Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

Gespraeche-slug

Siegfried Gohr

Siegfried Gohr

Siegfried  Gohr

Siegfried Gohr

Düsseldorf, 16. Februar 2009

Eva Mongi-Vollmer: 1963 eröffnete Michael Werner gemeinsam mit Benjamin Katz in Berlin mit der sogenannten „Skandal-Ausstellung“ „Baselitz“, Galerie Werner & Katz, Berlin, 01.–25. Oktober 1963. Die Ausstellung umfasste 52 Bilder, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der „Unsittlichkeit“ von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84. von Georg Baselitz seine erste Galerie. Sie waren damals 14 Jahre alt. Wann haben Sie zum ersten Mal Werke von Baselitz gesehen und welche Reaktionen haben diese Bilder in Ihnen hervorgerufen?

Siegfried Gohr: Ich habe ab 1967 am Kunsthistorischen Institut in Köln studiert, und damals gab es im Galeriehaus jene Ausstellung mit den umgekehrten Köpfen, die Franz Dahlem eingerichtet hat. „Franz Dahlem präsentiert Georg Baselitz“, Galerie Heiner Friedrich, Köln, 13.–18. Oktober 1970. Das war 1969 oder 70. Vielleicht habe ich zur gleichen Zeit schon in der Sammlung Ludwig das ein oder andere gesehen, denn dort wurden bereits ziemlich früh die Bilder „Die große Nacht im Eimer“, „Der Wald auf dem Kopf“ sowie noch einige andere frühe Arbeiten gezeigt. Das war der Beginn. Natürlich hat man damals in Köln auch die Kunstmärkte und die Ausstellungen wahrgenommen – und 1969 die damals noch ins Wallraf-Richartz-Museum einziehende Sammlung Ludwig gesehen. „Kunst der sechziger Jahre. Die Sammlung Ludwig“, Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Frühjahr 1969. Dabei hat die amerikanische Kunst natürlich sehr viel von den europäischen Werken, die es damals gab, überlagert. Ich kann mich aber zum Beispiel noch sehr gut daran erinnern, wie ich die Ausstellung der Sammlung Ströher Nachdem der deutsche Sammler Karl Ströher (1890 Rothenkirchen – 1977 Darmstadt) 1968 die Pop-Art-Sammlung des verstorbenen New Yorker Versicherungsmaklers Leon Kraushar gekauft hatte, wurde diese unter dem Titel „Sammlung 1968: Karl Ströher“ auf einer Ausstellungstournee in folgenden Museen gezeigt: Galerie-Verein im Haus der Kunst, München, 14. Juni – 09. August 1968; Kunstverein in Hamburg, 24. August – 06. Oktober 1968; Neue Nationalgalerie, Berlin, 01. März – 14. April 1969; Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 22. Mai – 12. Juni 1969; Kunsthalle Bern, 12. Juli – 28. September 1969. Vgl. Katrin Sauerländer, „Die Sammlung Kraushar“, in: dies. (Hg.), „Karl Ströher – Eine Sammlergeschichte“, Frankfurt am Main 2005, S. 62–87, hier S. 74. in der Kunsthalle Düsseldorf gesehen habe. Dort habe ich zum ersten Mal eine große Arbeit von Beuys gesehen sowie andere Arbeiten von amerikanischen und deutschen Künstlern – alles in einer einzigen Ausstellung. Das hinterließ einen bleibenden Eindruck. In meinem Studium war ich nun nicht mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt, sondern interessierte mich für den Künstlerbegriff. Entsprechend habe ich meine Dissertation über den Bildtyp des Hommage – eine bestimmte Art der Künstlerhuldigung – geschrieben. Siegfried Gohr, „Der Kult des Künstlers und der Kunst im 19. Jahrhundert. Zum Bildtyp des Hommage“, Wien 1975. Gegen Ende des Studiums, also Mitte der 70er-Jahre, kam ich als Volontär an das Wallraf-Richartz-Museum, später dann an die Kunsthalle Köln. Damals begann ich, mich systematisch mit den Dingen zu beschäftigen, die in Köln und Umgebung passierten. Zu der Zeit kam es auch zu einer der ersten intensiven Begegnungen mit Baselitz im Vorfeld der Ausstellung, die 1976 in der Kunsthalle in Köln stattfand. „Georg Baselitz. Gemälde, Handzeichnungen und Druckgraphik“, Kunsthalle Köln, 25. Juni – 08. August 1976. In veränderter Form war sie zuvor bereits in der Kunsthalle Bern und in der Staatsgalerie Moderner Kunst im Haus der Kunst in München gezeigt worden. Damals wurde Baselitz schon von Heiner Friedrich Heiner Friedrich (* 1938 Stettin, Pommern, heute Polen) gründete 1963 gemeinsam mit Franz Dahlem und seiner damaligen Ehefrau Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem in München. 1970 siedelte er mit seiner neuen Lebensgefährtin Thordis Moeller nach Köln über und betrieb dort eine zweite Galerie. Ab 1973 expandierte er in die Vereinigten Staaten und eröffnete im New Yorker Stadtteil SoHo die Heiner Friedrich Gallery Inc. Mit seiner späteren Ehefrau Philippa de Menil und der Kunsthistorikerin Helen Winkler gründete Friedrich 1974 in New York die Dia Art Foundation, die eine dauerhafte Setzung künstlerischer Großprojekte unterstützt. Die erste Baselitz-Ausstellung, an der Heiner Friedrich beteiligt war, fand 1965 in der Galerie Friedrich & Dahlem in München statt. vertreten – das war mein erster Kontakt. Für mich persönlich ganz besonders wichtig aber war Fred Jahn Fred Jahn (* 1944 Berg) ist ein deutscher Galerist, der seit 1978 eine eigene Galerie in München führt. Gemeinsam mit Gernot von Pape begann er 1967, unter dem Label der Edition X in München Grafik zu verlegen. Von 1969 bis 1977 war Jahn für die Galerie Heiner Friedrich tätig, die ab 1974 nach personeller und inhaltlicher Umstrukturierung in die Edition Galerie Heiner Friedrich umbenannt wurde. , der in der Münchener Galerie von Heiner Friedrich arbeitete. Er war es, der mich auf die Bedeutung des grafischen Werks von Baselitz hingewiesen hat. Jahn hat zusammen mit Heiner Friedrich die Gestaltung der Kölner Ausstellung intensiv begleitet, sodass dort zum ersten Mal ein großer Raum mit einer Retrospektive der Grafik zu sehen war. Das war tatsächlich der Beginn meiner Auseinandersetzung mit Baselitz, die bis heute andauert. Damals war Baselitz kein Werner-Künstler, sondern ein Friedrich-Künstler. Ich lernte Michael Werner trotzdem in diesem Zusammenhang kennen, nämlich als Leihgeber der Ausstellung. Er hatte wichtige frühe Arbeiten und seither gab es einen lockeren Kontakt, genauso wie mit anderen Galeristen. Es folgte ziemlich bald eine Ausstellung mit Werken von Markus Lüpertz in der Galerie Zwirner – das war 1976. „Markus Lüpertz. Bilder 1972–76“, Galerie Rudolf Zwirner, Köln, 1976. Damals schickte mich der damalige Chef-Restaurator Wolfgang Hahn Wolfgang Hahn (1924 Euskirchen ‒ 1987 Köln) war ein deutscher Kunstsammler und Restaurator, der ab 1950 am Wallraf-Richartz-Museum und später am Museum Ludwig in Köln tätig war. Anfang der 1960er-Jahre baute Hahn eine umfassende Sammlung europäischer und amerikanischer Nachkriegskunst auf. Zu den wichtigsten künstlerischen Positionen seiner Sammlung zählen Joseph Beuys, John Chamberlain, Claes Oldenburg und Andy Warhol. 1978 verkaufte Hahn einen Großteil seiner Sammlung an die Republik Österreich, wo sie als Grundstein für die späteren Sammlungsschwerpunkte in die Bestände des heutigen Museums moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) überging. zu Zwirner und sagte: „Gehen Sie dort mal vorbei, da gibt es einen neuen deutschen Maler, den Sie sich anschauen sollten.“ So lernte ich also auch das Werk von Markus Lüpertz kennen – ihn selbst jedoch bei dem ganzen Gedränge und Trubel als gerade entlaufener Volontär natürlich weniger. Aber ich las zum Beispiel den Text von Reiner Speck Reiner Speck (* 1941 bei Köln) sammelt seit Ende der 1950er-Jahre Werke der europäischen und amerikanischen Gegenwartskunst. Die Sammlung umfasst unter anderem Werke von Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, James Lee Byars, Martin Kippenberger, Sigmar Polke und Cy Twombly. Einen besonderen Fokus legt Speck, der ferner die Schriften Marcel Prousts und Francesco Petrarcas sammelt, auf künstlerische Arbeiten, die Schrift und Sprache als Konzept, in Verbindung mit bildnerischen Elementen oder anstelle des bildnerischen Ausdrucks verwenden. Für den Katalog der Ausstellung „Markus Lüpertz. Bilder 1972–76“ in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln verfasste Speck 1976 den Beitrag „Der Dithyrambos“. über den Dithyrambos und begann mich dadurch langsam zu interessieren. Ich bin mir damals ziemlich bald darüber klar geworden, dass diese europäische oder deutsche Malerei eine andere Problematik behandelte als die amerikanische Pop-Art oder überhaupt die amerikanische Gegenwartskunst. Es war mir dann sehr wichtig, dem auf die Spur zu kommen. Ich wollte wissen, was diese Künstler beschäftigte, was sie bearbeiteten. Bei den Deutschen war es eben die deutsche Vergangenheit. Ich bin 49 geboren, da ist man nicht direkt an dem Geschehen der Kriegs- und Vorkriegszeit beteiligt gewesen, dennoch war ich sehr interessiert daran, was diese Erfahrung für Deutschland bedeutete. Das waren die ersten entscheidenden Anstöße – von Beuys einmal abgesehen – sich damit zu beschäftigen. Vor allen Dingen auch mit einer Malerei, die in gewisser Weise die Tradition fortsetzte. Für diese auf die Geschichte der Malerei bezogene Seite der deutschen Künstler war ich als Kunsthistoriker sehr empfänglich.

Norman Rosenthal Norman Rosenthal (* 1944 Cambridge) ist ein britischer Kunsthistoriker und Kurator. Er arbeitete ab 1974 als Kurator am Institute of Contemporary Arts (ICA) in London. In Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker Christos M. Joachimides (* 1932 Athen – 2017 Athen) organisierte er dort unter anderem die Ausstellung „Art Into Society – Society Into Art. Seven German Artists“. Von 1977 bis 2008 war er Ausstellungssekretär an der Royal Academy of Arts in London. Nach der wegweisenden Ausstellung „A New Spirit in Painting“, die Rosenthal 1981 zusammen mit Nicholas Serota (* 1946 London) und Christos M. Joachimides an der Royal Academy organisierte, folgten in Zusammenarbeit mit Joachimides im Berliner Martin-Gropius-Bau unter anderem die Ausstellungen „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“ (1982/83) sowie „Metropolis“ (1991). Rosenthal gilt als wichtiger Vermittler des künstlerischen Werks von Georg Baselitz, Joseph Beuys und Anselm Kiefer. bezeichnete das Werk von Baselitz und Kiefer der 1980er-Jahre als „deutsche Historienmalerei“. Das bezog sich auf die Auseinandersetzung der Künstler mit dem Nationalsozialismus. Sind Sie mit dieser Beschreibung einverstanden?

Nein, das halte ich für irreführend. Historienmalerei ist ein Begriff für ein Phänomen des 19. Jahrhunderts, das ganz andere Stoßrichtungen und Ideen hatte. Das betrifft zum Beispiel die Künstler Wilhelm von Kaulbach oder Anton von Werner. Die Malerei von Baselitz ist eine Malerei, die sich mit historischem Material beschäftigt, aber sie ist keine Historienmalerei. Deshalb sollte man aufpassen, dass man erstens die Begriffe nicht verwechselt und zweitens die Malerei von Baselitz, Penck, Lüpertz und so weiter nicht in eine reaktionäre Ecke drängt. Zwar ist die Historienmalerei gerade durch die Aktivitäten, die für das 19. Jahrhundert und seine Rehabilitierung seit den 70er- und 80er-Jahren im Gange waren – zum Beispiel mit dem Ausstellungszyklus „Kunst um 1800“ in der Hamburger Kunsthalle Zwischen 1974 und 1980 organisierte Werner Hofmann (1928 Wien – 2013 Hamburg) den Ausstellungszyklus „Kunst um 1800“ an der Hamburger Kunsthalle. Anhand von neun Einzelausstellungen verdeutlichte dieser die unterschiedlichen Kunstströmungen an der Wende zum 19. Jahrhundert. Neben Caspar David Friedrich und William Blake umfasste die Reihe unter anderem auch Schauen zu Francisco de Goya, Philipp Otto Runge und William Turner. – wieder aufgetaucht, aber eine Querverbindung würde ich dennoch ablehnen. Diese Künstler haben im Gegensatz zur Historienmalerei, die ja im Grunde genommen eine Folge der hegelschen Geschichtskonstruktion war, sehr individuelle Blicke auf die Geschichte geboten. Historische Themen ja, aber doch stark gefiltert durch einen sehr individuellen Zugang. Richtig daran ist, dass nach dem Informel und einigen versteckten Anspielungen in der figürlichen Kunst der 50er-Jahre durch die eben genannten Künstler zum ersten Mal ganz offensiv mit unserer Vergangenheit in Deutschland umgegangen wurde. Bilder wie „Helme sinkend“ Markus Lüpertz, „Helme sinkend I – dithyrambisch“, 1970. von Markus Lüpertz oder die „Helden“-Bilder Die 1965 bis 1966 entstandenen Arbeiten von Georg Baselitz mit Titeln wie „Ein neuer Typ“, „Rebell“ oder „Der Held“ sind Variationen figurativer Darstellungen von gebrochenen Charakteren. Die Werkgruppe wird als „Helden“ oder „Neue Typen“ bezeichnet. von Baselitz und etwas später dann Kiefer und Beuys wurden allmählich wahrgenommen. Der wirkliche Durchbruch gelang aber erst nach dem Eklat mit der Baselitz-Figur auf der Biennale von Venedig 1980. Zur „39. Biennale von Venedig“ 1980 kuratierte Klaus Gallwitz den Deutschen Pavillon. Ausgestellt waren Werke von Georg Baselitz und Anselm Kiefer. Beiden Künstlern wurde aufgrund ihrer Werkauswahl „martialisches Deutschtum“ vorgeworfen. Siehe auch: Rudi H. Fuchs, „Die Kritik riecht Blut und greift an“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 23.06.1980, S. 197–198; sowie Petra Kipphoff, „Die Lust an der Angst – der deutsche Holzweg“, in: „Die Zeit“, 06.06.1980, S. 42; sowie Werner Spies, „Überdosis an Teutschem“, in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 02.06.1980, S. 19.

Ich komme zu meinen Erfahrungen zurück: Die Einführung in das Werk durch Fred Jahn, die ersten Besuche bei Baselitz, die Gespräche … das alles wurde sehr wichtig. Was mich als Kunsthistoriker enorm fasziniert hat, war, dass Baselitz Manierismus-Grafik sammelte und sich überhaupt in der älteren Kunst brillant auskannte – darüber haben wir uns immer wieder ausgetauscht. Oft hat er spontan angerufen: „Ich suche das und das Bild, wo könnte das sein?“, oder: „Weißt du, wer der Maler ist?“ Auf diese Weise gab es immer einen sehr engen Dialog.

Mein nächster Schritt in diese Gruppe, die ich übrigens nicht als Werner-Künstler identifizieren konnte, zumal Baselitz damals gar nicht von Werner vertreten wurde, erfolgte, als Michael Werner mich bat, einen Text über Immendorffs „Café Deutschland“ Jörg Immendorff, „Café Deutschland“, Serie von 19 Gemälden, 1977–1982. zu schreiben. Das hatte folgenden Hintergrund: 1977 fand in der Kunsthalle Köln eine Ausstellung mit Werken von Renato Guttuso Renato Guttuso (1911 Bagheria, Italien – 1987 Rom) veröffentlichte in italienischen Zeitungen und Magazinen bereits als 18-Jähriger Texte über Malerei. Er trat 1940 in die Kommunistische Partei ein und war von 1943 bis 1945 im antifaschistischen Widerstand aktiv. 1947 war Guttuso Mitbegründer der Künstlerbewegung Fronte Nuovo delle Arti. Er war zwischen 1950 und 1960 fünfmal auf der Biennale von Venedig vertreten und hatte ab 1961 Retrospektiven seines Werks unter anderem in Moskau, Amsterdam, Ost-Berlin, Prag, Budapest und Bukarest. 1968 unterrichtete Guttuso als Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. statt und Ludwig hat das „Caffè Greco“ Renato Guttuso, „Caffè Greco“, 1976. von Guttuso gekauft, das 76 entstanden war. Immendorff hat mit seinem „Café Deutschland“ darauf reagiert. Er hat dem bildungsmäßigen, vielleicht auch schon etwas plüschigen Realismus-Verständnis von Guttuso mit den „Café Deutschland“-Bildern sein Realismus-Verständnis entgegengesetzt. Werner kannte mich damals nicht, er hatte aber gesehen, dass ich mich mit Guttuso beschäftigt hatte, und so kam es, dass ich 1979 den ersten Text über Immendorff Siegfried Gohr, „o. A.“, in: „Jörg Immendorff. ‚Position – Situation‘, Plastiken“, Ausst.-Kat. Galerie Michael Werner, Köln 1979, o. S. schrieb. Ungefähr zu dieser Zeit – als Folge der Ausstellung von Lüpertz bei Zwirner – habe ich mich auch mit Lüpertz beschäftigt und entsprechend 1979/80 eine große Retrospektive in der Kunsthalle Köln gemacht. „Markus Lüpertz. Gemälde und Handzeichnungen, 1964–1979“, Kunsthalle Köln, 01. Dezember 1979 – 13. Januar 1980. Damals bin ich öfter nach Berlin gefahren, um mir die ganze Situation anzusehen und dort habe ich die Künstler aus diesem Berliner Milieu kennengelernt: Ich bin zum ersten Mal mit Rudolf Springer Rudolf Springer (1909 Berlin – 2009 Berlin) war ein Galerist und Verleger. Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete er ab 1947 die Galerie Gerd Rosen in Berlin. 1948 eröffnete er eigene Galerieräume und vertrat Berliner Künstler seiner Zeit, zum Beispiel Hans Uhlmann oder Werner Heldt, sowie internationale Vertreter der Moderne, die er aufgrund seiner engen Verbindung zu Frankreich, wo er im Krieg Kontakte zur Widerstandsbewegung Résistance hatte, zum großen Teil in Paris fand. und auch mit den Berliner Sammlern in Kontakt gekommen und habe so gewissermaßen das ganze Lüpertz-Umfeld ebenso erforscht, wie ich vorher das Bedeutungs- und Kulturumfeld von Baselitz begonnen hatte zu erforschen. Die Reaktion auf die Lüpertz-Ausstellung 1979/80 war im Grunde die gleiche Reaktion, die eine Lüpertz-Ausstellung heute nach sich zieht – das war immer schon schwer zu vermitteln. Ich hingegen war sowohl bei Baselitz als auch bei Lüpertz absolut sicher, dass es wunderbare neue Ansätze in der Malerei waren. Seither habe ich sehr viel über Lüpertz geschrieben und immer wieder Ausstellungen begleitet oder selbst gemacht – genauso für Baselitz. Auch zu Immendorff hielt ich den Kontakt – und natürlich tauchte dann Penck auf. A.R. Penck (eigtl. Ralf Winkler; 1939 Dresden – 2017 Zürich) absolvierte von 1955 bis 1956 eine Lehre als Zeichner bei der Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft (DEWAG) in Dresden. Anfang der 1960er-Jahre entstanden seine ersten System- und Weltbilder, aus denen er in den folgenden Jahren das künstlerische Konzept „Standart“ entwickelte. Seine erste Ausstellung in Westdeutschland hatte Penck 1970 in der Galerie Michael Werner in Köln. Im August 1980 wurde er offiziell aus der DDR ausgebürgert und siedelte aufgrund seiner Kontakte zur Galerie Michael Werner ins Rheinland über. Von 1989 bis 2005 war Penck Professor für Freie Grafik an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach seiner Emeritierung lebte er in Dublin, Irland. Seine Arbeiten waren unter anderem auf der documenta 5 (1972), 7 (1982) und 9 (1992) ausgestellt. Von allen gab es auch Werke in der Ludwig-Sammlung oder in anderen westdeutschen Sammlungen. In meiner Zeit als Direktor der Kunsthalle, das heißt ab etwa 1977/78, entstand auch der Kontakt zu anderen Institutsleitern, wie zum Beispiel zu Rudi Fuchs Rudi Fuchs (* 1942 Eindhoven) ist ein niederländischer Kunsthistoriker und Kurator und war von 1975 bis 1987 Direktor des Van Abbemuseum in Eindhoven sowie von 1993 bis 2003 des Stedelijk Museum in Amsterdam. 1982 verantwortete er die künstlerische Leitung der „documenta 7“. in Eindhoven oder Johannes Gachnang Johannes Gachnang (1939 Zürich – 2005 Bern) leitete von 1974 bis 1982 die Kunsthalle Bern und war unter anderem für die „documenta 7“ (1982) in Kassel und die Ausstellung „Bilderstreit“ in Köln tätig. in Bern. Natürlich habe ich auch ihre Ausstellungen besucht. Es gab beispielsweise die Penck-Ausstellung, die Johannes Gachnang in Rotterdam gemacht hat, „A.R. Penck. Concept Conceptruimte“, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, 06. Oktober – 18. November 1979. als Penck noch im Osten war, sowie die Ausstellung in der Kunsthalle Bern. „a. Y. (a.r. penck) T.“, Kunsthalle Bern, 15. August – 27. September 1981. Auf diese Weise wurde mir Pencks Werk vertrauter. Als er dann wirklich übersiedelte, wohnte er zuerst in der Nähe von Köln, sodass ich Kontakt mit ihm hatte. Mein Ehrgeiz war es damals, die erste Penck-Ausstellung nach seiner Übersiedlung zu machen, was mir in der Kunsthalle gelang – durch Pencks Unterstützung und vielen, vielen Gesprächen mit einem damals tieftraurigen und melancholischen Menschen.

Natürlich hat mich auch Richter immer sehr interessiert. Ich bin in den Kunstverein nach Aachen gefahren – der hieß damals „Gegenverkehr“ Gemeinsam mit Will Kranenpohl, Rune Mields und Benno Werth gründete Klaus Honnef 1968 den Kunstverein Gegenverkehr – Zentrum für aktuelle Kunst in Aachen. Honnef war bis zur Schließung 1972 Direktor des Kunstvereins. Das Programm umfasste vorwiegend Positionen der internationalen Gegenwartskunst, darunter Ausstellungen mit Mel Ramos, Gerhard Richter, Daniel Spoerri und Günther Uecker. –, als die „Stadtbilder“ zum ersten Mal ausgestellt waren. „Gerhard Richter“, Gegenverkehr – Zentrum für aktuelle Kunst, Aachen, 27. März – 22. April 1969. Die Ausstellung umfasste 50 Werke des Künstlers, darunter die Arbeiten „Stadtbild M4“ (1968), „Stadtbild Paris“ (1968) und „Stadtbild SL“ (1969). Aber Richter war damals schon umgeben von Interpreten und Ausstellungsmachern, sodass es nie die Chance gab, eine große Richter-Ausstellung zu machen. Es hat also nichts mit einem negativen Interesse an seinem Werk zu tun, dass ich nie etwas dazu gemacht habe – im Gegenteil, es hat mich immer sehr fasziniert. Der nächste Schritt, um bei diesen Aktivitäten zu bleiben, war die Polke-Retrospektive „Sigmar Polke“, Kunsthaus Zürich, April/Mai 1984/Kunsthalle Köln, September/Oktober 1984. , die ich zusammen mit Harry Szeemann organisiert habe. Die Ausstellung war erst in Zürich und dann in Köln zu sehen. Das war 1984 und zugleich mein Einstieg in das Werk von Polke, der damals übrigens auch kein Werner-Künstler war.

Zu Kiefer gab es weniger Kontakt, obwohl ich das Werk sehr genau beobachtet habe. Ich kann mich noch gut entsinnen, dass in einer Ausstellung von Werner „Alarichs Grab“ Anselm Kiefer, „Alarichs Grab“, 1969–1989. ausgestellt war – ein Bild, das später in die Ludwig-Sammlung überwanderte. Vielleicht hätte ich es mir sogar leisten können, das Bild zu kaufen, aber ich hätte es nie in meiner Wohnung aufhängen können. Ich war absolut fasziniert von diesem Bild, das in schwarzer Farbe auf grober Leinwand gemalt war.

Daneben gab es natürlich die ganzen amerikanischen Künstler und die italienischen Künstler der Arte povera Die Arte povera war eine italienische Kunstbewegung, die sich durch die künstlerische Verwendung „armer“ und alltäglicher Materialien auszeichnete. Erstmals öffentliche Verwendung fand die Bezeichnung im Rahmen der Ausstellung „Arte povera e IM spazio“, die im September 1967 von Germano Celant in Genua organisiert wurde und Arbeiten von Alighiero Boetti, Luciano Fabro, Jannis Kounellis, Pino Pascali, Giulio Paolini und Emilio Prini umfasste. Weitere zentrale Vertreter der Bewegung waren Giovanni Anselmo, Mario Merz, Michelangelo Pistoletto und Salvo. , die sehr wichtig war und durch Paul Maenz Paul Maenz (* 1939 Gelsenkirchen) ist ein deutscher Galerist und Kunstsammler. Er studierte ab 1959 bei Max Burchartz an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen und war ab 1964 als Art Director in der Werbeagentur Young & Rubicam (Y&R) in Frankfurt am Main und New York tätig. Zusammen mit Peter Roehr organisierte er 1967 die Ausstellungen „Serielle Formationen“ (Studiogalerie im Studentenhaus der Goethe-Universität, Frankfurt am Main) und „Dies alles, Herzchen, wird einmal dir gehören“ (Galerie Dorothea Loehr, Frankfurt am Main). 1971 eröffnete er eine Galerie in Köln. Sein Programm umfasste wichtige Positionen der Minimal Art und Konzeptkunst, darunter Hans Haacke und Joseph Kosuth, sowie Künstler der Mülheimer Freiheit und der Transavanguardia. In den 1980er-Jahren zeigte Maenz als erste Galerie in Deutschland Arbeiten von Keith Haring (1984) und Jeff Koons (1987). auch im Rheinland vertreten wurde. In meinem Ausstellungsprogramm, das ich in der Kunsthalle Köln ab 78 entwickeln konnte, habe ich sehr großen Wert darauf gelegt, dass auch die französischen Meister berücksichtigt wurden. Meine allererste Ausstellung, die ich selbstständig umgesetzt habe, galt dem Spätwerk von Fernand Léger. Dann habe ich eine Jean-Fautrier-Ausstellung gemacht, eine Willem-de-Kooning-Skulpturenausstellung, eine Dubuffet-Ausstellung und 1981 eine Picasso-Ausstellung. Diese Linie, dem amerikanischen machtvollen Auftritt europäische Stimmen entgegenzusetzen, habe ich eigentlich immer ganz bewusst vertreten. Manchmal gab es auch Berührungspunkte mit deutschen Künstlern, etwa bei Penck und Dubuffet oder bei Baselitz und bestimmten französischen Phänomenen.

1979 gab es eine weitere Begebenheit: Zusammen mit dem Lenbachhaus und dem Kunstmuseum Bern veranstaltete ich zum hundertjährigen Geburtstag von Paul Klee eine Dreier-Ausstellung „Paul Klee. Das Werk der Jahre 1913–1933. Gemälde, Handzeichnungen, Druckgraphik“, Kunsthalle Köln, 11. April – 19. Mai 1979; „Paul Klee. Das Spätwerk 1937–1940“, Kunstmuseum Bern, 07. Juni – 02. September 1979; „Paul Klee. Das Frühwerk 1883–1922“, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 12. Dezember 1979 – 02. März 1980. : München machte den frühen Klee, ich machte in Köln die Bauhaus-Zeit, also die deutsche Zeit, und Bern machte das Spätwerk. Für den Katalog habe ich Per Kirkeby Per Kirkeby (eigtl. Per Christensen; 1938 Kopenhagen – 2018 Kopenhagen) war ein dänischer Künstler, der durch seine großformatig angelegten und abstrakt ausgeführten Gemälde bekannt wurde. Von 1957 bis 1964 studierte er Geologie an der Universität Kopenhagen. Bereits während seiner Studienzeit betätigte er sich künstlerisch und trat 1962 in die dänische Künstlergruppe Den Eksperimenterende Kunstskole ein. Kirkeby beteiligte sich an zahlreichen Happenings von Joseph Beuys, Henning Christiansen und Nam June Paik. Neben seinen malerischen Arbeiten entwickelt er seit den 1970er-Jahren Backsteinskulpturen im öffentlichen Raum. 1978 übernahm Kirkeby eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, bevor er von 1989 bis 2000 an die Städelschule in Frankfurt am Main wechselte. Seine Werke waren 1992 und 1997 auf der Biennale von Venedig sowie auf der documenta 7 (1982) und 9 (1992) ausgestellt. Seit 1974 wird Kirkeby durch die Galerie Michael Werner vertreten. Für den Katalog der Ausstellung „Paul Klee. Das Werk der Jahre 1919–1933“ in der Kunsthalle Köln verfasste er 1979 den Beitrag „Klee und die Wikinger“. gebeten, einen Text über Klee zu schreiben. Denn ich hatte einige seiner Essays gelesen, die er über Künstler und Kunstrichtungen geschrieben hatte. Ich war fasziniert! Ein Künstler, der als Pictor doctus offensichtlich dazu in der Lage war, sehr reflektiert und aufschlussreich über bestimmte Phänomene zu schreiben. Er schrieb mir einen Text: „Klee und die Wikinger“ – das war meine erste ernsthafte Begegnung mit der Person Kirkeby, obwohl ich das Werk natürlich schon früher wahrgenommen hatte. Und zwar im Kunstraum München, in dem es die erste große Retrospektive von Kirkeby gab, „Per Kirkeby. Kunstraum“, Kunstraum München, 06. Juni – 23. Juli 1978. ehe dann die Backsteinbauten auftauchten und ich wohl auch bei Werner und woanders Ausstellungen gesehen habe. Ganz besonders ist mir eine Ausstellung, die Rudi Fuchs in Eindhoven gemacht hat, in Erinnerung geblieben: Munch – Jorn – Kirkeby. „Uit het Noorden. Edward Munch, Asger Jorn, Per Kirkeby“, Van Abbemuseum, Eindhoven, 1984. Er zeigte damals diese nordische Tradition in einer sehr intellektuellen Konstruktion.

Zwischenzeitich habe ich mich natürlich auch intensiv mit den Amerikanern beschäftigt. 78 gab es eine Jasper-Johns-Retrospektive in der Kunsthalle. Dann habe ich eine Lichtenstein-Ausstellung gemacht und später – auch noch in meiner Museumszeit – Andy Warhol und Robert Rauschenberg gezeigt. Das ging natürlich alles von der Sammlung Ludwig aus. Europa und Amerika hatte ich auf einer sehr breiten Ebene wahrgenommen.

Sie haben es eben angedeutet und in Ihrem Katalogbeitrag zur Ausstellung „Bilderstreit“ „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“, Museum Ludwig in den Rheinhallen, Köln, 08. April – 28. Juni 1989. Anlässlich der Ausstellung erschien der Katalogbeitrag: Siegfried Gohr, „Über das Häßliche, das Entartete und den Schmutz“, in: „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“, Ausst.-Kat. Museum Ludwig, Köln, Köln 1989, S. 45–53. 1989 auch formuliert: Die amerikanische Pop-Art verstellte oder verdeckte vielleicht Dinge, die in Deutschland gerade zur Sprache kamen. Sehen Sie das tatsächlich so oder ist das eine Überinterpretation von zwei Nebensätzen?

Nein, das war schon so. Die Amerikaner waren sehr dominant. 1978 war Jasper Johns ein Weltmeister. Baselitz, Polke und Richter gab es zwar schon, aber sie hatten bei Weitem nicht diese Position. Sie müssen bedenken, dass die Pop-Art oder ganz allgemein die amerikanische Kunst enorme Fürsprecher hatte: Es gab die Sammlung Ludwig, die Sammlung Ströher und sehr viele Publizisten, die sich um die amerikanische Kunst scharten. Es war das Phänomen jener Zeit! Auch auf der documenta hatte die Pop-Art einen riesigen Auftritt. Neben entsprechenden Veröffentlichungen, wie „Pop und die Folgen oder die Kunst, Kunst auf der Straße zu finden“ von Heinz Ohff (Düsseldorf 1968) und diversen Galerieausstellungen, war die amerikanische Pop-Art 1968 auch erstmals auf der documenta vertreten. Gezeigt wurden Arbeiten von Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg, Andy Warhol, Tom Wesselmann und anderen. 1964 bekam Rauschenberg schon den Großen Preis der Biennale. Auf der „32. Biennale von Venedig“ (1964) wurde Robert Rauschenberg der Große Preis für Malerei verliehen. Sie können auch heute noch in den deutschen Sammlungen ablesen, wie intensiv die Pop-Art rezipiert wurde – so wie in keinem anderen Land. Ich kann mich noch sehr gut entsinnen: 1970 war ich das erste Mal in Amerika, als Student mit dem Kunsthistorischen Institut Köln, drei Wochen lang. Damals gab es in den amerikanischen Museen gar keine Pop-Art und da haben wir uns sehr gewundert. Die Amerikaner fanden das offensichtlich gar nicht so wichtig. Vielleicht gab es hier oder dort einen frühen Jasper Johns oder einen Robert Rauschenberg, aber das Phänomen, als das es hier in Europa gefeiert wurde, gab es dort gar nicht.

Was ist Ihrer Einschätzung nach der Grund dafür?

Ich glaube, das hat mit der deutschen oder europäischen Vorstellung zu tun, wie Amerika zu sein hat. Wie Peter Ludwig es immer wieder gesagt hat: Es war die Kunst seiner Zeit. Er hielt das wirklich für die Kunst seiner Gegenwart und seiner Umgebung.

Halten Sie das Verständnis von Kunst für generationenbedingt?

Absolut. Aber ich hatte immer mehrere Bälle im Spiel. Ich habe mich intensiv mit der Dürerzeit beschäftigt. Ich bin Kunsthistoriker und ich verstehe das in einem traditionellen Sinne: Wenn man das Fach studiert hat, muss man die wichtigsten Dinge von Karl dem Großen bis heute zumindest einmal wahrgenommen und an ein paar Stellen auch tiefe Bohrungen veranstaltet haben. Die Maler und Bildhauer, die für mich in den späten 60er-Jahren sichtbar wurden, entsprachen meinem Lebensgefühl. Daher habe ich mich später mit Künstlern meiner eigenen Generation beschäftigt. Ich habe mich auch mit Rosemarie Trockel, Siegfried Anzinger, Eric Fischl oder Julian Schnabel auseinandergesetzt. Aber die Basis waren die Künstler, die Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre für mich sichtbar wurden.

Sie haben bereits von den Werner-Künstlern gesprochen … Michael Werner selbst setzt sich übrigens gegen die Bezeichnung zur Wehr. Er sagt, dass man sich als eine Art Notgemeinschaft zusammengetan habe. Es wurde aber natürlich gerade durch die Presse immer wieder formuliert, dass es eine verschworene Gruppe sei, die Werner als Coach ins Rennen schickte. Wie haben Sie das erlebt?

Ich möchte noch einmal auf diesen Begriff eingehen. Es kommt niemand auf die Idee, Castelli-Künstler zu sagen. Statt zu sehen, welche Leistung dahintersteckt, dass jemand bestimmte Leute – in dem Falle Künstler – zusammenbindet, um ihnen ein Forum zu geben und eine Diskussionsplattform auch untereinander bilden zu können, wird suggeriert, dass etwas Manipulatives oder Verschwörerisches dahintersteckt. Dabei ist es das Normalste der Welt: Werner ist Dienstleister für diese Künstler. Baselitz, Lüpertz, Penck und Polke sind diejenigen, die es überhaupt erst ermöglicht haben, dass jemand kommt und sagt: „Da könnte etwas zusammenpassen, das könnte man vielleicht generations- oder interessenmäßig miteinander verbinden.“ Alles andere ist eine Verkehrung der Tatsachen. Dass Werner ein guter Stratege war und dass er nicht einfach nur Bilder verkaufen wollte, war für mich immer ein Grund, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Auch dass es ihm um intellektuelle Erkenntnis – um ein kulturelles Phänomen – ging, dass also eine Galerie eine kulturelle Institution und nicht in erster Linie ein Kunsthandelsinstrument ist … was eine Galerie eigentlich auch sein muss! Deshalb bewundern wir Daniel-Henry Kahnweiler, deswegen bewundern wir Alfred Flechtheim, deswegen bewundern wir Rudolf Springer und Paul Cassirer – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Kein Mensch kommt auf die Idee, Lovis Corinth einen Cassirer-Künstler zu nennen. Das sind Verschiebungen oder Wahrnehmungen, die unausrottbar sind. Die Galerie band Künstler zusammen, die stilistisch gar nichts miteinander zu tun hatten – das Einzige, das sie vielleicht gemein hatten, war, dass sie das Individuum als Zentrum des künstlerischen Werks sehen. Bei einem Werk von Roy Lichtenstein sehe ich die Geschichte des Künstlers nicht auf die gleiche Weise mit historischer Erinnerung kombiniert wie bei Baselitz. Das sind einfach ganz verschiedene Typen von Künstlern aus ganz verschiedenen Traditionen. Die Amerikaner müssen das in dieser Weise ja auch gar nicht bearbeiten – anders als die europäischen Künstler. Stilistisch hatten die deutschen Künstler viel weniger gemeinsam als beispielsweise die Pop-Art-Künstler. Das ist vielleicht wirklich ein Phänomen deutscher Kunst oder deutscher Künstler: Sie sind viel mehr darauf angewiesen, sich als Künstler selbst zu erfinden. Die vielen Brüche in der deutschen Geschichte, angefangen mit der Reformation, gefolgt vom Dreißigjährigen Krieg und so weiter … Das alles hatte zur Folge, dass sich keine Tradition ausbilden konnte, sondern dass die Künstler immer wieder von vorn anfangen mussten. Auch die Meinung, die Deutschen würden vorzugsweise expressive Kunst machen, ist ein großes Missverständnis. Als ob das im Wesen der Menschen liegen würde, die in Deutschland leben! Wann entsteht Expressivität? Wenn jemand in Not ist, also wenn er unter Druck ist. Und genau das war eben bei den Deutschen oft der Fall. Nun sind zwar die Künstler der Baselitz-, Polke-, Richter-Generation keine Expressionisten, aber sie haben das Problem, dass sie sich neu erfinden müssen. Das haben Lichtenstein, Johns und Rauschenberg nicht. Es gibt also gravierende historisch bedingte Unterschiede. Von Neomarxisten wie Benjamin Buchloh wurde der Begriff des „Neoexpressionismus“ geprägt. Der Aufsatz „Figures of Authority, Ciphers of Regression“, den der Kunsthistoriker Benjamin H. D. Buchloh 1981 veröffentlichte, gilt als zentraler Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff „Neoexpressionismus“. Siehe: Benjamin H. D. Buchloh, „Figures of Authority, Ciphers of Regression. Notes on the Return of Representation in European Painting“, in: „October“, Nr. 16, Frühjahr 1981, S. 39–68. Es wurde behauptet, diese Kunst sei regressiv. Für mich zeigt das nur, dass derjenige, der so argumentiert, weder den historischen Expressionismus noch diese Künstler richtig wertet, sondern einfach aus einer bestimmten Geschichtskonstruktion heraus Individuen als künstlerische Leistungsträger nicht mehr akzeptieren will, weil der Marxismus eben andere Künstlertypen erfordert. Diese Abwehr war sehr deutlich zu merken, als ich zusammen mit Jack Cowart 1983 die Wanderausstellung „Expressions“ „Expressions. New Art from Germany“, Saint Louis Art Museum/Institute for Art and Urban Resources, Saint Louis/New York, 25. Juni – 21. August 1983/25. September – 20. November 1983. An der Ausstellung beteiligt waren unter anderen Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und Markus Lüpertz. in den USA veranstaltet habe. In der Zeitschrift „October“ wurde das alles als altmodisch und unbedeutend abgetan.

Wer hat den Ausstellungstitel „Expressions“ gewählt?

Die Amerikaner. Aber es sollte nicht „expressionistisch“ heißen, sondern „Expressions“. Das ist ja im Amerikanischen ein viel unbedarfteres Wort als im Deutschen.

Aber gerade der Begriff „Expressions“ erlaubt ja einen Kurzschluss zu Expressionismus.

Das ist damals auch ziemlich heftig diskutiert worden.

Insbesondere Kiefer, aber auch Baselitz hatten in den USA in den 80er-Jahren großen Erfolg. Haben Sie eine Erklärung, warum gerade in den 80er-Jahren dieses Interesse an der westdeutschen Kunst in den USA aufkam?

Es gab natürlich die Generation von Künstlern, die aus dem Widerstand gegen die historischen Umstände eine besondere Energie gezogen hat. Es ist ja oft so, dass Kunst gerade dann interessant wird, wenn es einen Mangel gibt. Und es lag sicher an der deutschen Situation, dass diese enorme Energie in die bildenden Künstler hineinfloss. Und in den 80er-Jahren waren die Werke dieser Künstler auf einem Stand, in dem die jeweilige Formulierung sehr klar und deutlich sichtbar wurde. Nach 15 oder 20 Jahren Arbeit hatten sie eine Stufe erreicht, die das jeweilige Anliegen der Künstler deutlich werden ließ. Das war sicher ein Punkt. Zudem war allgemein in Amerika – wie auch in Italien – nach diesen doch zum Teil sehr spröden 70er-Jahren, in denen man die Kunst mit Konzeptkunst und all diesen Strömungen auf einen Nullpunkt führen wollte (und auch geführt hat), ein Punkt erreicht, an dem eine Gegenbewegung einsetzte. Das wurde damals als „Hunger nach Bildern“ Siehe hierzu Wolfgang Max Faust/Gerd de Vries, „Hunger nach Bildern. Deutsche Malerei der Gegenwart“, Köln 1982. bezeichnet und manche haben sich sicher auch daran – um in der Metapher zu bleiben – überfressen. Obwohl etwas Richtiges daran ist, gab es ein Missverständnis: Diejenigen, die den Hunger nach Bildern formulierten, haben Malerei mit Bildern, also Motiven gleichgesetzt. Das hat aber mit Malerei nichts zu tun. In der Malerei geht es vor allen Dingen um die Malerei selbst, sie hat also die formalen Kriterien zu beachten. Und da waren die Künstler der älteren Generation durch ihre Erfahrung besser gerüstet. Nach dem Missbrauch im Dritten Reich und der völligen Entleerung durch das Informel mussten die Künstler das Bild neu definieren. Das war auch für mich von Anfang an ein Kriterium: Wann ist ein Kunstwerk beachtenswert? Meines Erachtens ist dies der Fall, wenn die Frage nach dem Medium neu gestellt wird. Und das ist bei all diesen Künstlern der Fall. Es wird nicht einfach nur ein neues Motiv gemalt, sondern Richter findet eben eine neue Inspiration durch den Bezug zur Fotografie, während Baselitz eine neue Inspiration findet, indem er aus dem Informel-Schlamm eine neue Figuration entwickelt. Und Lüpertz entwickelt eine fiktive Gegenständlichkeit, die er „Dithyrambe“ Ab 1964 entwickelte Markus Lüpertz das Konzept einer dithyrambischen Malerei, der Versuch einer Synthese von gegenständlicher und abstrakter Darstellung. Zu den bekanntesten Arbeiten dieser Werkgruppe zählen „Dithyrambe – schwebend“ (1964), „Feigling – dithyrambisch“ (1964) und „Tod und Maler – dithyrambisch“ (1973). Siehe auch: Armin Zweite, „Dithyramben und anderes“, in: „Markus Lüpertz. Gemälde, Skulpturen“, hg. von Armin Zweite, Ausst.-Kat. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Ostfildern 1996, S. 11–29, hier S. 14–18. nennt. Polke konstruiert und destruiert die Bildelemente, die Bildträger, die Farben und setzt das neu zusammen. Das sind wirklich Künstler, die das Bild hinterfragt und durchdacht und es nicht einfach nur fortgeschrieben haben. Sie haben es neu definiert.

Wie würden Sie die Neudefinition bei Penck beschreiben?

Bei Penck werden die Zeichenhaftigkeit des Bilds und dessen grundlegende Kommunikationsfähigkeit befragt und neu definiert. Es geht um eine Neubestimmung des Rhetorischen. Für alle diese Künstler könnte man Gründe finden, warum die einen wichtiger sind als die anderen. Das ist keine Willkür. Wenn man sich ein bisschen mit der Kunstgeschichte beschäftigt, findet man heraus, dass Künstler dann interessant sind, wenn sie den Bildbegriff für sich und die jeweilige Zeit neu definieren. Und genau das war für mich gerade bei diesen Künstlern sichtbar. Daher war ich mir relativ früh sicher, dass es lohnenswert ist, sich mit diesen Künstlern intensiver zu befassen. Hinzu kam, dass man – wenn man sie persönlich kennenlernte – feststellte, dass es hochintelligente Leute mit einem ziemlich breiten kulturellen Horizont waren. Man konnte selbst viel lernen und viel Neues sehen.

In den 80er-Jahren kam auch noch hinzu, dass die allgemeine politische, konservative Stimmung traditionellere Medien wieder in den Vordergrund treten ließ. Das wurde zumindest von vielen Kritikern so interpretiert: „Jetzt werden die Bilder auf Leinwand wieder geschätzt und sie werden von konservativen Kreisen genutzt, um restriktives oder reaktionäres Klima zu erzeugen.“ Das ist natürlich zu pauschal, denn es kommt immer darauf an, was auf dem Bild zu sehen ist. Wenn man das Bildmalen an sich als reaktionär bezeichnet, kann ich nur Beuys zitieren, der jemandem, der sehr im Zweifel war, ob er weitermalen solle, sagte: „Es kommt nicht darauf an, was du benutzt, sondern auf die Haltung, mit der du es benutzt.“ Dem Zweifler war die Absolution erteilt wie nach der Beichte – er durfte weitermalen. Also dieses enge Tafelmalerei-ist-zu-Ende, Malerei-ist-zu-Ende, Alles-ist-zu-Ende – all das sind Hochmütigkeiten gegenüber dem Geschichtsverlauf, die durch nichts, außer durch die eigenen Interessen derjenigen, die das äußern, legitimiert sind.

Die 80er-Jahre waren auch der Beginn der Großausstellungen in Deutschland, angefangen 1981 mit der „Westkunst“ „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. .

Das stimmt nicht: 55, 59, 64, 68 … war die documenta und Anfang der 70er-Jahre fand in Düsseldorf die riesige Ausstellung „Prospect“ „Prospect 73. Maler, Painters, Peintres“, Kunsthalle Düsseldorf, 28. September – 07. Oktober 1973. statt. 73 gab es in der Kunsthalle Köln die Ausstellung „Jetzt“ „Jetzt. Künste in Deutschland heute“, Kunsthalle Köln, 14. Februar – 18. Mai 1970. , die sich auf dem Neumarkt fortsetzte. Vorher und nachher fanden auch Großausstellungen statt. 1984 gab es „von hier aus“ „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“, Halle 13 der Messe Düsseldorf, 29. September – 02. Dezember 1984. in Düsseldorf in den Messehallen – und auch die documenta gab es immer noch, außerdem die Biennalen. Es wurde eine Zeit lang über Großausstellungen debattiert – und es gibt sie bis heute. Es ist auch sinnvoll, dass es sie gibt, denn das ist der Moment, in dem man einen großen Zwischenstrich ziehen kann, was nach wie vor wünschenswert ist. Ich finde, gerade im Moment wäre es sehr nützlich eine Großausstellung zu machen, nämlich um in diesem riesigen, aufgeblasenen Betrieb die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber Sie haben natürlich recht: Die Großausstellungen wurden zum Thema gemacht. Wenn die Ausstellung genehm war, wurde das Argument nicht genutzt. Wenn sie nicht genehm war, dann war es eine Großausstellung.

Ihre Großausstellung „Bilderstreit“ hat zu dem Vorwurf geführt, Sie wären mit ihrem Ausstellungsprogramm zu nah am Handel. Ist es überhaupt möglich, eine zeitgenössische Ausstellung ohne den Handel zu machen?

Das Argument hätte man gegen jede andere Ausstellung auch vorbringen können. Aber es gab offensichtlich in Deutschland – und das gibt es ja immer noch – eine sehr starke Strömung gegen jene Künstler, die ich eben schon genannt habe. Das differenzierte sich damals ein bisschen. Denn zum Beispiel Kiefer bewegte sich in eine andere Richtung. Aber wie wollen Sie eine Ausstellung veranstalten, die bis in die Zeitgenossenschaft reicht, wenn Sie nur aus Privat- und Museumssammlungen ausleihen? Das geht gar nicht! Es ist unrealistisch und meines Erachtens von den Kritikern auch mit aller Doppelbödigkeit und Gehässigkeit als Argument eingesetzt worden. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie viel Prozent der Werke aus Galerienbesitz kam … aber das haben wir sogar mal nachgerechnet. Damals habe ich ja ganz bewusst diesen Band über die Debatte „Bilderstreit. Bilanz einer Debatte“, hg. vom Museum Ludwig, Köln, Köln 1989. machen lassen, sodass man es Schwarz auf Weiß nachlesen konnte, wenn man wissen wollte, wie die Ausstellung entstanden ist. Das war eine sehr komplexe Sache. Ich hatte intensiven Streit wegen der DDR- und Ost-Kunst und ich glaube, Ludwig und eine ganze Reihe Galeristen sahen die Chance, mich endlich loszuwerden, weil sie das Museum Ludwig in einer anderen Weise aufstellen oder geführt haben wollten. Damals war die „Bilderstreit“-Ausstellung sozusagen das Vehikel und deswegen wurde so massiv Stimmung gemacht. Das war eine ziemlich unangenehme Sache. Was mich am meisten gestört hat, war, dass sich Künstler wie beispielsweise Donald Judd, der die Ausstellung noch nicht einmal gesehen hatte, dafür einspannen ließen. Auch Kiefer hat sehr dagegen polemisiert – angeblich wollte er in keiner Gruppenausstellung mehr vertreten sein. Das hat seinen Freund Johannes Gachnang zutiefst getroffen. Gachnang war einer der Ersten, der sich für ihn eingesetzt hatte, und dann musste er erfahren, dass der Egoismus dem Künstler wichtiger war als die alten Verbindungen. Was man vielleicht auch verstehen kann, aber an der Stelle war es völlig überzogen. Wie auch immer, das wurde zum Anlass genommen, diese Ausstellung in einer Weise zu kritisieren und schlecht zu machen, wie das vorher, glaube ich, noch nie der Fall gewesen war. Normalerweise sagt man ja, wenn eine Ausstellung viel Lärm macht – egal in welche Richtung –, dann nützt es. Damals war es aber wirklich dermaßen negativ, dass schlussendlich auch die Besucherzahlen nicht den Erwartungen entsprachen. Was mich aber vor allen Dingen sehr erschreckt hat, war, dass diese maßlose, gehässige und auch persönliche Kritik eine ganze Reihe von wirklich aggressiven Leuten dazu verführte, Kunstwerke zu beschädigen.

In der Ausstellung?

Das sage ich jetzt zum ersten Mal: Morgens nach der Eröffnung war dort plötzlich irgendetwas verändert. Wir haben das nie groß verkündet, aber es wurde deutlich, dass sich durch diese Welle von Negativität auch Menschen, die gar nichts damit zu tun hatten, dazu eingeladen fühlten, ihre Aggressionen dort abzuladen. Das hat mich zutiefst getroffen.

Es führt ja auch ganz klar vor Augen, wie Hetze funktioniert und wie man einen Menschen instrumentalisieren kann, indem man ihn entsprechend mit Informationen oder auch Falschinformationen füttert.

Das ging ein paar Tage lang, dann hörte es auf. Aber es war ganz klar die Folge dieser heftigen Reaktion am Anfang der Ausstellung. Wenn man eine Ausstellung mit Ambitionen macht, muss man auf Kritik gefasst sein. Das war auch nicht das Problem. Aber diese Gehässigkeit und diese Aggressivität – die waren schon hart. Und dann sind ja eine ganze Reihe Galeristen dem Aufruf des Verbands gefolgt – das war alles ganz fadenscheinig. Im Kölner Boulevardblatt stand, ich sei bestechlich. Es wurde zitiert, angeblich hätte Rudolf Zwirner das gesagt. Der hat es natürlich abgestritten – in der Zeitung stand es aber trotzdem. Die Leute stellen sich das immer so vor: Wenn einer aufgrund von bestimmten persönlichen oder biografischen Dispositionen Künstler gut findet, die in dem Fall auch Michael Werner gut fand, muss Geld im Spiel sein. Das ist absurd, denn das hat mich nie interessiert. Ich bin der Meinung, dass das Individuum in der Moderne wirklich keinen leichten Stand hat – das war schon in der deutschen Romantik sichtbar. Und in dieser Linie sehe ich, dass die deutsche Geschichte Brüche hat: Künstler mussten sich in der Not immer wieder neu erfinden und in der Gesellschaft behaupten. Und genau das hat mich interessiert, das Individuum als etwas, das unbedingt zu schützen ist. Ich habe die linken Studentenkollegen in der Studentenzeit immer gefragt: „Was ist denn mit eurer befreiten Gesellschaft? Gibt es dann da keine Kunst mehr, weil alle selig sind, und gibt es auch kein Individuum mehr, weil alle in einem großen Staats- und Massenkörper aufgehen?“ Wenn der dann nur rot gefärbt war, war es egal. Wenn er braun gefärbt war, war es schlimm. Ich habe mich immer sehr schwer damit getan, diese Dinge zu akzeptieren.

Heute sucht man in der ganzen Forschung zum Dritten Reich nach aufrechten Figuren, nach Individuen, die sich diesem System und seinem verbrecherischen Wahn widersetzt haben. Dann werden solche Filmfiguren wie Schindler zum Heros. An denen, die einigermaßen anständig durchgekommen sind oder sich einfach nicht haben verbiegen lassen und nicht mitgelaufen oder vielleicht relativ geschickt ausgewichen sind, hält man sich fest. Das sind die Individuen, die einem die Zuversicht zurückgeben, dass das menschliche Zusammenleben nicht nur aus den Katastrophen bestehen muss, die das 20. Jahrhundert geprägt haben und wahrscheinlich auch das 21. weiter prägen werden.

Wie haben Sie denn die Kunst der in der DDR tätigen Künstler kennengelernt?

Ich war 1976 Referent oder Assistent an der Kunsthalle Köln und machte mit Horst Keller zusammen eine Lovis-Corinth-Ausstellung. In dieser Ausstellung hatten wir zwei Bilder, die wir in der DDR ausgeliehen hatten. Eins aus Dresden und eins aus Leipzig. Die Bilder kamen eines Tages mit den Kurieren an – das waren ganz verschüchterte, sich dauernd nach allen Seiten umschauende Menschen, die Angst hatten, dass vielleicht noch irgendjemand zuhörte. Ohne eine Mark in der Tasche wurden sie von ihrem Staat ausgeschickt und boten ein Bild des Jammers. Eines Tages schaue ich auf den Innenhof der Kunsthalle, als auf einmal der teuerste Mercedes, den es damals gab, ein 300er in Schwarz mit dem Stander der DDR, vorfährt. Was glauben Sie, wer diesem Auto entstieg? Kein Politiker, sondern Willi Sitte Willi Sitte (1921 Kratzau, Tschechoslowakei, heute Tschechische Republik – 2013 Halle an der Saale) war ein Maler und Grafiker. Bekannt ist er vor allem für seine figurative Malerei. 1947 trat er der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Zwischen 1974 und 1988 war er Präsident des Verbands Bildender Künstler (VBK) der DDR. Sitte zählt zu den einflussreichsten Vertretern des Sozialistischen Realismus. , der dann durch die Corinth-Ausstellung spazierte. Das ist jetzt zwar nur eine emblematische Erinnerung, aber es hat mir doch sehr zu denken gegeben. Später wurde ich dann natürlich durch die Sammlung Ludwig intensiver mit der DDR-Kunst konfrontiert und musste mich damit auch auseinandersetzen. Ich sah durch diese Kunst hindurch aber immer nur andere Künstler. Bei Sitte sah ich Lovis Corinth, bei anderen Max Beckmann, beim Dritten Otto Dix. Ich sah Werke, die in einem merkwürdig surreal-realistischen Stil gehalten waren, der so unverbindlich ist wie nur irgendetwas – ob nun bei Bernhard Heisig oder Wolfgang Mattheuer. Wie sehr sie persönlich im System angesehen waren oder nicht, das stelle ich jetzt gar nicht zur Debatte, ich schaue mir die Werke an und sehe wirklich nur eine epigonale Fortsetzung von Stilmodellen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Warum sollte ich mir als Kunsthistoriker diese Bilder nun als das Tollste und Neueste verkaufen lassen, wenn ich einfach meine Augen benutzen kann und sehe, dass das eine völlig unverbindliche, aber von bestimmten Interpreten mit unglaublichem Widerstandsgeist erfüllte Kunst ist? Der Widerstand muss so gering gewesen sein, dass ihn in der DDR keiner bemerkt hat, denn sie wurden ja als offizielle Künstler gehandelt. Natürlich habe ich auch begonnen, tiefer in diese DDR-Kunst hineinzublicken, und habe eine ganze Reihe sehr interessanter Positionen gesehen – nicht nur Carlfriedrich Claus und Gerhard Altenbourg, die immer irgendwie gehandelt wurden, oder Hermann Glöckner … sondern da waren noch viel mehr interessante Dinge. Es gab einige Personen, die mich in den 80er-Jahren ein bisschen eingeführt haben. Ich denke zum Beispiel sehr gerne an einen längeren Austausch in verschiedenen Situationen mit Matthias Flügge zurück, der damals Redakteur bei der Zeitschrift „neue bildende kunst“ Das Magazin „neue bildende kunst. Zeitschrift für Kunst und Kritik“ wurde ab 1991 von einer gleichnamigen Interessensgemeinschaft herausgegeben. Es gilt als Nachfolgezeitschrift des von 1947 bis 1991 in der DDR erschienenen Magazins „Bildende Kunst“. Zu den leitenden Redakteuren gehörten Michael Freitag und Matthias Flügge. 1996 wurde die Produktion eingestellt. war.

Sind Sie seinerzeit auch in die DDR gereist?

Nein, in jener Zeit nicht. Ich bin vor der Wende nicht in die DDR gefahren. Es gab ja genug Werke hier im Westen, zum Beispiel in der Galerie Brusberg in Hannover oder auch in Berlin. 1977 gab es den ersten Auftritt auf der documenta Unter der Leitung von Manfred Schneckenburger fand vom 24. Juni bis zum 02. Oktober 1977 die „documenta 6“ in Kassel statt. Im Bereich der Malerei waren mit Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke erstmals Künstler aus der DDR vertreten. und es gab die Sammlung Ludwig – es waren also überall Werke aus der DDR zu sehen. Und es gab den Kunsthandel, der diese Werke transportiert hat. Man hat damals auch gesehen, dass sich außerhalb Deutschlands im Grunde niemand dafür interessierte. Die polnische, die tschechische, selbst die russische Kunstszene waren doch viel avancierter, viel spielerischer und viel erfindungsreicher – auch die Ungarn. Das waren ganz andere Szenen gegenüber diesen abgestandenen, altbackenen Bildwelten, die aus der DDR importiert wurden. Wer hat sich denn dafür interessiert? Da wurden diese ganzen kleinbürgerlichen Kategorien von Kunstwahrnehmung, die gar nichts mit Kunst im Sinne einer formalen Qualität zu tun hatten, angewendet. Und die Künstler wie Sitte, Mattheuer und Tübke wurden als offizielle DDR-Künstler exportiert. Aber wie viele Künstler haben die unterdrückt, wie viele jüngere, talentierte Künstler haben sie nicht hochkommen lassen? Innerhalb des DDR-Staats ist ja nun auch von diesen Machthabern der Kunst sehr viel angerichtet worden. Dass es Konkurrenz unter den Künstlern gibt, ist völlig normal, auch Neid und alles andere, was es an menschlichen Eigenschaften gibt – aber es sind doch wesentlich massivere Eingriffe in viele künstlerische Lebensläufe zu beobachten gewesen, bei denen man sagen muss: Das geht gegen den Kunstgeist!

Ich möchte noch einmal auf die Biennale von Venedig 1980 zurückkommen. Inwiefern, meinen Sie, war das Missverständnis der Figur von Baselitz relevant für die Rezeption der deutschen Kunst?

Die Skulptur lag in der Mitte des Pavillons, im Nebenraum hingen die Kiefer-Bilder. Die Kombination bildete die Atmosphäre um diese hilflose Skulptur. Wer jemals den Hitlergruß auf einem Foto gesehen hat, der muss doch zugeben: „Das hat damit nichts zu tun.“ Heute wissen wir – und damals hätte man es auch wissen können, wenn man nachgefragt hätte –, dass die Skulptur von einer afrikanischen Stoffpuppe inspiriert war. Auf jeden Fall wurde damals zum ersten Mal richtig – sozusagen mit einem Knall – die deutsche Problematik auf die Tagesordnung gebracht. Positiv, negativ – wie auch immer. Vorher war das ja ein Tabu, es durfte nicht darüber gesprochen werden. Aber mit diesem Biennale-Auftritt von Baselitz und Kiefer war es plötzlich da. Und dann kamen die Fragen: Wie sind wir damit umgegangen? Wer ist damit umgegangen? Wie soll das in der Zukunft sein? Es wurde offensichtlich, dass man zu Beuys’ Auschwitz-Vitrine zurückblicken oder die Helden-Bilder von Baselitz noch mal anders sehen konnte – Gleiches gilt für Immendorffs „Café Deutschland“ sowie für die deutschen Motive von Lüpertz, die ja auch ein wesentlicher Beitrag waren, allerdings nicht so rezipiert wurden. 1980 war der Moment gekommen, als das alles über Deutschland hinausging.

Und jetzt komme ich auf die Kiefer-Ausstellung im MoMA zurück. Sie haben ja gefragt, warum die deutschen Künstler in Amerika in den 80er-Jahren so erfolgreich waren. Einige Gründe habe ich schon genannt. 1988 war ich in der Kiefer-Ausstellung „Anselm Kiefer“, The Museum of Modern Art, New York, 16. Oktober 1988 – 03. Januar 1989. im MoMA, dort hingen die großen Formate – und in der Ausstellung war es mucksmäuschenstill. Es gingen offensichtlich sehr viele ursprünglich deutschsprachige Leute durch diese Ausstellung. Ich war mit Johannes Gachnang dort und wir unterhielten uns – natürlich auf Deutsch. Da wurden wir von einem emigrierten deutschen Juden angesprochen, der die Arbeiten ganz großartig fand. Als ich ihn fragte: „Warum finden Sie das so großartig?“, antwortete er: „Kiefer ist der Einzige, der die wichtigen Themen anpackt.“ Für diese Menschen, die aus Deutschland vertrieben worden waren, war das wie eine Erlösung. Endlich stieß jemand die Diskussion über diese ganze Problematik an. So muss man Kiefers Bilder auch mal sehen und so muss man auch seinen Erfolg in Amerika werten. Das war etwas, wodurch die Sprachlosigkeit über dieses Ereignis aufgebrochen wurde.

Und die Intervention von Beuys?

Das war nicht so sichtbar. Beuys ist ja auch vom ganzen Anspruch und von den ganzen Materialien einfach schwierig. Das war in Amerika genauso abstoßend, wie es hier auch für viele Leute abstoßend war. Kiefers Bilder sind geschickt gemalt, begabt, talentiert, virtuos und es stand etwas darauf. Es gab viel mehr Einstiegsmöglichkeiten. Beuys ist wesentlich hermetischer.

Kiefer ist auf eine Art auch sehr sinnlich – erlebbar.

Ja. Das war sicher auch ein Grund, warum eine bestimmte Schicht Amerikaner, die sehr einflussreich war, sich für diese deutsche Kunst und auch für den historischen Expressionismus zu interessieren begann. Ich habe 1983 zusammen mit dem County Museum of Art in Los Angeles und dem Hirshhorn Museum in Washington die Ausstellung „Skulptur des Expressionismus“ „Skulptur des Expressionismus“, Los Angeles County Museum of Art, 30. Oktober 1983 – 22. Januar 1984/Hirshhorn Museum, Washington, 04. April – 17. Juni 1984/Kunsthalle Köln, 07. Juli – 26. August 1984. gemacht. Damals wurde das historische Interesse an der Westküste wachgerufen.

Das hat sich dann auch im Handel niedergeschlagen.

Der Höhepunkt war der Preis, den Ronald Lauder für das Beckmann-Selbstbildnis mit Horn bezahlt hat. Ronald Lauder, Gründer des Museums Neue Galerie New York, erwarb 2001 bei Sotheby’s in New York das Gemälde „Selbstbildnis mit Horn“ (1938) von Max Beckmann zu einem Preis von 22,5 Millionen US-Dollar. Nie zuvor hatte ein deutsches Gemälde diesen Preis erzielt. Damit rückte die deutsche Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, obwohl Beckmann kein Expressionist im engeren Sinne ist, in die Nähe der französischen Meister. Und das wäre alles ohne die deutsche Kunst von Beuys und so weiter, die in den 70er- und 80er-Jahren begonnen haben bekannt zu werden, nicht möglich gewesen. Erst dadurch konnte der Blick zurückfallen.

Michael Werner begann in den 80er-Jahren mit Erfolg seine Galeristentätigkeit in New York. Ab 1982 kooperierte Michael Werner zunehmend mit Galerien in New York. 1990 eröffnete er eine eigene Dependance auf der Upper East Side. Die deutschen Galeristen, die sich zuvor in New York versucht hatten, waren frustriert wieder zurückgekommen, weil sie für die deutsche Kunst keinen Markt finden konnten.

Ja, es war zum Beispiel für die Generation der abstrakten Maler wie Ernst Wilhelm Nay Ernst Wilhelm Nay (1902 Berlin – 1968 Köln) war ein deutscher Maler und Grafiker, der insbesondere für seine auf rhythmischen Farbspielen beruhenden Bildkompositionen bekannt ist. Von 1924 bis 1928 studierte Nay bei Carl Hofer an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Er wurde 1937 vom nationalsozialistischen Regime mit einem Ausstellungsverbot belegt und wurde im gleichen Jahr mit zwei Werken in der Münchener Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Nay als Infanterist in Frankreich, war aber weiterhin künstlerisch tätig. Er stellte 1946 in der Galerie Günther Franke in München und bei Gerd Rosen in Berlin aus und lernte 1947 die Sammler Bernhard Sprengel und Karl Ströher kennen. 1956 war Nay im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig vertreten sowie 1957 in der Ausstellung „German Art of the Twentieth Century“ im Museum of Modern Art, New York, und 1964 auf der „documenta 3“. ganz schwierig, weil das Deutsche sehr belastet war – da konnte er als Maler noch so „entartet“ gewesen sein. Werner hat es vielleicht auch geschickter oder strategisch besser gemacht als viele andere. Es ist die erfolgreichste Generation deutscher Kunst, die es jemals in Amerika gegeben hat.

Werner hat gesagt, dass die Künstler, die er vertreten hat, die Elite Deutschlands waren. Können Sie mit der Kategorie Elite etwas anfangen?

Ja. Ich könnte das von einer anderen Seite her begründen. Künstler sind dann wirklich beachtlich, wenn sie den Bildbegriff neu definieren. Und das haben sie geleistet – nicht epigonal wie die DDR-Kunst, sondern durch offensives Suchen und Finden neuer Bildformen selbst in diesem alten Medium der Malerei. Und dafür braucht man einfach ein hohes intellektuelles und künstlerisches Niveau. Das können Sie als Elite oder als was weiß ich was bezeichnen. Es gibt eben einfach bessere und schlechtere Künstler und die besseren sind grundsätzlicher.

Sie sagten, die Leistung sei auf formaler Ebene zu beurteilen. Zugleich handelt es sich thematisch bei den Künstlern, über die wir gerade sprachen, um die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit.

Das ist neben diesen formalen Dingen die historische Leistung, die nötig war. Nehmen Sie einmal ein Werk wie das von Penck, das unendlich viele formale Erfindungen beinhaltet. Und dann schauen Sie sich Neo Rauch beziehungsweise jede Menge Künstler an, die sich daraus bedient haben. Penck ist jemand, der eine große Wirkung im Hinblick auf Stilmodelle bietet und Möglichkeiten aufzeigt, die andere dann ausbauen können. Man ist nicht hilflos, wenn man Kunst beurteilen will. Insofern ist das, was viele Menschen auch im Kunstbetrieb machen, nämlich dieses Nivellierende der Kriterien, einfach falsch. Sie gehen ja, wenn Sie sich wie ich zum Beispiel an der Hüfte operieren lassen, auch durch die verschiedenen Universitätskliniken und suchen sich den Ihrer Meinung nach besten Operateur aus. Da gibt es Unterschiede. Warum soll bei der Kunst alles unter das gleiche Dach passen? Das glaube ich einfach nicht. Auch das Werk ein und desselben Künstlers kann Schwankungen haben. Ob einen das immer wieder fesselt oder ob man es nach einer gewissen Zeit einfach durchschaut hat oder es einfach eine zu kleine Werkidee war … Es gibt Künstler, die – heute darf man das Wort nicht mehr sagen – Kleinmeister sind. Das waren diejenigen, die neben den großen Meistern entweder das, was diese geliefert haben, ausschlachteten oder eben kleine Sachen bearbeiteten. Ganz ehrenhafte Positionen. Und das muss man Werner lassen: Er hat mit einem enormen Gespür Künstler gefunden hat, die ziemlich viel berührten.

Abschließend möchte ich noch das Projekt „Krater und Wolke“ Unter dem Titel „Krater und Wolke“ brachte die Galerie Michael Werner zwischen 1982 und 1990 sechs als Editionen konzipierte Hefte heraus, die unter anderem grafische Arbeiten von Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck enthielten. ansprechen, bei dem eben diese Künstler, die alle auf ihre Art sehr unterschiedlich sein mögen, zusammen und füreinander gearbeitet haben.

„Krater und Wolke“ spiegelt im Grunde genommen genau das wider, was eine Galerie leisten sollte, nämlich ein Forum bieten, in dem Diskussionen, aber auch ein Sich-Abgrenzen, ein Sich-Inspirieren, ein Austausch und so weiter stattfinden sollen. Penck hat nach seiner Ankunft im Westen jeden dieser Künstler angegriffen: „Jetzt bist du dran, und jetzt du ...“, und von jedem wollte er wissen, was er wirklich kann und was ihn umtreibt. Und das ist genau das, was auch Werner betrieben hat. Eine produktive Situation zu erzeugen, in der innerhalb dieser Gruppe Bilder auf Bilder antworten. Das wäre etwas, das man mal darstellen müsste. Und genau das ist die Funktion einer Galerie – und das war sicher auch die Funktion von Kahnweilers oder Castellis Galerie.

Kennen Sie in Deutschland noch eine andere Galerie außer der von Michael Werner, die in dieser Art gearbeitet hat?

In der Zeit? Konrad Fischer war sicher in gewisser Weise vergleichbar – obwohl er vielleicht mehr ein Importeur von Sachen aus dem Ausland war. Auch Heiner Friedrich hatte eine ganz bestimmte Konstruktion in seiner Künstlerauswahl. Die betraf jetzt nicht unbedingt die deutschen Künstler, aber er hatte doch auch eine Idee, was Kunst zu sein hatte, die sich sehr von der Idee, die Werner anstrebte, unterschied. Eventuell kann auch Paul Maenz zu diesen Galeristen gezählt werden, obwohl er zwischendurch sehr viele Schwenks gemacht hat: mal Italien, mal die Mülheimer Malerei Die Kölner Künstler Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger zogen im Oktober 1980 gemeinsam in ein Atelier in der Mülheimer Freiheit 110 in Köln-Deutz. Der Name der Ateliergemeinschaft wurde anlässlich der Gruppenausstellung „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“, die vom 13. November bis 20. Dezember 1980 in der Galerie Paul Maenz in Köln stattfand, erstmals öffentlich verwendet. – das war im Grunde genommen sehr brüchig und hatte in meinen Augen nicht diese Konsequenz. Maenz würde es sicher konsequent erklären können, aber von außen ist es nicht unbedingt erkennbar. Auf diesem Level sind das vielleicht nur Friedrich und Werner.

Zurück zum Anfang
Siegfried Gohr