Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Ulrike Rosenbach

Ulrike Rosenbach

Ulrike  Rosenbach

Ulrike Rosenbach

Nettersheim, 28. Januar 2016

Franziska Leuthäußer: Es gibt unterschiedliche Angaben bezüglich der Dauer Ihres Studiums an der Düsseldorfer Akademie.

Ulrike Rosenbach: Von 1964 bis 72 war ich Studentin der Akademie. Ich war Meisterschülerin, das heißt, ich hatte zusätzlich Meisterschülersemester. Ich müsste in meinem Testatbuch nachgucken, aber ich glaube, das letzte Testat ist von 1971.

Wie kamen Sie nach der Schulausbildung auf die Idee, Kunst zu studieren?

Ich war schon vor der Schulausbildung davon überzeugt, dass ich Kunst studieren werde. Ich war sozusagen „das begabte Kind“. Im Kunstunterricht hatte ich immer eine Eins. Deshalb war früh klar: Ich studiere Kunst. Ich hätte auch Sport studieren können, das hat mich aber nicht so interessiert. Schon vor meinem Abitur wurde ich in Düsseldorf an der Kunstakademie angenommen. Mit dem Nachweis einer hervorragenden künstlerischen Begabung hätte Ulrike Rosenbach ein Studium der Freien Kunst auch ohne den Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife beginnen können. Vgl. Ordnung zur Feststellung der künstlerischen Eignung für den Studiengang Freie Kunst (Feststellungsverfahren Freie Kunst), in: Amtliche Mitteilungen der Kunstakademie Düsseldorf, 08.08.1989, unter: http://www.kunstakademie-duesseldorf.de/fileadmin/pdf-dokumente/Feststellungsordnung_Freie_Kunst.pdf (eingesehen am 01.09.2017). Die Aufnahmeprüfung und das Abitur haben sich zeitlich überschnitten. Dann gab es erst einmal ein Probesemester – das war bei Herrn Professor Karl Bobek Karl Bobek (1925 Berlin – 1992 Maroth) wurde von 1949 bis 1955 an der Hochschule für Bildende Künste Berlin bei Renée Sintenis ausgebildet. Der figürlich arbeitende Bildhauer leitete von 1963 bis 1988 die Bildhauereiklasse für Kunsterzieher an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Düsseldorfer Akademiestreit um das hochschulpolitische Engagement des Professors Joseph Beuys gehörte er zur konservativen Gegenpartei. in der Bildhauerei. Danach bin ich zu Norbert Kricke Norbert Kricke (1922 Düsseldorf – 1984 Düsseldorf) wurde in den 1950er-Jahren mit abstrakten Stahlplastiken bekannt, die oftmals für öffentliche Plätze oder als Kunst am Bau konzipiert wurden. Er lehrte von 1964 bis 1984 an der Kunstakademie Düsseldorf und war zwischen 1972 und 1981 als deren Rektor tätig. Kricke war einer der Wortführer der Beuys-Opposition im Düsseldorfer Akademiestreit von 1968/69. gegangen. Eigentlich hat mich Raumplastik sehr interessiert, noch mehr aber Bühnenbild. Ich habe immer mit dem Gedanken gespielt, zu Teo Otto Teo Otto (eigtl. Theodor Karl Otto; 1904 Remscheid – 1968 Frankfurt am Main) war ein deutscher Bühnenbildner. 1927 folgte er seinem Professor Ewald Dülberg als Assistent an die avantgardistische Krolloper der Staatstheater zu Berlin, wo er ab 1931 Ausstattungschef der Preußischen Staatstheater war, bis die Nationalsozialisten ihn 1933 aus politischen Gründen seines Amts enthoben. Otto emigrierte 1933 in die Schweiz und war bis zu seinem Lebensende dort als Bühnenbildner für das Zürcher Schauspielhaus tätig, wo er unter anderem an mehreren Uraufführungen Bertolt Brechts beteiligt war. Ab 1958 war er Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. in die Bühnenbildklasse zu gehen, aber leider ist in Düsseldorf in der Klasse von Teo Otto damals gemalt worden – und daran hatte ich überhaupt kein Interesse. So bin ich dann bei Kricke gelandet. Als ich schwanger wurde, habe ich mich schließlich bei Joseph Beuys beworben, weil Kricke meinte, eine schwangere Frau solle nicht schmieden und Stahl bearbeiten. Er wollte das nicht.

Haben Sie das damals eingesehen oder hätten Sie weitergemacht?

Es war schade. Ich hätte gerne weitergemacht. Es war aber klar, dass ich aufgrund meiner Schwangerschaft mehrere Semester nichts hätte tun können. Also habe ich bei Beuys angefragt und er war interessiert daran, mich als Studentin aus der Kricke-Klasse anzunehmen. Bei Beuys arbeiteten Reiner Ruthenbeck Reiner Ruthenbeck (1937 Velbert – 2016 Ratingen) studierte nach seiner Ausbildung zum Fotografen ab 1962 in der Klasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine erste Einzelausstellung hatte er 1967 bei Konrad Fischer. Ruthenbeck nahm an richtungsweisenden Ausstellungen der 1960er- bis 1980er-Jahre teil, darunter „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“(1969), die documenta 5 (1972), 6 (1977), 7 (1982) sowie die 7. Biennale von Venedig (1976). Von 1980 bis 2000 war er Professor an der Kunstakademie Münster. und ich damals mit Stahl und das habe ich auch ziemlich lange weitergeführt. Es war schon ein interessanter Werdegang bei Beuys, weil seine Überzeugungen eben ganz andere waren.

Sie haben ihn einfach gefragt, ob er Sie in die Klasse aufnimmt?

Ja. Damals waren etwa 15 Leute in seiner Klasse, und ich war eine der ersten Frauen. Ich glaube sogar, dass Katharina Sieverding Katharina Sieverding (* 1944 Prag) wurde in den 1970er-Jahren mit ihren großformatigen Foto- und Videoarbeiten bekannt. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf (1964–1974) zunächst in der Bühnenbildklasse von Teo Otto und ab 1967 in der Klasse von Joseph Beuys. Sieverding war auf der documenta 5 (1972), 6 (1977) und 7 (1982) vertreten und stellte 1997 zusammen mit Gerhard Merz im Deutschen Pavillon der 47. Biennale von Venedig aus. Von 1992 bis 2007 war sie Professorin an der Universität der Künste Berlin. und ich die ersten Frauen waren.

Warum wollte Beuys jemanden aus der Kricke-Klasse haben?

Ich denke, sein Interesse war es, eine Studentin zu unterrichten, die sich mit etwas beschäftigte, das er gar nicht kannte – nämlich mit Raumplastik. Er hat mich sehr schnell auf andere Wahrnehmungsweisen des Materials Stahl gebracht, die in der Kricke-Klasse gar nicht reflektiert wurden. Sie kennen ja Beuys: Er ist auf das Element, in diesem Fall auf Eisen, eingegangen. Das war für mich neu und interessant und auch deswegen bin ich sehr gerne in seine Klasse gewechselt.

Haben Sie mit Beuys regelmäßig über Ihre Arbeiten gesprochen?

Natürlich. In den ersten Semestern alle 14 Tage. Das war, bevor Beuys die Klasse öffnete. Davon habe ich sechs Semester lang eigentlich gar nichts gemerkt. Für mich war es immer die gleiche Gruppe von Studenten, dazu gehörten Jörg Immendorff Jörg Immendorff (1945 Bleckede – 2007 Düsseldorf) studierte ab 1964 bei Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf. 1969 wurde er wegen provokanter Kunstaktionen der Akademie verwiesen. In seinen Arbeiten behandelte Immendorff häufig politische und gesellschaftskritische Themen mit einem Fokus auf Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken zählen unter anderem das Gemälde „Wo stehst Du mit Deiner Kunst, Kollege?“ (1973) und die aus 16 Bildern bestehende Serie „Café Deutschland“ (1977–1982). Ab 1989 war Immendorff Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main, bis er 1996 dem Ruf an die Kunstakademie Düsseldorf folgte. Immendorff war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) und der Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender (VSK). , die Imis Die Künstler und Freunde Imi Knoebel (eigtl. Klaus Wolf Knoebel; * 1940 Dessau) und Imi Giese (eigtl. Rainer Giese; 1942 Neheim-Hüsten – 1974 Düsseldorf) gaben sich, entliehen von einem Scheuermittel der DDR, das Pseudonym „Imi“. Sie studierten von 1965 bis 1971 in der Beuys-Klasse und teilten sich an der Hochschule ein Atelier. Ihre Arbeiten werden der Minimal Art zugeordnet. , Reiner Ruthenbeck, Norbert Tadeusz Norbert Tadeusz (1940 Dortmund – 2011 Düsseldorf) war ein deutscher Maler, der für seine großformatigen figurativen Gemälde bekannt ist. Ab 1966 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Gerhard Hoehme und Joseph Fassbender. Seinen Meisterschüler machte er in der Klasse von Joseph Beuys. Ab 1981 war Tadeusz Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, bis er 1988 einem Ruf an die Hochschule der Künste Berlin folgte. Von 1991 bis 2003 lehrte er als Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig das Fach Monumentalbildnerei. und Blinky Palermo Blinky Palermo (eigtl. Peter Heisterkamp; 1943 Leipzig – 1977 Kurumba, Malediven) war ein deutscher Künstler, der sich insbesondere mit der Weiterentwicklung der Farbfeldmalerei beschäftigte. Von 1962 bis 1967 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf, zunächst bei Bruno Goller und ab 1964 in der Klasse von Joseph Beuys. Palermo galt als enger Freund seiner Studienkollegen Imi Knoebel, Sigmar Polke und Gerhard Richter, mit denen er mehrfach gemeinsam ausstellte. Er wurde von der Galerie Friedrich & Dahlem in München vertreten, wo 1966 seine erste Einzelausstellung gezeigt wurde. . Das war die Klasse. Mehr waren wir nicht. Für mehr Studenten war das Studentenatelier auch nicht geeignet. Ich habe viel zu Hause gearbeitet, weil ich ein Kind hatte – und mit der Bildhauerei war ich ohnehin eher in den Werkstätten der Kunstakademie als im Atelier. Professor Beuys war auch fast täglich im Atelier 1, seinem eigenen Atelier. Das war nicht die Zeit, in der er ununterbrochen zu irgendwelchen Ausstellungen unterwegs war – gar nicht. Das war die Zeit, in der die ersten Aktionen in Aachen stattfanden, diese spektakulären Aktionen. Joseph Beuys nahm am 20. Juli 1964 am „Festival der Neuen Kunst“ im Audimax der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen teil. Nach „tumultuarischen Szenen“ des Publikums, die im Faustangriff eines Studenten auf Beuys kulminierten, wurde das Festival vorzeitig abgebrochen. Vgl. Götz Adriani/Winfried Konnertz/Karin Thomas, „Joseph Beuys. Leben und Werk“, Köln 1986 (3. Auflage), S. 125–134. Siehe auch: Heiner Stachelhaus, „Joseph Beuys“, Düsseldorf 1988, S. 165–168. Oder in Darmstadt. Am 20. März 1967 führte Joseph Beuys zusammen mit Henning Christiansen in Darmstadt anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung „Fettraum“ in der Galerie Franz Dahlem die zehnstündige Aktion „Hauptstrom“ durch. Vgl. Götz Adriani/Winfried Konnertz/Karin Thomas, „Joseph Beuys. Leben und Werk“, Köln 1986 (3. Auflage), S. 176–178 und Heiner Stachelhaus, „Joseph Beuys“, Düsseldorf 1988, S. 174.

Haben Sie mit Ihren Kommilitonen über Ihre Arbeiten gesprochen?

Wir haben, wie Sie anhand der Namensliste sehen können, extrem unterschiedlich gearbeitet. Das war für Beuys symptomatisch: Er hat jede und jeden in seiner individuellen Richtung gefördert und nicht versucht, seinen eigenen Stil unterzubringen. Beuys hat auch die sehr unterschiedlichen Materialien der einzelnen Studenten akzeptiert. Es war die Zeit der Minimal Art, aber auch die Zeit der Pop-Art.

Ich war während des Studiums mit Reiner Ruthenbeck befreundet. Er war viel älter und auch schon in einem höheren Semester, so hat er mir ab und zu etwas zu meinen Arbeiten sagen können. Das war interessant. Befreundet war ich außerdem mit Katharina Sieverding und Imi Knoebel. Sie waren Nachbarn von mir in Oberkassel. Auch Blinky Palermo war ein guter Freund von mir. Und dann gab es noch Anatol Herzfeld Anatol Herzfeld (eigtl. Karl-Heinz Herzfeld; * 1931 Insterburg, Ostpreußen, heute Russland) ist ausgebildeter Kunstschmied und Polizist. Von 1964 bis 1972 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen von Joseph Beuys und Carl Wimmenauer. Er war mehrfach an Aktionen von Beuys beteiligt und fertigte 1973 ein Einbaumboot an, in dem der entlassene Professor Beuys mit einer symbolischen Rheinüberquerung an die Kunstakademie zurückkehren sollte. Herzfelds erste Einzelausstellung fand 1972 in der Galerie Schmela in Düsseldorf statt. Er nahm an der documenta 5, 6 und 7 teil. . Wir haben alle sehr unterschiedlich gearbeitet. Bei einigen war schon damals eine künstlerische Entwicklung zu sehen, wie sie fortgeführt wurde, als das Studium beendet war. Da gab es keinen Bruch in der künstlerischen Arbeit, soweit ich das aus meiner heutigen Sicht beurteilen kann.

Nebenan arbeiteten die Maler in der Klasse bei K.O. Götz. K.O. Götz (eigtl. Karl Otto Götz; 1914 Aachen – 2017 Niederbreitbach) war ein deutscher Künstler, der als wichtiger Vertreter der Malerei des Informel gilt. 1952 gründete er gemeinsam mit Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze die Künstlergruppe Quadriga und nahm an der „documenta 2“ (1959) sowie den Biennalen von Venedig 1958 und 1968 teil. Von 1959 bis 1979 hatte Götz eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf.

Ich glaube, keiner von den Studenten der Beuys-Klasse hatte damals Kontakt zu den Kommilitonen in der Klasse von K.O. Götz.

Auch nicht zu Gerhard Richter oder Sigmar Polke?

Ich hatte zu Richter eine private, familiäre Beziehung, weil seine Tochter Betty und meine Tochter Julia gute Freundinnen waren. Sie gingen zusammen zur Schule und waren unzertrennlich. Ema Richter hatte oft beide Kinder bei sich zu Hause, weil ich arbeiten und Geld verdienen musste. Sie sagte einmal: „Ich bin die Mama von zweien.“ Es gab – das kann man schon so sagen – in Oberkassel eine Art Künstlergemeinschaft.

Es heißt, in der Beuys-Klasse ging es familiär und persönlich zu. Hatte man als seine Schülerin auch einen anderen Bezug zu seinen Aktionen?

Es gab Aktionen, die überhaupt nicht in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Er hat Aktionen in der Akademie gemacht und an verschiedenen kleinen Orten – Aktionen, die speziell für die Studenten waren, auch im Studentenatelier und einmal sogar im Heizungskeller der Akademie. Sehr interessant.

Was waren das für Aktionen?

Ehrlich gesagt, kann ich mich im Einzelnen nicht daran erinnern, auch weil es mit den vielen Zuschauern in den kleinen Räumen wahnsinnig eng war. Ich erinnere mich an die Aktion im Creamcheese. „Drama ‚Stahltisch‘/Handaktion (Eckenaktion)“, Anatol Herzfeld mit Joseph Beuys, Joachim Duckwitz, Ulrich Meister und Johannes Stüttgen, Creamcheese, Düsseldorf, 23. Januar 1969. Das war eine sehr private Arbeit ohne irgendwelche spektakulären Ansagen. Ich persönlich tat mich zum Teil schwer damit, weil ich mich von den Beuys-Aktionen psychisch angegriffen fühlte. Ich stand dann ganz hinten. Damals habe ich beschlossen, nie eine Aktion zu machen.

Können Sie genauer beschreiben, was daran für Sie so unerträglich war?

Ich denke, es war ein psychisches Problem. Ich kann das nicht genauer beschreiben … Man darf nicht vergessen, dass Henning Christiansen Henning Christiansen (1932 Kopenhagen – 2008 Møn, Dänemark) wurde am Königlich Dänischen Musikkonservatorium zum Musiker und Komponisten ausgebildet und nahm ab 1962 an diversen Fluxus–Veranstaltungen teil. Er war an verschiedenen Beuys-Aktionen beteiligt, darunter „Manresa“ (1966) und „Eurasienstab“ (1967). Von 1985 bis 1997 war Christiansen Professor für Multimedia an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. häufig dabei war, er komponierte die Musik zu den Aktionen von Beuys. Es war also oft eine Aktion, die für mich sehr über das Ohr ging, laut oder interessant, auch weil ich selbst gerne mit Ton arbeite. Dieses Zusammenspiel von Ton und Aktion empfand ich wohl als extreme psychische Spannung. Und manchmal waren die Aktionen, die wir in Düsseldorf sahen, eher Proben für größere Werke. Henning und seine Freundin Ursula Reuter Christiansen (* 1943 Trier) studierte von 1965 bis 1969 an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Joseph Beuys. Sie war mit Henning Christiansen verheiratet. Reuter Christiansen lehrte von 1992 bis 1997 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und von 1997 bis 2006 an der Königlich Dänischen Kunstakademie Kopenhagen. , damals noch nicht seine Frau, waren übrigens auch geschätzte Mitglieder in der Klasse Beuys. Ein anderes Beispiel wären für mich Charlotte Moorman Charlotte Moorman (1933 Little Rock, Arkansas – 1991 New York) wurde nach einer Ausbildung zur klassischen Cellistin als Interpretin und Performancekünstlerin der Neuen-Musik- und Fluxus-Szene der 1960er-Jahre bekannt. Sie gründete 1963 das Annual Avant Garde Festival of New York und arbeitete unter anderen zusammen mit Nam June Paik, Joseph Beuys, Otto Piene und John Cage. und Nam June Paik Nachdem Nam June Paik (1932 Seoul – 2006 Miami) 1956 als Student von Tokio nach Deutschland gekommen war, arbeitete er von 1958 bis 1963 im Studio für Elektronische Musik des WDR in Köln und beteiligte sich an zahlreichen Fluxus-Aktionen. 1964 siedelte er nach New York über und begann sich zunehmend mit der Technik von Fernsehen und Video zu beschäftigen. Paiks Werk wurde unter anderem auf der „documenta 6“ (1977) und im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig (1993) gezeigt. Er zählt zu den Pionieren der Video- und Medienkunst und war von 1979 bis 1996 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. . Sie arbeiteten auch mit dem Verhältnis von Bild, Aktion und Sound. Ihre Aktionen waren allerdings entspannend für mich zu hören und zu sehen. Und witzig. Das waren die Aktionen von Beuys nicht.

Woran lag das?

Das lag an ihm. Das war seine Ausstrahlung. Er war schon eine besondere Persönlichkeit. Es ist auch durchaus möglich, dass nicht jeder solche Rezeptionsschwierigkeiten hatte wie ich. Unsere Kinder waren zum Beispiel auch dabei. Jessyka und Wenzel, die Kinder von Beuys, und meine Tochter saßen des Öfteren in der ersten Reihe. Und auch bei anderen Klassenveranstaltungen wollte Beuys immer, dass alle mit dabei sind – auch die Familien. Die Kinder haben das offensichtlich nicht so empfunden wie ich, sonst wären sie rausgelaufen oder hätten geweint. Sie waren ja noch klein.

Wir haben bis jetzt fast 40 Gespräche geführt. Mit vielen habe ich auch über Beuys gesprochen und die Begeisterung über seine Person ist nahezu ohne Einschränkungen.

Die Plastik und die Aktion sind zwei Kunstformen. Die Behauptung, die Kunstform der Aktion gäbe es nicht mehr, weil der Mann, der Créateur, gestorben ist … das ist völlig falsch. Seine Aktionen bleiben in den Filmen – das heißt in den Dokumentationen – erhalten. Die Ausstrahlung von der Aktion zur Plastik war für Beuys eins. Für ihn war das Soziale Plastik Das erweiterte Kunstverständnis von Joseph Beuys findet seinen Ausdruck vor allem in dem von ihm geprägten Begriff der „Sozialen Plastik“. Darunter fällt jegliches Handeln, das formend in die Gesellschaft eingreift. Damit wird jeder Mensch, der handelt und formt, zum Künstler. Siehe auch: Volker Harlan/Rainer Rappmann/Peter Schata, „Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys“, Krefeld 1984. . Und Soziale Plastik hieß: „Ich bin in meinem skulpturalen Umgebungsfeld, in meinem räumlichen Umgebungsfeld.“ Aber er hatte auch eine wunderbare Art, eine Plastik, zum Beispiel einen Porträtkopf, zu korrigieren. Ich habe sehr viel von der Art und Weise gelernt, wie er mit Ton oder Wachs umging. Im Großen und Ganzen finde ich es im Nachhinein ungeheuer wichtig, wie er mit Plastik und Aktion zusammen in der Verbindung umgegangen ist. Das, was wir – und vor allem auch Bazon Brock Bazon Brock (eigtl. Jürgen Johannes Hermann Brock; * 1936 Stolp, Pommern, heute Polen) ist ein Künstler, Kunsttheoretiker und Philosoph. Ab 1957 studierte er Germanistik, Politikwissenschaften und Philosophie an den Universitäten in Zürich, Hamburg und Frankfurt am Main. Parallel absolvierte er eine Dramaturgie-Ausbildung am Landestheater Darmstadt bei Claus Bremer und Gustav Rudolf Sellner. Ab 1959 nahm Brock regelmäßig an Fluxus-Aktionen teil, darunter am „Festival der Neuen Kunst“ (1964) in Aachen sowie am „24-Stunden-Happening“ (1965) in der Galerie Parnass in Wuppertal. 1968 initiierte Brock auf der „documenta 4“ in Kassel die erste Besucherschule, die er bis 1992 begleitend zu den documenta-Ausstellungen fortführte. Als Professor lehrte Brock unter anderem an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1965–1976) und der Bergischen Universität Wuppertal (1981–2001). 2011 gründete Brock in Berlin-Kreuzberg die „Denkerei mit dem Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand“. als Theoretiker und Freund – als Gesamtkunstwerk definiert haben. Das ist das Wichtige.

„Soziale Plastik“ ist der Begriff, der durch Beuys eingeführt worden ist. Es ist ein Konzept oder eine Haltung. Das erklärt aber noch nicht, warum es nach Beuys keinen Beuys mehr gegeben haben soll, wie viele meinen.

Das ist eine persönliche Ausstrahlung, die kann man nicht nachmachen. Es ist ja kein Schauspiel. In einer Performance oder Aktion gibt es kein Schauspiel. Man lernt keinen Text, man lernt auch nicht, wie man seine Rolle spielen möchte, sondern man ist in der Situation und improvisiert. Da waren die Aktionen mit Material: In der „24-Stunden“-Aktion Das Happening „24 Stunden“ wurde von Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell am 05. Juni 1965 von 0 bis 24 Uhr in der Galerie Parnass in Wuppertal veranstaltet. beispielsweise nahm er den Ton oder vielmehr das Fett und knetete es unter sein Knie. Das ist eine Arbeit im Jetzt. Die kann man zwar vorher und nachher noch mal machen, dann ist sie aber jeweils anders. Beuys hat seine Aktionen nie zweimal gemacht. Manchmal hat er die plastischen Elemente auch vorgearbeitet, wie zum Beispiel den „Eurasienstab“ aus Kupfer und Filz, den er dann im Raum herumgetragen hat. Der „Eurasienstab“ von Joseph Beuys war 3,64 Meter lang und hatte einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern. Beuys verwendete das Objekt mehrfach in seinen Aktionen der Jahre 1967 und 1968. Da fragte man sich natürlich schon: „Wozu trägt er das herum?“ Sein Tun hatte dann aber in Bezug auf den Raum, auf seine Persönlichkeit und auf die Elemente von der geistigen Reflexion her eine solche Nachhaltigkeit, dass man sich dann Gedanken darüber machte und fasziniert war. Begrifflich ist das sehr schwer zu fassen. Es hat etwas mit der Intensität der Persönlichkeit im Moment zu tun. Damit, wie intensiv ich mich im Moment gebe. Und das war bei ihm immer hundertprozentig. Er hat hundertprozentig nie ein Klischee bedient, sondern war immer im Moment. Das waren seine Ausstrahlung und Intensität – auch in den Aktionen.

Wenn er an der Akademie Aktionen gemacht hat, im Keller oder in der Klasse, wie wurde das angekündigt? Hat er Sie persönlich eingeladen?

Meist sagte er: „Ich mache dann und dann …“ Oder es gab eine Message von jemandem, zum Beispiel seinem Assistenten – das war später Johannes Stüttgen Johannes Stüttgen (* 1945 Freiwaldau, Sudetenland, heute Tschechische Republik) studierte ab 1964 Theologie bei Joseph Ratzinger in Münster und war von 1966 bis 1971 Student in der Klasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf. 1971 war Stüttgen an der Gründung der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung durch Beuys beteiligt und übernahm von 1980 bis 1986 den Posten des Geschäftsführers der von Beuys, Willi Bongard, Georg Mustermann und Klaus Staeck 1973 gegründeten Freien Internationalen Universität (FIU). Stüttgen beruft sich in seiner Arbeit als Künstler auf den Kunstbegriff der „Sozialen Plastik“ seines Lehrers Joseph Beuys. –, auf einem handgeschriebenen Zettel: „Dann und dann findet das und das statt.“ Wir haben übrigens auch Weihnachten im Atelier zusammen gefeiert. Da musste dann ein Tannenbaum aufgestellt werden und es wurde Suppe gekocht.

War das öffentlich?

Nein, diese kleinen Aktionen waren nur für uns – für die Studenten und für Freunde. Es waren maximal 30 oder 40 Leute, die daran teilnehmen konnten. Größer war der Raum auch nicht.

Sie sagen, einerseits waren Sie begeistert …

Begeistert war ich gar nicht. Begeistert ist das falsche Wort. Man war intensiv erfasst. Begeistert im ursprünglichen Sinne, ja – dass man geistige Intensität erfasst und davon auch geistig getroffen ist. Aber begeistert, wie man das Wort heute normalerweise benutzt, hat damit überhaupt nichts zu tun. Gar nichts.

Oder ergriffen.

Berührt.

Trotzdem sagen Sie, dass Sie selbst keine Aktionen machen wollten.

Nein. Weil mir das, ehrlich gesagt, zu intensiv war. Mir war das zu viel. Sehr häufig.

Zu viel, um das an Ihrer eigenen Person zu erleben, oder auch schon in der Rezeption zu viel?

Auch in der Rezeption war es für mich oft zu viel. Ich war extrem erfasst davon. Das liegt natürlich auch an der Sensibilität jedes Einzelnen, das ist ja klar … Es hat dann genau zwei Jahre gedauert, bis ich meine erste Aktion gemacht habe. 1973 zeigte Ulrike Rosenbach im Rahmen der Ausstellung „between 7. Yes Sir, That’s My Baby“ in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf (02. Mai – 05. Mai 1973) die Arbeit „Naturkreisaktion“. Die Aktion gilt als ihre erste Performance und wurde im Anschluss in der Ausstellung „Some 260 Miles from Here: Art from the Rhein-Ruhr Germany 1973“ im Gallery House, London, 14. Mai – 20. Juni 1973, gezeigt. Vgl. Meike Rotermund, „Metamorphosen in inneren Räumen. Video- und Performancearbeiten der Künstlerin Ulrike Rosenbach“, Göttingen 2012.

Weil letztlich doch alles andere nicht intensiv genug war?

Nein, es hatte damit zu tun, dass ich an Objekten im Raum arbeitete – Objekte, die für meinen Körper bestimmt waren. Diese Objekte wurden zumindest fotografiert oder auch einmal gefilmt. Und dann lernte ich das Medium Video kennen. Ich habe das sehr schnell als mein mir eigenes Medium erkannt, wesentlich auch deswegen, weil man sich durch das sogenannte „Closed-Circuit-Verfahren“ selbst im Monitor sehen und so Bewegungen sofort kontrollieren konnte.

Sie haben es eben schon angedeutet: Beuys hat auch Ihre Zeichnungen korrigiert. In mehreren Interviews erzählen Sie, dass er Sie zu jenem Beuys-Stil gebracht hat, den Sie später gar nicht so einfach wieder loswerden konnten.

Ja, und das ging nicht nur mir so. Er war ja ein sehr intensiver Zeichner, das wissen wir aus seinem Werk. Diese Art zu zeichnen kommt auch von innen heraus, aus der psychischen Intensität – das heißt aus dem Moment. Es war Beuys’ Bestreben, uns zu lehren, über das anatomische Verständnis von Zeichnung hinauszugehen und beispielsweise eine Figur frei zu zeichnen. Das war für mich am Anfang schwierig. Beuys kam dann zur Korrektur, und wenn ihm eine Zeichnung gefiel, bekam man auf die Zeichnung unten ein Bleistift-Kreuzchen.

Natürlich möchte man seinem Professor auch gefallen, beziehungsweise, dass ihm die Arbeiten gefallen …

Ich glaube nicht, dass das etwas mit Gefallen zu tun hat. Es hat etwas damit zu tun, dass man an der Auffassung des Lehrers interessiert ist. Sonst würde man ja gar nicht bei ihm studieren. Das hat nichts mit Gefallen zu tun. Vielmehr ist die Auffassung des Lehrers das, woran man sich entschlossen hat zu lernen. Deswegen lernt man dort. Sonst kann man woanders hingehen. Zu begreifen, was der Lehrer mit seinem Zeichenstil will, und diesen in dem Moment als eigene Idee zu akzeptieren – das ist eine Akzeptanzfrage.

Das gehört zur Bildhauerei natürlich auch dazu. Wenn man bildhauerisch arbeitet – speziell wenn man figurativ arbeitet, wie ich das ja auch immer wieder getan habe –, braucht man die Aktzeichnung. Ich glaube, es war Beuys’ stringenteste Linie in der Arbeit mit seinen Studenten, die Zeichnung in eine für ihn gemäße Überzeugung zu richten. Ich konnte es nicht besonders gut und habe mich dann ganz davon abgewendet, einfach Skizzen meiner Objekte gemacht und diese dann koloriert. Das fand Beuys gut, weil wieder etwas Eigenes entstand – etwas, das ich selbst entwickelt hatte. Und vielleicht geht es genau darum, dass man aus dem kritischen Dialog mit dem Lehrer oder der Lehrerin heraus eine Gegenposition findet. Diese Position konnte Beuys schon ausgezeichnet goutieren und er konnte es sehr wohl akzeptieren.

Sie waren damals über seine Korrekturen auch nie verärgert?

Überhaupt nicht.

Sie sagten einmal, Sie haben das System dieser Korrektur gar nicht verstanden. Sie wussten nie, wozu das gut ist. Vgl. Ulrike Rosenbach in: Petra Richter, „Mit, neben, gegen. Die Schüler von Joseph Beuys“, Düsseldorf 2000, S. 121, zit. n. Meike Rotermund, „Metamorphosen in inneren Räumen. Video- und Performancearbeiten der Künstlerin Ulrike Rosenbach“, Göttingen 2012.

Das haben Sie missverstanden. Ich beherrschte diesen sogenannten „Beuys-Strich“ nicht. Beuys hatte, wie man weiß, einen sehr sensiblen Zeichenstrich. Als Bildhauerin hatte meine Hand immer noch imaginär den Hammer in der Hand – also hatte ich einen sehr starken Führungsstrich. Ich konnte nicht so einfach variieren. Oder ich fand das unnatürlich und deswegen habe ich anders gezeichnet. Ich hatte einen kontinuierlichen Strich und habe Farben reingesetzt. So waren meine sehr frühen Zeichnungen – und die fand Beuys, glaube ich, ziemlich gut.

Sie haben fünf Jahre gebraucht, um den Beuys-Strich wieder loszuwerden.

Ja, so war es wohl. Der sogenannte „Beuys-Strich“ war für mich angelernt.

Nicht angelernt, so zu denken, sondern stilistisch angelernt?

Ja, ich fühlte mich zu sehr gerichtet, also in eine Richtung geführt. Das passiert. Das passiert ja auch mit meinen ehemaligen Studenten, die ebenfalls eine bestimmte Richtung entwickelt haben, die ich mit ihnen geübt habe. Dann muss man hinterher schauen: „Ist es das, was ich noch machen will, oder muss ich jetzt meinen eigenen Stil finden?“ Jeder verändert sich ja auch stetig. Bei meinen Studenten war das sehr interessant zu verfolgen. Bestimmte Begabungen konnte ich nicht genug bedienen, weil sie mir zu fremd waren. Wie zum Beispiel der performative Umgang mit Sound, mit Stimme. Ich habe das zwar im Performancetraining mit angelegt, aber ich bin ja nicht primär Soundkünstlerin, keine Stimmenperformerin – so wie beispielsweise früher die Gruppe um La Monte Young La Monte Young (* 1935 Bern, Idaho) ist ein amerikanischer Komponist, der in Los Angeles, Berkeley, New York und Darmstadt bei Karlheinz Stockhausen in Komposition, Jazz und Neuer Musik ausgebildet wurde. Er war Teil der Fluxus-Bewegung und arbeitete unter anderen mit John Cage zusammen. Young beschäftigte sich ab den 1950er-Jahren unter anderem mit indischer und japanischer Musik und gilt als einer der Begründer der Minimal Music. . Das sind Begabungen und Techniken, die man dann nach dem Studium der Medienkunst weiterentwickeln muss. Beuys hatte mit Video schließlich auch nie etwas am Hut. Das war ganz unmöglich für ihn. Ich musste mir das auch selbst aneignen.

Es heißt, Sie entdeckten 1971 in der Kunsthalle Düsseldorf erste Videoarbeiten. In der Ausstellung waren unter anderem Werke von Bruce Nauman Bruce Nauman (* 1941 Fort Wayne, Indiana) ist ein US-amerikanischer Künstler, der ab den 1960er-Jahren mit einem Werk bekannt wurde, das Skulptur, Video und Performance vereint. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland fand 1968 in der Konrad Fischer Galerie in Düsseldorf statt. Im selben Jahr nahm er an der „documenta 4“ in Kassel teil. Seit seiner ersten musealen Einzelausstellung im Los Angeles County Museum of Art/Whitney Museum of American Art, New York, 1972 waren seine Arbeiten unter anderem im Walker Art Center in Minneapolis (1993), im Centre Pompidou in Paris (1997), im Dia Center for the Arts in New York (2002) und der Tate Modern in London (2004) in umfangreichen Ausstellungen zu sehen. Nauman wurde 1999 und 2009 mit dem Goldenen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnet. zu sehen.

Das war die Ausstellung „Prospect“ In der Ausstellung „Prospect 71. Projection“, die vom 08. bis zum 17. Oktober 1971 in der Kunsthalle Düsseldorf stattfand, wurden Video- und Filmarbeiten sowie Fotografien und Diaprojektionen von 76 Künstlern und Künstlerinnen gezeigt. Darunter waren Vito Acconci, Hilla und Bernd Becher, Joseph Beuys, Hanne Darboven, Jan Dibbets, Dan Graham, Bruce Nauman, Wolf Vostell und Lawrence Weiner. Siehe auch: „Prospect 71. Projection“, hg. von Konrad Fischer/Jürgen Harten/Hans Strelow, Ausst.-Kat. Städtische Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf 1971. .

Sind Sie da tatsächlich zum ersten Mal überhaupt mit Videokunst in Kontakt gekommen?

Ja, das war das erste Mal. Es war auch das erste Mal, dass ich mit Body-Art in Kontakt kam. Die Arbeiten stammten von jungen Künstlern aus den USA, insbesondere aus New York: Vito Acconci Vito Acconci (* 1940 New York) wurde in den 1970er-Jahren als Performance-, Film- und Videokünstler bekannt. Thema seiner frühen Arbeiten war häufig der Körper des Künstlers als Medium sowie die Beziehung seines Körpers zum Betrachter. In der Ausstellung „Seedbed“ (1972) in der New Yorker Sonnabend Gallery beispielsweise onanierte Acconci unter den Dielen des Holzfußbodens und sprach währenddessen über seine Erregung durch das Publikum. , Dennis Oppenheim Dennis Oppenheim (1938 Electric City, Washington – 2011 New York) war ein US-amerikanischer Künstler, der vor allem für seine großformatigen Skulpturen im öffentlichen Raum bekannt ist. In seinen frühen Arbeiten stand der menschliche Körper häufig im Zentrum seines künstlerischen Schaffens. 1969 war Oppenheim in der Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ in der Kunsthalle Bern vertreten. , William Wegman William Wegman (* 1943 Holyoke, Massachusetts) ist ein amerikanischer Künstler, der mit Foto- und Videoarbeiten unter anderem in den Ausstellungen „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ (1969), „Prospect 71. Projection“ (1971) und der documenta 5 (1972) und 6 (1977) vertreten war. Bekannt ist er vor allem für seine in den 1970er-Jahren begonnene fotografische Arbeit mit Hunde-Modellen. , Chris Burden Chris Burden (1946 Boston – 2015 Topanga, Kalifornien) wurde mit spektakulären Performances, darunter „Five Day Locker Piece“ (1971), „Shoot“ (1971) und „Trans-Fixed“ (1974) bekannt. In seiner Arbeit ging Burden an seine physischen wie psychischen Grenzen. Er lehrte von 1978 bis 2004 an der University of California in Los Angeles. Retrospektiven seines Werks fanden unter anderem im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien (2002), im Rockefeller Center in New York (2008) und im New Museum in New York (2013) statt. und auch Bruce Nauman, der aber damals noch nicht so anerkannt war wie heute. Die Body-Art, das plastische Umgehen mit dem Körper vor der Kamera, hat mich total erfasst, weil ich mit meinen Objekten und Fotos schon Ähnliches erreichen wollte, aber nicht auf die Art, wie ich es in der Ausstellung sehen konnte. Einen Daumen in Nahaufnahme als Plastik zu sehen – das fand ich sehr gut. Und so habe ich mir dann eine Videoanlage gekauft. So konnte ich auf dem Monitor sofort sehen, wie eine Nahaufnahme, die ich machte, aussah. Beleuchtung und so weiter, das habe ich mir alles selbst beigebracht.

Nam June Paik war zu der Zeit auch schon in Köln, oder?

Nam June Paik war in Köln. Er hatte den Job beim WDR und machte ab und zu eine Fluxus-Aktion.

Es gab also zu der Zeit schon einige Künstler, die auch in Deutschland mit Video arbeiteten.

Ja. Aber Paik ist damit ganz anders umgegangen. Die Zeitfolgen waren sehr eng und Paik machte ja keine Body-Art. Er ging mit dem Medium ganz anders um: Ich würde es animierte Dokumentation nennen. Er hat sehr früh mit Bildsynthesizern gearbeitet, das heißt, dass Bilder farblich und räumlich verändert wurden. Das, was die Body-Art-Künstler machten, war anders. Es war von der Auffassung her viel performativer und weniger technisch als die Videoarbeiten von Nam June Paik. Body-Art war direktes performatives Übertragen von Performance auf Video. Und das hat mich in der „Prospect“-Ausstellung damals fasziniert.

Es war also weniger die Faszination für die Technik?

Überhaupt nicht. Das konnte es auch gar nicht sein, weil ich vorher nie etwas damit zu tun hatte – ich kam ja aus der Bildhauerei. Paik hat damals vor allen Dingen in den Videos technische Effekte benutzt. Er hat Effekte im Fernsehen, fertige punktuelle Flimmerlinien, umgewandelt, Synthesizereffekte. Und Paik hat wesentliche Ideen von Marshall McLuhan Marshall McLuhan (1911 Edmonton – 1980 Toronto) war ein kanadischer Medienwissenschaftler, der mit dem Buch „Understanding Media“ (1964) zu den Begründern seines Fachs gezählt wird. umgesetzt – sozusagen von der Theorie in die Praxis. Zum Beispiel sein Fernsehgehäuse mit der brennenden Kerze. Nam June Paik, „Candle TV“, 1975. McLuhan hatte ich damals aber noch nicht gelesen. Mit Paik habe ich ein bisschen später – etwa 75 – zu tun gehabt. Damals haben wir uns das erste Mal unterhalten, er kannte auch meine Arbeit schon. 75/76 hatte ich schon die „Amazone“ aufgeführt. Die Uraufführung der Videoperformance „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“ fand im Oktober 1975 im Rahmen der „9. Biennale von Paris“ im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris statt.

Wo würden Sie die Arbeit „Filz-TV“ von Beuys einordnen?

Das „Filz-TV“ war in erster Linie eine Einladung von Gerry Schum Gerry Schum (eigtl. Gerhard Alexander Schum; 1938 Köln – 1973 Düsseldorf) war ein Filmemacher und Galerist, der ab 1964 Kunstdokumentationen für den Westdeutschen Rundfunk produzierte. 1967 initiierte er das Fernsehformat „Fernsehgalerie“, für das er die international beachteten Beiträge „Land Art“ (1969) und „Identifications“ (1970) produzierte. 1971 eröffnete er die Videogalerie Schum in Düsseldorf, in der er bis zu seinem Tod im Jahr 1973 Auflagenobjekte und Videos, unter anderen von Joseph Beuys, Stanley Brouwn, Daniel Buren und Klaus Rinke, vertrieb. an Beuys, der wie viele andere Künstler in der Zeit mit Aktionen arbeitete, eine Videoarbeit zu produzieren. Für die TV-Sendung „Identifications“, organisiert und konzipiert von Gerry Schum, führte Beuys eine eigens für die Kamera inszenierte Version der Aktion „Filz-TV“ auf, die im Rahmen eines Happening-Festivals erstmals vom 14. bis zum 15. Oktober 1966 in der Galerie 101 in Kopenhagen stattgefunden hatte. Teil der Inszenierung war das Filz-TV-Gerät, ein Fernseher, dessen Mattscheibe mit Filz beklebt war, sowie ein Paar Boxhandschuhe und eine Blutwurst, die Beuys während der Aktion in zwei Hälften schnitt und vor den Monitor hielt. Heute würde man das ein Performancevideo nennen, aber den Begriff gab es damals noch nicht. Für Beuys war das schwierig, weil er sich als geistig sehr anspruchsvoller Künstler natürlich überlegt hat: „Wenn ich mit Video arbeite, muss ich auch über Video oder besser über das Medium TV arbeiten.“ Im Prinzip so, wie Paik das auch gemacht hat. Beuys hat sich dann das „Filz-TV“ überlegt, weil er, denke ich, auf seine Mittel zurückgreifen und sich nicht von diesem neuen Medium überrollen lassen wollte. Es ist eine sehr schöne Arbeit.

Als Sie Video für sich entdeckten, haben Sie mit Beuys darüber sprechen können?

Ja, aber er fand die Videotechnik für Kunst nicht geeignet. Er hat sie nicht total abgelehnt, konnte und wollte sie aber für sich in keiner Weise adaptieren. Als ironische Kritik hat er das Video mit der Blutwurst vor dem alten Fernseher entwickelt.

Etwas für sich zu adaptieren, ist das eine, – zu sagen: „Das ist etwas Tolles, das du da gefunden hast“, ist das andere … Hat man sich eigentlich geduzt?

Lange nicht. Aber später, als wir zum Teil in denselben Ausstellungen vertreten waren und ich schon lange nicht mehr Studentin war, haben wir uns geduzt. Es war irgendwie der Beginn einer neuen Zeit, als die Videotechnik kam. Ich glaube, in dieser Richtung war Beuys einfach ein Vertreter der älteren Generation. Und er wollte den Kunstbegriff, so wie er ihn geformt hat, clean halten: die Soziale Plastik, der gesellschaftliche Umraum, das Aufbauprinzip nach Rudolf Steiner, die Plastik als menschliche Form. Das war sein Interesse und dabei sollte es auch bleiben. Seine Aktionen wurden gefilmt und es war ihm ganz egal, ob als Film oder Video. Für ihn war die Kamera ein Dokumentationsinstrument und keine neue Technik in der Kunst. Und das war eben bei Paiks Fluxus-Konzerten mit Charlotte Moorman und dem Bett aus TV-Sets Nam June Paik, „TV Bed“, 1971. oder in der „Prospect“-Ausstellung mit den Aktionen von Nauman, Acconci, Oppenheim und so weiter anders. Da wurde die Videotechnik als eine neue Technik für die Kunst vorgestellt – und dem wollte Beuys, glaube ich, nicht folgen.

Wie stand Beuys Ihrer Meinung nach dem Werk Andy Warhols gegenüber?

Die Sache mit Andy Warhol war, glaube ich, eine andere. Andy Warhol war Teil unseres Generationsbilds. Die Filme, die Warhol produzierte und die wir kannten – in der Pop-Art völlig neu –, waren beispielsweise „Empire“ Am 25. und 26. Juli 1964 zwischen 8:06 Uhr und 2:42 Uhr filmte Warhols Kameramann Jonas Mekas das Empire State Building aus dem 44. Stock des gegenüberliegenden Hochhauses in einer einzigen Einstellung. Den fast acht Stunden dauernden 16-mm-Film zeigte Warhol in 16 Bildern pro Sekunde. und „Sleep“ „Sleep“ (Schlaf, 1963) ist ein 16-mm-Film von Andy Warhol, der sechs Stunden lang den Dichter John Giorno in unterschiedlichen Schlafpositionen zeigt. . 24 Stunden lang wurde die Kamera auf eine Szene gehalten und dann als real-time-Produktion ungeschnitten projiziert. Das war extrem konsequent und spielte mit der Idee der Langeweile. Als „Empire“ damals in der Kunstakademie Düsseldorf gezeigt wurde, haben wir die Stühle aus der Aula geräumt und saßen mit Bierflaschen auf dem Boden. Da guckte man mal hin und dann auch mal wieder nicht. Man ging raus und rein, während der Film weiterlief. Es wurde Nacht … und der Film lief immer noch.

Wer hat so etwas organisiert?

Der AStA. Das hatten die Studenten selbst organisiert. Übrigens war ich damals zweite AStA-Vorsitzende.

Wie kamen Sie an die Filme?

Die konnten schon über experimentelle Filmverleihe ausgeliehen werden. Es gab zu der Zeit viele Undergroundfilme. In Köln gab es das Filmtheater Lupe von Wilhelm und Birgit Hein. Birgit Hein (* 1942 Berlin) zählt international zu den bekanntesten Filmemacherinnen des experimentellen Films und nahm an der documenta 5 (1972) und 6 (1977) teil. Zwischen 1966 und 1988 entstanden gemeinsam mit Wilhelm Hein Experimentalfilme, Performances und Installationen. Beide zählten 1968 zu den Gründungsmitgliedern von XSCREEN – Kölner Studio für den unabhängigen Film. Das Arthouse-Kino Lupe in Köln war die bevorzugte Spielstätte des Vereins. Über solche Kanäle konnte man an Filme kommen. In der Zeit der Studentenbewegung, als die Akademie dann auch mal kurzfristig geschlossen wurde, An der Kunstakademie Düsseldorf kulminierten die Studierendenproteste Anfang Mai 1969 in der Räumung der Akademie durch die Polizei und der darauffolgenden Schließung über einen Zeitraum von acht Tagen. Siehe auch: „Brennpunkt Düsseldorf 1962–1987“, hg. von Stephan von Wiese, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Düsseldorf, Köln 1987, S.112 f. hat man sich Andy Warhols Filme angesehen.

In dieser Zeit begann auch die Bewegung der Frauenemanzipation?

1969 haben wir an der Akademie eine erste Frauengruppe gegründet. 67, 68 und 69 waren die Jahre der Studentenbewegung. Dabei ging es uns auch um die Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau. Meine Generation – die 68er-Generation, wie man sie nennt – hatte, im Vergleich zu heute, eine extrem autoritäre Elterngeneration. Meine Großeltern hatten noch zwei Weltkriege erlebt. Das ist unglaublich. Wir erleben überhaupt keinen Krieg. Gott sei Dank!

Nicht vor unserer Tür. Krieg gibt es schon.

Ja, aber ich glaube, das ist ein riesiger Unterschied. Wenn Sie alles verlieren: Geld, Grundstücke … absolut alles. In zwei Kriegen. Und dann diese Nazigeneration von Vätern, die ins Feld mussten und mehr oder weniger in diesem Faschismus involviert waren … Ich war Tochter eines Offiziers und Piloten – so wie mein Lehrer, der Stuka-Pilot war. Mein Vater war Ju 52-Pilot. Gegen diese Generation von Vätern musste man angehen, sonst wäre man völlig untergegangen. Nach dem furchtbaren Krieg musste auf jeden Fall eine neue Gesellschaft mit einem demokratischen Standing geschaffen werden, so wie es die Besatzungsmächte gefordert hatten und wie es mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard zuerst realisiert wurde. 1949 wurde Konrad Adenauer (1876–1967) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt und hatte auch das Amt des Präsidenten des Parlamentarischen Rats inne, der 1948 das Grundgesetz verabschiedet hatte. Der Ökonom Ludwig Erhard (1897–1977) wurde 1949 Wirtschaftsminister der Regierung Adenauer (1949–1963). Adenauer und Erhard gelten als zentrale Figuren des Wiederaufbaus demokratischer und wirtschaftlicher Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Struktur dieser neuen Gesellschaft musste aber erst einmal entwickelt werden. Das heißt, wir mussten unsere Ideen umsetzen. Deswegen kam es zu solchen Konfrontationen, die wir als die Studentenunruhen kennen. Natürlich auch bei den Frauen, weil die Mütter total anders gestrickt waren als wir. Man könnte eine eigene Geschichte darüber erzählen, was die Frauen nach dem Krieg alles bewirkt haben und wie sie sich dann später in den 50er-Jahren gewissermaßen zurückentwickelt haben. Zu dieser Generation von Kindern gehörte ich. Deswegen war Frauenemanzipation für mich natürlich das tragende Thema: Ich habe mich nicht nur als Mensch gesehen, der sich in der neuen Generation neu entscheiden und für Neues stehen musste, das es vorher lange nicht oder noch gar nicht gegeben hatte, sondern ich war auch Frau in dieser Generation. An der Studentenbewegung beteiligte ich mich als Frau. Und das habe ich ja auch künstlerisch thematisiert.

Die Frau ist seit Ihren frühen Arbeiten Thema in Ihrem Werk. Ihr Mentor und Lehrer war ein Mann. War das für Sie je ein Problem? Haben Sie sich mal gefragt: „Warum folge ich eigentlich wieder …“

„... einem männlichen Lehrer?“ Es gab gar keine weiblichen.

Aber hätte man sich davon stärker distanzieren können?

Eine kritische Haltung gegenüber dem männlichen Lehrer? Interessant.

Gerade, weil er sie sehr beeinflusst hat.

Natürlich. Komischerweise – gemessen an der Persönlichkeit meines Vaters – fand ich Beuys total weiblich. Für mich war er in keiner Weise ein autoritärer Mann. Schon von seiner Statur her war er eine außerordentlich sensible Erscheinung. Genauso wie Paik. Das Problem der Männerdominanz hatte ich mit diesem Lehrer nicht.

Sie sagten einmal, Sie haben erst später verstanden, dass er Sie als Frau in der Klasse auch eingesetzt hat. Wie war das gemeint?

Es war für ihn ein Problem. Zu dieser Zeit, 64 oder früher, waren nur Männer in der Klasse – bis Katharina, ich und Ursula, die spätere Frau von Christiansen, kamen. Ich würde von meinem Gefühl her sagen, dass es für Beuys wirklich ein Schritt war, eine Frau mit hereinzunehmen. Das war für ihn eine Entscheidung, die er sehr bewusst getroffen hat – aus seiner politischen Überzeugung. Weil er aus einer Generation kam – der Generation meines Vaters –, in der das eigentlich nicht denkbar war. Auch in der Kunstszene nicht. Wir wissen, wie dominant die Kunstszene von Männern besetzt war. Ich war geschieden und hatte wenig Geld. Ich habe als Lehrerin gearbeitet und nebenbei noch mein Staatsexamen gemacht. Und ich habe als Kellnerin gejobbt – auch hinter der Bar in der damals sehr bekannten Diskothek Creamcheese, einer der ersten Diskotheken in Deutschland. Irgendwann sprach ich mal mit Alfred Schmela Alfred Schmela (1918 Dinslaken – 1980 Düsseldorf) eröffnete 1957 in der Hunsrückenstraße 16–18 in Düsseldorf eine Galerie. Sein Programm umfasste wesentliche Positionen der deutschen Nachkriegskunst, darunter Joseph Beuys, Gerhard Richter sowie Künstler aus dem Umfeld der ZERO-Bewegung. und habe zu ihm gesagt: „Ich werde jetzt Künstlerin. Ich will mit meiner Kunst Geld verdienen.“ Er antwortete: „Nee, Mädchen. Lass dat sin!“ – in seinem Düsseldorfer Dialekt – „Frauen halten nicht durch.“ Das war die landläufige Meinung über Frauen in der Kunst.

Was haben Sie ihm erwidert?

Gar nichts. Absolut nichts. Ich war, glaube ich, perplex. Ich sehe uns noch bei Klaus Staeck Klaus Staeck (* 1938 Pulsnitz) ist gelernter Grafikdesigner und Jurist. In seinen künstlerischen Arbeiten beschäftigt er sich insbesondere mit der politischen Karikatur. 1965 gründete er den Verlag Edition Tangente, aus dem 1972 die Edition Staeck hervorging. Neben eigenen Arbeiten verlegt Staeck dort auch Editionen anderer Künstler, unter anderem von Thomas Bayrle, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Hanne Darboven, A.R. Penck und Sigmar Polke. Zu den engsten Weggefährten Staecks zählen Joseph Beuys, Dieter Roth und Daniel Spoerri. Von 2006 bis 2015 leitete er als Präsident die Akademie der Künste in Berlin. im Büro für direkte Demokratie auf der Fensterbank sitzen. Ich dachte mir nur: „Natürlich halten Frauen durch.“ Der Einzige aus dieser ganzen Truppe damals, der sich wirklich loyal verhielt, war Klaus Staeck. Er ging immer unglaublich emanzipiert mit Frauen um. Das war wirklich toll. Und auch René Block René Block (* 1942 Velbert) eröffnete Anfang 1964 in Berlin das Grafische Cabinet René Block, aus dem noch im gleichen Jahr die Galerie René Block hervorging. Zwischen 1974 und 1977 betrieb er eine Dependance im New Yorker Stadtteil SoHo. Bis zur Schließung seiner Galerie 1979 zeigte Block in seinem Programm unter anderem Ausstellungen und Aktionen von Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell. In den Folgejahren organisierte Block als Kurator zahlreiche Ausstellungen für die daadgalerie in Berlin sowie für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart, bevor er 1997 die Direktion des Fridericianums in Kassel übernahm. Seit 2008 führt Block die auf Editionen spezialisierte Galerie Edition Block in Berlin. hat Künstlerinnen akzeptiert. Es war die gleiche Generation, wir waren gleich alt.

Bei Beuys war es nicht so?

Ich glaube, dass Beuys, als er Studentinnen in die Klasse aufnahm, sich dazu entscheiden musste.

Sie haben es aber in der Klasse nicht als Problem wahrgenommen?

Nein, natürlich nicht.

Hat Beuys seine Schüler in der Kunstszene vermittelt? Heute läuft das ja häufig über die Professoren der Kunsthochschulen.

Das fand bei uns gar nicht statt, die Szene war ja auch viel kleiner. Es gab weniger Künstler, weniger Galeristen und weniger Kunsthändler. Heiner Friedrich Heiner Friedrich (* 1938 Stettin, Pommern, heute Polen) gründete 1963 gemeinsam mit Franz Dahlem und seiner damaligen Ehefrau Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem in München. 1970 siedelte er mit seiner neuen Lebensgefährtin Thordis Moeller nach Köln über und betrieb dort eine zweite Galerie. Ab 1973 expandierte er in die Vereinigten Staaten und eröffnete im New Yorker Stadtteil SoHo die Heiner Friedrich Gallery Inc. Mit seiner späteren Ehefrau Philippa de Menil und der Kunsthistorikerin Helen Winkler gründete Friedrich 1974 in New York die Dia Art Foundation, die eine dauerhafte Setzung künstlerischer Großprojekte unterstützt. war damals neben Konrad Fischer Konrad Fischer (1939 Düsseldorf – 1996 Düsseldorf) war ein deutscher Künstler und Galerist. In seiner 1967 in der Düsseldorfer Altstadt eröffneten Galerie stellte er frühe Vertreter der Minimal Art und der Konzeptkunst vor, darunter Carl Andre, Hanne Darboven, Bruce Nauman und Lawrence Weiner. Als „Konrad Lueg“ war Fischer vor Gründung seiner Galerie als Künstler tätig und stellte mehrfach unter anderen mit Gerhard Richter aus. Die bekannteste künstlerische Aktion, an der Lueg beteiligt war, fand im Oktober 1963 im Düsseldorfer Möbelhaus Berges unter dem Titel „Leben mit Pop. Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ statt. als Kunsthändler und Galerist sehr bekannt. Fischer in Düsseldorf und Friedrich in München. Heiner Friedrich hat Palermo schon gefördert, als der noch studierte. Beuys hatte mit Friedrich und Fischer eigentlich nicht wirklich etwas zu tun. Sein Galerist und Händler war Schmela und in Berlin René Block. Später war es dann Lucio Amelio Lucio Amelio (1931 Neapel – 1994 Rom) war ein italienischer Kunsthändler, der von 1965 bis 1994 die Galerie Modern Art Agency in Neapel führte. Sein Programm umfasste wesentliche Positionen der internationalen Gegenwartskunst, darunter Joseph Beuys, Stanley Brouwn, Gilbert & George, Jannis Kounellis, Michelangelo Pistoletto, Cy Twombly und Andy Warhol. Nach der Erdbebenkatastrophe in Neapel von 1980 begann Amelio mit dem Aufbau der Sammlung Terrae Motus, die seit 1994 im Palast von Caserta, nördlich von Neapel, dauerhaft zu sehen ist. – also ausländische Galeristen. Amelio war sehr engagiert für Beuys tätig.

Heiner Friedrich hat aus Ihrer Klasse Palermo und Knoebel …

 … abgeholt, ja.

Abgeholt, sagen Sie?

Das kann ich schon so sagen. Friedrich hat sie da abgeholt, wo sie waren. Er hat an dem, was sie schon während des Studiums machten, festgehalten. Das sollten sie weitermachen – und das hat Palermo auch getan. Dafür wurde er finanziell von Friedrich unterstützt.

Wussten Sie damals schon, dass es so lief?

Sicher.

Haben Sie das nicht sehr kritisch gesehen?

Doch, habe ich.

Palermo wurde beispielsweise von Heiner Friedrich der New-York-Aufenthalt finanziert. Das war sicher auch ein Abhängigkeitsverhältnis.

Ja, das war es. Das war ja das Dramatische – und auch das Traumatische für Palermo.

Damals hat aber niemand etwas dazu gesagt?

Was sollte man als Freund denn machen? Man konnte nur sagen: „Du musst dich daraus lösen“ – und das hat er nicht gekonnt.

Weil es finanziell zu interessant war?

Ja, sicher. Und weil es natürlich auch eine Ego-Sache ist. Stell dir mal vor, du wirst als junger Künstler derartig gehypt. Da bist du erst mal froh – wo immer das auch hingeht.

Wenn Heiner Friedrich in der Akademie war, hat er sich dann auch für Ihre Arbeiten interessiert?

Für meine Arbeiten hat er sich nicht interessiert und ich glaube, das hing schon damit zusammen, dass er sich für Künstlerinnen einfach grundsätzlich nicht interessiert hat. Ich habe in meinem ganzen Leben eigentlich immer nur mit Frauen zusammengearbeitet – mit Galeristinnen. Mit der Frauengruppe, die wir 69 an der Akademie gegründet haben, habe ich zum Beispiel auch Aktionen in der Kunsthalle gemacht. Zum großen Ärger des damaligen Direktors der Kunsthalle, Jürgen Harten, Jürgen Harten (* 1933 Hamburg) ist ein Kunsthistoriker, der von 1972 bis 1998 als Direktor die Kunsthalle Düsseldorf leitete. Dort organisierte er viel beachtete Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst, darunter Marcel Broodthaers (1972), Sigmar Polke (1976), Anselm Kiefer (1984) und Gerhard Richter (1986). Von 1998 bis 1999 betreute Harten als Gründungsdirektor die Entwicklung des Museums Kunstpalast in Düsseldorf. und den Künstlerkollegen – das darf man nicht vergessen.

Wodurch haben die sich provoziert gefühlt?

Das hat sich bis heute nicht geändert. Lassen Sie in der Kunstszene mal das Wort Feminismus fallen.

Heute darf man darüber nicht mehr verärgert reagieren, die Leute reagieren eher genervt. Es ist vielmehr ein Augenverdrehen. Haben Sie damals in Düsseldorf mit Ihrer Arbeit über das Thema Menstruation bei Ihren männlichen Kollegen Wut ausgelöst?

Ja. Das war ein Tabu. Damals kam Carolee Schneemann mit ihren Tampon-Aktionen raus. In ihrer Performancearbeit „Interior Scroll“ (1975) las die Künstlerin Carolee Schneemann (* 1939 Fox Chase, Pennsylvania) einen Text über Sexismus in der Kunstwelt von einem aufgerollten Papier, das sie sukzessive aus ihrer Vagina hervorzog. Wir haben sie dann ganz bewusst in Düsseldorf kopiert. In der Frauengruppe war auch eine kalifornische Gaststudentin, mit der ich heute noch befreundet bin: Leslie Labowitz Leslie Labowitz (* 1946 Uniontown, Pennsylvania) ist eine amerikanische Künstlerin, die nach ihrem Abschluss am Otis College Los Angeles 1972 ein Jahr lang in der Klasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf studierte. Sie wurde Ende der 1970er-Jahre mit feministischen Performances bekannt, die seit 2006 in Form eines „Performing Archive“ wieder zugänglich gemacht werden. . Die kannte die Arbeiten von Schneemann aus dem Women’s Building in Los Angeles, wo das alles aufgearbeitet wurde. Carolee Schneemann war ja aus der Ecke Toronto, New York. Wir haben das Konzept dann einfach von Kontinent zu Kontinent übertragen und mit Video einiges nachgestellt. Nicht live wie Carolee. Gott, das hätten wir nicht gewagt! Aber als Videoaufnahme. Oder Leslie Labowitz hat sich öffentlich Locken aufgedreht bei einer „between“-Ausstellung, zu der ich eingeladen worden war. Allein schon bei dieser kleinen Aktion vor der Kunsthalle „between 7 – Yes Sir, That’s My Baby“, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 02.–05. Mai 1973. sind die Leute ausgerastet.

Woran lag das?

Ich habe keine Ahnung. Ich möchte das an einer ganz anderen Sache exemplifizieren, dann wird es rückwirkend vielleicht klarer: Im letzten Jahr habe ich zusammen mit einer Gruppe „Ärztinnen für Frauengesundheit“ eine Ausstellung kuratiert zum Thema Kaiserschnitt. Die Ausstellung „Kaiserschnitt – Goldener Schnitt? Bilder rund um die Geburt“ wurde vom Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft und der GEDOK (Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e. V.), deren Präsidentin Ulrike Rosenbach ist, gemeinsam kuratiert und vom 08. Januar 2015 bis zum 11. Oktober 2016 in verschiedenen Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen, unter anderem in Hamburg, Berlin und München, gezeigt. Wir haben Künstlerinnen dazu eingeladen, die das Thema Geburt und Kaiserschnitt in ihren Bildern behandeln. Für die Wanderausstellung konnten wir nur Bilder und Fotoserien nehmen, Arbeiten also, die an der Wand angebracht werden können. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Thema Geburt in der Kunstgeschichte sehr selten vorkommt. Es ist unglaublich. Wir haben Maria mit dem Kind und das hat uns wohl immer gereicht. Das Thema Geburt ist komplett tabu. Das gibt es nicht. Nicht einmal zu der Zeit, als in Wien Hermann Nitsch und Günther Brus ihre blutigen Aktionen machten, Hermann Nitsch (* 1938 Wien) und Günter Brus (* 1939 Ardning) gehören zu den Hauptvertretern des Wiener Aktionismus, einer Kunstbewegung, die ab den frühen 1960er-Jahren in Wien entstand. Traditionelle Gattungsgrenzen wurden unter Einsatz des menschlichen Körpers als Teil des Kunstwerks – häufig traten die Künstler selbst in Aktion – aufgebrochen. Mit ihren durchaus provokanten Arbeiten zielten die Künstler aus dem Umfeld des Wiener Aktionismus auf direkte Konfrontation mit ihrer Umwelt. hat sich eine Feministin einfallen lassen, das Thema Geburt öffentlich zu machen.

Hat sich nicht Bill Viola Bill Viola (* 1951 New York) ist ein US-amerikanischer Künstler, der seit den 1970er-Jahren vor allem mit elektronischen Bild- und Tontechniken arbeitet. Gemeinsam mit Vito Acconci und Nam June Paik zählt er zu den frühen Vertretern der Videokunst. mit dem Thema beschäftigt?

Möglich, aber das war sehr viel später. Im Jugendstil gab es zwar schon Ansätze der Auseinandersetzung, aber generell hat eine starke Tabuisierung stattgefunden. Über grundsätzliche Themen von Frauen wie Menstruation, Blut und Geburt wurde geschwiegen. Deswegen existierten sie auch in der Kunst nicht. Es gibt Rituale der Männer, die dargestellt und auch sehr früh gezeigt wurden.

Es bleibt die Frage, wodurch die Reaktionen in Düsseldorf zustande kamen. Wahrscheinlich war es gar keine rationale, sondern vielmehr eine ganz unmittelbare intuitive Reaktion.

Das würde ich auch sagen. Ich glaube, die Männer fanden es zudem langweilig, weil sie Frauen mit Lockenwicklern in den Haaren gar nicht sehen wollten. So what? So laufen die Hausfrauen zu Hause rum. Dass das einen kritischen Aspekt hatte, dass genau dieser Teil des weiblichen Lebens, nämlich mit aufgedrehten Lockenwicklern herumzulaufen, als Gesellschaftsbild ein Teil des Lebens der Frauen sein sollte – das war für die Männer völlig uninteressant. Sie wollten die Locken sehen und das Make-up und nicht diese Prozesse.

Gab es Frauen, die sich dafür interessiert haben?

Wir waren nicht viele. Das kann man nicht sagen.

Warum gab es diese Sensibilität nicht einmal unter den Frauen?

Es gab sie noch nicht. Es war 69 – das war zu früh. Das Interesse kam erst langsam mit der Frauenbewegung und ihren Publikationen.

Auch als Sie aus den USA zurückgekehrt sind und 1977 die Schule gründeten Nach dem Vorbild amerikanischer Selbsterfahrungsgruppen von Frauen gründete Ulrike Rosenbach 1976 in Köln eine Schule für Kreativen Feminismus, die bis 1982 bestand. , gab es nicht viele Leute, die sich Ihnen sofort angeschlossen haben?

Die Frauenbewegung in der Kunst war keine Massenbewegung, wie etwa die Frauenbewegung, die gleiche soziale und politische Rechte forderte. Und nicht wie bei der ersten Frauenbewegung der Suffragetten in England, bei der es um das Wahlrecht ging. Die Protestbewegung der Suffragetten (lat. suffragium = Stimmrecht) entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England. Vor allem bürgerliche Frauen engagierten sich in der 1868 gegründeten National Society for Women’s Suffrage für das Frauenwahlrecht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es den Aktivistinnen der Women’s Social and Political Union, die Wahlreform durchzusetzen. Da gab es relativ viele Anhängerinnen, wenn auch nicht so viele, wie man heute denkt. Ich habe vor Kurzem den Film „Suffragette“ wieder gesehen. Das waren Frauen der höheren Gesellschaft, die aufgrund ihrer Bildung die Ungerechtigkeiten und die fehlende Emanzipation erkannten. Wenn man sich um Geld, Kinder, Familie und so etwas kümmern muss, hat man gar nicht die Zeit, viel darüber nachzudenken. Die Menschen leiden, können es aber nicht wirklich ändern. Dann muss es schon sehr weit gehen.

Kann man sagen, dass Sie mit diesem Thema einerseits einen Anspruch an die Gesellschaft – ein politisches Statement – formulierten und es sich andererseits zur Aufgabe gemacht haben, mit Ihrer Kunst in dieser Richtung wirklich etwas zu bewegen?

Ja, ich denke, so war das. Weil ich selbst betroffen war, hat es mich interessiert, Themen von Frauen in die Kunst zu übernehmen. Das war natürlich bei vielen Leuten in der Zeit nicht sehr angesagt. Es war die Zeit der Minimal Art. Da ging es um Formen und Farben. Selbst ich hatte vorher im abstrakten Bereich gearbeitet. Im Kunsthandel lautete die Forderung „Art without context“. Auch die Bestrebungen der damals schon existierenden Ökologiebewegung, Art Movement of Landscape in Großbritannien, wurden unter den Tisch gewischt. Das waren für den Kunsthandel uninteressante Richtungen, weil sie das Dealen mit Kunst nicht besonders gefördert haben.

Es waren damals in der Regel die Galerien, von denen die junge oder neue Kunst gefördert wurde.

Weniger gefördert als geprägt, würde ich sagen. Die Geldfrage war sowieso ziemlich prekär. Keiner hat zu der Zeit sehr viel Geld verdient. Es war nicht wie heute – das waren alles experimentelle Galerien.

Haben damals die Galerien die Künstler gemacht oder haben die Künstler die Galerien gemacht?

Beides. Es war eine Generation, die sich zusammengerauft hat. Die einen haben die Kunst gemacht, die anderen haben sie gezeigt. Aber die meisten Galerien haben sich irgendwie anders ernährt. Rudolf Zwirner Rudolf Zwirner (* 1933 Berlin) betrieb von 1959 bis 1962 eine Galerie in Essen. 1962 eröffnete er neue Räumlichkeiten im Kolumbakirchhof in Köln. Zwirner zählte in den 1960er-Jahren zu den ersten deutschen Kunsthändlern, die in ihrem Programm US-amerikanische Gegenwartskunst vertraten, darunter John Chamberlain, Dan Flavin, Allen Jones, Roy Lichtenstein und Andy Warhol. 1966 gründete Zwirner gemeinsam mit Hein Stünke den Verein progressiver deutscher Kunsthändler, aus dem 1967 der erste Kölner Kunstmarkt hervorging. war ursprünglich Immobilienhändler und Michael Werner Michael Werner (* 1939 Nauen) ist ein deutscher Galerist. Ab 1960 arbeitete er in der Galerie Rudolf Springer in Berlin. 1963 eröffnete er mit Benjamin Katz am Kurfürstendamm die Galerie Werner & Katz und führte ab 1964 seine eigene Galerie in einer ehemaligen Kohlenhandlung. 1968 zog Werner nach Köln und übernahm dort die Galerie Hake, die er ab Oktober 1969 unter seinem Namen weiterführte. In den 70er- und 80er-Jahren vertrat die Galerie Michael Werner unter anderen die Künstler Georg Baselitz, Antonius Höckelmann, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck. Heute ist die Galerie auch in Berlin, London und New York vertreten. 2011 wurde Werner mit dem Preis der Art Cologne ausgezeichnet. hatte anfänglich null Kohle, auch Leute wie Konrad Fischer hatten in den Anfängen wenig Geld.

Wenn die Galerien so experimentell waren und der Handel noch keine große Rolle spielte, gibt es eigentlich auch keinen Grund, warum Ihre experimentellen Arbeiten dort nicht gezeigt wurden?

Das stand überhaupt nicht zur Diskussion.

Weil es für die Galerien die falschen Themen waren?

Das auch. Es war grundsätzlich ungewöhnlich, Werke von Künstlerinnen zu zeigen.

Warum haben Sie zum Beispiel nie bei René Block ausgestellt?

René Block hatte eine Galerie in Berlin. Er machte vor allem Editionen und war an Video weniger interessiert. Aktionen zeigte er in der damaligen Zeit eigentlich nur von Beuys. Am meisten Interesse an meinen Arbeiten zeigte Lucio Amelio – es war immer das Ausland. Ich war in den ersten Jahren viel im Ausland und habe in Österreich und in der Schweiz ausgestellt. Meine Galerien waren STAMPA in Basel und De Appel in den Niederlanden, Galerie Krinzinger Die Galerie Krinzinger wurde 1971 von der Kunsthistorikerin Ulrike Krinzinger (* 1940 Bregenz) in Bregenz gegründet und zog 1973 nach Innsbruck, wo sie bis 1993 bestand. Seit 1986 befindet sich der Hauptsitz der Galerie in der Seilerstätte 16 in Wien. Die Galerie vertritt mit Künstlern wie Günter Brus, Hermann Nitsch, Otto Muehl, Rudolf Schwarzkogler oder Valie Export die österreichische Avantgarde der 1960er-/70er-Jahre. Ein weiterer Schwerpunkt sind Positionen der Performance- und Body-Art, darunter Chris Burden und Marina Abramović. Krinzinger veranstaltete 1978 (21.–30. April) das „Internationale Performance Festival“ und zeigte 1975 die Gruppenausstellung „Zur Situation und Kreativität der Frau“ (14.–18. Oktober 1975) mit ausschließlich weiblichen Positionen. und Galerie nächst St. Stephan. Das waren die Galerien im Ausland, in denen ich mit meinen Arbeiten bemerkt wurde. Und ich war sehr viel in Amsterdam, bei Wies Smals in der Stichting De Appel. Wies Smals (1934 Loon op Zand –1983 Ascona) war eine niederländische Künstlerin und Pionierin der Performancekunst. Sie gründete 1975 das De Appel Arts Center in Amsterdam.

Woran lag es, dass man außerhalb Deutschlands aufgeschlossener war?

Frankreich war wiederum auch nicht so offen. Das ist von Land zu Land in Europa sehr unterschiedlich. In Spanien ist es wieder ganz anders, dort habe ich später viel ausgestellt. Das liegt an der kulturellen Entwicklung in den einzelnen Ländern – und natürlich an der Mentalität. Deutschland hat immer sehr viele Vorurteile: politisch, gesellschaftlich, kulturell. Dieses Land ist durch seine Vorurteile völlig verängstigt. Die Briten lachen darüber … Die hatten immer die bessere Kunstszene. Hier in Deutschland hat das aber keiner gemerkt. Meine Galerien waren Anthony d’Offay und Robert Self. Sie waren viel interessanter als die Galerien in Deutschland. Sehr früh zeigten sie bereits Meret Oppenheim und auch die ganze Clique in England, mit der ich damals zusammen war. In Deutschland war es eigentlich nur Konrad Fischer, der für eine Künstlerin wie mich interessant genug gewesen wäre.

Er hat Ihre Arbeiten aber nicht ausgestellt?

Nein, er war nicht interessiert. Wir waren befreundet, aber meine Arbeiten hat er nicht ausgestellt. Später war ich in Bonn bei der Galerie Philomene Magers, also bei einer Galeristin, verpflichtet – allerdings ohne Vertrag. Man darf auch nicht vergessen: Wir waren alle abends im Füchschen oder im Ratinger Hof und haben mit Konrad Fischer Flipper gespielt – trotzdem haben wir nicht bei ihm ausgestellt. Weder die Imis, noch Palermo oder Polke. Ich glaube, Richter war der Einzige, der dort ausgestellt hat. Das war aber auch gar nicht wichtig. Ich fand es toll, dass Konrad Fischer uns die ganzen amerikanischen Künstler vorstellte. Das war sein Ding und da hat er sich voll reingehängt. Das war super. Keiner von uns wäre je auf die Idee gekommen, ihn deswegen zu kritisieren oder zu sagen: „Jetzt stell uns doch mal aus.“ Das gab es gar nicht.

Warum haben Sie sich damals nicht selbst Ausstellungsmöglichkeiten geschaffen, so wie es viele junge Künstler gemacht haben und machen?

Ich habe eigentlich genug ausgestellt.

In Deutschland hatten Sie relativ wenige Ausstellungen.

In Deutschland, ja. Obwohl wir auch mit der Akademie in verschiedenen Räumen ausgestellt haben … Das taucht in der Biografie nur nicht auf, weil es nichts Wichtiges war. Wir haben alle Düsseldorfer Ausstellungen bestückt und waren in der Stadt natürlich präsent. Es gab zum Beispiel die „betweens“ Die Veranstaltungen unter dem Titel „between“ gehen auf einen Vorschlag Jürgen Hartens zurück, der diesen 1969 mit dem Künstler Tony Morgan entwickelte. Zwischen zwei Ausstellungen der Kunsthalle Düsseldorf fanden in der Zeit von 1969 und 1982 insgesamt neun „betweens“ statt. Siehe auch Renate Buschmann, „Chronik einer Nicht-Ausstellung. between (1969–1973) in der Kunsthalle Düsseldorf“, Berlin 2006. mit Jürgen Harten und Wulf Herzogenrath – das war anspruchsvoll. Dann waren wir bei der Düsseldorfer Ausstellung des Malkastens dabei. „Malerei – Plastik – Grafik“, Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf, 1974. Und wir hatten den einen oder anderen Atelierraum, in dem wir ausgestellt haben. 1973/74 war ich schon auf Reisen in den USA und es wusste natürlich jeder in der Szene, dass ich Feministin war.

Ich habe 1975 in Paris nach meiner Aktion „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“ an die Wand geschrieben: „Cela une pièce d’art féminisme.“ Damals hat Jean-Christophe Ammann Jean-Christophe Ammann (1939 Berlin – 2015 Frankfurt am Main) war ein Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher. Er war Direktor des Kunstmuseums Luzern (1968–1977), der Kunsthalle Basel (1978–1988) sowie des Frankfurter Museums für Moderne Kunst (1989–2001). 1972 war Ammann als Mitarbeiter Harald Szeemanns an der „documenta 5“ beteiligt und war 1995 kommissarischer Leiter des Deutschen Pavillons auf der „46. Biennale von Venedig“. Ab 1998 lehrte er als Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. zu mir gesagt: „Das ist das Ende deiner Karriere, bevor sie angefangen hat.“ Und so war es auch.

Ammann hat das gesagt?

Ja. Er hat damals als Journalist gearbeitet und in einem Interview haben wir über die Art féministe oder Feminist-Art In den 1970er-Jahren wurde im Zuge der feministischen Protestbewegungen in den USA und in Europa der Begriff „Feminist-Art“ oder „Art féministe“ geprägt. Künstlerinnen wie Barbara Kruger (* 1945 Newark, New Jersey), Cindy Sherman (* 1954 Glen Ridge, New Jersey) und Hannah Wilke (1940 New York – 1993 Houston) verstanden ihre Arbeiten zu Repräsentationen von Weiblichkeit, Frauenkörpern oder sexistischen Medienbildern auch als feministischen Aktivismus. , die damals eine internationale Bewegung war, gesprochen. In Deutschland war sie nicht sehr ausgeprägt, schon gar nicht im Westen. Eher noch in Berlin in Form von sozialistischer Malerei, die später in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst zu sehen war. Die neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), Berlin zeigte vom 09. Mai bis zum 23. Juni 1991 die Ausstellung „Außerhalb von Mittendrin. Bildende Kunst, Theater, Musik, Literatur und Film. Kunst von Frauen aus der ehemaligen DDR“ und im selben Jahr vom 03. Juli bis zum 12. Oktober „Charme, Zement und Schwefelsäure. Frauenbilder aus der DDR der 50er Jahre“.

Wer war das damals in Berlin?

Da gab es die Theoretikerin Silvia Bovenschen Silvia Bovenschen (1946 Waakirchen – 2017 Berlin) war eine deutsche Literaturwissenschaftlerin und Autorin, die in Frankfurt am Main bei Theodor W. Adorno Philosophie, Soziologie und Germanistik studierte. Sie lehrte 20 Jahre lang am Literaturinstitut der Goethe-Universität Frankfurt am Main und wurde unter anderem 2007 mit dem Ernst-Robert-Curtius-Preis und 2012 mit dem Schillerpreis der Stadt Mannheim ausgezeichnet. Bovenschen lebte mit der Malerin Sarah Schumann zusammen und veröffentlichte 2015 das Buch „Sarahs Gesetz“ über diese Beziehung. – und ein ganzes Spektrum von Malerinnen, darunter Sarah Schumann Sarah Schumann (* 1933 Berlin) ist eine deutsche Malerin, deren erste Einzelausstellung 1953 in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main gezeigt wurde. Nach mehrjährigen Aufenthalten in London und Italien lebt sie seit 1968 wieder in Berlin, wo sie sich der Frauengruppe Brot und Rosen angeschlossen hat. und Gisela Breitling Gisela Breitling (* 1939 Berlin) wurde an der Hochschule für Bildende Künste Berlin ausgebildet und lebt dort seit 1968 als freischaffende Malerin und Autorin. Sie war an einer Arbeitsgruppe der nGbK zur Dokumentation der Kunst von Frauen in Berliner öffentlichen Sammlungen beteiligt (1987/88). . Auf der Ostseite gab es sie auch. Im Düsseldorfer Raum war diese Bewegung nicht stark ausgeprägt. Da gab es eher die Gruppe ZERO Ab 1958 verwendeten Heinz Mack und Otto Piene den Begriff „ZERO“ im Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellungen sowie in den drei Ausgaben der von ihnen in Düsseldorf herausgegebenen Zeitschrift. Ab 1961 nahm auch Günther Uecker regelmäßig an den Ausstellungen und Aktionen der ZERO-Bewegung teil. ZERO stand für Aufbruch und Neubeginn, die Stunde null und einen radikalen Neuanfang nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. ZERO setzte sich deutlich vom etablierten Informel ab. Mit neuen Materialien, insbesondere unter Einsatz von Bewegung, Licht und Raum als Teil des künstlerischen Werks, etablierte ZERO eine neue Bild- und Formensprache. Vgl. Wieland Schmied, „Etwas über ZERO“, in: Dirk Pörschmann/Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 9–18. , deren Mitglieder etwas älter sind als ich. Damals war diese Düsseldorfer Kunstszene schon bekannter und etablierter. Es gab die Fernsehgalerie von Gerry Schum, mit dem ich sehr gut befreundet war, aber ich hatte ein völlig anderes Verständnis von Videoshooting als er. Gerry Schum kam vom Film mit anderen Auffassungen über Farbe und Licht. Die Grauskala im Schwarz-Weiß-Video war für ihn sehr wichtig. Ich habe ganz anders im Licht- und Schattenbereich gearbeitet. Wir sind uns auf der Ebene der Videotechnik überhaupt nicht einig geworden. Was die Frauenbewegung betrifft, war ich schon 1969 mit Lucy Lippard Lucy R. Lippard (* 1937 New York) ist eine Kunsthistorikerin, die für ihre Arbeiten zur konzeptuellen Kunst des 20. Jahrhunderts bekannt ist. Nach einem Studium am Smith College in Northhampton und der New York University arbeitete sie ab 1962 als Kritikerin für die Fachzeitschriften „Art International“ und „Artforum“. Sie war an der Gründung der Art Workers’ Coalition im Jahr 1969, der Künstlerbuchhandlung Printed Matter 1976 und des feministischen Kollektivs und Magazins „Heresies“ 1977 beteiligt. Zu Lippards wichtigsten Publikationen zählen „Six Years. The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972“ (1973), „From the Centre. Feminist Essays on Women’s Art“ (1976) und „Eva Hesse“ (1976). in New York im Feminist Art Desk.

Was hat Sie damals in die USA verschlagen?

Das ist eine gute Frage. Lucy Lippard hatte ein Buch geschrieben, „From the Centre“ Lucy R. Lippard, „From the Centre. Feminist Essays on Women’s Art“, New York 1976. , und dafür suchte sie auch nach Künstlerinnen in Europa. Ich glaube, sie hat mich über die Stichting De Appel gefunden. So kam der Kontakt mit Lucy Lippard zustande. Und dann gab es im Kontext dieser Publikation eine große Ausstellung, die in ganz Amerika durch die Galerien der Colleges wanderte. „c. 7,500“, 1973, organisiert von Lucy Lippard. Das gibt es in Deutschland gar nicht. In Amerika sind die Art Galleries in den Universitäten und Colleges aber äußerst wichtig gewesen und sehr bemerkt worden. Lippard hat dann in New York ein Feminist Art Desk gegründet. Man könnte sagen, das war ein Adressbuch aller Künstlerinnen der damaligen Underground-Avantgarde. Da waren sie alle dabei und ich wurde eingeladen, mich auch eintragen zu lassen. Das war also die Ostküste. So früh hatte ich mit Los Angeles und dem Women’s Buildung nichts zu tun. In Lippards Verzeichnis waren Hannah Wilke Hannah Wilke (1940 New York – 1993 Houston) war eine US-amerikanische Künstlerin, die nach einem Kunststudium in Philadelphia ab 1965 in New York lebte und dort von 1972 bis 1991 an der School of Visual Arts Manhattan unterrichtete. Ihre erste Einzelausstellung hatte Wilke 1972 in der Galerie Ronald Feldman Fine Arts in New York. Im gleichen Jahr war sie auf der „documenta 5“ vertreten. Zu Wilkes bekanntesten Arbeiten zählen die Performances „Intercourse with …“ (1976/77) und „Hannah Wilke Through the Large Glass“ (1977). Wilke nahm unter anderem an der von Lucy R. Lippard kuratierten Ausstellung „Women Choose Women“ (1973) im New York Cultural Center sowie den Ausstellungen „Feministische Kunst Internationaal“ im De Appel Arts Center in Amsterdam (1978) und „American Women Artists“ am Museu de Arte Contemporânea da Universidade de São Paulo (1980) teil. , Yoko Ono Yoko Ono (* 1933 Tokio) ist eine US-amerikanische Künstlerin japanischer Herkunft. Nach dem Abbruch ihres Musikstudiums am Sarah Lawrence College in Yonkers, New York, bezog sie Ende der 1950er-Jahre gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Toshi Ichiyanagi ein Loft im New Yorker Stadtteil Manhattan. Im Umfeld von John Cage und La Monte Young schloss sie sich der US-amerikanischen Fluxus-Bewegung an. Zu ihren bekanntesten Arbeiten dieser Zeit zählen die Aktionen „Wall Piece for Orchestra“ (1962) und „Cut Piece“ (1965). 1966 lernte Ono den Musiker John Lennon in London kennen, den sie im März 1969 heiratete. Bis zu Lennons Ermordung im Dezember 1980 arbeitete das Paar an experimentellen Musikkompositionen und engagierte sich politisch. Onos künstlerisches Werk wurde international gezeigt, unter anderem auf der documenta 5 (1972) und 8 (1987). und Yvonne Rainer Yvonne Rainer (* 1934 San Francisco) wurde als Tänzerin und Choreografin mit dem Judson Dance Theater bekannt, dem sie seit der Entstehung 1962 gemeinsam mit unter anderen Trisha Brown, Sally Gross und Carolee Schneemann angehörte. Ab den 1970er-Jahren produzierte Rainer außerdem experimentelle und feministisch motivierte Filme. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählen „A Film About a Woman Who …“ (1974) und „Privilege“ (1990). Rainer lehrt seit 1974 im Whitney Independent Program des Whitney Museum of American Art in New York. Sie hat an der documenta 6 (1977) und 12 (2007) teilgenommen. , also die ganze Riege aus New York. Daher kennen wir uns alle. Als Beuys damals in New York war und im Stanford Hotel wohnte, hat Lucy Lippard für ihn ein Women’s Breakfast gegeben. Es waren 50 Künstlerinnen eingeladen. Ich war gerade in der Stadt, weil ich zu einer Performance im Aktionsraum 112 Greene Street eingeladen war 112 Greene Street war eine Galerie im New Yorker Stadtteil SoHo, die in einem leer stehenden sechsstöckigen Fabrikgebäude von Jeffrey Lew und seiner Ehefrau Rachel Wood 1970 gegründet wurde und bis 1976 unter anderen Vito Acconci, Mary Heilman, Gordon Matta-Clark und Richard Serra zeigte. 1973 zeigte Ulrike Rosenbach dort eine Live-Performance. – die erste und einzige, die ich in New York City gemacht habe. In Stanford wurde ein großer Raum mit Tischen gemietet. Es gab Kaffee und dann sollte ich Beuys aus seinem Apartment holen.

War das Beuys’ erster Besuch in New York?!

Ja, das war sein erster Besuch. Staeck und Block waren auch dabei. Zu dritt kamen sie aus seinem Apartment, in dem Beuys alle möglichen Leute empfing, die etwas von ihm wollten. Ein ständiges Kommen und Gehen. Es war unglaublich interessant. Man kann sich nicht vorstellen, was da abging.

Wie kam das? Warum schenkte man ihm so viel Aufmerksamkeit?

Ronald Feldman Ronald und Frayda Feldman eröffneten 1971 in der 33 East 74th Street in Manhattan eine Galerie. Sie arbeiteten unter anderen mit den Künstlern Chris Burden, Andy Warhol, Hannah Wilke und Eleanor Antin zusammen. Ab 1974 wurde auch Joseph Beuys von Feldman vertreten. war sein Galerist. Und der hat damals schon dafür gesorgt, dass es ein Event auf sozialgesellschaftlicher Basis werden würde. Es ging nicht nur um Beuys als angesagten Künstler, es ging – und das wollte Beuys so – um den Künstler, der in der Kunst eine neue Gesellschaftsform entwickelt. Mit seinen Worten ausgedrückt: Es ging um die Soziale Plastik. Jedenfalls habe ich ihn mit Staeck und Block zum Women’s Breakfast gebracht und in dem Moment, als die Tür aufging und er die 50 Frauen da sitzen sah, nahm Beuys seinen Hut ab und grüßte sie. Das war sehr süß! Ich habe noch die Kamera hochgerissen, aber leider ist das Bild verwackelt. Es gibt jedoch immerhin die Aufnahme, wie Beuys im Angesicht von 50 Frauen seinen Hut zieht. Es war wirklich lustig. Anschließend saß er dann mitten unter ihnen.

Block und Staeck. Die beiden haben eigentlich nicht besonders harmoniert, oder?

Sie waren einfach sehr unterschiedliche Menschen. Extrem. Es waren zwei ganz verschiedene Überzeugungen. Staeck war der Begleiter, der die Terminologie der Politik und Gesellschaft beherrschte, und Block war der Begleiter als Galerist. So war es immer. Das waren zwei ganz verschiedene Felder und sie sind sich nicht wirklich so oft begegnet.

Mit dem zeitlichen Abstand erscheint einem das irgendwie sehr merkwürdig. Beide sind groß mit ihren Editionen herausgekommen und hatten zu demselben Künstler nicht nur ein besonderes, sondern auch ein besonders enges Verhältnis.

Ja. Es waren zwei ganz verschiedene Formen von Editionen. Die Edition Block konzentrierte sich auf Objekte und Staeck konzentrierte sich auf den gesellschaftlichen Umraum: auf die soziale Idee und auf das Geistige, die sogenannte „Soziale Plastik“. Das heißt, es entstanden ganz unterschiedliche Editionen. Und so muss man das auch sehen: Es waren unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ansätzen.

Ab Ende der 60er-Jahre sind an den verschiedensten Orten Editionen entstanden. Auch Ihre Arbeiten sind reproduzierbar.

Ja, ich habe auch Objekte als Editionen gemacht. 1989 produzierte Ulrike Rosenbach für den Oldenburger Kunstverein eine Edition von 15 Serigrafien (Siebdruckarbeiten) nach Originalzeichnungen in einer Auflage von 50 Stück. Fünf weitere Editionen entstanden in den Jahren 1992 bis 2003.

In limitierter Auflage?

Ja, natürlich. Das war nicht wie Postkartenkunst oder Mail-Art, Die Mail-Art entstand in den 1960er-Jahren im Umfeld der Konzeptkunst. Die Kunst erreicht ihren Adressaten per Mail beziehungsweise Post in Form einer Postkarte oder eines anderen Objekts, das den Vorgang des Sendens, des Transports und des Empfangens als Teil des Kunstwerks beinhaltet. die damals ja auch sehr in war.

Was Staeck ebenfalls gemacht hat.

Was Staeck auch sehr aktiv mitgemacht hat, das stimmt. Aber man muss sagen, dass die junge Avantgarde, diese Generation, aus der ich komme, gegen den Kunsthandel im bürgerlichen Sinne war. Wir wollten keine Kunst für den Kunsthandel machen. Das war unser Statement. Die angehenden Medienkünstler, damals Videokünstler genannt, wollten Kunst mit der Verbreitung im Fernsehen machen. Wir wollten die Fernsehkultur, die damals aus drei Sendern in jedem Land bestand, restaurieren und revolutionieren. Das war eigentlich unsere Intention. Es gab in Europa kaum private Sender. In Amerika gab es schon die ersten privaten Sender, Die drei größten privaten TV-Sender in den USA in den 1970er-Jahren waren: NBC, CBS und ABC. Ab Ende der 1970er-Jahre kam das Kabelfernsehen hinzu, dazu gehörten HBO und CNN. als ich 1973/74 zusammen mit meinem Freund Klaus vom Bruch in Los Angeles und New York war. Damals entdeckten wir Neighbourhood TV in Kanada und auch in den Vereinigten Staaten. Davon waren wir begeistert. Es kam uns zu der damaligen Zeit sehr experimentell vor. Wir fanden toll, dass so etwas möglich war: eine Sendung ohne den Einfluss des Staats, sondern wirklich in einer Nachbarschaft, eine Neighbourhood, die zusammen etwas kreierte. Das war ein gesellschaftlicher Kulturbegriff, der etwa in die Richtung der Sozialen Plastik ging: zusammen kreativ zu sein, Kunst und Leben verbinden. Das fanden wir überzeugend.

Sie haben damals ein Format für das private Fernsehen entwickelt.

Alternativ-TV. ATV. Alternativ Television ATV wurde von Ulrike Rosenbach, Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach 1975 im gemeinsamen Videostudio in Köln als alternatives privates Kulturfernsehprogramm gegründet. Die Künstler konnten ihr Programm, das vor allem aus den eigenen Videoproduktionen bestand, nur im kleinen Umkreis illegal senden oder zu Vorführungen ins Studio einladen. Siehe auch: Ulrike Rosenbach zu „ATV“, unter: http://www.medienkunstnetz.de/werke/atv-studio/ (eingesehen am 01.09.2017).

Das haben Sie auch gesendet.

Ja. Es war aber verboten. Man hatte im WDR 3 und im NDR 3 damals schon Redakteurinnen: im NDR Victoria von Flemming und im WDR Wibke von Bonin. Das waren die beiden Redakteurinnen, die sehr viel Avantgardekunst in ihren Sendungen gezeigt haben. Dann gab es „titel, thesen, temperamente“ Das Kulturmagazin „titel, thesen, temperamente“ wird seit 1967 einmal wöchentlich in der ARD gesendet und von den lokalen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern BR, HR, MDR, NDR, RBB und WDR abwechselnd produziert. In 30 Minuten werden über aktuelle Produktionen und Debatten aus der Kultur- und Kunstszene berichtet. . Es war also durchaus auch Kunst auf den lokalen Sendern zu sehen. Heute gibt es dafür auf 3sat jeden Abend um 19 Uhr „Kulturzeit“. Die 35-minütige Fernsehsendung „Kulturzeit“ wird seit 1995 werktags auf dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender 3sat ausgestrahlt und berichtet als „Fernsehfeuilleton“ (zitiert nach dem Internetauftritt der Sendung) aus dem Kulturbetrieb und aktuellen Kulturdebatten.

Das ist eine Berichterstattung.

„Kulturzeit“ war einmal eine Sendung, die sich nur für Kunst interessiert hat. Da gab es aber wahrscheinlich zu geringe Einschaltquoten. Und das ist immer das Problem. Wir haben uns das damals natürlich nicht klargemacht. Das Geld spielt beim Fernsehen die führende Rolle: ob es privates oder öffentliches Geld ist, völlig egal. Wir hatten damals wahnsinnige Illusionen, mordsmäßig naiv. Ohne Geld keine Verbreitung.

Das kulturpolitische Programm „Kultur für alle“, das in den 70er-Jahren propagiert wurde, Ab Ende der 1970er-Jahre wurden in Deutschland zunehmend kulturpolitische Programme initiiert, die zu einer demokratischen Öffnung des Kunst- und Kulturfelds beitragen sollten. Mit seinem Buch „Kultur für alle“ (1979) gehörte der Kulturschaffende Hilmar Hoffmann zu den wichtigsten Impulsgebern dieser Entwicklung. hat nicht nur zur Überwindung der Schwellenangst, sondern auch zur Verflachung des Angebots geführt. Würden Sie im Nachhinein sagen, es war der richtige Weg, „Kultur für alle“ oder in dem Fall „Kunst für alle“ machen zu wollen? Will man, dass so viele Leute wie möglich damit erreicht werden können? Will man Kunst im Fernsehen haben? Oder haben wir nicht gerade dadurch eine Situation mit immer weniger Räumen, in denen wir die Kunst erleben können, wie wir sie vielleicht erleben müssten?

Ich glaube, die Situation hat sich wenig geändert. Wir haben in Berlin, Leipzig oder anderen großen Städten eine relativ große Undergroundszene, in der mit Performances und Aktionen, mit experimenteller Musik, Film und so weiter umgegangen wird, desgleichen auch an den Kunsthochschulen. Gleichzeitig haben wir natürlich das, was es immer gab: Eine breite Kulturszene, die sich zwar nicht für solche speziellen künstlerischen Vorgänge, die auch sehr viel mit geistigen Vorgängen zu tun haben, interessiert, davon aber doch sehr beeinflusst ist – das darf man nicht vergessen. Eine Szene beeinflusst die allgemeine Kultur. Sie können sich ein modernes Theaterstück ohne die Geschichte und das Verständnis von Performancekunst heute gar nicht mehr vorstellen. Das war früher ganz anders. Das, was die Avantgarde machte, und das, was im Kulturleben zu sehen war, war viel stärker voneinander getrennt. Das breite Publikum wollte sich aber damals wie heute immer nur unterhalten lassen.

Ich denke, wir haben jetzt auch einen Generationenkonflikt. Es gab eine Zeit, in der es für eine neue, junge bourgeoise Szene relativ interessant war, in die Museen zu gehen, sich junge Kunst anzuschauen und auch zu erwerben. Diese Szene gibt es demnächst nicht mehr. Die Generation ist jetzt alt und es ist auch nichts nachgewachsen, weil inzwischen ein ganz anderer Kunstbegriff in unserer Gesellschaft herrscht. Es gibt zum Beispiel eine Komponente, die wir bisher noch gar nicht erwähnt haben: das Design. Im Postmodernismus ist Design in der Zusammensetzung mit Kunst eine neue Sichtweise. Max Holleins Vater Hans Hollein (1934 Wien – 2014 Wien) studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien, am Illinois Institute of Technology in Chicago und an der University of California in Berkeley. 1964 eröffnete er ein eigenes Büro in Wien. Er war in den Bereichen Architektur, Design, Ausstellungsgestaltung und Bühnenbild tätig. Hollein war Mitbegründer und 1964 bis 1970 Redakteur der Wiener Zeitschrift „Bau“. Bekannt wurde er 1965 mit dem Bau des Kerzengeschäfts Retti in Wien. Er entwarf unter anderem das Museum Abteiberg Mönchengladbach (1982) und das Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (1991). Von 1967 bis 1976 lehrte er als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, von 1976 bis 2002 an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 1985 erhielt Hollein den Pritzker Prize für Architektur. , der Architekt an der Düsseldorfer Kunstakademie war, passt durchaus in diese Richtung des Avantgarde-Verständnisses von Design und Architektur. Es geht auch um das Bild in der privaten Wohnkultur. Die Minimal-Arbeit musste immer in Knoll International Die Möbelfirma Knoll International wurde 1938 in New York gegründet und arbeitete unter anderen mit Mies van der Rohe und Charles und Ray Eames zusammen. Der Name steht für eine Innenausstattung im Stil der klassischen Nachkriegsmoderne. passen. So war es in den 70er-Jahren. Heute gibt es eine andere Form von Zusammenpassen. Wir haben eine neue Zeit, eine neue Generation. Und jede Generation muss da ihren Weg finden. Was Sie eventuell vermissen, ist die geistige Eloquenz, die geistige Fortsetzung oder die geistige Intensität, die Kunst haben kann. Die ist heute vielleicht weniger sichtbar – sie ist mehr dem oberflächlichen Design oder dem Aussehen gewichen.

Mit einem Programm, das alle erreichen soll, wird das Museum zum Unterhaltungstempel mit der Maxime: „Je mehr Besuche, desto besser.“ Sie fordern den Betrachter mit Ihrer Kunst sehr und haben einen hohen Anspruch, was die Wirkung anbelangt. Den kann ein Museumsbesucher, der im Schnitt vielleicht 30 Sekunden auf ein Werk verwendet, kaum erfüllen.

Viele sagen, dass es so ist, wie Sie es gerade ausgeführt haben. Ich bin da ein bisschen skeptisch. Ich denke, wenn man das wirklich analysieren oder bewerten will, muss man sich die neuen Verhältnisse genauer anschauen. Dazu zählt die Tatsache, dass das Fernsehen uns eine ganz neue Sichtweise beschert, durch die wir sehr viel schneller sehen als früher. Schauen wir deswegen oberflächlicher? Können wir auch die geistige Tiefe eines Bilds oder eines Films noch erfassen, wenn wir schneller schauen? Das ist die Frage. Ich habe darauf keine Antwort. Ich denke, dass sich da in Ihrer Generation langsam eine neue Diskussion zu diesem Thema breitmacht, in der genau das überlegt wird: Ob wir nur in der langsamen Betrachtung auch eine tiefe Vorstellung von Kunst erlangen können.

Können Sie in Bezug auf Ihre Arbeiten eine Veränderung des Rezeptionsverhaltens feststellen?

Aber ja, natürlich. Das hat sich schon ziemlich früh entwickelt. Ich würde sagen, dass sich das Rezeptionsverhalten gegen Ende der 80er-Jahre/Anfang der 90er-Jahre verändert hat. Ich habe das am besten erfahren können, wenn ich bei Vorträgen meine Videoarbeiten aus den 70er-Jahren gezeigt habe und die Studenten gähnend davor saßen: „Was soll das denn?“ Ich habe dann erklärt, dass real-time heißt, geringe zeitliche Übergriffe zu machen, die wie in der Konzeptkunst wahrgenommen werden müssen, wie zum Beispiel geringe, langsame und sensible Schattierungsveränderungen im Licht oder in der Farbe. Und dass diese im Video genauso eine Rolle spielen wie in einer Plastik oder auf einem Bild aus dieser Zeit. Vielleicht finden wir heute nichts mehr daran oder die junge Generation findet nichts Wertvolles mehr an diesen Produktionen in kleinen Schritten. Es ist eine Frage der Werteskala, die ich beachte. Und das betrifft das ganze gesellschaftliche Leben – auch die Filmtechnik, wie Filme geschnitten werden. Wie Unterhaltung im Allgemeinen funktioniert … heute muss alles actionmäßig sein. Was soll ich dazu sagen? That’s how it is.

Sie haben das Rezeptionsverhalten auch im Verhältnis Deutschland–USA erlebt. Besonders deutlich konnten Sie das wahrscheinlich bei Ihren Live-Performances erfahren? Wie haben die Leute damals reagiert?

In den 70er-Jahren war das alles neu. Es war neu, sich körperlich so zu exhibitionieren, wie wir das in Aktionen taten, und dementsprechend hat das auch Reaktionen und Kritik hervorgerufen. Heute ist das nicht mehr so. Es gibt eine Schwemme von performativen und aktionistischen Arbeiten und Darstellungen. Die werden heute anders eingestuft, auch weil diese künstlerische Ausdrucksform ja nicht mehr neu ist. Performancekunst war in den 70er-Jahren in Deutschland so gut wie nicht vorhanden. Es gab einige wenige Performancekünstler wie zum Beispiel Richard Kriesche Richard Kriesche (* 1940 Wien) wurde an der Akademie der bildenden Künste Wien ausgebildet und arbeitet seit den 1960er-Jahren in Medienkunst und Videoperformance. Ab 1977 leitete er das Audiovisuelle Zentrum Graz. Von 1988 bis 1991 lehrte er an der Technischen Universität Wien und von 1991 bis 1996 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Er war auf der documenta 6 (1977) und 8 (1987) vertreten und stellte 1995 im Österreichischen Pavillon der 46. Biennale von Venedig aus. . In Österreich hatte man natürlich die ganze Riege der Wiener Aktionisten, und dazu gehörten auch Peter Weibel und Valie Export. Valie Export (eigtl. Waltraud Lehner; * 1940 Linz) zählt zu den Wegbereiterinnen der feministisch geprägten Performance- und Medienkunst. Gemeinsam mit ihrem damaligen Lebenspartner Peter Weibel (* 1944 Odessa) entwickelte sie zwischen 1968 und 1972 Aktionen, die im öffentlichen Raum stattfanden, darunter „Tapp- und Tastkino“ (1968) und „Aus der Mappe der Hundigkeit“ (1969). Die Österreicher waren in Europa die Vorreiter für diese Entwicklung. Auch in Holland war es interessant: Da gab es Räume, die sogenannten „Stichtings“, das waren Stiftungen des Staats, die finanziert wurden. Die Galeristen – heute würde man Kuratoren sagen –, die ich kannte und die für diese Räume die Programme entwarfen, haben in der Mehrzahl mit ausländischen Künstlern gearbeitet. De Appel war ein Treffpunkt für ausländische Performancekünstler in Amsterdam. In New York an der Ostküste waren für meine Begriffe die interessantesten Avantgardekünstler in der Zeit. Sie gingen schon mit neuen Medien um, kamen teilweise vom Film wie Yvonne Rainer oder aus dem Tanz wie die Kanadierin Simone Forti Simone Forti (* 1935 Florenz) ist eine Künstlerin, Choreografin und Tänzerin, die als Wegbereiterin des postmodernen Tanzes gilt. Sie war Teil des experimentellen Judson Dance Theatre-Kollektivs in New York und wurde 1960 mit der Aufführung der „Dance Constructions“ (1960/61) in der Reuben Gallery in New York bekannt. . An der Westküste war es wiederum eine ganz andere Situation: Los Angeles hatte keine vergleichbaren Strukturen. Das war lokal sehr unterschiedlich. Auch in Deutschland. Man kann da nicht von einer Bewegung sprechen. Eine internationale Bewegung gab es nur im kleinen Stil. Aber es gab immer wieder Treffpunkte wie De Appel oder die Symposien und Festivals in Österreich. Die Gruppe war klein. Performance oder Aktion war längst nicht so breit wie heute und wurde auch an den Kunsthochschulen nicht gelehrt. Allenfalls in Los Angeles, da hatte man das California Institute of the Arts, oder in San Diego mit Allan Kaprow Happenings und Fluxus. An den beiden Orten ging es dann schon ein bisschen besser.

Wenn Sie an Ihre ersten Live-Performances denken: Wie hat das Publikum auf Sie reagiert? Oder wie haben Sie das wahrgenommen?

Ich denke, dass das immer ein ziemlich spezialisiertes Kunstpublikum war. Wenn ich im Ausland arbeitete, habe ich häufig in Museen gearbeitet: 1986 im Museum in Tel Aviv oder 1977 in Melbourne in der National Gallery – also in den großen Häusern, in denen damals avantgardistische Kunst gezeigt wurde. Hier in Deutschland waren die Kunstvereine besonders wichtig. Die waren damals noch besser finanziert und ein Forum für die jungen Künstler, die Performance, Medienkunst und so weiter machten. Und dann gab es die ersten Agenturen, die Videokunst verliehen und verkauft haben.

Haben Sie mit anderen Künstlern aus diesem Bereich Kontakt gehabt? Ulay war zum Beispiel in Amsterdam.

Ja, zusammen mit Marina Abramović Marina Abramović (* 1946 Belgrad) ist eine Performancekünstlerin, die in den 1970er-Jahren mit Performances wie „Rhythm 0“ (1974) oder „Art must be beautiful“ (1975) bekannt wurde. Abramović sucht in ihrer Arbeit Grenzerfahrungen zwischen Körper und Geist. Zwischen 1976 und 1989 arbeitete sie mit dem Künstler und ihrem damaligen Lebensgefährten Ulay (* 1943 Solingen) zusammen. Ihre gemeinsamen Performances, darunter „Relation in Time“ (1977), thematisieren die Beziehung zwischen zwei Menschen, die einander nahestehen, bisweilen sogar symbiotisch auftreten, und doch von ihren individuellen Ausprägungen, Vorstellungen und Wünschen stark geprägt sind. Abramović wurde 1997 für ihren Beitrag im Serbischen Pavillon der „47. Biennale von Venedig“ mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. 2010 richtete das Museum of Modern Art in New York eine große Retrospektive ihres Werks aus. .

Oder wie war Ihr Kontakt zu Rebecca Horn Rebecca Horn (* 1944 Michelstadt) studierte von 1963 bis 1971 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der Saint Martin’s School of Art in London und lebte zwischen 1972 und 1981 in New York. Ihre erste Einzelausstellung fand 1973 in der Galerie René Block in Berlin statt. Horn wurde mit Performances, Rauminstallationen und kinetischen Skulpturen wie „Paradieswitwe“ (1975) oder „Die Pfauenmaschine“ (1979/82) bekannt. Von 1989 bis 2004 war sie Professorin an der Universität der Künste Berlin. Sie war auf der documenta 5 (1972), 6 (1977), 7 (1982) und 9 (1992) vertreten und nahm an der 39. (1980), 42. (1986) und 47. (1997) Biennale von Venedig teil. 1992 erhielt Horn den Kaiserring der Stadt Goslar. ?

Rebecca Horn lebte in einer ganz anderen Szene. Ich lebte und arbeitete eher in einer Frauenszene. Ich habe fast nur mit Frauen zusammengearbeitet, auch weil mir immer der Feminismus angelastet wurde. Das war bei Rebecca Horn nicht so. Die Frauen haben zwar ihre Arbeiten geliebt, aber sie selbst hat sich nicht mit dieser sogenannten „Rand-“ oder „Undergroundszene“ befasst. Sie hat auch keine Aktionen in dem Sinn gemacht. Sie hat diese ersten, von ihrem Freund und Assistenten Mitzka aufgenommenen Videoaktionen gezeigt, und danach hat sie meiner Erinnerung nach keine Live-Performances mehr gezeigt. Eigentlich hat sie immer nur dann mit ihrem Körper gearbeitet, wenn sie ihre Objekte vorführte. Und darüber hatte sie Videoaufnahmen gemacht. Aber mit ihren späteren plastischen Objekten hat sie in einem ganz anderen Rahmen gearbeitet als ich. Ich habe ja Medienkunst produziert. Es waren zwei verschiedene Herangehensweisen – auch in verschiedenen Institutionen. Wir sind uns da nie wirklich begegnet.

Und Ulay und Marina Abramović?

Wir haben uns natürlich öfter getroffen, weil wir das gleiche Genre bedient haben. In den 80er-Jahren haben wir an den ersten Biennalen teilgenommen: in Australien, in São Paulo oder in Venedig. Die ersten Biennalen, an denen Ulrike Rosenbach teilnahm, waren: die Biennale de Paris im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris 1975, die Sydney Biennale 1979, die 13. (1980) und 15. (1984) Biennale von Venedig, die 1. Internationale Videobiennale im Palais Palffy in Wien 1985 und die 1. Biennale de Videoarte im kolumbianischen Medellín 1986. Davon abgesehen hatten wir diese Hotspots wie De Appel und andere Museen, die uns zu ihren Festivals eingeladen haben.

Hätte es Sie interessiert, mit jemandem gemeinsam eine Arbeit zu machen?

Ja, das hätte mich sehr interessiert. Aber es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir gewünscht habe.

Weil es niemanden gab, mit dem Sie das hätten machen können?

Auch niemanden, der mit mir arbeiten wollte. Ich denke, das hing vielleicht damit zusammen, dass ich mich mit dem Thema der Frauenidentifikation beschäftigt habe. Die Generation, aus der ich komme, kannte wenige Künstlerinnen, die zu der Zeit an dem Kontext gearbeitet haben. In Frankreich war das Gina Pane Gina Pane (1939 Biarritz – 1990 Paris) war in den 1970er-Jahren eine der Mitbegründerinnen der französischen Body-Art-Gruppe Art Corporel. Pane arbeitete als Malerin, als Bildhauerin und als Performancekünstlerin. In ihrer Performance „L’Escalade non-anesthesiée“, die 1971 in ihrem Atelier stattfand, war die Selbstverletzung erstmals Teil ihrer Arbeit. , die dann aber krank wurde. Und es gab Orlan, die international ebenfalls nicht wirklich in der Kunstszene Fuß fassen konnte. Auch von Carolee Schneemann hörte man irgendwann in Europa nichts mehr oder wenig. Wir treffen uns natürlich heute noch ab und zu auf großen Festivals. Es ist eine internationale Truppe – nach wie vor. Aber im Prinzip war ich dadurch, dass ich mit diesem Thema als Frau gearbeitet habe, hier in diesem Bereich eher allein.

Sie haben unter anderem das Androgyne in Ihren Arbeiten zum Thema gemacht. Als Ulay in Amsterdam lebte, stand der Transformationsprozess im Zentrum seines Interesses. Es war also offenbar nicht die Homoerotik, sondern es ging vor allem um die Transformation von Geschlechtern und Rollen.

Und wir haben diese Thematik auch wirklich politisch verstanden. Sie müssen bedenken, dass das eine Zeit war, in der Schwule und Lesben überhaupt nicht anerkannt waren. Es war schon eine unglaublich radikale Darstellungsform, die wir uns leisteten. Vor allen Dingen auch Jürgen Klauke Jürgen Klauke (* 1943 Kliding) ist ein deutscher Künstler, der in den 1970er-Jahren mit fotografischen Inszenierungen über Geschlechteridentitäten bekannt wurde. Von 1993 bis 2008 lehrte Klauke als Professor für künstlerische Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln. , extrem herausfordernd und frech – very powerful und gegen das Establishment. In dem Moment, als diese Szene sich auch auf der politischen Ebene – nicht mehr nur auf der kulturellen oder künstlerischen Ebene – etablierte, hatte die Transformer-Bewegung in der Kunst allgemeine Aufmerksamkeit, verlor für mich aber an Bedeutung. Es war ein Thema der Zeit. Ich könnte es mit dem Flüchtlingsthema bei den heutigen jungen Künstlern vergleichen. Alle arbeiten dazu, weil es ein wichtiges Thema dieser Zeit ist. Wenn das Thema aus der Gesellschaft verschwinden würde, würde es auch aus der Kunst verschwinden. So war es damals auch mit den Transformer-Themen. Die wurden extrem gut besprochen und es wurde viel darüber geschrieben: Peter Gorsen Der Kunstwissenschaftler Peter Gorsen (* 1933 Danzig, Pommern, heute Polen) studierte Philosophie, Psychologie und Kunstwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1965 wurde er bei Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas promoviert. Gorsen war von 1973 bis 1976 Dozent für Kunst und visuelle Kommunikation an der Universität Gießen und lehrte ab 1977 bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor für Kunstgeschichte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 1981 veröffentlichte Gorsen den Band „Transformierte Alltäglichkeit oder Transzendenz der Kunst“. hat dazu geschrieben und auch Silvia Bovenschen Vgl. Silvia Bovenschen, „Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen“, Frankfurt am Main 1979. . „Transformer“ wurde schon deswegen mehr beachtet, weil es auch Männer betraf – hauptsächlich Männer. Daher konnte auch Jean-Christophe Ammann es vertreten. In dem Moment, in dem ein Thema nur Frauen betrifft, fühlt sich die Männerszene nicht verantwortlich und auch nicht angesprochen.

Ich habe mich gefragt, ob man nicht nur die Rolle der Frau hätte aufzeigen und paraphrasieren müssen, sondern auch die Rolle des Manns?

Das haben wir uns auch gefragt. Dazu gab es verschiedene Ansätze, aber eben nur Ansätze. Peter Gorsen hat ja sehr intensiv dazu geforscht.

Aber auch als Frau hätte man doch über den Mann arbeiten können.

Hätte man, ja. Aber ich denke, das ist noch etwas anderes. Wir hatten als Frauen genug mit unserem eigenen Status zu tun. Wir lebten in einer Identifikation, einem Rollenspiel, das Dimensionen hat, die beim Mann völlig anders sind. Ich habe kritische Arbeiten zum Selbstverständnis des Männlichen produziert: „Herakles – Herkules – King Kong. Die Vorbilder der Mannsbilder“ Ulrike Rosenbach, „Herakles – Herkules – King Kong“, 1977. . Die Arbeit entstand für die „documenta 6“, wo sie ein wahnsinniges Aufsehen erregt hat. Sie wurde im „Spiegel“ besprochen. Das heißt, in den 70er-Jahren war die Transformer-Position oder das kritische Überdenken des Mannbilds schon da, aber es wurde nicht so intensiv herausgefordert wie das Frauenbild. Der Feminismus war in eine politische Bewegung integriert, die Frauenbewegung. Und die gab dem Ganzen natürlich eine ganz andere Basis in der Diskussion.

Sie sagen, die Medienkunst war ein von Männern noch nicht besetztes, noch nicht dominiertes Feld, in dem Sie sich ausdrücken konnten. Ihre Entwicklung hin zur Medienkunst scheint aber eigentlich sehr organisch.

So war es auch. Weil es neu war, hatte es Erfolg. Es war nicht nur das Frauenthema, das neu war und bearbeitet wurde, sondern auch das Medienthema. Beide wurden sehr beachtet, speziell in den USA oder Kanada, wo diese Themen früher und in größerer Breite von den Künstlerinnen bearbeitet wurden, zum Beispiel von Laurie Anderson Laurie Anderson (* 1947 Glen Ellyn, Illinois) ist eine Künstlerin und Musikerin, die neben einer in den 1980er-Jahren sehr erfolgreichen Karriere in der Popmusik für ihre genreübergreifenden, multimedialen Performances und Installationen bekannt ist. .

Als Frau fällt mir auf, dass viele erfolgreiche Künstlerinnen den weiblichen Körper in ihren Arbeiten einsetzen.

Das ist ein seltsames Phänomen, aber im Prinzip musste die Frau damals auch mit ihrem Körper arbeiten, weil es eine ihrer gesellschaftlichen Bestimmungen ist, über den Körper gesehen zu werden.

Das scheint gleichzeitig auch das größte Problem der Künstlerin zu sein: die Konzentration und Projektion auf ihren Körper.

Dass sie über den Körper definiert wird, ja. Daher war es ein guter Ansatz, diese Thematik erst einmal kritisch darzustellen. Das habe ich in den Arbeiten der frühen 70er konsequent durchgezogen, zum Beispiel mit der Venus-Arbeit Ulrike Rosenbach, „Reflexionen über die Geburt der Venus“, 1976. oder „Aphrodite TV“ Ulrike Rosenbach, „Aphrodite TV“, 1975. , einer Fotosequenz, oder der Dokumentation von Misswahlen, dieser Arbeitszyklus ist im Zusammenhang nie gezeigt worden. Annette Messager Die französische Künstlerin Annette Messager (* 1943 Berck-sur-Mer) setzt sich in ihrem künstlerischen Werk seit Anfang der 1970er-Jahre unter anderem kritisch mit der Rolle der Frau und der Künstlerin im Speziellen auseinander. Darin spielt sie mit gesellschaftlich normierten Geschlechtermodellen und Klischees des Weiblichen. Messager nahm an der documenta 6 (1977) und 11 (2002) teil und erhielt 2005 den Goldenen Löwen für den besten nationalen Beitrag der 51. Biennale von Venedig. und Hannah Wilke haben ähnlich gearbeitet. Man musste auch als Künstlerin einen bestimmten Look haben. Künstlerinnen, die klein und hässlich waren, um das jetzt mal extrem zu sagen, hat es in der Erfolgsbranche in dieser Zeit nicht gegeben. Es wurden die Frauen gesehen, die gut aussahen und die es trotzdem als Manko gesehen haben, dass sie nur über ihren Körper definiert wurden. Ihnen wurde permanent gesagt: „Du siehst aber gut aus.“ Oder: „Du siehst zu gut aus, um eine gute Künstlerin zu sein.“ Es hat mich wirklich wütend gemacht, dass ich nur darüber definiert wurde. Daher habe ich zumindest bei den Aktionen darauf geachtet, dass ich einen weißen Anzug anhatte und nicht nackt war. Das wollte ich nicht. Weil sich der Zuschauer dann so auf den Körper konzentriert, dass das eigentliche Konzept komplett aus dem Sichtfeld verschwindet. Es ging ja um etwas anderes. Es ging um das allgemeine Kulturbild der Frau, das kritisch gesehen werden sollte. Oder um das allgemeine weibliche Schönheitsbild. Es ging nicht um mich. Das ist vielleicht ein Unterschied zu den Arbeiten von Marina und Ulay, die ihre Körper als Body-Art thematisiert haben. Wobei das Gute war, dass beide Körper nicht sexuell oder erotisch rüberkamen. Überhaupt nicht. Aber sie waren als Körper da und das wäre bei mir nicht gegangen. Ich hätte das auch selbst nicht ausgehalten – und ich wollte es auch nicht. Mir ging es in meiner Kunst um das Gesellschaftsbild der Frau. Ich habe meinen Körper als Werkzeug benutzt, um das Thema darzustellen.

In einem Text beschreiben Sie, dass sich ab 1977 in Deutschland etwas ändert. Ich glaube schon, dass sich bezüglich der Rezeption Ihres Werks, aber auch der feministischen Kunst gegenüber etwas geöffnet hat.

Ja, es geht in die Breite.

Was machte diese Zäsur aus? Warum 77?

Ich kam aus den USA zurück und zog mit Tochter und Lebensgefährten nach Köln – nicht zurück nach Düsseldorf. In Köln gab es schon eine ziemlich etablierte Frauenbewegung. Generell hatte sich die Grüne Partei etabliert, aus der die Frauenbewegung ja hervorgegangen ist. Die Frauenbewegung war sehr breit und auch kulturell ganz gut besetzt und präsentiert: Im Neuen Berliner Kunstverein oder in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin – überhaupt in den vielen Kunstvereinen – wurden Künstlerinnen anerkannt. Das war dann schon ein großer Vorteil. Auch als ich 1977 in Köln die Schule für Kreativen Feminismus gründete, hatte das Programm der Gruppen mit den Zielen der Frauenbewegung zu tun. Es gab außerdem die Frauenzentren, Frauenbuchläden, Kulturzentren für Frauen in Deutschland und im Ausland – ich selbst war oft in angrenzenden deutschsprachigen Ländern unterwegs. Dort konnte ich in dem Kontext sehr gut agieren. Ich habe viele Workshops für Frauen gegeben, in Österreich, in der Schweiz, in Holland. Vor allem in diesen drei Ländern – eher als hier in Deutschland. Ich hatte aber auch an den deutschen Hochschulen in der Zeit mehrere Gastprofessuren, in Berlin und München und in Kassel an der Gesamthochschule für Gestaltung. In dieser Zeit fing es langsam an, dass man mit dem Thema „Frau und Kunst“ ganz öffentlich umgehen konnte. Es war kein Underground-Thema mehr.

Haben Sie diese feministischen Ansätze auch mit Ihren Partnern oder mit befreundeten männlichen Personen besprochen?

Ich war hauptsächlich mit Frauen zusammen und habe das auch vor allen Dingen mit Frauen ventiliert. Mit Künstlerinnen und auch mit Frauen, die nicht in der Kunstszene waren. Mit Filmemacherinnen zum Beispiel. In Hamburg bei Blickpunkt oder in anderen Ländern. Das war ein Diskussionsfeld, das sich besonders in der Frauenszene etabliert hatte. Es gab natürlich auch Kunsthistoriker, zu denen ich Kontakt hatte, zum Beispiel zu Wulf Herzogenrath. Der hat aber mit mir nicht über dieses Thema diskutiert, sondern auf der Medienebene. Ich hatte in meiner Arbeit immer diese zwei Stränge: einmal das kritische, politische Thema der Frau in der Gesellschaft und dann das Thema der neuen Technik und Ästhetik in der Kunst, das gleichzeitig eine neue Kunstrichtung war, die Medienkunst. Das Thema der Frau in der Gesellschaft war ja durch die politische Frauenbewegung und ihre Forderungen verbreitet und anerkannt. Auch in Berlin gab es männliche Künstler, Kunstkritiker oder Kunstvermittler, mit denen man gut darüber reden konnte und die auch darüber schrieben. Aber in der Mehrzahl waren es Frauen – meine Generation von Frauen hauptsächlich. Sie waren sehr aufgeschlossen und interessiert damals.

Es stellt sich wahrscheinlich jeder Künstler irgendwann einmal die Frage: „Warum mache ich Kunst und für wen mache ich das?“ Sie sind von der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Frauenthema zur Beschäftigung mit der Kulturgeschichte der Frau gekommen.

Diese wurde in der Frauenbewegung natürlich auch von Wissenschaftlerinnen und Theologinnen untersucht. Es gab keine isolierte Auseinandersetzung meinerseits, sondern das Kulturbild der Frau war ein Thema der Frauen- und auch der Lesbenbewegung – die musste dieses Thema besonders untersuchen, um sich zu positionieren.

Insofern ist Ihre Arbeit sehr viel gesellschaftspolitischer als diese, wenn man so will, exhibitionistischen Arbeiten der Männer in der Zeit.

Natürlich! Wir Frauen fühlten uns auch herausgefordert. Für Männer ist die Identifikation mit dem Thema schon deshalb schwieriger, weil sie immer positiv empfangen werden. Der Sohn hat in der Familie von Anfang an eine eher positive Position – anders als traditionellerweise das Mädchen. Mein Bruder sagte mir neulich, er hätte das Stammbuch unserer Familie gefunden und sein Name sei dort eingetragen, meiner hingegen nicht. Das ist ein Gesellschaftsbild. Wir leben in einer patriarchalischen Gesellschaft. Das heißt, die Struktur der Gesellschaft wird vom Mann getragen. Die Familie wird vom Mann getragen. Das ist die Tradition dieser Gesellschaft. Heute haben wir sehr viele alleinerziehende Mütter und Väter. Da hat sich etwas verändert oder verändert sich ständig. Aber in meiner Generation oder in der Generation meiner Lehrer wie Joseph Beuys war das noch völlig anders.

Die Frauen- und die Studentenbewegung – Außerparlamentarische Opposition, wie sie damals hieß, die APO – haben enorm viel in der Gesellschaft erreicht. Der Grund, warum es die Frauenbewegung gab und das Aufarbeiten der Frauenkultur notwendig war, lag darin, dass Frauen in den historischen Büchern nicht erwähnt wurden. Die Frauenwissenschaftlerinnen mussten das ganze Zeug erst ausgraben. Nicht einmal Angelika Kauffmann Angelika Kauffmann (1741 Chur – 1807 Rom) war eine in der Schweiz geborene Malerin, die mit Porträt- und Historiengemälden im klassizistischen Stil bereits zu Lebzeiten berühmt wurde und große Aufträge etwa für die neapolitanischen und russischen Königshäuser, Kronprinz Ludwig von Bayern und Kaiser Joseph II. ausführte. Nach einer Lehrzeit im Atelier ihres Vaters war ihre künstlerische Ausbildung von Studienaufenthalten in Italien zwischen 1754 und 1766 geprägt. Ab 1766 führte Kauffmann ein erfolgreiches Atelier in London, bis sie 1782 nach Rom übersiedelte. Kauffmann führte dort einen Salon und war unter anderen mit Joshua Reynolds, Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried Herder befreundet. war zu der Zeit bekannt. Von eo ipso bis zurück muss man die gesamte gesellschaftliche historische und kulturelle Teilhabe von Frauen bis heute neu aufarbeiten. Es gab sie nicht.

Hätten Sie sich nicht für die Medienkunst entschieden, sondern sich wie Ihre Kollegen Imi Knoebel und Blinky Palermo der Minimal Art zugewandt, hätten Sie dann weniger Chancen auf Erfolg gehabt?

Ich denke, wäre ich weiter beim Stahl geblieben, hätte ich mir in der abstrakten Raumplastik schon einen Platz schaffen können. Da war ich richtig gut.

Auch als Frau? Es war nicht so, dass man dann keine Chance gehabt hätte?

Auch in der Sparte gab es natürlich wenig Frauen. Es gab immer wieder international gute Plastikerinnen, auch aus der Generation von Norbert Kricke. Niki de Saint Phalle Niki de Saint Phalle (1930 Neuilly-sur-Seine – 2002 San Diego) war eine französisch-schweizerische Künstlerin, die dem erweiterten Umfeld des Nouveau Réalisme zugerechnet wird. Zu ihren bekanntesten Werkgruppen zählen ihre „Schießbilder“ sowie die „Nana“-Figuren, die ab 1965 entstanden. beispielsweise. Über Rebecca Horn, mich oder auch Marina wurde damals gesagt: „Das sind die Alibifrauen.“ Weil es so wenige waren. Ich wurde häufig als einzige Frau zu Diskussionen eingeladen. Es ist nicht so, als hätten nicht auch die Männer das Bewusstsein entwickelt, dass Frauen dazugehören. Klaus Staeck und ich waren zusammen auf zig Podiumsdiskussionen. Aber das hat sich alles wieder verloren. Es war nicht so, dass die Männer so überzeugt von der Gleichberechtigung der Frau gewesen wären, dass sie diesen Anteil, diese Aufmerksamkeit oder Bereitwilligkeit für den Wert oder die Qualität von Künstlerinnen weiter hätten mitgestalten wollen. Das hat sich erst mit der jüngeren Generation verändert. Heute gibt es die Tendenz, dass an den Akademien mehr Frauen studieren als Männer.

In den 80er-Jahren gab es einige Groß- oder Überblicksausstellungen wie beispielsweise die „Westkunst“-Ausstellung „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. 1981 in Köln.

Von Kasper König Kasper König (* 1943 Mettingen) ist ein Kurator und Museumsdirektor. Nach einem Volontariat in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln lebte er ab 1965 in New York. Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Klaus Bußmann gründete er 1977 die Skulptur-Projekte Münster. König war zwischen 1984 und 1988 Professor für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Düsseldorf sowie von 1989 bis 2000 Rektor der Städelschule in Frankfurt am Main. Im Jahr 2000 wurde er zum Direktor des Museums Ludwig in Köln berufen, das er bis 2012 leitete. Er verantwortete zahlreiche Großausstellungen, darunter „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“ (1981) in Köln, „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“ (1984) in Düsseldorf, die Skulptur-Projekte (1977, 1987, 1997, 2007, 2017) in Münster sowie die „Manifesta 10“ (2014) in St. Petersburg. König gilt als wichtiger Vermittler des Werks von Donald Judd, On Kawara, Claes Oldenburg, Gerhard Richter und Franz Erhard Walther. . Da war ich dabei, mit einer Videoarbeit.

Hat es da nicht irgendwie Ärger gegeben?

Da hat es tierischen Ärger gegeben, weil zu wenige Frauen eingeladen waren, glaube ich. Das war eine gute Auseinandersetzung. Wichtiger jedoch war die documenta, die zu wenige Künstlerinnen eingeladen hatte. Die Künstlerliste der „documenta 7“, die vom 19. Juni bis 28. September 1982 unter der Leitung von Rudi Fuchs (* 1942 Eindhoven) stattfand, führt 27 Künstlerinnen und 155 Künstler auf, tatsächlich in der Ausstellung vertreten waren nach dem Rückzug von Miriam Cahn 26 Künstlerinnen.

Die „documenta 7“ von Rudi Fuchs 1982?

Ich glaube ja. Damals haben wir dafür eine Pressure Group gebildet: „Künstlerinnen in die documenta“. In der Gruppe waren Rune Mields, Katharina Sieverding und Karla Fohrbeck, die Frau von Bazon Brock, die damals vorgeprescht ist und im Bundestag erreicht hat, dass die Gelder für Rudi Fuchs so lange eingefroren werden mussten, bis mehr Künstlerinnen eingeladen wurden. Das ist ein Fakt.

Und hat er mehr Künstlerinnen eingeladen?

Das musste blitzschnell gehen. Er hatte überhaupt keine Zeit, sich irgendwo umzusehen. Er hat dann die männlichen Kollegen – Künstler wie Franz Erhard Walther – gefragt, ihre Frauen, die auch Künstlerinnen waren, mit zur documenta zu bringen. Und das war dann das Ergebnis. Wir aus der Gruppe wurden natürlich alle nicht eingeladen. Miriam Cahn Miriam Cahn (* 1949 Basel) arbeitet seit den 1970er-Jahren über psychische Zustände und Traumbilder. Ihre erste Einzelausstellung hatte sie 1977 in der Galerie STAMPA in Basel. Bekannt wurde Cahn insbesondere mit dem Zyklus „Das wilde Leben“, den sie 1984 im Schweizer Pavillon der Biennale von Venedig zeigte. , die als eine der wenigen Künstlerinnen zu der documenta eingeladen war, hat ihren Beitrag aufgrund der Politik, die Rudi Fuchs betrieben hat, zurückgezogen.

Von ihm war das wahrscheinlich keine Absicht, sondern er hat es nicht gesehen oder nicht bedacht?

Mann hat es nicht bedacht und er konnte auch auf die Schnelle – innerhalb von ein paar Wochen – keine qualitätsvollen Beiträge von Künstlerinnen aus dem Boden stampfen. Das Ganze lief relativ kurzfristig vor Beginn des Aufbaus ab.

Kasper König sagt, ihm wurde das Thema der Frauenbeteiligung nach der ersten Skulpturenausstellung in Münster 77, bei der nicht eine einzige Frau dabei war, bewusst.

Er war noch jung und offen genug dafür. Er war wirklich immer sehr offen für das Thema Frau. Aber wie hatten diese Künstlerinnen zu arbeiten, damit sie in seinen Kontext passten? Auf keinen Fall politisch. Das darf man nicht vergessen. Das mussten, wie auch bei Rudi Fuchs, Künstlerinnen sein, die in die traditionelle, kontemporäre Moderne passten. Also in das, was es gerade gab: in diese Form von Minimal Art, in diese Form von Malerei, zum Beispiel. Das durfte mit Aktionismus gesellschaftlicher oder politischer Thematik nichts zu tun haben.

Haben Sie Ihre Einladung zur „documenta 6“ Klaus Honnef Klaus Honnef (* 1939 Tilsit, Ostpreußen, heute Russland) arbeitete nach einem Studium der Soziologie und Geschichte als Redakteur und Ressortchef der „Aachener Nachrichten“. Von 1968 bis 1970 leitete er das Gegenverkehr – Zentrum für aktuelle Kunst in Aachen und war von 1970 bis 1974 Geschäftsführer des Westfälischen Kunstvereins in Münster. Von 1974 bis 1999 war er Ausstellungschef am Rheinischen Landesmuseum Bonn. Honnef gehörte dem Team der „documenta 5“ (1972) an und organisierte dort gemeinsam mit Konrad Fischer die Abteilung „Idee + Idee/Licht“. Bei der „documenta 6“ (1977) war er mit Evelyn Weiss und Gabriele Honnef-Harling für die Abteilungen Malerei und Fotografie verantwortlich. Ab 1980 lehrte Honnef als Honorarprofessor für Theorie der Fotografie an der Kunsthochschule Kassel und hatte bis 2009 Lehraufträge unter anderem an der Universität zu Köln, der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und der Bergischen Universität Wuppertal inne. zu verdanken?

Honnef war immer jemand, der alle Dinge sehr neutral und qualitätsvoll gesehen hat. Allen gegenüber – Mann wie Frau. Er war auch stets an den Transformer-Themen interessiert. Ich persönlich habe damals die Einladung für die „documenta 6“ über Herzogenrath bekommen, der die Medienkunst kuratierte. Meine Arbeit sollte eigentlich völlig anders aussehen, aber mir wurde nicht die passende Technik zugestanden. Ich weiß noch, wie wir zum Gespräch in Köln zusammensaßen, und ich sagte: „Ich hätte gerne einen Videoprojektor für die Ausstellung auf der documenta.“ Die Medienarbeiten sollten im Dachgeschoss des Fridericianums gezeigt werden. Da hat Herzogenrath gesagt: „Nein, der ist für Bill Viola.“ – „Okay, dann muss ich eine Wand bauen. Da brauche ich acht Monitore.“ – „Nein“, sagte er, „die sind für Joan Jonas Joan Jonas (eigtl. Joan Amerman Edwards; * 1936 New York) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die als Wegbereiterin der Videoperformance gilt. Mitte der 1960er-Jahre zog sie nach New York, wo sie enge Kontakte zu den Künstlern Dan Graham und Richard Serra unterhielt. Mit Serra kollaborierte sie Anfang der 1970er-Jahre in mehreren Projekten, etwa für die Videoarbeit „Anxious Automation“ (1971). .“ Das waren die zwei ausländischen, amerikanischen Cracks, die mit mir dort ausgestellt haben. Ich habe mordsmäßig rebelliert, mit den Zähnen geknirscht und überlegt: „Was mache ich jetzt?“ Ich hatte eine tierische Wut im Bauch. Und dann habe ich die Arbeit „Herakles – Herkules – King Kong. Die Vorbilder der Mannsbilder“ entworfen – eine kritische Arbeit über das historische, gesellschaftliche Machtbild des Manns. Das ist auch das Gute an Herausforderungen mit Freunden wie Herzogenrath, die quasi die ganze Karriere von Ulrike Rosenbach begleitet haben, dass sie durchaus zu letztendlich fruchtbaren Auseinandersetzungen führten. So war es auch unter anderen mit Zdenek Felix, der damals Direktor am Museum Folkwang war. Und als die frühe Thematik und Arbeitsphase für mich zu Ende war, waren auch die Kuratoren nicht mehr besonders an meiner Arbeit interessiert. Natürlich nicht. Und dann wurde man auch nicht mehr so gefördert. Das ist klar.

Wenn Sie sagen: „Wir haben einen Aufstand gemacht“, wie lief das damals ab?

Sie meinen zur documenta, die Rudi Fuchs kuratierte? Das war kein Aufstand im bildlichen Sinn. Es gab eben diese eine Pressure Group, die an die Frauenvereinigung der CDU schrieb. Karla Fohrbeck hat mit ihnen verhandelt. Das war eine ganz gerichtete politische Aktion: Ein Brief wurde geschrieben, die Frauen der CDU haben dann im Bundestag unser Anliegen zur Sprache gebracht und so wurde das angegangen. Es war wie ein Wunder, dass es klappte. Ich habe nicht daran geglaubt, dass es so etwas überhaupt gibt. Das war unglaublich.

Sie haben es schon kurz angesprochen, dass die Männer – auch diejenigen, die den Krieg selbst nicht miterlebt haben – sich zu einem großen Teil mit den Bildern des Kriegs beschäftigten. Sehen Sie das als Bewältigungsstrategie?

Es ist im Prinzip das Gleiche, wie die Frauen es auch gemacht haben: Da wurde die persönliche Geschichte mit der Gesellschaftsgeschichte verbunden und aufgearbeitet.

Sie sehen diese Parallele geschlechterspezifisch?

Ja, schon.

Auch die Rolle der Frau im Krieg und nach dem Krieg?

Ja, dazu habe ich die große Arbeit „Das Bild der Frau in der Nachkriegszeit“ Ulrike Rosenbach, „Das Bild der Frau in der Nachkriegszeit“, 1992–1994. produziert. Und mein ehemaliger Lebensgefährte Klaus vom Bruch hat zum Beispiel auf der „documenta 8“ seine persönlichen Vater-Großvater-Kriegsberichte-Erinnerungen thematisiert. Klaus vom Bruch, „Coventry – Der Vater“, 1987. Ich bedaure sehr, dass die junge Generation von männlichen Künstlern das nicht mehr tut. Die Aufarbeitung sollte nicht einfach irgendwo aufhören. Sie spielt immer noch eine große Rolle für die Gesellschaft.

Die weiblichen Künstler machen das noch?

Teilweise ja. Sie sind nur aus diesen allgemeinen Themen, die zurzeit in den großen Ausstellungen oder im Kunsthandel gefragt sind, ausrangiert.

Auch die Amerikaner waren im Zweiten Weltkrieg. In den USA arbeiteten die Künstler aber nicht über ihre Vätergeneration und die Schrecken des Kriegs, dort entstand der Abstrakte Expressionismus, der persönliche Ausdruck des Individuums.

In Amerika hat die Aufarbeitung zuerst im Filmgenre, in Spielfilmen stattgefunden.

Sie sagen, die Frauen haben über ihre weiblichen Vorfahren gearbeitet und die Männer über die männlichen. Heute hat man vielleicht gar nicht mehr so eine klare Vorstellung, wie die Mütter oder generell die Frauen der Vorgängergeneration waren.

Dann hat es sich vielleicht mal wieder zu ändern. Jeder hat ja eine persönliche Geschichte. Was im Moment überhaupt nicht mehr oder nur sehr wenig behandelt wird, ist die persönliche Geschichte in der Kunst. Ich nenne das heute Pressekunst. In der Kunst wird viel über die Medien gearbeitet und darüber, wie sie etwas darstellen. Das hat eigentlich schon mit den Golfkriegen angefangen, bei denen betrachtet werden musste, wie manipulativ Filmdokumentation in den Medien arbeitet. Wir haben diese Kriege nur über die Medien erlebt. So ist es, wenn sie nicht im eigenen Land stattfinden. Was ist denn das wirklich persönliche Thema zurzeit? Vielleicht, dass es zu viele Einflüsse gibt. Ich habe meinen Studenten immer gesagt, dass die persönliche Geschichte am Anfang steht und man sich dann auf das beziehen kann, was von außen kommt. Das, was Ammann subjektive Kunst nannte, war in den 60er- und 70er-Jahren als Kunstrichtung geboren worden. Das ist eine wirklich wichtige Ausgangsposition für die Kunst, die man nicht einfach wegwischen sollte. Was ich persönlich bin, wie ich persönlich denke und was mein geistiges Eigentum ist, das ist erst einmal etwas anderes als das, was die Gesellschaft denkt oder was die Medien denken. Das muss, glaube ich, intensiver vermittelt werden.

Uns alle erreicht mehr oder weniger die gleiche Information. Ich habe mich oft gefragt, warum die Kiefer-Rezeption außerhalb Deutschlands so viel positiver war: Vermutlich war der Aspekt des Exotischen dabei nicht ganz unbedeutend.

Ich würde es genau andersherum sehen. In Deutschland war es zu nah. Hier wurden das schlechte Gewissen und damit die Destruktion durch die Weltkriege und die Auswirkungen auf den Einzelnen angesprochen. Was Kiefer thematisiert, ist nicht nur die Destruktion der Landschaft, sondern die Destruktion des einzelnen Menschen. Geistige Destruktion und Verantwortung zu sehen, hat seine ganz spezifische Intensität und Qualität. Das ist, wie ich finde, ein tolles Thema. Und es ist ganz sicher immer noch das Thema unserer Zeit. Wer will den Aufstand im eigenen Werk thematisieren, während andere Kunst sich viel leichter verkaufen lässt? Das Thema in der Kunstszene zurzeit ist: Was ist verträglich? Das gab es auch in den 70er- und 80er-Jahren. Damals wurde ebenfalls gefragt: Ist die Frauenbewegung oder sind die Feministinnen, die Kunst machen, mit ihren Themen im Kunsthandel verträglich? Die italienischen zeitgenössischen Maler, Clemente Francesco Clemente (* 1952 Neapel) gehört zu den Vertretern der italienischen Kunstbewegung Transavanguardia, die ab Anfang der 1970er-Jahre öffentlich in Erscheinung trat. Sie zeichnete sich vornehmlich durch die neue Erprobung figurativer Elemente, den Gebrauch symbolischer Inhalte sowie starke eklektische Tendenzen in ihrer Motiv- und Farbwahl aus. Clemente ist insbesondere an der Kultur Indiens, aber auch an Darstellungen von Körper und Sexualität interessiert. 1980 nahm er an der „39. Biennale von Venedig“ teil und 1982 an der „documenta 7“. Seit 1982 unterhält er ein Atelier in New York, wo er unter anderen auch mit Jean-Michel Basquiat und Andy Warhol zusammenarbeitete. und seine ganze Gruppe, wurden deswegen so gehypt, weil sie mit der gleichen Terminologie gearbeitet haben wie wir Frauen. Ammann hat diese Terminologie aus der Frauenbewegung oder aus der feministischen Kunst adaptiert und auf seine Gruppe von Malern angewendet. Damit war es subjektive Kunst und verträglich. Es war einfach eine Adaptionskurve um die Kunst, die schon da war und die durchaus sehr aggressive Reaktionen hervorrief. Um diese Kunst in einer Kunstszene – für Museen und Ausstellungen – verträglich zu machen, wurde die Terminologie verkleinert oder eingeebnet und auf eine männliche Kunstszene übertragen. Diese Adaption ist eine historisch total gängige Vorgehensweise im männlichen Gesellschaftsbereich. Sie wird auf allen Ebenen, auch auf nicht künstlerischen Ebenen, durchgeführt. Sie ist im Machtverhalten des Manns immanent. Das ist ein Thema, das heute noch interessant ist. Warum gibt es so wenige weibliche Managerinnen oder Spitzenkräfte in unserer Wirtschaft? Weil die weiblichen Fähigkeiten ruckzuck adaptiert und auf die männlichen umgesetzt werden. Da müssen die weiblichen Kräfte mal sehen, wie sie ihre Fähigkeiten noch durchsetzen. Die müssten sie nämlich vehement erkämpfen. Das ist ein sehr interessantes soziologisches Thema. Aber es sollte auch für Künstler eines sein. Sonst bleibt die Sache doch ein bisschen im oberflächlichen Kommentatorentum einer von den Medien dominierten Geisteslandschaft stecken.

Interessanterweise werden stilistische oder formale Erfindungen, die einmal gemacht worden sind, nicht vergessen. Für die einmal bearbeiteten Themen gilt das offenbar nicht. Nicht nur sind die Arbeiten von Frauen aus den dauerhaften Sammlungspräsentationen heute verschwunden, sondern auch die damit verbundenen Themen. Als ich mit Ammann über die Malerei von Salomé Salomé (eigtl. Wolfgang Ludwig Cihlarz; * 1954 Karlsruhe) studierte von 1974 bis 1980 unter anderem in der Klasse von K.H. Hödicke an der Hochschule der Künste Berlin. Mit Rainer Fetting, Helmut Middendorf und Bernd Zimmer gründete er 1977 in Berlin-Kreuzberg die Galerie am Moritzplatz. Bekannt wurde Salomé insbesondere durch seine radikale Malerei sowie seine Performances. Er machte sich selbst, seinen Körper und die Sexualität zum Mittelpunkt seiner Kunst. Er engagierte sich außerdem in der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) und setzte sich für den männlichen Feminismus ein. 1980 gründete er mit Luciano Castelli die Punkband Geile Tiere. Salomé war unter anderem auf der „documenta 7“ (1982) und der „40. Biennale von Venedig“ (1982) vertreten. gesprochen habe, sagte er: „Das schockt heute keinen mehr.“ Das glaube ich aber nicht. Ich glaube, es schockt jene nicht mehr, die es aus den 80er-Jahren bereits kennen.

Muss es denn schockieren? Das ist ja auch noch die Frage. Muss es schocken oder ist es nicht etwas, das einfach in die selbstverständliche Diskussion, in den Diskurs unserer philosophischen Überlegungen „Was ist Gesellschaft heute?“ miteinbezogen werden muss? Man kann nicht sagen: „Wir sind fertig damit. Jetzt muss etwas Neues her.“ Die Vergangenheit muss in der Zukunftsdiskussion doch mit reflektiert werden.

Wie sehen Sie das? Sie haben Ihr Werk in verschiedenen Teilen der Welt gezeigt. Heute ist es nur mehr in wenigen Sammlungen zu sehen.

Ja, meine Arbeiten sind weniger zu sehen als in den 70er- und 80er-Jahren.

Woran liegt das?

Ich bin die Feministin! Das ist der Stempel, der mir noch immer aufgedrückt wird. So werde ich in der Szene rezipiert. Ammann hatte recht, als er sagte: „Das war das Ende deiner Karriere.“ Und wenn man meine Kunst zeigt, stellt man sich in die gleiche Reihe. Dann ist Mann frauenfreundlich und positiv eingestellt im Verständnis des Feminismus der 70er-Jahre und muss sich schließlich rechtfertigen. Lieber nicht. So ist der Verhaltensmodus. Wenn du Feministinnen ausstellst oder über die RAF eine Ausstellung machst, dann musst du dich gesellschaftlich und politisch rechtfertigen. Sonst stehst du sofort auf der gleichen Ebene. Das will wahrscheinlich weder Kasper König noch Ammann oder sonst jemand in Deutschland. Deswegen werden diese Ausstellungen von Künstlern und Künstlerinnen, die sich auf solche explizit haarigen Themen in Deutschland einlassen, seltener gezeigt. Am ehesten werden sie dann gezeigt, wenn die Ausstellungen von Frauen kuratiert werden. Von Kuratorinnen, Museumsleiterinnen, Galeristinnen. Aber warum sollte ich mich als Mann dafür rechtfertigen müssen, dass Frau Rosenbach eine Feministin ist? Das ist doch Blödsinn! In Amerika ist es genau andersherum. Da muss eine Rosi Trockel Rosemarie Trockel (* 1952 Schwerte) ist eine interdisziplinär mit Objekten, Installation, Zeichnung und Video arbeitende Künstlerin, die insbesondere mit Techniken und Materialien bekannt wurde, die in der westlichen Gesellschaft mit den Tätigkeiten der Hausfrau assoziiert werden. Die Technik des Strickens oder Webens verbindet Trockel mit der Bildsprache der klassischen Moderne und der Kunst der Gegenwart. Die Handarbeit der Hausfrau oder des Künstlers kombiniert sie mit technologisierten Prozessen und Produktionen. Trockel war unter anderem in den Ausstellungen „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“ in den Rheinhallen Köln (1989), „Prospekt 89“ im Frankfurter Kunstverein/Schirn Kunsthalle Frankfurt (1989) und „Art from Cologne“ in der Tate Gallery in Liverpool (1989) vertreten. 1997 zeigte sie gemeinsam mit Carsten Höller die Arbeit „Haus für Schweine und Menschen“ auf der „documenta 10“ und stellte 1999 im Deutschen Pavillon auf der „48. Biennale von Venedig“ aus. Seit 1998 ist sie Professorin für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf. vielleicht behaupten „Ich bin Feministin“, weil es positiv rezipiert wird.

Gab es damals die Überlegung, in den USA zu bleiben?

Ja, natürlich. Die gab es häufig. Aber Künstler im Allgemeinen, egal ob Mann oder Frau, haben es in den USA nicht leicht. Da müssen fast alle Künstler und Künstlerinnen irgendwie in der Lehre tätig sein, um zu überleben. Und es ist nicht wie bei uns oder nur in den wenigsten Fällen, dass man an einer Hochschule einen festen Job bekommt. Ich war gerade mal wieder auf dem Absprung nach Amerika, als ich das Angebot für eine Professur in Saarbrücken bekam. Das ist mir dann lieber gewesen.

Gab es neben Beuys jemanden, der Sie künstlerisch beeinflusst hat?

Ich weiß nicht. Zu meiner Zeit war ein Begriff, der ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, sehr wichtig: Das war der Begriff der Innovation. Jeder hatte erst einmal bei sich selbst den Deckel zu lüften, um daraus die kreativen neuen Ideen zu entwickeln. Man konnte es sich gar nicht leisten, nach links oder rechts zu gucken. Ich würde auch überhaupt nicht sagen, dass Beuys mit seinen Aktionen meine Performancearbeit beeinflusst hat. Überhaupt nicht. Ich hatte, was Performance anbetrifft, andere theoretische Grundlagen. Viele Überlegungen habe ich auch mit Gislind Nabakowski zusammen gemacht. Wenn man auf das Thema „Frauenbewegung in der Kunst in Deutschland“ zu sprechen kommt, hat Gislind einen wesentlichen Anteil an der Bildung der Terminologie. Wir haben oft um die Worte gerungen, denn zu diesen Themen musste auch eine neue Begrifflichkeit gefunden werden. Daran waren Gislind Nabakowski, Peter Gorsen und Silvia Bovenschen in diesen zwei Büchern Gislind Nabakowski/Helke Sander/Peter Gorsen (Hg.), „Frauen in der Kunst“, 2 Bde., Frankfurt am Main 1980. maßgeblich beteiligt. Es gab nichts, woran man sich orientieren konnte, und genau das war die Basis der Innovation, die Grundlage war für das künstlerische Schaffen der Avantgarde der 60er- und 70er-Jahre. Nicht nur musste man aus dem Nichts heraus den Kunstbegriff neu definieren, als Frau musste man auch definieren, warum Künstlerinnen und Künstler in dem Selbstverständnis einer neuen Gesellschaft, in der Mann und Frau emanzipiert sind, gleichberechtigt nebeneinander sind. Dazu mussten die Worte gelegt werden – wie Steine auf einem Weg. Es gab damals einen intensiveren Dialog über den Kunstbegriff als heute. Das fand innerhalb der internationalen Kunstmagazine statt: „Flash Art“, „heute Kunst“, „Art Forum“ oder „Kunstforum“. Das sind für die Begriffsbildung wesentliche Diskussionsforen gewesen, an denen man sich orientierte.

Sie sagten einmal, dass es 67 und 68 bei Beuys in der Klasse auch durch seine Aktionen deutlich politischer wurde. Jemand wie Anselm Kiefer, der Beuys offenbar sehr schätzt, sagt, dass er dieser politischen Seite an Beuys nie so richtig folgen konnte. Vgl. Anselm Kiefer.

Er ist eben ein Maler. Die politischen Aktivitäten von Joseph Beuys begannen mit der Deutschen Studentenpartei.

Da waren Sie auch dabei?

Da war ich die einzige Frau und das 13. Mitglied. Die Studentenpartei war eine witzige Angelegenheit und in gewisser Form war sie ein Statement. Aber ich habe da eigentlich nichts gemacht.

Wichtig waren für Sie, glaube ich, auch John Baldessari John Baldessari (* 1931 National City, Kalifornien) zählt zu den Hauptvertretern der Konzeptkunst. Seine Quellen sind häufig Drehbücher und Filmstills, er arbeitet über Bildstrategien und Rezeptionsmechanismen. Baldessari lehrte von 1970 bis 1988 als Professor am California Institute of the Arts in Valencia und zwischen 1996 und 2007 an der University of California in Los Angeles. Die erste Einzelausstellung hatte er 1960 im La Jolla Art Center. Ab 1971 waren Baldessaris Arbeiten in Deutschland regelmäßig in der Konrad Fischer Galerie in Düsseldorf zu sehen. Er war auf der documenta 5 (1972) und 7 (1982) sowie auf der 47. (1997) und 53. (2009) Biennale von Venedig vertreten. 2009 wurde Baldessari in Venedig für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. und Vito Acconci.

Ja, vor allem Baldessari. Er war ein wichtiger Künstler, auch für Düsseldorf. Baldessari hat regelmäßig bei Konrad Fischer ausgestellt und war häufig dort, um seine Ausstellungen einzurichten. Mit seinen fotografischen Konzeptarbeiten war er schon meinungsbildend. Wir waren befreundet. Er hat mich ja dann mit einem Lehrauftrag an das renommierte California Arts geholt. Ulrike Rosenbach lehrte von 1975 bis 1976 am California Institute of the Arts in Valencia. Ich habe dort einen Lehrauftrag für Media und Feminist Art in seinem Department angenommen und das sogenannte „Feminist Art Program“ betreut, das Judy Chicago Judy Chicago (eigtl. Judith Sylvia Cohen; * 1939 Chicago) ist eine Künstlerin, Autorin und feministische Aktivistin. Ihre Arbeit „The Dinner Party“ (1974–1979) ist seit 2007 als eines der bekanntesten feministischen Kunstwerke zentrales Ausstellungsstück des Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art im Brooklyn Museum in New York. Von 1970 bis 1973 etablierte sie erst an der California State University und später gemeinsam mit Miriam Schapiro am California Institute of the Arts (CalArts) das Feminist Art Program. Das Ausbildungsprogramm richtete sich ausschließlich an Frauen. Das Schaffen von Bewusstsein für die weibliche Identität, die Aneignung und Umdeutung traditionell weiblicher Alltagsarbeiten und Handwerkstechniken sowie die generelle Unterstützung von Frauen in ihrer künstlerischen Laufbahn gehörten zu den Zielen der Unternehmung. Aufgrund der Widerstände am Institut verließ Chicago 1973 das CalArts und setzte ihre Arbeit in dem von ihr gegründeten Woman’s Building/Feminist Studio Workshop fort. Vgl. Jane F. Gerhard, „The Dinner Party. Judy Chicago and the Power of Popular Feminism, 1970–2007“, Athens 2013. gegründet hatte, als sie im Art Department noch eine Malklasse leitete. Ich habe die Frauen in der Klasse, die Judy Chicago nach ihrem Abgang nicht mehr versorgen konnte, übernommen, bis auch ich gehen musste.

Warum mussten Sie gehen?

Weil ich in meiner ganzen Naivität den Fehler gemacht hatte zu fragen, warum wir – die vielen Frauen im Lehrkörper – nicht einmal ein gesamtkunstwerklich orientiertes Künstlerinnen-Treffen und auch ein Festival mit Tanz und Film und so weiter machen sollten. Wir haben uns zweimal getroffen: 50 Frauen, Teaching Job Ladies sozusagen. Und dann hat die Verwaltung beschlossen, dem ein Ende zu bereiten. Politische feministische Arbeit war am CalArts so unbeliebt wie an deutschen Kunsthochschulen auch. Da war Baldessari bestürzt und fragte: „Warum hast du das gemacht?“ Ich wusste aber damals nicht, dass Judy Chicago rausgeflogen war, weil sie Feministin war. CalArts war ja eine private riesige Kunsthochschule der Walt Disney Foundation, eigentlich wohl eher konservativ. Es ist ein Wunder, dass die mich da überhaupt genommen hatten, und nur dem Einfluss Baldessaris zu verdanken. Aber es war eine schöne Zeit, ein schönes Jahr. Ich hätte damals eine Green Card bekommen können. Aber meine Familie wollte zurück nach Deutschland, meine Tochter wollte zurück, Klaus vom Bruch wollte zurück. Und es war, wie gesagt, auch wirklich schwierig, in Amerika als Künstler oder Künstlerin ohne Support, ohne eigenes Geld.

In Aachen wurde Ihr erstes Video verkauft?

Ja, das war an einen Privatsammler. Dr. Backes hieß er, ein Arzt. Er hat meine frühen Videos gekauft. Sie sind inzwischen in der Videothek der Neuen Galerie Aachen, der Sammlung Ludwig. Es waren noch auf Open Reel hergestellte analoge Arbeiten, nicht einmal U-matic-Kassetten, sondern eben Open Reel – das muss man sich wie alte Tonbänder vorstellen. Ein analoger Open-Reel-Videorekorder mit Kamera war meine erste Videotechnik.

Kam Ihnen nie der Gedanke: „Ich sollte doch mehr Sachen machen, die sich besser verkaufen lassen“?

Nein, das gab es nicht. Ich habe immer nur das gemacht, wovon ich überzeugt war. Für mich war es nicht anders möglich, vielleicht auch weil ich Beuys-Schülerin war.

Wer hat Ihre Werke damals gut verkauft?

„Gut verkauft“ kann man gerade streichen. Verkauft wurden die Arbeiten in den Anfängen durch die Galerie Philomene Magers in Bonn. Dann gab es auch noch eine sehr gute Galerie, die seit Anfang der 70er-Jahre mit Fotografie und Medien dealte: Das war die Galerie Ernst in Hannover. Dort hatte ich meine allererste Galerieausstellung, 1972. „Ulrike Rosenbach. Videoarbeiten, Fotos, Zeichnungen“, Galerie Ernst, Hannover, 1972. Dann später Ingrid Oppenheim Ingrid Oppenheim (1924 Köln – 1986 Finnland) war eine Galeristin und Kunstsammlerin. 1974 eröffnete sie im Galeriehaus Köln ihre Räume mit angeschlossenem Videostudio. Dort wurden bis 1979 unter anderem Werke von Klaus vom Bruch, Michael Buthe, Christof Kohlhöfer, Sigmar Polke und Klaus Staeck produziert und vorgeführt. Ihre Sammlung befindet sich seit 1980 als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Bonn. in Köln, das war meine Galerie. Sie hat einiges gekauft – vor allen Dingen für ihre eigene Sammlung. Es wurde aber auch an die großen Museen verkauft. Das Kunstmuseum Düsseldorf hat eine ganze Reihe früher Arbeiten in seiner Sammlung. Der damalige Leiter der Sammlung, Stephan von Wiese, hat das gesamte Amazonen-Set, die Installation der Performance und auch die Installation der Hauben-Objekte für – aus heutiger Sicht – wenig Geld von mir bekommen. Im Museum Folkwang in Essen gibt es einige Videoarbeiten, Medieninstallationen der frühen Jahre sind in der Sammlung der Neuen Nationalgalerie Berlin und selbstverständlich im ZKM in Karlsruhe, in dem die frühen Videoarbeiten zum Teil auch restauriert und digitalisiert werden.

Das wurde auch alles damals schon angekauft?

Die Neue Nationalgalerie Berlin mit ihrem Direktor Dieter Honisch hatte ziemlich früh die Videoarbeit „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“ angekauft. Der Hamburger Bahnhof dann etwas später in den 90er-Jahren, als Wulf Herzogenrath dort Direktor war. Außerdem hat das Kunstmuseum Basel über STAMPA, meine Galerie in Basel, einige Arbeiten, auch Fotoarbeiten, Ende der 70er-Jahre gekauft.

Das ging also fast ausschließlich an Institutionen?

Ja, denn für Medienkunst Privatsammler zu finden, ist sehr schwierig. Heute könnte man für die 1-Kanal-Installationen Flat-Screen-Monitore an die Wand hängen. Das wäre für Privatsammler möglich und interessant. Es gibt eine ganze Serie von Videoarbeiten, die ich aber, ehrlich gesagt, noch nie verkauft habe. Meine Galerie ist seit 20 Jahren Brigitte March in Stuttgart. Ich würde sagen, dass ich über March die meisten Fotoarbeiten verkauft habe. Sie war immer die beste Verkäuferin. Aber ich habe nie – wie Baldessari – bei Yvon Lambert in Paris oder bei Ileana Sonnabend in New York verkauft. Das waren nie Galerien für mich. Ich glaube auch nicht, dass sie wirklich Frauen ausgestellt haben. Wenige. Die jungen Avantgardekünstlerinnen haben bei der Galerie Krinzinger in Innsbruck ausgestellt, auch Marina, Ulay und ich, bevor Krinzinger sich dazu entschieden hat, Medienkunst nicht mehr zu vertreten. Es war auf Händlerebene auch eine gemeinsame internationale Entscheidung der Galerien, Medienkunst nicht mit in den Deal zu nehmen, weil es Editionen waren, deren Begrenzung aufgrund ihrer Kopierfähigkeit zu schwierig zu überblicken war. Zu schwierig war es auch, die Preise im Blick zu behalten – auch wenn es nur Dreier- oder Fünfereditionen sind. Das ist der Handel. Die können mit Videoeditionen nicht umgehen. Und sie tun sich auch mit der Technik oft schwer.

Heute hat jeder seinen DVD-Player oder neuere Medientechnik zu Hause, aber sie in Galerien und Kulturinstitutionen als Installation zu etablieren, ist immer noch ein Problem. Unglaublich. Ich berate Techniker bei meinen Ausstellungen heute noch oder schicke meine eigene Ausstellungstechnik über die Firma, mit der ich seit den 80er-Jahren zusammenarbeite, 235 MEDIA in Köln, mit.

Womit nehmen Sie heute auf?

Für Fotoarbeiten und Videoarbeiten benutze ich heute selbstverständlich digitale Technik, Kameras und eine eigene Editsuite, die bei mir zu Hause im Studio steht. Als ich noch in der Kunsthochschule Saarbrücken die Professur für Neue Medien in der Kunst innehatte, habe ich entsprechende Anschaffungen für die Arbeit mit den Studenten und Studentinnen gemacht. An der Hochschule gab es sogar noch ein analoges Fotostudio und Labor, das Otto Steinert dort hinterlassen hatte, als er in Saarbrücken an der damaligen Fachhochschule gelehrt hatte. Wie seltsam, dass es ausgerechnet in dem kleinen Saarland sehr schöne Ausrüstungen, auch für Video und Fotografie, gab. Der Saarländische Rundfunk hatte an den Abgängern Interesse und hat wohl auch gesponsert. Als dann die Fachhochschule zu einer Kunsthochschule wurde, in meiner Zeit als Hochschullehrerin also, musste ich die analoge Technik dann ruckzuck digitalisieren. Das war auch finanziell natürlich sehr aufwendig.

Es heißt immer: Egal, worauf man speichert, es wird ohnehin alles überholt.

Das sehe ich als Medienkünstlerin anders. Diese Meinung ist kurzsichtig. Die älteren Formate existieren ja weiter. Man muss nicht ständig auf die ganzen neuen Formate wechseln. Im Grunde genommen ist die technische Qualität bei der Kunst für mich zweitrangig. Erst einmal geht es um die künstlerische Intensität der Arbeit – und nicht um die Technik. Heute im Zeitalter des Designs, in dem wahnsinnig viel Interesse, Energie und Aufmerksamkeit auf die Technik gelegt wird, leiden die Inhalte. Überhaupt das Kunstverständnis. Es sieht doch lustig aus, wenn Arbeiten auf VHS aufgenommen sind. Das funktioniert auch heute noch, besonders wenn die Inhalte daran gekoppelt sind. Ich stelle meine Produktionen fast immer selbst in meinem eigenen Studio her – heute natürlich digital. Die frühen Arbeiten mit den analogen technischen Formaten habe ich aber alle – und das sind etwa 400 U-matic-Videokassetten – aufbewahrt und zum Teil, so wie ich es brauche, digital restauriert, konserviert oder im ZKM überspielen und archivieren lassen. Viele der Arbeiten wurden auch in NRW im Archiv für digitale Medienkunst archiviert – dem imai in Düsseldorf, das aus der Kölner Formation, dem Studio 235 MEDIA, mit dem ich eben schon seit Anfang der 80er-Jahre auch als Distribution meiner frühen Videoarbeiten zusammengearbeitet hatte, hervorgegangen ist. Leider sind nicht alle Produktionen aus der Zeit restauriert, aber archiviert und beim imai auf AVI-Format und auf Festplatten gespeichert oder allenfalls noch konserviert auf Betacam im Archiv. Mehr kann man da im Moment technisch nicht leisten.

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Ulrike Rosenbach