Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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1950-59

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„Wenn Sie nach dem Gefühl fragen, das ich dabei hatte: Es war ein ungeheures Versprechen.“

1950-59

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Vom 8. März 1945 bis Oktober 1949 waren wir auf der Flucht, permanent in Lagern und weiß der Teufel wo überall. In dieser Situation galt es die vermeintliche Orientierung auf das zu finden, was mehr ist als das Zeitphänomen, mehr als Krieg und Elend. „Das ewig Menschliche, das ewig Göttliche, das Großartige, das bleibt. Ihr müsst nicht mehr auf das sehen, was politisch geschieht, sondern an das Ewige denken. Ihr müsst nicht denken, was für Schweinereien die Politiker betreiben oder die Unternehmer mit ihrem Produktmanagement machen, sondern denkt an den lieben Gott!“ Das war die Strategie. Und die intelligenteste Form der Orientierung auf dieses Ausweichverhalten, die Ewigkeit, der liebe Gott, das Wesen, das Eigentlichkeitspathos, das Adorno an Heidegger kritisiert hat, war das Werk. Sie sagten „Kunstwerk“, schon standen alle stramm. Werk, Werk, Werk, das war es.
Die Welt von Beuys – und das gilt für Baselitz genauso – war die Auseinandersetzung mit dem geschundenen Menschen. Mit dem verletzten Menschen, der diese Verletzung verinnerlicht hat. Das gehört auch zum Realitätssinn dazu: Einem meiner Kommilitonen in der Akademie fehlte ein Bein. Warum? Weil es abgeschossen wurde. Ein anderer hatte einen gelähmten Arm, der konnte also nicht als Bildhauer arbeiten. Der Dritte hatte Depressionen, weil er nach Stalingrad miterlebte, wie die Gefangenen auf nackten Füßen über das Eis laufen mussten. Das sind Dinge, die haben die nicht vergessen. Aber die eigentlichen künstlerischen Interessen waren immanenter Natur, bezogen sich auf die Kunst.
Wenn heute jemand von Kunst spricht, dann spricht er auch sofort von den Ausstellungsmöglichkeiten. „Wo wollt ihr denn ausstellen?“ Damals hieß es auch noch: „Wo habt ihr den Brennstoff?“ Das vergesse ich nie, dass es Veranstaltungen gab, die als Erstes gefordert haben, man solle ein Brikett mitbringen.
Wir bekamen auch CARE-Pakete Im November 1945 wurde in den USA die Hilfsorganisation CARE (Cooperative for American Remittances to Europe) gegründet. Zwischen 1946 und 1960 wurden circa 100 Millionen CARE-Pakete, häufig gespendet von Privatpersonen, mit Lebensmitteln, Kleidung und Werkzeug in ganz Europa verteilt. Davon gingen circa 10 Millionen Pakete nach Westdeutschland. In der sowjetischen Besatzungszone erhielten ausgewählte Personengruppen Pajok-Pakete als Lebensmittelhilfe. aus Amerika und eigentlich wurde es erst besser, als mein Vater wieder angestellt werden durfte. Das war 1950 in der Organisation Gehlen. Mein Vater wurde nach Düsseldorf gerufen, berufen, versetzt – und erst da fing bei uns wieder … ja, was fing bei uns an? Wir haben gegessen, was das Zeug hielt.
An der staatlichen Kunstakademie von Düsseldorf gab es zwei, drei zerfetzte Bücher. Das eine war irgendetwas über Gotik, das andere über Expressionismus. Man wusste nicht, was in anderen Ländern geschieht. Man war auf sich selbst gestellt. Und die geistigen Interessen waren höchst vehement. Nicht umsonst haben wir nächtelang nicht nur ein Glas Bier getrunken oder Jazz gehört – was nicht nur unglaublich wichtig war, weil es für uns eine Befreiung darstellte –, sondern es ging um eine geistige Auseinandersetzung. Das wurde natürlich auch in der Akademie gemacht, wobei es nur ganz wenige Lehrer gab, die in der Lage waren, sich an diesen Gesprächen zu beteiligen oder diese Gespräche überhaupt zu ermöglichen und zu fördern.
An den Universitäten war damals noch vor Paul Cézanne, wenn es überhaupt so weit kam, Schluss in der Kunstgeschichte. Es gab einen Professor für Kunstgeschichte in Frankfurt, der war der Ansicht, dass Cézanne sowieso unbedeutend sei, weil das eine schwache Malerei sei. So war der Stand. Und man hat immer gedacht: Ist ja schön und gut, aber irgendwie müsste man ja vielleicht doch mal sehen, was heute so gemacht wird.
Wenn damals überhaupt einer Kunst machte, dann waren es die großen bekannten Künstler. Für uns jungen Kerle gab es wenig Chancen. Getagt haben wir in der Zimmergalerie. Die Zimmergalerie Franck wurde von 1949 bis 1961 von dem Versicherungsangestellten Klaus Franck (1906 Berlin – 1997 Bad Soden) in der Böhmerstraße 7 und ab 1954 in der Vilbeler Straße 29 in Frankfurt am Main geführt. Sein Programm umfasste vor allem frühe Positionen des deutschen Informel, darunter K.O. Götz, Otto Greis, Heinz Kreutz und Bernard Schultze. Das war eine Galerie in einem Zimmer einer Privatwohnung, wo sie eigentlich nicht hingehört. Aber wenn wir damals gefragt haben: „Wo könnten wir denn mal unsere Kunst ausstellen?“, hieß es: „Ihr spinnt. Da draußen liegen noch die Kriegstrümmer herum und da kommt ihr mit euren neuen Ideen.“
Ich komme aus einer kleinen Stadt. Und mein Versuch, mich zu bilden, fand in der Volkshochschule statt. Da ging man abends hin und zeichnete und malte unter Anleitung eines Künstlers. Meiner machte so eine Art stark kohlekonturierten Expressionismus, gegenständlich. Das war okay. Ich habe ihn sehr bewundert, aber das war natürlich bei Weitem viel schlichter als das, was in Dresden stattfand. Meine Frau, Penck und Peter Graf Peter Graf (* 1937 Crimmitschau) ist ein Maler, der 1956 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee studierte und im Jahr darauf wie Baselitz zwangsexmatrikuliert wurde. Um der Zensur der DDR zu entgehen, war er bis 1985 nicht offiziell als Künstler tätig. , die gingen auch zu einem Kurs. Der war in der Kunstakademie in Dresden, ein Abendkurs der Volkshochschule. Der Lehrer malte schon abstrakt oder wusste zumindest, was das ist.
Die Lehrer haben vorher Panzer gezeichnet. Das waren Berichterstatter, ohne Kamera. Die liefen mit einem Stück Papier und einem Kohlestift hinter den Panzern her und haben dramatische Zeichnungen gemacht. Solche Leute waren unsere Lehrer. Ich hatte Glück, weil ich mit Ewald Mataré Ewald Mataré (1887 Aachen-Burtscheid – 1965 Büderich) war Bildhauer und Grafiker. Er wurde in den 1920er-Jahren vor allem für seine Tierplastiken bekannt. Auf Empfehlung von Paul Klee wurde Mataré 1932 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Bereits ein Jahr später wurde er, auf Forderung der Nationalsozialisten hin, seines Amtes enthoben und seine öffentlich ausgestellten Plastiken vernichtet. Nach Kriegsende rief man ihn zurück an die Akademie. Besonderen Einfluss übte Mataré auf seinen Schüler und Assistenten Joseph Beuys aus, der ihn auch bei der Fertigstellung seines bekanntesten Werks, der Gestaltung der Kölner Domtüren, unterstützte. zusammengekommen bin, der mich eigentlich nicht akzeptieren wollte, weil ich Schullehrer werden sollte. Und das hat er abgelehnt. Einmal habe ich ihm geantwortet: „Sie sind doch auch Lehrer!“ Da war er schon beleidigt.
Der Ausgangspunkt damals, wenn man sich überhaupt in die Kunst hineindenken wollte, war das Zeichnen. Das heißt narrativ, abbildhaft zeichnen. Ohne das Vermögen hätte man gar nicht an Kunst denken können. Das ist ja heute anders. Und ich konnte sehr früh sehr realistisch zeichnen. Was immer ich abbilden wollte, konnte ich abbilden. Die Umgebung hat mir gesagt: Du bist ein Künstler! Meine Mutter hat laienhaft gezeichnet und gemalt, zum Beispiel hat sie Caspar David Friedrich kopiert.
Viel Kunst hatten wir zu Hause nicht, es gab damals Wichtigeres. Hier und da hing eine Reproduktion. Das kam von meiner Mutter. Sie interessierte sich für die Bilder der klassischen Moderne. Mein Vater stand der Literatur, dem geschriebenem Wort näher. Er verbrachte viel Zeit an der Schreibmaschine und bereitete Texte für seine Sendungen vor. In Berlin haben wir die Van-Gogh-Ausstellung „Vincent van Gogh“, Galerie Verein Berliner Künstler, Berlin, Herbst 1953. besucht. Ich glaube, das war 1953. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen: Im „Haus am Lützowplatz“ saß vorne im Pförtnerhäuschen ein Rentner, und dort hingen die bedeutenden Werke van Goghs: die „Sonnenblumen“ Vincent van Gogh, „Fünfzehn Sonnenblumen in einer Vase“, 1888. , die „Fischerboote von Saintes-Maries“ Vincent van Gogh, „Fischerboote am Strand von Saintes-Maries“, 1888. … Das hing alles dort, fast unbeaufsichtigt.
1953 wurde vom Museum in Ulm das wunderbare Aquarell von August Macke „Mit gelber Jacke“ August Macke, „Mit gelber Jacke“, 1913. angekauft. Das war für mich das Schlüsselbild. Damit hat sich für mich eine neue Welt geöffnet, mit der ich oder meine Familie noch gar nicht in Berührung gekommen war. Obwohl mein Klassenlehrer, Rosenbusch, Künstler war und eigentlich ganz gute Bilder machte. Vor allen Dingen war er ein toller Lehrer. Nachdem die „gelbe Jacke“ in der Zeitung abgebildet war, sind wir mit der Schule sofort ins Museum gegangen. So ein Bild kostete damals so viel wie ein kleines Einfamilienhaus. Das war gigantisch.
Mit 15 bin ich von zu Hause weggegangen und habe sehr jung geheiratet, einen Kunsthändler. Und als mein Vater mich einmal in Hannover, da wohnten wir, besuchte, sagte er: „So sieht aber eine junge, glücklich verheiratete Frau nicht aus. Mal doch mal ein bisschen.“ Also habe ich angefangen zu malen, und zwar Tag und Nacht, immer, immer, immer. Ich hatte dann schon sehr früh meine erste Ausstellung in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt. „Sarah Schumann“, Zimmergalerie Franck, Frankfurt am Main, 1953.
Ich bin Plakatmaler geworden. Zusammen mit Paul Maenz Paul Maenz (* 1939 Gelsenkirchen) ist ein deutscher Galerist und Kunstsammler. Er studierte ab 1959 bei Max Burchartz an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen und war ab 1964 als Art Director in der Werbeagentur Young & Rubicam (Y&R) in Frankfurt am Main und New York tätig. Zusammen mit Peter Roehr organisierte er 1967 die Ausstellungen „Serielle Formationen“ (Studiogalerie im Studentenhaus der Goethe-Universität, Frankfurt am Main) und „Dies alles, Herzchen, wird einmal dir gehören“ (Galerie Dorothea Loehr, Frankfurt am Main). 1971 eröffnete Maenz eine Galerie in Köln. Sein Programm umfasste wichtige Positionen der Minimal Art und Konzeptkunst, darunter Hans Haacke und Joseph Kosuth sowie Künstler der Mülheimer Freiheit und der Transavanguardia. In den 1980er-Jahren zeigte Maenz als erste Galerie in Deutschland Arbeiten von Keith Haring (1984) und Jeff Koons (1987). hatte ich mich in Westfalen, im Kaufhaus Gelsenkirchen, beworben. Zwischen 1954 und 1957 absolvierte Klaus Rinke eine Lehre als Plakatmaler im Westfalenkaufhaus in Gelsenkirchen. Andy Warhol wird sich im Grab umdrehen, denn ich habe schon 53 Marlene Dietrich und andere Stars porträtiert. Das war die Zeit der Filmstars. Später kam Rock ’n’ Roll, das war noch irrer, da war ich noch in der Lehre. Elvis Presley und die ganzen Größen. Damals kam Klaus Doldinger, ein Saxofonist aus Düsseldorf, immer nach Gelsenkirchen, weil wir neben dem Hauptbahnhof den Gelsenkirchener Jazzklub gemacht haben. Weil es vor dem Krieg in den Häusern noch keine Bäder und Duschen gab, war neben dem Hauptbahnhof unterhalb der Straßenbahnhaltestellen ein riesiger Platz, der komplett gefliest war – mit lauter Bädern, Duschen und Umkleideräumen. Wir haben dann die Stadt bedrängt: „Gebt uns das.“ Und dann haben wir daraus einen Jazzklub gemacht.
Heute würde man sagen: Ich war high. Es war unglaublich intensiv. Das waren ja alles Sachen, die man nie gesehen hatte. Ich ging auch mit dem Bewusstsein dorthin, dass diese Kunst in der Nazizeit verboten worden war. Ich hatte mir mit einigen ehemaligen Schulkameraden einen Volkswagen-Bus gemietet und damit sind wir nachts von Hamburg nach Kassel gefahren. Am nächsten Morgen haben wir kurz irgendwo in den Wiesen in Kassel gezeltet und dann ging es zur documenta Die erste documenta, geleitet von Arnold Bode, fand unter dem Titel „Kunst des XX. Jahrhunderts. Internationale Ausstellung“ vom 16. Juli bis 18. September 1955 im Fridericianum in Kassel statt. Ziel der Ausstellung war es, Deutschland nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs wieder an die internationalen Entwicklungen der Gegenwartskunst anzunähern. Neben Positionen der zeitgenössischen Kunst zeigte die Ausstellung mit Max Beckmann, Wassily Kandinsky, Paul Klee und Henri Matisse insbesondere auch Werke jener wegbereitenden Künstler, die während des Nationalsozialismus verfemt gewesen waren. Mit mehr als 130.000 Besuchern in 100 Tagen erzielte die erste documenta einen unerwarteten Erfolg. . Mir geht es heute noch so, dass mich gute Ausstellungen ungeheuer beleben. Aber was das im Einzelnen war? Ich würde das nicht an bestimmten Künstlern festmachen, mit Ausnahme vielleicht von Marc Chagall, bei dem diese jüdische Komponente hinzukam. Es war einfach die Großzügigkeit, die Intensität, die Öffnung, auch eine fast utopische Form von Kommunikation. Wenn Sie nach dem Gefühl fragen, das ich dabei hatte: Es war ein ungeheures Versprechen.
Ich habe jede documenta gesehen. Die erste als Kleiner an der Hand meiner Mutter. Ich weiß nicht, was der Besuch der ersten documenta für mich bedeutet hat, ich weiß nur, dass es eine Ruine war und abstrakte Kunst. Damals war ich 14 oder 15 Jahre alt.
Ich erinnere mich, dass ich nach Hause kam, ich wohnte noch bei meiner Mutter, und als sie fragte, wie es war, sagte ich: „Ich möchte gerne wissen, was das für Menschen sind, die so etwas organisieren, zusammenstellen und vermitteln.“ Ich wollte herausfinden, was dahintersteckte. Ohne, dass ich wusste, wie stark ich mich später damit identifizieren sollte. Bei der „documenta 4“ bin ich Sekretär gewesen, aber das konnte ich zu der Zeit ja alles noch nicht ahnen.
Im Rheinland war damals die erste Picasso-Ausstellung „Picasso, 1900–1955“, Rheinisches Museum Köln-Deutz, 30. Dezember 1955 – 29. Februar 1956. und die Leute waren fassungslos. Ich war 16 oder 17 Jahre alt und es hat mir sehr gefallen. Diese schrägen, asymmetrischen Kanten …
Ich bin um sechs Uhr morgens am Bahnhof angekommen. Die Kunsthalle Hamburg war teilweise noch zerstört – man konnte durch das Dach den Himmel sehen. Wirklich! Da sie erst um zehn Uhr aufmachte, bin ich zum Hafen runtergegangen. Um acht Uhr gab es eine Hafenrundfahrt. Ich habe mein Geld gezählt: Das Geld reichte für eine Wurst, für die Hafenrundfahrt und für ein Foto. Am Hafen wird ja immer ein Foto gemacht und da stehe ich dann mit irgendwelchen Leuten. Um zehn Uhr hatte ich, bis auf das Geld für meine Rückfahrkarte, alles ausgegeben. Davon habe ich mir den Picasso-Katalog gekauft, den ich immer noch habe. Da war das Bild „Guernica“ Pablo Picasso, „Guernica“, 1937. Das Gemälde befindet sich heute im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid. auf einem Dachlattengerüst ausgestellt. Guernica habe ich als Kind im Bunker erlebt. Guernica war für mich die Illustration meiner Bunkerzeit als Kind in Essen, als die Bomben flogen und die Frauen schrien.
In meiner Familie gab es immer Diskussionen darüber, was Kunst ist und was nicht. Ich wusste eigentlich erst, was Kunst ist, als mir eine vietnamesische Architekturstudentin einmal ein kleines Cézanne-Heftchen in die Hand gedrückt hat. Damals habe ich mir das Stillleben mit den Äpfeln in Paris übers Bett gepinnt.
Die großartige Kunst, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa entstand, war insbesondere durch die bildnerische Form Frankreichs geprägt. In dieser Zeit war Amerika noch tiefste Provinz, und wer etwas lernen wollte, schaute hinüber oder ging nach Paris. Nach der kulturellen Verwüstung durch die nationalsozialistische Barbarei versuchten sich die deutschen Künstler wieder an der französischen Kunst zu orientieren.
Ich erinnere mich an Dubuffet – den fand ich aber nicht so gut. Dann habe ich für zwei Maler Modell gestanden. Und ich fragte mich: „Was will Riopelle Jean-Paul Riopelle (1923 Montreal – 2002 Ile-aux-Grues, Frankreich) war ein Künstler und Vertreter der Lyrischen Abstraktion. Ab 1940 lebte er in Paris und bewegte sich dort im Umfeld des Surrealismus und des Tachismus. Riopelle war auf der documenta 2 (1959) und 3 (1964) vertreten. ? Warum muss ich mich ausziehen, wenn er informell malt?“ Da war auch nichts Persönliches, keine Mann-Frau-Geschichte. Ich schätze, er brauchte einfach einen Einstieg. Bei dem anderen war es schon das Weibliche. Das war noch die alte Schule, die Väter-Generation. Dann gab es César César (eigtl. César Baldaccini; 1921 Marseille – 1998 Paris) war ein Künstler, der vornehmlich im skulpturalen Bereich arbeitete. Bekannt ist er vor allem für seine ab 1960 entstandenen „Compressions“. 1961 schloss er sich der Künstlerbewegung der Nouveaux Réalistes an. Sein Werk war auf der documenta 2 (1959), 3 (1964) und 4 (1968) ausgestellt. , es gab den Louvre, aber es gab auch die Bastille. Ich bin immer zu Fuß von der Rue de la Villette gelaufen – das waren zwei Stunden bis zur Akademie und wieder zurück – bis ich merkte, dass meine Schuhe das nicht durchhalten. Mit dem Essen war es schwierig. Ich hatte mir einen Liter Lebertran aus Düsseldorf mitgenommen und wegen meiner Knochen und Zähne immer Weißbrot hineingetunkt.
Ich war 17 Jahre alt, sprach kein Französisch und bin zu Fuß gegangen, weil ich Angst vor der Métro hatte. Ich habe gedacht, wenn ich da hineingehe, komme ich nie wieder raus. Eine alte Dame, die an der Pont de Levallois eine Pension hatte, habe ich nach einem Zimmer gefragt. Es war ganz billig. Die fand es prima, dass sie mit mir Deutsch sprechen konnte – ich nehme an, sie hat sich noch an die deutsche Armee erinnert …
Man lernte sich natürlich in Cafés oder im Jazzkeller kennen – auch Armenier, also Flüchtlinge aus dem Osten. Nur mit den Franzosen haperte es. Ich war ja Deutsche und mit mir wollte keiner wirklich Kontakt haben, außer eben den Leuten von La Réunion. Franzosen, die mir dann auch gleich einen jüdischen Maler präsentiert haben: „Schau mal, das ist Markiel Jan Markiel (1911 Łódź, Polen – 1968 Paris) war ein Künstler, der vor allem im Bereich der realistischen Malerei arbeitete. Im Juni 1943 wurde er aus dem französischen Sammellager Drancy in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er seine Mithäftlinge porträtierte. Im April 1945 erfolgte Markiels Befreiung im Konzentrationslager Buchenwald. Anschließend lebte er bis zu seinem Tod 1968 in Paris. , der war in Auschwitz.“ Er zeigte mir dann seine Nummer. Das war so eine Art „Guck-mal-Deutschland“.
Ich kam morgens um zehn oder elf Uhr am Louvre an, und da kam ein schwarzer Wagen – ohne Verdeck, aus dem 19. Jahrhundert – mit Existenzialisten: Weiber mit langen schwarzen Haaren und schwarz angezogen, Männer mit Bärten, ungepflegt – die kamen da mit einer hohen Geschwindigkeit an und fuhren auf zwei Rädern um die Kurve direkt an den Louvre. Ich hatte so etwas nie gesehen. Existenzialisten! Für mich war das ein Wahnsinn. Als ich dann im Juni 57 das erste Mal Beuys sah, habe ich gedacht: „Das ist ein Existenzialist.“
Klaus Dennhardt und ich liefen in Dresden immer in Hosen rum – zum Teil selbstgemacht, schwarz –, die so eng waren, dass man sich kaum setzen konnte. Ich hatte schwarze Haare, er rote, wir waren ganz in Schwarz gekleidet, wir waren die Existenzialisten. Irgendjemand sagte dann mal zum Parteisekretär: „Auf die muss man aufpassen.“
Man stieg einfach in den Zug und wenn man Pech hatte, wurde man noch einmal rausgewunken. Mindestens zwei Drittel meiner Abiturklasse sind auf diesem Weg in den Westen gegangen. Ich hatte Glück: Wir stiegen ein und fuhren bis Düsseldorf durch. Dort lebte mein Vater, das war mein Bezugspunkt. Und dann gab es die erste Überraschung. Wir hatten gehört, dass man als DDR-Flüchtling, die wir ja waren, im Westen eine Art Stipendium erhielt, wenn man studieren wollte. Ich glaube 150 D-Mark im Monat.
Sie konnten nicht in die Bibliothek gehen und zum Beispiel ein Buch über den Expressionismus herausziehen oder über das Bauhaus – das war einfach nicht vorhanden. Und als ich 1957 aus dem Osten kam, war ich noch ein bisschen schlimmer dran. Im Westen waren inzwischen zwölf Jahre vergangen – in Freiheit. Es gab zwei, drei Galerien in West-Berlin, und es gab auch schon den Versuch, eine Nationalgalerie mit Bildern zu füllen. Alles das gab es ja im Osten nicht. Im Osten gab es überhaupt keine Informationen. Ich wusste nicht, was das Bauhaus war, als ich ankam. Ich wusste nicht, wer Wassily Kandinsky war, ich hatte den Namen Paul Klee nie gehört, geschweige denn Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und dergleichen. Ich hatte zwar den Namen Pablo Picasso gehört, aber das war ungefähr auch alles. So musste man also vollkommen von vorne beginnen.
Als ich an der Akademie anfing, hat ein junges Mädchen mich sofort geduzt. Ich dachte: „Mein Gott, hier sagen die Leute Du zueinander.“ Das gab es in der DDR nicht. „Genosse“ war da schon viel. Eva war die erste Studentin, die ich in der Akademie, in der Mensa kennenlernte. Dass man sich einfach hinsetzte und angesprochen wird, dieses freie Leben, dass man das, was man spürte, in Sprache überführte und dem Gegenüber mitteilte, das kannte ich überhaupt nicht. Hier wurde immer gesagt, was gedacht wurde. In der DDR hingegen sagten wir die letzten Parteitagsbeschlüsse auf, die wir alle auswendig kannten. Das ratterten wir runter. Dann gab es eine private Sprache und noch eine extra Sprache für die Eltern. Man lebte semantisch eigentlich in drei Sprachdefinitionen. Das war in der DDR normal, anders kannte ich es gar nicht.
Wir gingen auf das Lastenausgleichs-Amt und da erlebten wir sozusagen die erste Enttäuschung im Westen: Der Beamte, bei dem man sein Anliegen vortragen musste, telefonierte immer mit seiner Freundin. Zwischendurch fragte er irgendetwas und telefonierte dann weiter. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, es ging schließlich um meine Existenz. Bekommen wir jetzt ein bisschen Geld, damit wir studieren können, oder sind wir nur Spielmaterial für denjenigen, dem man zufällig ausgeliefert war? Ich habe mir dann überlegt: Entweder machst du das Spiel mit und passt dich an, wie im Osten, machst dich klein und wartest, bis er bereit ist dich anzuhören, oder du gehst jetzt. Also bin ich aufgestanden und habe die Tür hinter mir, wahrscheinlich sehr unsanft, zugeschlagen.
Damals kam die bürgerliche Welt erstmals wieder zur Ruhe, und das hat uns aufgeregt. Das fanden wir unmöglich. Konrad Adenauer, der damalige Bundeskanzler, hat das auf seine Weise natürlich auch nach außen vertreten. Als er dann wiedergewählt wurde, klebten an den Litfaßsäulen Plakate mit der Überschrift: „Keine Experimente“. Da ging Heinz Mack her, nahm einen Topf mit schwarzer Farbe und strich das Wort „Keine“ durch, bis die Polizei kam. Also wir bemerkten schon, was politisch um uns herum geschah. Aber die künstlerischen Interessen waren auf die Kunst konzentriert. Die Politik wurde zwar wahrgenommen, das war Tagesrealität, aber sie nahm keinen Einfluss auf unsere Arbeit.
Den 50er-Jahre-Mief habe ich ja gar nicht so mitbekommen, weil ich damit beschäftigt war, für mich selbst zu kämpfen. Also ich hatte nie ein Problem mit Nierentischen und diesen Dingen. Ich wusste gerade mal, wer Adenauer war. Für Politik habe ich mich überhaupt nicht interessiert, das kam erst viel später. Vielleicht habe ich aber auch instinktiv diese miefige, muffige Welt gerochen. Ja, es war ganz bestimmt auch eine Befreiung, selbst wenn man gar nicht so viel mitbekommen hat.
In Düsseldorf habe ich in Ruinen geschlafen. Die Innenstadt war stark bombardiert worden. 90 Prozent waren zerstört, wie in Köln auch. Man konnte aber unten, Parterre oder in den Kellern, wo die Leute lebten, irgendwo in einer Ecke auf der Zeitung liegen. Das ging ganz gut. Das war eigentlich auch normal, nicht so wie heute: „Da liegen die Penner auf der Straße.“
Berlin lag in Trümmern, auch noch anno 56, und ich wollte malen. Es gab ein sogenanntes Schlüsselerlebnis: Nach der Küchenarbeit überkam mich spät am Abend das Bedürfnis, zu malen. Weil ich kein Papier finden konnte, benutzte ich die Deckel von Schuhkartons als Malgrund. Ich verwendete einen von diesen „Pelikan“-Tuschkästen mit den flachen, runden Farbnäpfen. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich etwas Gegensätzliches versucht, etwas Organisch-Konstruktives. Die Freiheit des Abstrakten reizte mich. Die drei Bilder, die mir gefielen, stellte ich schräg gegen ein paar Flaschen und betrachtete sie. Ich war so erfüllt, dass es mich wie ein Blitz an der Stirn traf: Ich werde Maler!
Ich hatte einige Talente, die habe ich einigermaßen souverän spielen können, und dann habe ich erkannt: „Das musst du alles vergessen.“ Das war ungefähr 1957. Vergiss alles, was du bis jetzt gelernt hast. Vergiss, dass du in der Lage warst, einen Akt gut zu zeichnen. Vergiss, dass du dich von der École de Paris Der Begriff „École de Paris“ umfasst die unterschiedlichen Strömungen der international einflussreichen Pariser Kunstszene zwischen der Jahrhundertwende und dem Zweiten Weltkrieg. Neben den französischen Künstlern Georges Braque, André Derain und Henri Matisse werden auch Hans Arp, Marc Chagall, Giorgio de Chirico, Max Ernst, Pablo Picasso, Joan Miró und Piet Mondrian zur damaligen Pariser Kunstszene gerechnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich die sogenannte „Nouvelle École de Paris“, der vor allem Künstler der Lyrischen Abstraktion und des Tachismus zugeordnet werden. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Generation zählen Jean Fautrier, Hans Hartung, Georges Mathieu, Jean Messagier, Serge Poliakoff, Pierre Soulages und Wols. zu einem tachistischen Bild hast hinreißen lassen. Ich hatte das Gefühl, das Bild tot malen zu müssen und habe es ganz schwarz gefärbt. Das war, wenn Sie so wollen, auch eine existenzielle Tat. Erst später stellte ich fest, dass ein Mann wie Arnulf Rainer und andere Künstler das auch gemacht haben. In meinem Fall war es ein Akt der Verzweiflung. Für mich schien es so, als sei es mit der Malerei vorbei.
Seine beiden Eltern waren Maler. Seine Mutter war ziemlich bekannt, und der Vater, Fred Klein, verkaufte Blumen- und Pferdebilder. Yves war bei seiner Tante aufgewachsen, die Radios und Elektrozeug in Südfrankreich verkaufte. Dort war er übrigens schon mit César und Arman bekannt. Er war ein unheimlich eleganter, eloquenter und schöner Mann. Er strahlte und sagte: „Ich bin ein Genie, weil ich herausgefunden habe, dass man ein ganzes Bild in Blau malen kann. Das ist der Endpunkt der Malerei. Ich bin der Endpunkt. Nach mir muss man gar nicht mehr malen!“ In gewissem Sinne ist es wahr.
Norbert Kricke, Norbert Kricke (1922 Düsseldorf – 1984 Düsseldorf) wurde in den 1950er-Jahren mit abstrakten Stahlplastiken bekannt, die häufig für öffentliche Plätze oder als Kunst am Bau konzipiert wurden. Er lehrte von 1964 bis 1984 an der Kunstakademie Düsseldorf und war zwischen 1972 und 1981 Rektor der Akademie. Kricke gehörte zu den Wortführern der Beuys-Opposition im sogenannten „Akademiestreit“ von 1968/69. der dann später Direktor der Kunstakademie wurde, war der Erste, der zu Alfred Schmela Alfred Schmela (1918 Dinslaken – 1980 Düsseldorf) eröffnete 1957 in der Hunsrückenstraße 16–18 in Düsseldorf eine Galerie. Sein Programm umfasste wesentliche Positionen der deutschen Nachkriegskunst, darunter Joseph Beuys, Gerhard Richter sowie Künstler aus dem Umfeld der ZERO-Bewegung. in Düsseldorf sagte: „Du musst diesen Yves Klein ausstellen!“ Schmela konnte sich darunter nichts vorstellen. Er war zunächst fasziniert von dem Gedanken, den Beuys ihm angetan hatte: „Du hast eine kleine Galerie von 3,2 x 4,1 Metern. Auf diese zwölf Quadratmeter stelle ein Pferd.“ Das war die Idee von Beuys. Da habe ich zu Schmela gesagt: „Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank. Du bist doch kein Bauer. Was soll denn das Pferd?“ – „Ja, das ist doch toll. Das fällt doch auf.“ – „Ja, dann stell doch lieber eine nackte Frau hinein.“ Das wurde sehr heftig diskutiert damals. Dann sagte Kricke: „Da ist einer, der malt monochrome Bilder.“ Ich habe Schmela dann in meinem verbeulten Volkswagen diese Bilder von Paris nach Düsseldorf gebracht, damit sie ausgestellt werden konnten. Diese kleinen Bildchen kosten heute mehr als eine Million Dollar. Damals wollte sie keiner haben.
Das waren keine großen Formate. Schmela hatte eine ganz kleine Galerie. Grüne, rote, rosa, blaue, gelbe, goldene, weiße monochrome Dinger. Ich kam am nächsten Morgen in Essen in die Schule und sagte: „Die in Düsseldorf spinnen voll und ganz.“ Als wir mit der Malerei anfingen, mussten wir als Pinselübungen auch monochrome Bilder malen. Das hatte mit dem Bauhaus zu tun: schwarz, weiß, rot, grau, gelb, grün, blau geteilt.
Ich war dabei, als Leute reinkamen und fragten: „Wo ist die Ausstellung?“ Und er sagte: „Hier ist die Ausstellung!“ – „Das sind doch keine Bilder?“ – „Na, dann gucken Sie mal genauer hin.“ Schmela hat die komplette Ausstellung verkauft, viele Bilder auch an junge Künstler. Damals wusste niemand, dass das mal ein Weltstar werden würde.
Bei der Eröffnung waren Yves und auch Tinguely anwesend und bei der Gelegenheit habe ich sie auch zum ersten Mal getroffen. Yves hat mich und einige andere sofort eingeladen: „Wenn ihr nach Paris kommt, dann besucht mich bitte!“ Daraus wurde dann, jedenfalls in meinem Fall, eine regelrechte Freundschaft. Yves kam zu mir, wenn er nach Düsseldorf kam, wie er oft zu vielen anderen kam. Und ich besuchte ihn, zuweilen auch mit Heinz Mack zusammen.
Bei Schmela habe ich zum Beispiel 1957 auch zum ersten Mal Beuys gesehen. Er war damals noch gar nicht bekannt. Ich kann mich nur erinnern, dass da im Juni – es war ein unheimlich heißer Tag – einer mit einem riesigen Zimmermannshut und Gummistiefeln stand. Das war Beuys. Und da habe ich gedacht: „Was ist das für ein komischer Typ!“
Alfred Schmela war eine Sonderfigur. Er konnte es sich leisten, im Bademantel an die Tür zu kommen, um seine Sammler zu empfangen. Er war Kriegsteilnehmer, was für Beuys wichtig war, und er war selbst auch Maler. Ich habe mal Bilder von ihm gesehen, die waren gar nicht so schlecht. Aber sehr zurückhaltend. Die Bilder hat er für sich gemalt, und das hat er mit einer gewissen Liebe gemacht. Wenn Schmela gesagt hat: „Det is jut“, haben alle Düsseldorfer gesagt: „Det is jut.“ Und Cash in de Täsch. Man muss dazusagen, die Düsseldorfer hatten damals richtig Geld.
Heute gibt es kein Urteil, von keinem Oberpapst, von keinem Kollektiv und keiner Zeitung, von niemandem, das bedeutender ist als das Urteil des Markts. Wenn etwas 1 Million, 2 Millionen, 5 Millionen, 10 Millionen, inzwischen 170 Millionen kostet, dann ist das das einzig verbindliche Urteil. Und das war damals nicht der Fall. Das Argument lief anders.
Schmela war die wichtigste Figur da, sozusagen ein Über-Kowallek. Keinerlei theoretisches Vermögen. Null. Aber Schmela hatte den tödlichen Blick, sagt man im Fußball. Für den tödlichen Pass. Der hat immer gesagt, das einzige Kriterium, das es für ihn gebe, sei: „Et jibt jute Kunst und et jibt schlechte Kunst.“ Mehr war es nicht. Alles Bauchentscheidungen, aber zu 90 Prozent, wenn nicht mehr, richtig. So ein Typ war das. Und ganz Düsseldorf war in seinem Bann. Also die Bürgerschichten. Die Durchsetzung der Avantgarde, wie wir vorhin gesagt haben, in Deutschland, im Bürgertum, im Mittelstand und immer höher, daran hat er mächtig gearbeitet und daran hatte er großen Anteil.
1957 habe ich Herrn Schmela in Düsseldorf aufgesucht und gesagt: „Ich bin Dramaturg bei Sellner in Darmstadt und mache jetzt mit Klaus Brehmer, Daniel Spoerri, Robert Filliou und Yves Klein etc. bei Iris Clert Iris Clert (1917 Athen – 1986 Cannes) führte von 1955 bis 1971 eine Galerie in Paris. Ihr Programm umfasste Künstler aus dem Umfeld des Nouveau Réalisme. Insbesondere mit Präsentationen von Arman, Yves Klein und Jean Tinguely galt die Galerie ab Anfang der 1960er-Jahre als ein wesentlicher Kristallisationspunkt neuester Kunstentwicklungen. eine Auseinandersetzung über dieses Problem ,Kunstmarkt‘. Was ist Ihrer Meinung nach die Letztbegründung für Ihr Metier? Sie sind Kunsthändler, Galerist, Sie wollen etwas verkaufen.“ – „Ja, selbstverständlich, Verkaufen ist die entscheidende Mittlungsform.“ – „Ja, warum? Sagen Sie mal, warum das Bezahlen in Geld die entscheidende Form des richtigen Reagierens auf einen Anspruch von Künstlern sein soll? Können Sie mir das mal klarmachen?“ Da hat er ganz kühl gesagt: „Dann können Sie mal ein bisschen hier bleiben. Probieren Sie es mal aus. Wenn ein Herr mit Staubmantel und einem Schirm überm Arm, einem Hut in der Hand beziehungsweise auf dem Kopf in die Galerie kommt, müssen Sie ihn sofort aufs Freundlichste in die neueste Diskussion über die Dinge, die hier ausgestellt sind, verwickeln. Dann wird er ganz kribblig werden, denn Sie reden mit ihm über etwas, dem er überhaupt nicht folgen kann. Er weiß gar nicht, was der Blödsinn soll. Und dann wird er Ihnen, wenn er intelligent ist, nach ganz kurzer Zeit sagen: ,Hören Sie auf mit dem Gerede, ich kaufe es‘. Wer kauft, braucht keine Argumente.“ Das heißt, damals galt: Nicht der Marktpreis ist das letzte Argument, sondern die Entlastung von den Argumenten. Die Leute, die Kunst kauften, hatten eine besonders geniale Form zu insinuieren, dass sie etwas wussten, nämlich die Gründe dafür, warum es Kunst ist, sonst hätten sie es ja nicht gekauft. Der Witz aber war, dass sie es gerade gekauft haben, um die Diskussion, warum das Kunst ist, loszuwerden.
57 fuhr ich nach Paris – traf Jean Tinguely, Yves Klein und so weiter und so fort. Ich habe mich sehr für diese Leute interessiert, denn die haben sich auch für mich interessiert. Es kam zum ersten Mal das Bewusstsein auf, dass an verschiedenen Orten der Welt Dinge geschehen, die eine phänomenale Verwandtschaft haben, eine phänomenale künstlerische Spannung aufweisen, die jeweils sehr deutlich korrespondiert, in einem interaktiven Sinn.
Wir sind nach Wien und haben Kurt Schwertsik und Arnulf Rainer getroffen. Dann waren wir in Paris und haben Daniel Spoerri getroffen. Wir waren eigentlich immer per Autostopp unterwegs, Geld war keins da. Und so sind wir den künstlerischen Ereignissen in der Musik, Malerei oder Poesie gefolgt. Es gab ja nicht viel in Europa. Wenn bei mir etwas war – oft nachmittags oder spät nachts nach den offiziellen Veranstaltungen im WDR –, kamen die Leute aus Belgien und aus England herbeigeeilt, wenn es nicht gerade am selben Tag organisiert wurde. Wir hatten immer internationales Publikum.
Die „Abendausstellungen“ wurden ein ganz wichtiges Element der aufstrebenden Kultur der Künstler in Düsseldorf. Denn bis dahin hatte Düsseldorf in einem Tiefschlaf gelegen und zehrte von der tiefen Vergangenheit. Plötzlich wurde es wach, es wurde anders, es wurde besser, es wurde lebendig und eigen.
Auf einmal stand die ganze Welt zur Verfügung, und das kunstgeschichtliche Schubladendenken war ein für alle Mal passé. Plötzlich hatte man als Künstler die Chance und das Recht, alles miteinander zu vergleichen oder zu betrachten oder in Frage zu stellen.
Es war ein visueller Sturm, der mit dieser Ausstellung durch Europa ging: Pollock Jackson Pollock (1912 Cody, Wyoming – 1956 East Hampton, New York) gilt als Begründer des Abstrakten Expressionismus und Erfinder des Action-Painting. Bekannt wurde er insbesondere für seine Dripping-Technik. Dabei ließ er Farbe ohne Pinsel direkt auf die am Boden ausgebreitete Leinwand tropfen. Pollock studierte an der Art Students League, New York, und wurde von der Mäzenin und Galeristin Peggy Guggenheim in den 1940er-Jahren unterstützt und gefö.rdert. Werke von Pollock waren auf der documenta 2 (1959) und 3 (1964) ausgestellt. und der Abstrakte Expressionismus.
Diese Ausstellung war mein Erweckungserlebnis überhaupt – das hat mich nie mehr losgelassen, das hat mich gefesselt und sehr motiviert. Die große Ausstellung tourte damals mit edukativer Absicht nach Deutschland. Das waren die Riesenbilder von Pollock, Jackson Pollock (1912 Cody, Wyoming – 1956 East Hampton, New York) gilt als Begründer des Abstrakten Expressionismus und Erfinder des Action-Painting. Bekannt wurde er insbesondere für seine Dripping-Technik. Dabei ließ er Farbe ohne Pinsel direkt auf die am Boden ausgebreitete Leinwand tropfen. Pollock studierte an der Art Students League, New York, und wurde von der Mäzenin und Galeristin Peggy Guggenheim in den 1940er-Jahren unterstützt und gefördert. Werke von Pollock waren auf der documenta 2 (1959) und 3 (1964) ausgestellt. die großen Drippings. Die hingen in der Berliner Hochschule, wo ich studierte, in der Eingangshalle, und in den hinteren Flügeln rechts und links, wo die Studenten ihre Jahresarbeiten aufhängten, hingen die kleineren Pollocks.
Als 1958 die Bilder von Pollock in der Quergalerie der Hochschule gehängt wurden, wo sonst die Arbeiten der Studenten gezeigt wurden, und in den oberen Räumen Gemälde von Künstlern wie Arshile Gorky, de Kooning, Sam Francis, Philip Guston, Mark Rothko und Clyfford Still hingen, waren die Professoren entrüstet, und wir Jungen waren begeistert.
In der oberen Etage hingen die Bilder von Willem de Kooning, Barnett Newman und auch Philip Guston – das war eine Wahnsinnsausstellung. Erst mal vom Format, die Pollocks sind riesig. Wir gingen immer wieder durch die Ausstellung, es war einfach ein Rausch – unglaublich.
Die war schon beeindruckend. So große Bilder hatte ich nicht einmal in München im Haus der Kunst gesehen. Dieses Amerikanische in Übergröße.
Der Künstler, dessen Bilder sich am meisten in den Köpfen eingeprägt hatten, war damals nicht Pollock, sondern de Kooning. Es ging demzufolge eine De-Kooning-Welle durch die Akademie. Die betraf das Bildmodell de Koonings, das heißt die Mischung zwischen Amerika und Picasso, aber nie das Format. Die Formate blieben klein.
Ich habe vorher und hinterher alles Mögliche ausprobiert, ich habe auch mit abstrakter Malerei experimentiert, mit informeller Malerei, habe gekleckst und Dripping gemacht, aber mir wurde dann doch klar: Das können andere besser, das ist nicht meine Art, mich auszudrücken. Ich finde mich darin nicht wieder, und mein Lehrer Bruno Goller, ein sehr guter gegenständlicher Maler, sah sich mal so eine Serie an mit Klecksografien und sagte: „Sie machen das schon recht geschickt, aber wenn ich Sammler wäre, würde ich immer lieber eine ‚Schreibmaschine‘ von Ihnen kaufen.“ Und dann habe ich am selben Abend noch die dreißig Blatt, die ich da zusammengespritzt und -gekleckst hatte, vernichtet.
Ein großes Format zu malen war eine bestimmte Form von Übermut und auch eine bestimmte Form von Angeberei. Ich weiß noch, als ich für meinen Lehrer Hann Trier Hann Trier (1915 Kaiserswerth – 1999 Castiglione della Pescaia, Italien) war ein Künstler, der dem deutschen Informel zugerechnet wird. Von 1957 bis 1980 lehrte er als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. Zwischen 1957 und 1963 zählte Georg Baselitz zu seinen Studenten. die Leinwände präparierte, waren das Formate von 2,50 x 1,80 Meter – für die Biennale von São Paulo. Trier hatte oft darüber gesprochen, dass er noch nie solche Riesenformate gemacht habe: 2,50 x 1,80 Meter ist heute ein Kleinformat.
Die Ausstellung „Das rote Bild“, die im April 1958 stattfand, war die erste, die wirklich einen thematischen Charakter hatte, den man mit ZERO in Verbindung bringen könnte. Da waren unter anderen auch Georges Mathieu, Yves Klein, Jean Tinguely und ich dabei. Die erste der von Heinz Mack und Otto Piene organisierten „Abendausstellungen“ fand am 11. April 1957 statt, die achte und letzte am 02. Oktober 1958. Anlässlich der „7. Abendausstellung“, die am 24. April 1958 unter dem Titel „Das rote Bild“ im Atelier von Heinz Mack und Otto Piene in der Gladbacher Straße 69 in Düsseldorf eröffnet wurde, war erstmals auch Günther Uecker vertreten. Daneben umfasste die Ausstellung Arbeiten von 43 weiteren Künstlern, darunter Werke von Hermann Bartels, Yves Klein, Heinz Mack, Georges Mathieu und Hans Salentin. Vgl. Thekla Zell, „Editionen, Expositionen, Demonstrationen 1957–1966“, in: Dirk Pörschmann und Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 443–468, hier S. 444. Mack hatte meine Arbeiten gesehen und mich daraufhin zu dieser Abendausstellung eingeladen. Auf den Namen ZERO waren sie vorher schon mit Hans Salentin während eines Kneipenbesuchs gekommen.
Ich bin durch den Krieg mit einem gesunden, kritischen Verständnis von Vereinen, Vereinigungen und Organisationen – man könnte fast sagen – „aufgewachsen“. Die bloße Existenz eines Vereins rechtfertigt gar nichts. In den „Abendausstellungen“ kamen Künstler vor, die ich kannte, einige kannte ich gut, einige, die vernünftigerweise auch mit einem Versprechen auf die Zukunft arbeiteten und redeten, das war wichtig und wurde immer wichtiger.
Max Bense hat die Ausstellung damals eröffnet und von der stochastischen Welt der Texte gesprochen. Das hat mich sehr beeindruckt: Die semantischen und die stochastischen Texte. Eine Art wissenschaftliches DADA. Buchstaben nebeneinander oder Wörter gleicher Art nebeneinander ergeben einen anderen Sinnzusammenhang.
Da haben wir also das erste „ZERO“ geboren – „ZERO 1“, das rote Anlässlich der „7. Abendausstellung“ mit dem Titel „Das rote Bild“ im Atelier von Heinz Mack und Otto Piene erschien am 24. April 1958 „ZERO 1“, die erste von drei selbst verlegten ZERO-Zeitschriften, die zwischen 1958 und 1961 herausgegeben wurden. Dem Thema der Ausstellung entsprechend enthielt „ZERO 1“ Beiträge zur Farbe. – und dazu diese Ausstellung gemacht mit Bildern, deren dominierende, definierende Farbe Rot ist. Das war eigentlich der Anfang von ZERO, das sich dann als solches identifizieren ließ.
Die ZERO-Gruppe habe ich bei Alfred Schmela in Düsseldorf kennengelernt. Almir Mavignier, ein Mitstudent an der Hochschule für Gestaltung Ulm, brachte dann die ZERO-Leute auch mit ins Atelier. Es brachte einer den anderen zu mir und dann hatte ich die Leute zusammen.
Der Kreis Kunstinteressierter war damals winzig. Ich habe immer gesagt: „Das sind 150, vielleicht 200 Personen, die infrage kommen.“ Und die kannten sich alle untereinander. Man wusste: Dieter Rosenkranz – Mary Bauermeister, es gab immer irgendwelche Bezugspersonen.
Wir waren natürlich alle linke Socken. Anarchismus war nötig, denn die Welt verkrustete wieder. Deutschland hatte immer noch die alten Professoren, die alten Richter. Da wurde schon wieder aufgerüstet. Wir merkten dann: Halt! Wir sind in einer gefährlichen Situation. Es wird alles wieder bürgerlich. Stockhausen hat da nicht mitgemacht, Olivier Messiaen Olivier Messiaen (1908 Avignon – 1992 Clichy) war ein französischer Komponist, dessen Stücke auf einem Studium von Zahlenmystik, Vogelgesang und den Eigenschaften javanischer Gamelan-Orchester beruhen. auch nicht, aber alle anderen waren eingeschworene Atheisten und Anarchisten, links.
„Modern sein“ war revolutionär. Diese Dritte-Reich-Typen hassten das wie die Pest. Wir haben uns auch anders angezogen. In Essen haben sie uns Steine nachgeschmissen, ich habe mich sogar richtig geprügelt. Als Studenten waren wir immer in Essen. Einmal haben wir dort Frikadellen gegessen, als so ein Stalingrad-Kämpfer uns beschimpfte, weil wir Bärte hatten und komisch angezogen waren. Er erzählte, was sie für tolle Typen waren und was sie in Stalingrad alles gemacht hätten. Da habe ich ihm eine reingehauen, sodass er quer über die Straße geflogen ist. Heulend kam er zurück und fragte, warum ich das gemacht hätte. Ich sagte: „Sprich nicht so über uns, wir sind viel härter als die. Die haben verloren, wir sind die Gewinner.“ Ich habe mich gewonnen und das war wichtig. Ich bin ja dann auch sofort nach Frankreich gegangen.
Ich bin meistens mit dem Auto nach Paris gefahren, ich hatte einen kleinen Fiat 500, den Topolino. Einmal hatte ich elf Bilder dabei, habe aber mit den elf Bildern nicht viel ausgerichtet, war bei verschiedenen Galerien, die haben sich das mehr höflich als interessiert angesehen, das erlösende Wort jedoch – „Wann sind Sie frei für eine Ausstellung?“ –, das kam nicht.
1958 habe ich die Prüfung gemacht und bin wieder zurück nach Düsseldorf gegangen. Dann habe ich ein halbes Jahr beim ADAC gearbeitet. Aber das hat mich dermaßen gelangweilt – nach einem Vierteljahr konnte ich alles. Ich dachte, das kann es nicht gewesen sein. Es kam alles zusammen. Und ich habe an Rilke gedacht: „Du musst dein Leben ändern.“ Der Satz „Du musst Dein Leben ändern“ ist die Schlusszeile des Gedichts „Archaïscher Torso Apollos“, das Rainer Maria Rilke 1908 in Paris verfasste. Und das habe ich gemacht. Ja, das habe ich gut gemacht.
Wie ich gesagt habe: Jeder geht seinen eigenen Weg. Jeder macht seine ersten Entdeckungen, möchte dann aber doch wissen, ob das eine gesellschaftliche oder künstlerische Relevanz hat. Daher hat man sich gegenseitig aufgesucht. Die Franzosen kamen nach Düsseldorf, die Düsseldorfer sind nach Mailand gefahren. Wir sind nach Amsterdam gefahren. Das ging hin und her. Es war wirklich das Gefühl, dass wir einer Sache gemeinsam nachgehen. Da kam das Bewusstsein auf: Wir sind Vertreter einer neuen Kunstbewegung.
Man hat damals anders gedacht als heute, wo nur von der Rente geredet wird. Das war ein Fremdwort – Rente. Es ging nicht darum, wie werde ich mein Leben irgendwann gestalten, sondern: Ich will genau das und das jetzt machen. Es ging nicht um irgendeinen Komfort oder darum, ein Auto zu haben oder solche Dinge. Damals war man nicht einmal krankenversichert, das interessierte einen überhaupt nicht. Diese Gedanken kamen gar nicht vor. Es ging auch nicht um eine brotlose Kunst. Ich mache keine brotlose Kunst, sondern ich mache Kunst.
Dieser Gedanke, dass man von dem, was man machte, in irgendeiner Weise leben könne, stellte sich gar nicht. Denn es gab kein Vorbild, niemanden, dem man es hätte nachmachen können: Der lebt davon, das kannst du dann auch, weil du sowieso besser bist. Die Chance sah man nicht.
Meine Frau hat tagsüber hart gearbeitet, um halb sieben ging sie aus dem Haus – zum Postscheckamt, wo sie mit 17 bereits Ausbildungsleiterin für die Angestellten war. Das heißt, wir haben ein richtiges Arbeitsleben geführt
Ich wollte ein freies Leben. Ich sah ja diese Leibeigenen. Wer irgendwo einen Job annimmt, der verkauft seine Lebenszeit. Ich wollte meine Lebenszeit für mich haben und darüber verfügen. Und mir war klar, das ging nur mit meinem Talent.
Ich hatte damals zwei Jahre lang einen bürgerlichen Beruf. Ich musste morgens um acht Uhr in der Schule sein. Meine Ausstellungen habe ich am Wochenende gemacht, und Montag war ich wieder in der Schule. Und Herr Otto Piene rollte sich eine Wellpappe auf dem harten Betonboden aus, auch im Winter – eine Heizung gab es dort nicht –, legte sich dort hin und ging um sieben Uhr rasiert zu seiner Modeschule, wo er Lehrer war. Zwischen 1951 und 1964 unterrichtete Otto Piene als Lehrer an der Modeschule in Düsseldorf. Nebenbei wurde auch noch künstlerisch gearbeitet.
Es war nie eine Gruppe. Es war ein pragmatischer Zusammenhalt von Künstlern, die es vermocht haben, in der Welt Aufsehen zu erregen und Ausstellungen zu präsentieren, um die ich mich in der Regel gekümmert habe, da Mack und Piene Lehrer waren und schon morgens ins Gymnasium oder in die Modeschule mussten. Das heißt, sie konnten nur nachts arbeiten. Und ich habe dann die Transporte begleitet und die Ausstellungen im Ausland aufgebaut. Es war meine Aufgabe, die Sache zu dynamisieren, da die anderen beiden durch die Ausübung ihres Berufs verhindert waren.
Als meine erste Gruppe von Maschinenbildern fertig war, so ein knappes Dutzend, habe ich Alfred Schmela mit seiner Frau eingeladen. ich nahm eine meiner ersten „Schreibmaschinen“ und zeigte ihm nicht die bemalte Seite, sondern jonglierte das so ein bisschen an ihm vorbei, und vorsichtshalber hatte ich in die Wand uns gegenüber einen einsamen Nagel geschlagen, und mit einem Schwung hing das Bild an der Wand. Es war ein kleiner Zirkusakt. Das Komische war: Das hatte ich ihm abgeschaut, so hat Schmela nämlich einmal einer Kundin ein Bild von Antoni Tàpies gezeigt.
Die Galerien, die neue Sachen zeigten, zeigten keine Frauen. Schmela zeigte die ZERO-Gruppe oder die Franzosen oder Spoerri. Der hat doch keine Frau gezeigt. Spoerri war zwar mit einer Frau, mit Ingeborg Lüscher Ingeborg Lüscher (* 1936 Freiberg) ist eine deutsche Fotografin und Konzeptkünstlerin, die insbesondere mit ihren „Stummelbildern“ bekannt wurde. liiert, das war seine Liebste, aber deren Arbeit kümmerte ihn nicht. Spoerri sagte in meiner ersten Ausstellung in Amerika „Bauermeister. Paintings and Constructions“, Galeria Bonino, New York, 17. März – 18. April 1964. so wohlwollend zu mir: „Begabtes Mädchen.“ Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Arroganz auch die ZERO-Gruppe hatte. Ich bin von ZERO weggegangen, weil da nur Männer waren. Die Frauen wurden nicht wahrgenommen. Ich wurde akzeptiert, weil ich eine gute Organisatorin war.
Er guckte das Bild eine Sekunde an – es war eine „Schreibmaschine“, Konrad Klapheck, „Athletisches Selbstbildnis“, 1958. die Peter Ludwig später gekauft hat, es müsste auch jetzt noch im Ludwig Forum Aachen hängen – und dann sagte er: „Boah, wir machen eine Ausstellung!“ Das hat mich schon sehr beeindruckt, dass jemand nach einer begründeten und berechtigten Ablehnung aufgrund eines charakteristischen Bilds das sofort als ausstellungswürdig einstuft. Die Frau sagte gar nichts, sie fand das vielleicht auch ein bisschen schnell, aber er blieb bei seiner Entscheidung für mich und hat mir ein knappes Jahr später, 1959, diese erste Ausstellung gewidmet.
Paris, das wusste ich, war vorbei. Es war mit der documenta 59 Vom 11. Juli bis 11. Oktober 1959 fand in Kassel, von Arnold Bode geleitet, die „documenta 2“ unter dem Titel „Kunst nach 1945“ statt. Nach der ersten documenta 1955, die vor allem einen retrospektiven Blick auf die Kunst gelegt hatte, sollten vier Jahre später die neuen Entwicklungen nach dem Krieg gezeigt werden. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der abstrakten Kunst, dem europäischen Informel und Tachismus sowie dem Abstrakten Expressionismus der Amerikaner, die auf dieser documenta unter anderen mit Jackson Pollock, Franz Kline und Clyfford Still erstmals vertreten waren. für mich unabweisbar, dass sich die Szene nach New York verlagert hatte. Dort ist zum ersten Mal die sogenannte „New York School“, Abstrakter Expressionismus, gezeigt worden. Das fand ich bei Weitem frischer, interessanter, provokativer als die sogenannte „École de Paris“, die fand ich eher ästhetisierend, so steht es auch in meinem Tagebuch, das ich geführt habe. „Parfümierte Bilder“ habe ich das genannt, das war meine Wahrnehmung.
Ich bin in jede Ausstellung gegangen. Düsseldorf war eine Metropole für Kunst. Mein erstes großes Erlebnis war die zweite documenta 1959.
Unvergessen im Treppenhaus des Fridericianums: ein großes Format, monochrom, gelb-ockerfarben, mit einer einzigen senkrecht verlaufenden Linie. Wie kann das ein Bild sein? Ich hatte das vorher zwar in kleinen Abbildungen gesehen, aber es ist etwas anderes, wenn du einem derart großen Format gegenüberstehst. Einem Bild von Barnett Newman. Da habe ich gemerkt, in meinem Kopf ist immer noch dieses Kompositionsdenken. Denn um ein Bild wahrzunehmen, brauchtest du die Bezüge innerhalb des Bildes. Die waren nicht vorhanden. In der Vorstellung konnte man das ausdehnen. Ich verband das mit der Vorstellung des Handelns.
Ich bin alleine hingefahren. Und ich habe gestaunt, was im Westen alles als Kunst galt. In dieser Fülle, in dieser Prächtigkeit und ausladenden Menge. Das hat mich einerseits ein wenig erschreckt, andererseits hat es mich von meiner Westskepsis, die ich hatte, weil wir am Anfang so schlecht behandelt worden waren, befreit. Wir haben damals erlebt, was es heißt ein Flüchtling zu sein, den keiner haben will. Wir kamen damals in einer so großen Zahl, dass die Leute beunruhigt fragten: „Was wollt ihr alle hier?“ Ein Teil derer, mit denen ich in diesem Kursus in Heidelberg das Abitur nachgemacht habe, hielt das nicht aus und ging zurück in die DDR. Wir haben aber gesagt: „Als geschlagene, begossene Pudel zurückzugehen? Auf keinen Fall!“ Zurück zur documenta:
Oben sehe ich an einer Wand mittlere Formate: monochrom weiß, eines türkisfarben. Der Künstler hatte da mit dem Messer Schnitte in die Leinwand gesetzt und bei dem türkisfarbenen Bild einen Schnitt grob mit Goldbronze überstrichen. Ich war völlig perplex. Obwohl ich gar nicht so genau wusste warum, fand ich das toll. Natürlich das Moment des Provokativen, so was hatte ich noch nie gesehen. Dann dachte ich: „Na, das ist, was die jungen Künstler heute machen“, und lese aber: Lucio Fontana, geboren 1899. „Der ist 60 Jahre alt, das ist aber merkwürdig.“ Das werde ich nie vergessen. Ich habe das ernst genommen, weil das ein gestandener Mann gemacht hatte. Nicht ein Jungkünstler, der mal etwas ausprobiert. Das hat mich in der Vorstellung befeuert, dass der klassische Bildraum nicht mehr existiert. Diese Schnitte haben die Illusion des Bildraums zerstört. Und fortan hatte ich ein weiteres Problem, über das ich nachzudenken hatte: Wenn ich das ernst nehme, dann existiert der klassische Bildraum nicht mehr. Was ist das dann? Definiere ich das noch als Malerei? Plastik ist es offensichtlich nicht. Also musste ich einen neuen Begriff dafür finden. Das klingt jetzt so einfach, aber das war zu der Zeit für mich enorm aufregend, und mit diesem Gepäck bin ich dann an die Städelschule gegangen. Dort war die Frage wichtig: abstrakte versus gegenstandsbezogene Kunst!