich dazu veranlasst hatte, die Stadt Köln zu animieren, 4 bis 5 Millionen D-Mark bereitzustellen, eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst zu organisieren. Als deutlich wurde, dass ausgerechnet diese fehlen würde, habe ich mich beschwert – da war das Geld aber bereits verplant. Also ging es nur noch über den Handel. Und dann habe ich für diese Abteilung, wohlgemerkt in Abstimmung mit Kasper König, das Programm gemacht. Wir haben die Kollegen, die jene betreffenden Künstler vertraten, gebeten, die Kosten zu übernehmen. Das war dann in gewisser Weise wie ein Kunstmarkt. Und daher ist es auch nicht besonders verwerflich, wenn ein Kunsthändler das organisiert. Die Tatsache, dass ich dort eingesprungen bin, war, glaube ich, auch nie Gegenstand einer Kritik. Im Gegenteil, ich habe sehr viel positive Kritik bekommen. Es sind damals viele Künstler das erste Mal gezeigt worden, die erst in den darauffolgenden Jahren eine Bedeutung gewannen und diese bis heute behaupten können. Das hatte aber mit mir dann nichts mehr zu tun.

Sehr viel intensiver wurde 1989 bei der „Bilderstreit“-Ausstellung „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“, Museum Ludwig in den Rheinhallen, Köln, 08. April – 28. Juni 1989. diskutiert, ob Michael Werner zu stark ins Programm geflüstert habe.

Was er ja getan hat, das war sein Programm. Wenn Sie Michael Werner danach fragen, war es seine Aufgabe, alle von seinem Programm zu überzeugen, zuallererst die Kuratoren, die eine Ausstellung machten. Das kann ich Michael Werner nicht übel nehmen. Aber tatsächlich hat das Programm dann auch Schwächen gehabt. Genau an dem Punkt unterscheide ich mich von ihm. Ich hatte nie persönliche Interessen – ob dieser oder jener Künstler durchgesetzt wird –, weil ich keinen von ihnen vertrat. Ich habe das Frühwerk von Konrad Klapheck enthusiastisch aufgenommen, gezeigt, verkauft, und dann wurden mir die Maschinen zunehmend zu perfekt. Seine malerisch verschlüsselte, erotische Problematik wurde zugunsten einer Perfektion geopfert. Deshalb trennten wir uns dann.

Die Gründung des Kölner Kunstmarkts Auf Bestreben der Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt vom 13. bis 17. September 1967 in den Räumen der historischen Festhalle Gürzenich statt. Die 18 beteiligten Galerien waren: Galerie Aenne Abels (Köln); Galerie Appel & Fertsch (Frankfurt am Main); Galerie Block (Berlin); Galerie Brusberg (Hannover); Galerie Gunar (Düsseldorf); Galerie Müller (Stuttgart); Galerie Neuendorf (Hamburg); Galerie Niepel (Düsseldorf); (op) art galerie (Esslingen); Galerie Ricke (Kassel); Galerie Schmela (Düsseldorf); Galerie Der Spiegel (Köln); Galerie Springer (Berlin); Galerie Stangl (München); Galerie Thomas (München); Galerie Tobiès & Silex (Köln); Galerie van de Loo (München); Galerie Zwirner (Köln). Bis 1973 wurde die Messe jährlich ausgerichtet und ging anschließend in den Internationalen Kunstmarkt Köln über, aus dem sich 1984 die Art Cologne entwickelte. Siehe „Kunstmarkt Köln ’74. Entstehung und Entwicklung der ersten Messe für moderne Kunst. 1966–1974“, Reihe „sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels“, Nr. 6, 2003. basierte auf der Idee, den deutschen Handel gemeinschaftlich zu positionieren. Sie haben anfangs keine Galerien zugelassen, die nicht aus Deutschland waren.

Richtig. Es ging zunächst darum, den deutschen Markt durch deutsche Kollegen zu stärken. Damals reisten die wenigen Sammler oft nach Paris oder später nach New York. Wir Galeristen in München, Berlin, Hamburg oder Köln waren damals noch keine Lieferanten des internationalen Handels. Wir hatten große Mühe, die Bilder, die wir in Paris oder Amerika gekauft hatten, in Deutschland zu verkaufen, weil wir sie teurer verkaufen mussten. Peter Ludwig war ständig in Paris und New York. Er war der Hauptkunde von Leo Castelli und Ileana Sonnabend. Nur das eindeutig bessere Kunstwerk konnte teurer verkauft werden.

Es ging also um die Positionierung des Handels.

Es ging um die Positionierung. Wir hatten das Problem, dass wir als Importeure den Transport und den Zoll zu zahlen hatten und dadurch teurer waren als die Kollegen in New York oder in Paris. Allzumal die Museumskäufer von der Umsatzausgleichsteuer befreit waren. Das ging nicht, wenn sie bei uns kauften. Das heißt, wir waren in jedem Falle erst einmal teurer. Das war ein Problem unter vielen anderen.

Und ging die Rechnung mit dem Kölner Kunstmarkt auf?

Die Rechnung ging auf, weil wir neue Kunden akquirieren konnten. Wir waren nicht mehr auf die vier, fünf Sammler angewiesen. Noch in den 60er-Jahren war es so: Wenn einer mehr als sechs Sammler hatte, die im Jahr circa 20.000 D-Mark ausgeben konnten, war man auf der wirtschaftlich sicheren Seite. Wenn davon dann drei oder vier selbst auf Einkaufstour ins Ausland gingen, wurde es eng. Der erste Kölner Kunstmarkt hat ein Tor zu neuen Sammlerschichten aufgestoßen. So wie wir das jetzt mit dem globalisierten Kunstmarkt erleben. Noch in meiner Zeit kamen irgendwann die Japaner dazu, die Sammler aus Amerika wurden immer zahlreicher, und heute sammelt die ganze Welt: auch die Russen und Chinesen. Die ganze Welt kauft im großen Stil in London, New York, Basel – oder wo auch immer die internationalen Messen sind.

Wie wichtig war die Expansion der Galerie Michael Werner in den 80er-Jahren in die USA für die Rezeption deutscher Kunst?

Durch Werner wurde in dieser Hinsicht überhaupt nichts ausgelöst. Vergessen Sie nicht, dass Reinhard Onnasch und René Block schon vorher da waren und versucht haben, Beuys auszustellen. Zwischen 1973 und 1975 betrieb Reinhard Onnasch eine Dependance seiner Galerie im New Yorker Stadtteil Manhattan. Dort zeigte er unter anderem Ausstellungen mit Hubert Kiecol, Bernd Koberling und Gerhard Richter. René Block eröffnete 1974 einen Raum im Stadtteil SoHo. Dort zeigte er unter anderem zwei Einzelausstellungen von Joseph Beuys: „Joseph Beuys. I Like America and America Likes Me“ (1974) und „Joseph Beuys. Richtkräfte ’74 “ (1975). Beuys programmatischer Ausspruch: „Ich liebe Amerika, und Amerika liebt mich“ „Joseph Beuys. I Like America and America Likes Me“, René Block Gallery, New York, 20.–25. Mai 1974. Während der Aktion verbrachte Joseph Beuys mehrere Tage mit dem Kojoten Little John in einem Käfig innerhalb der Galerie. war reines Wunschdenken. Seine erste große Ausstellung in New York „Joseph Beuys“, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 02. November 1979 – 02. Januar 1980. ist überhaupt nicht wahrgenommen worden. Ich habe zum ersten Kunstmarkt in Chicago Die EXPO Chicago ist eine jährlich stattfindende Messe für zeitgenössische Kunst, die 1980 von dem Galeristen John Wilson in Chicago initiiert wurde. Ursprünglich war sie als US-amerikanischer Ableger der seit 1970 in der Schweiz bestehenden Art Basel gedacht. eine große Baselitz-Ausstellung organisiert: Da ist nichts passiert, gar nichts, das hat keiner gekauft. Ich habe mit Barbara Gladstone eine bedeutende, große, retrospektive Richter-Ausstellung „Gerhard Richter: Paintings 1964–1974“, Barbara Gladstone Gallery und Rudolf Zwirner Galerie, New York, 13. Dezember 1986 – 17. Januar 1987. gemacht – und nichts verkauft. Wir reden hier von den späten 80er-Jahren. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass der amerikanische Kunsthandel – Händler wie Sammler – zu 90 Prozent aus Juden bestand, und die zu Recht ihr Problem mit Deutschland hatten. Viele meiner Kollegen, mit denen ich eng befreundet war, haben es abgelehnt, mich in Deutschland zu besuchen. Eigentlich alle. Es gab wenige Ausnahmen wie Ileana Sonnabend, die wie Leo Castelli kosmopolitisch war. Der Sechstagekrieg Als „Sechstagekrieg“ wird der militärische Konflikt bezeichnet, der sich vom 05. bis 10. Juni 1967 zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien vollzog. Ausgangspunkte des Kriegs waren die durch den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser veranlasste Sperrung der Meerenge von Tiran sowie der Aufmarsch von ägyptischen Truppen an der Grenze zu Israel. Auf diese Entwicklungen reagierte Israel am 05. Juni 1967 mit Angriffen seiner Luftstreitkräfte. Zu den zentralen Entscheidungsträgern auf israelischer Seite zählten Moshe Dajan, Jitzchak Rabin und Ariel Scharon. Die während dieses Kriegs durch Israel besetzten Gebiete bestimmen bis heute die Geopolitik des Nahostkonflikts. Siehe auch: Jeremy Bowen, „Six Days – How the 1967 War Shaped the Middle East“, London 2003. , als die deutsche Presse Moshe Dajan mit Rommel verglich, hat zu einem Umschwung im Denken geführt. Die jüdischen Kollegen haben immer wieder zitiert: „Da ist ein Trauma beendet worden, das Trauma des nicht abwehrbereiten, sich zur Schlachtbank führen lassenden Juden.“ Das war ein gigantisches Trauma – deshalb wurde darüber ja auch nicht geredet. Und dann schreibt die deutsche Presse: „Moshe Dajan ist unser Rommel.“ Da kommt plötzlich Stolz ins Spiel. Ich höre noch, wie ein jüdischer Kollege sagt: „Visitez Israel et ses pyramides!“ Und dann kam 1982 Rudi Fuchs und stellte in der „documenta 7“ die Transavanguardia, neue Malerei und figurative Kunst aus. In einer Zeit, als in Amerika gerade die Werke der amerikanischen Pop-Generation unbezahlbar wurden. Es kam keine neue verkäufliche Kunst aus den USA: Body-Art, Land-Art, Konzeptkunst und Minimal Art; das war alles unverkäuflich. Öl auf Leinwand – grob gesprochen – war gefragt. Und das wurde durch Rudi Fuchs in der documenta mit Transavanguardia und den deutschen Künstlern der Werner-Galerie propagiert. 1984 hatte Anselm Kiefer dann eine Ausstellung „Anselm Kiefer“, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 24. März – 05. Mai 1984/Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, 11. Mai – 21. Juni 1984/The Israel Museum, Jerusalem, 31. Juli – 30. September 1984. in Jerusalem. Das ist entscheidend gewesen. Das Museum in Jerusalem erteilte Absolution. Von da an war es auch für die globale jüdische Klientel möglich, deutsche Kunst zu kaufen, denn wenn das Museum in Jerusalem deutsche Kunst zeigt, dann ist es auch der Pace Gallery oder wem auch immer nicht mehr verboten. Deutsche Kunst war immer verkäuflich, soweit sie als „entartet“ galt: Schiele, Kokoschka, Kirchner, Beckmann und so weiter. Also keine deutschen Künstler der Gegenwart. Vertreter dieser Haltung war für alle weit sichtbar und hörbar Arnold Glimcher von der Pace Gallery. Ihm hatte ich schon Jahre zuvor gesagt: „Stell doch Baselitz aus.“ Das war nicht mein Job, aber ich habe es getan, weil Baselitz keine Galerie in den USA hatte. Und damals sagte Glimcher: „Das kann ich nicht. Das kann ich meiner Klientel nicht zumuten. Wenn ich hier nur einen lebenden deutschen Künstler zeige, verliere ich meine Kundschaft.“ Erst durch die Kiefer-Ausstellung in Jerusalem und die „documenta 7“ wurden Werke deutscher Künstler international handelbar. Der Handel suchte nach verkäuflicher Ware, und Deutschland und Italien lieferten sie. Darin lag der Wechsel begründet, das hatte mit Michael Werner überhaupt nichts zu tun. Im Grunde war es die Zeit. Durch den Vergleich von Moshe Dajan mit Rommel war das Tor aufgestoßen worden. Das hat keiner so wahrgenommen, aber ich habe es gespürt. Jüdische Kollegen, mit denen ich über Jahre Geschäfte gemacht habe, lehnten es ab, nach Deutschland zu kommen. Es hat einfach die Zeit gebraucht. Und ohne den amerikanischen Markt mit der ungeheuren avantgardeorientierten jüdischen Klientel lief sowieso nichts. Sie konnten nicht erfolgreich sein, wenn Sie nicht den amerikanischen Markt für sich eroberten. Das ist auch heute noch der Fall. Trotz China oder Russland: Die amerikanischen Sammler bestimmen den Markt.

Wie wichtig war Ihrer Meinung nach Norman Rosenthal Norman Rosenthal (* 1944 Cambridge) ist ein Kunsthistoriker und Kurator. Er arbeitete ab 1974 als Kurator am Institute of Contemporary Arts (ICA). In Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker Christos M. Joachimides organisierte er dort unter anderem die Ausstellung „Art Into Society – Society Into Art. Seven German Artists“. Von 1977 bis 2008 war Rosenthal Ausstellungssekretär an der Royal Academy of Arts in London. Nach der wegweisenden Ausstellung „A New Spirit in Painting“, die er 1981 zusammen mit Nicholas Serota (* 1946 London) und Christos M. Joachimides an der Royal Academy organisierte, folgten in Zusammenarbeit mit Joachimides im Berliner Martin-Gropius-Bau unter anderem die Ausstellungen „Zeitgeist“ (1982/83) sowie „Metropolis“ (1991). Rosenthal gilt als wichtiger Vermittler des künstlerischen Werks von Georg Baselitz, Joseph Beuys und Anselm Kiefer. , der damals in der Royal Academy in London für die Ausstellungen zuständig war, für die Internationalisierung der deutschen Kunst?

Die Royal Academy war sehr wichtig für deutsche Künstler, auch wegen der engen Zusammenarbeit mit Christos Joachimides Christos M. Joachimides (1932 Athen – 2017 Athen) war ein Kunsthistoriker und Kurator. Ab 1977 organisierte er zahlreiche Ausstellungen zur deutschen Gegenwartskunst, darunter „Joseph Beuys. Richtkräfte“ (Nationalgalerie Berlin, 1977), „A New Spirit in Painting“ (Royal Academy of Arts, London 1981) und „Zeitgeist“ (Martin-Gropius-Bau, Berlin 1982/83). 1985 gehörte er zu den Mitinitiatoren der Zeitgeist-Gesellschaft zur Förderung der Künste in Berlin, die bis 1997 verschiedene Großausstellungen in Berlin verantwortete. in Berlin. Es war die Kombination aus Royal Academy und dem jüdisch-europäischen Norman Rosenthal, die es jüdischen Sammlern ermöglichte, deutsche Kunst zu akzeptieren. Werke deutscher Künstler wurden in den USA nur bis zum Eichmann-Prozess Im Mai 1960 wurde der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann von israelischen Agenten in Buenos Aires aufgespürt und gefangen genommen. Aufgrund seiner Schlüsselrolle in der Vorbereitung und Durchführung des Holocausts klagte ihn das Jerusalemer Bezirksgericht ab dem 11. April 1961 wegen millionenfachem Mord an. Am 15. Dezember 1961 wurde Eichmann zum Tode verurteilt. Siehe auch: Hannah Arendt, „Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen“, München 1964. 1961 gezeigt. Ernst Wilhelm Nay, Norbert Kricke und Emil Schumacher hatten bis dahin noch Verträge mit amerikanischen Kunsthändlern, aber mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem und dem Auschwitz-Prozess in Frankfurt Auf Initiative des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer wurde am 20. Dezember 1963 der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main eröffnet, in dem sich 22 ehemalige SS-Männer des Konzentrationslagers Auschwitz für ihre Beteiligung am Holocaust vor Gericht zu verantworten hatten. Die 1965 verkündeten Urteile umfassten unter anderem 16 lebenslängliche Haftstrafen. Das Verfahren gilt als wegbereitend für zahlreiche weitere Prozesse in den folgenden Jahren. Siehe auch: Ralph Dobrawa, „Der Auschwitz-Prozess. Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Berlin 2013. war Schluss damit: Die Verträge wurden alle aufgelöst. Ab 1961 wurde es sehr schwer für deutsche Künstler, ihre Werke waren nahezu unverkäuflich. Erst mit der documenta von Rudi Fuchs und der Akzeptanz von Kiefer in Jerusalem ging diese Periode zu Ende. Das geschah alles in den 80er-Jahren. 1977/78 bildete die Ölkrise und die damit verbundene wirtschaftliche Rezession Infolge des Jom-Kippur-Kriegs drosselte die Organisation erdölexportierender Länder (OPAC) im Herbst 1973 vorübergehend ihre Fördermenge und bewirkte somit eine sprunghafte Ölpreiskrise. Die Mehrausgaben für Ölimporte führten in vielen Ländern zu einer Verschärfung der Wirtschaftskrise, die sich durch steigende Arbeitslosenzahlen sowie zahlreiche Insolvenzen kleinerer und mittelständischer Unternehmen kennzeichnete. Vgl. Stefan Göbel, „Die Ölpreiskrisen der 1970er Jahre“, Berlin 2013. den Auftakt zu einer sehr spirituellen, kunsthistorisch bedeutenden Dekade, denn in dieser Zeit wurde gearbeitet, obwohl nichts verkauft worden ist. Das führt zu der Frage: Inwieweit beflügelte die angespannte Marktlage die Kreativität und das Bewusstsein, qualitativ vorsichtiger und gewissenhafter zu produzieren? Ich könnte mir vorstellen, ohne es verallgemeinern zu wollen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeiten überdacht, überarbeitet oder gegebenenfalls auch zerstört werden, größer ist, wenn sie lange im Atelier stehen. Was natürlich undenkbar ist, wenn ein Werk bereits im Moment des Entstehens einen sehr hohen Wert hat und dafür auch verkauft wird. Ich glaube, dass diese Hochpreissituation, in der wir jetzt sind – die in den 80er-Jahren begann, in den 90er-Jahren abbrach und im neuen Jahrtausend wieder anfing –, nicht zu einem kritischen Bewusstsein des Künstlers gegenüber seiner eigenen Ware führt. Damien Hirst wird wahrscheinlich ungern etwas vernichten, wenn bereits die Kunden warten. Und das ist – wenn wir wieder bei Michael Werner sind – sein Problem gewesen, dass in den 80er-Jahren eben unkontrollierte Werke auf den Markt kamen. Ich kann Ihnen das an einem Beispiel exemplifizieren: Endlich, nach langen Überredungsversuchen, schaffte es Michael Werner, eine Baselitz-Ausstellung „Georg Baselitz. Retrospective Exhibition“, unter anderem Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 26. Mai – 17. September 1995. im Guggenheim Museum durchzusetzen und damit sozusagen das Signal zu setzen. Baselitz war ja immer das Flaggschiff. Ich darf daran erinnern: Wir hatten in Deutschland zwei Platzhirsche und einen immer wiederkehrenden Hirschkampf zwischen Gerhard Richter und Georg Baselitz. Beide wurden marktkonform in der Düsseldorfer Kunsthalle gezeigt, „Georg Baselitz, Gerhard Richter“, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 30. Mai – 05. Juli 1981. nur mit der Absicht, die Frage zu klären: Wer ist der Bessere? Jetzt schafft es tatsächlich der Werner-Clan, Baselitz ins Guggenheim zu bringen. Was machen sie? Sie zeigen zu 70 Prozent das neue Werk, weil das noch nicht verkauft war oder weil es in den zwei Jahren der Vorbereitungszeit bereits an amerikanische Sammler verkauft worden ist mit dem Versprechen, dass es im Guggenheim gezeigt werden wird. Schwache Bilder wurden Sammlern verkauft mit der Garantie, dass die Bilder im Guggenheim gezeigt werden. Damit war der Sammler gesellschaftlich besser positioniert, indem das gerade erworbene Kunstwerk bereits als Leihgabe versprochen wurde. Das schockierende, bedeutende Frühwerk – die frühen Zeichnungsblöcke, die Helden-Bilder, die Upside-down-Bilder – haben sie nicht ausführlich genug gezeigt. Sie wurden überlagert von hedonistischen, überflüssigen Werken. Und die Reaktion kam prompt: Baselitz wurde im Rating runtergestuft: überflüssige Malerei. Für Werner jedoch waren das nach seinen Worten nur „Fingerübungen, da die eigentliche Zeit kommt, wenn das MoMA die Ausstellung macht“. Das MoMA hat aber bis heute noch keine Baselitz-Ausstellung organisiert, sondern eine große Richter-Ausstellung „Gerhard Richter. 40 Years of Painting“, The Museum of Modern Art, New York, 14. Februar – 20. Mai 2002. gemacht. Michael Werner ist nie ein kosmopolitischer Stratege gewesen, sondern ein deutscher Galerist mit deutschen Künstlern. Und das ist auch gut so.

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Rudolf Zwirner