Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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1960-69

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„Als Warhols ‚Double Elvis‘ ins Museum einzog, dachte ich: Jetzt haben wir es geschafft.“

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Ich war in Hamburg ab 1957 zunächst mit Literaturwissenschaftlern, mit Peter Rühmkorf und vielen anderen zusammen, und da sagte uns einer der führenden Literaturwissenschaftler: „Für das, was ihr da erörtert, müsst ihr eigentlich nach Frankfurt gehen. Wenn wir euch was erzählen, gilt das in der Öffentlichkeit nicht. Aber wenn euch das ein Exilierter, Zurückgekommener wie Adorno erzählt, dann hat es eine andere Glaubwürdigkeit. Geht mal hin, lasst euch erzählen, was los ist.“ Und was erzählte uns Adorno? 1959 hat er es öffentlich gesagt, im Rundfunk: Er fürchte nicht die Wiederkehr des Faschismus der braunen Horden, der Schlägertrupps in Versammlungshallen, sondern die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie. Da waren Sie platt. Da wussten Sie plötzlich: „Jetzt muss ich eine ganz andere Sinneswahrnehmung haben, jetzt muss ich die Vorgänge von der Börse bis zum Feuilleton völlig anders betrachten.“
Diese ganze Mack- und Piene-Welt kommt eher aus dem Bauch heraus. Diese Idee der sogenannten „modernen Welt“. Nach dem Zweiten Weltkrieg, wie auch nach dem Ersten Weltkrieg, herrschte eine hoffnungsvolle Stimmung. Dann kamen Baselitz und Beuys und haben sich verstärkt mit der sogenannten „Realität der deutschen Geschichte“ auseinandergesetzt.
Wie wird Deutschland mit seiner Geschichte fertig, und wo ist die Antwort seitens der Künste? Obwohl ja auch das Informel eine Antwort war. Es wurde nur nicht so verstanden, sondern es wurde als Fluchtbewegung vor der bedrückenden Nazivergangenheit gesehen, als Flucht in den großen internationalen Raum der Abstraktion.
Ich hatte eine Tante, die in Deutschland überlebt hat. Sie lebte in der Nähe von Köln in einer kleinen Stadt, Hennef an der Sieg, in der Nähe von Siegburg. Sie hat den Krieg ohne KZ überlebt. Ich habe sie öfter besucht und war dann auch in Düsseldorf. Aus der Zeit ist mir zum Beispiel das Thyssen-Hochhaus noch in Erinnerung. Dieses dünne Zwei-Scheiben-Haus ist ein architektonisches Monument des Wirtschaftswunders.
Als ich 61 an der Akademie anfing, war ich die einzige Frau in einer Malerklasse. Bühnenbild oder KL, künstlerisches Lehramt, war für Frauen erlaubt. Ich war eine der Ersten, das war für die Männer ungewohnt. Und manch einer hatte eben auch Lust auf junge Frauen. Da war ich vorsichtig. Auch schon in Paris.
Im Gegensatz zum Städel gab es in der Klasse eine provokantere Auseinandersetzung mit Kunst. Weniger gebunden an Geschichte. Auch die Sprache war völlig anders. In Frankfurt musste man etwa zu der Zeit mit Franz Kafka und García Lorca vertraut sein. Wenn du da keine Details kanntest, warst du der dumme Junge vom Land. In der Düsseldorfer Akademie hat sich kein Mensch dafür interessiert.
Ich hatte null Vorstellung, wohin. Und so besuchte ich einen ehemaligen Mitstudenten, den einzigen Bekannten in Westdeutschland, in Düsseldorf. Bei ihm konnte ich ein paar Wochen wohnen. Ich sagte ihm, dass ich wohl in die Kunststadt München ziehen sollte, und er erwiderte: „Nein, um Gottes willen, Düsseldorf ist die Kunststadt.“
Da hatte ich Leute, mit denen ich diskutieren konnte, zum Beispiel Gerhard Richter, Sigmar Polke, Konrad Fischer Konrad Fischer (1939 Düsseldorf – 1996 Düsseldorf) war ein deutscher Künstler und Galerist, der 1967 in der Düsseldorfer Altstadt eine Galerie eröffnete. Sein Programm umfasste frühe Vertreter der Minimal Art und der Konzeptkunst, darunter Carl Andre, Hanne Darboven, Bruce Nauman und Lawrence Weiner. Als „Konrad Lueg“ war Fischer vor Gründung seiner Galerie als Künstler tätig und stellte mehrfach mit seinem Künstlerkollegen Gerhard Richter aus. Die bekannteste künstlerische Aktion, an der Konrad Lueg beteiligt war, fand im Oktober 1963 im Düsseldorfer Möbelhaus Berges unter dem Titel „Leben mit Pop. Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ statt. . Das war eine ganz andere Nummer. Nur wie war das Verständnis? Als ich meine Materialprozessarbeiten, die großen Papierklebungen, machte, sagte Konrad Fischer: „Na, wat der erzählt, is ja nix Neues, dat is ja ZERO!“ – „Wieso ZERO?“ Da sagte er: „Na, da ist auch nichts drauf.“ Das war spielerisch-provokativ gemeint, aber so war letztlich das Verständnis: Da ist doch auch nichts drauf! Wenn ich davon geredet habe, dass diese Materialprozesse in der Vorstellung zu Arbeiten erhoben werden sollten, haben die gelacht. Das war als Gedanke offenbar fremd, obwohl es eine klare Anknüpfung an das Informel war. Der Sprung ist doch gar nicht so groß: Das Bild wird aus dem Malprozess heraus zum Materialprozess. Ging aber nicht. Gerhard Richter war ein bisschen vorsichtiger, Sigmar Polke übrigens auch. Die haben hingeguckt. Aber Verständnis?
„Was du da machst, ist scheiße!“ So waren manche Studenten auch den Professoren gegenüber. Die duzten die Professoren plötzlich: „Ach zeig mal, was du so machst.“ Dieses Runtermachen war gang und gäbe, auch bei Polke. Franz Erhard, Polke, Richter und ich – wir waren das Gespann.
Konrad Fischer war Student bei ihm und sagte mir: „Du kannst doch nicht bei Macketanz bleiben, Götz ist viel besser.“ So war’s ja auch.
Als Lehrer an der Kunstakademie verfolgte ich einfache Prinzipien. Ich habe keinen Wert darauf gelegt, meine Schüler zu informellen Künstlern oder Künstlerinnen zu erziehen. Die freiheitliche Entfaltung eines jeden Studierenden ging mir über alles.
Der war sehr zurückhaltend und vorsichtig, wenn er in die Klasse kam, sagte er: „Lasst euch nicht stören. Ich muss nur mal durchgehen.“ Er hat nicht viel gesagt, man ging mit den Sachen, die man gemacht hatte, zu ihm, und dann wurde drüber gesprochen. Er hat mehr Einzelgespräche geführt. Keine Gruppentherapie.
Zu Beginn habe ich ein Stipendium gehabt. Das lief über Götz. Er sagte: „Eigentlich mache ich das nicht, aber so wie Sie arbeiten, können Sie nie davon leben.“ Der hat mir dann geholfen, dass ich ein kleines Stipendium bekam. Aber das war sehr wichtig: Ich musste mich zwei Jahre lang nicht um Gelderwerb kümmern. Das war die Zeit, die ich zur Entwicklung meiner Arbeit brauchte.
Ich bekam vom Amt ein kleines Stipendium. Zusätzlich haben wir gejobbt, und dann bauten wir Karnevalswagen. Darin waren wir sehr gut und haben richtig Geld verdient. War schön. Manchmal habe ich auch gekellnert. Statt feiern: kellnern. Das war richtig gut.
Richter wollte einfach Geld verdienen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sigmar je gesagt hat: „Ich will davon leben.“ Ich habe nie gedacht, dass ich je von meiner Arbeit existieren könnte. Richter wollte das definitiv.
Die meisten, die Kunst studieren – das habe ich später gesehen –, können davon ja nicht leben. Von hundert vielleicht einer. Außerdem ist mir klar geworden, dass man Kunst nicht lehren kann. Das ist meine feste Überzeugung. Man kann es nicht lehren und nicht lernen. Du kannst ein Handwerk lernen, aber was du in der Seele hast, was du fühlst, kann dir keiner sagen. Die Lehrer können dich auf etwas hinweisen, aber sie weisen dich von ihrer Seite aus auf etwas hin und manövrieren dich vielleicht in eine Ecke, in die du gar nicht gehörst. Meiner Meinung nach kann man die Akademien schließen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es vollkommener Blödsinn ist.
Man muss als Person interessante Leute anziehen. Und es braucht eine kritische Masse, die sich dann gegenseitig befeuert. Das habe ich über die Jahrzehnte erlebt. Zuletzt mit Santiago Sierra, Jonathan Meese, John Bock, Christian Jankowski. Also immer wenn man, ich nenne das „kritische Masse“ zusammenbringt, kann etwas entstehen, als Lehrer ist man da nur der Katalysator. Ich habe sicher gute Ratschläge gegeben, aber das ist alles begrenzt. Leute anziehen, das war auch, was Beuys gelungen ist. Ich kann nicht sagen, dass Götz Leute angezogen hat, aber weil er damals, was das Informel anging, eine herausragende Figur war, sind wir zu ihm gegangen. Polke, Richter, Konrad Fischer und ich.
Götz hat bei mir nichts hinterlassen. Er hat nur gesagt: „Das können Sie nicht machen. Eine Ellipse sprengt das Bild. Gelb und Grau können Sie auch nicht machen, das geht nicht.“ „Wieso?“, habe ich da gefragt, „Warum kann ich das nicht machen? Ich will das aber!“ Es ging aber nicht.
Eines Tages kam er in die Klasse und sagte: „Ich habe einen Künstlerfreund, der war in New York, da malen sie jetzt wieder gegenständlich. Autoreifen, Büstenhalter, Kekse, Hotdogs. Der kannte das nicht, der hat jahrelang informell gemalt. Sie haben doch in der Ostzone realistisch gemalt, Sie können für ihn arbeiten, fünf D-Mark die Stunde.“ Ein riesen Geld damals. Gerhard Richter sagte: „Mach ich.“ Nach zwei, drei Tagen kam er aus dem Atelier des Malers Winfred Gaul zurück und sagte: „Ich bin ja net blöd, des mach ich och!“ Zum Einfluss Winfred Gauls auf die frühen Arbeiten von Gerhard Richter vgl. Dietmar Elger, „Gerhard Richter, Maler“, Köln 2002, S. 51, 55, sowie Jürgen Hohmeyer, „Richter. Wenn’s knallt“, in: „Der Spiegel“, Nr. 34, 19.08.1968, S. 90–91. Gaul hat dann erzählt: „Da mache ich mal was Neues und schon kommen die Studenten und machen das nach.“ Der war furchtbar sauer.
Gerhard Richter war schon in der DDR ein fertig ausgebildeter Plakat- und Bühnenmaler. Als er zu mir in die Klasse kam, holte er nur das Wissen über die gegenstandslose Kunst nach, um dann mit seinen schwarz-weiß-grauen, verwischten figurativen Bildern – im Gegensatz zum Sozialistischen Realismus – den Kapitalistischen Realismus auszurufen.
Konrad Fischer hatte einen kleinen Katalog der Sidney Janis Gallery. Den Begriff „Pop-Art“ gab es noch nicht, ich glaube, sie nannten das „New Realists“ „International Exhibition of the New Realists“, Sidney Janis Gallery, New York, 01. November – 01. Dezember 1962. An der Ausstellung beteiligt waren 54 amerikanische und europäische Künstler, darunter Arman, Robert Indiana, Yves Klein, Roy Lichtenstein, Daniel Spoerri und Andy Warhol. mit Andy Warhol, Robert Indiana, Roy Lichtenstein, und das hat Conny [Konrad Lueg] rumgezeigt. Conny hatte etwas von einem cleveren Geschäftsmann: „Dat kommt als Nächstes. Wir müssen als eine Gruppe auftreten und wir müssen unbedingt die Ersten sein.“
Möbelhaus Berges, die Manifestation des Kapitalistischen Realismus von Lueg und Richter, habe ich mitgekriegt. Am 11. Oktober 1963 eröffnete im Düsseldorfer Möbelhaus Berges die Ausstellung „Leben mit Pop. Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“. Dort stellten Konrad Lueg und Gerhard Richter neben ihren Bildern auch sich selbst als Teil der Installation aus. Da habe ich doch sogar den Kennedy aus Pappmaschee gehabt, im Stil von Schwellköppen für den Karnevalstag. Ich hatte damals bei einer spießigen Wirtin ein Zimmer in Köln und musste die Figur dann entfernen, weil die keinen toten Kennedy in ihrer Wohnung wollte und auch nicht in meinem möblierten Zimmer.
Ich hatte jede Menge Kommilitonen, die damals Tachismus machten, wenn nicht Pop-Art. Die verkauften das alles – nur meins ging eben nicht. Damals sagte man, ein Grund, warum meine Kunst nicht ginge, sei die Schweinerei, die da drauf ist. Gut, die war drauf, aber irgendwann war sie auch nicht mehr drauf. Es waren dann Kühe und Hunde.
Ich konnte mit dem für mich albernen Zeug nicht umgehen, dieses Gewusel, diese Pimmelwelt – grauselig. Dazu war ich viel zu puritanisch. Sie müssen sich die Zeit vorstellen: Damals konntest du nicht einfach hingehen und einen Pimmel malen wie heute. Das war eine andere Welt. Ich will dem Georg gar nichts unterstellen, aber er hat bewusst mit diesen Provokationen gespielt. Man konnte es sich an den fünf Fingern abzählen, dass der Staatsanwalt kommt, wenn man einen Knaben mit offener Hose beim Onanieren malte – das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Vom 01. bis zum 25. Oktober 1963 war in der Galerie Werner & Katz in Berlin eine Baselitz-Ausstellung mit 52 Bildern zu sehen, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der „Unsittlichkeit“ von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess –Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84.
Die Skandal-Ausstellung. Obwohl ich glaube, dass es eher ein Politikum war. Wir haben die Galerie während der Berliner Festwochen eröffnet. Und der Kronjurist und Kulturdezernent Adolf Arndt, ein SPD-Mann, hatte die Galerie besucht. Zusätzlich hat eine Journalistin die Sache ein bisschen provoziert. Heute würde es wahrscheinlich kaum mehr jemanden in Aufruhr versetzen, aber damals waren diese Bilder ein Schock. Jede Art von Nacktheit war damals ein Skandal.
Buttig hat einem Redakteur von der „B.Z.“-Zeitung gesagt: „Du musst mal in die Galerie gehen, da steht ein Akt herum, der hat einen 3 Meter langen Schwanz.“ Das hat gereicht. Die von der „B.Z.“-Zeitung haben damals, weil sie nichts anderes zu tun hatten, geschrieben: „Skandal um Ausstellung am Kurfürstendamm“ Am 03. Oktober 1963 erschien in der „B.Z.“ ein Artikel von Christine Keeler mit der Überschrift „Skandal um Ausstellung am Kurfürstendamm“. Darin hieß es weiter: „[E]in Skandal, wie es ihn seit Kriegsende auf diesem Gebiet in Berlin nicht gegeben hat.“ Siehe hierzu auch: Martin Buttig, „Der Fall Baselitz“, in: „Der Monat“, August 1965, Heft 203, S. 90–95. – oder was weiß ich. Daraufhin sind wirklich ein paar Leute in die Galerie gelaufen, und die Staatsanwaltschaft hat die Bilder aufgrund einer Anzeige beschlagnahmen lassen. Es hieß: „So weit sind wir in Berlin noch nicht, dass da die Schwänze in der Galerie rumhängen dürfen.“
Uns war damals gar nicht bewusst, wie – um es vorsichtig auszudrücken – konservativ die Juristen waren. Wie hält man die Gesellschaft von diesen aggressiven Bildern sauber? Die Bilder von Baselitz hatten einen aufstörenden Sinn. Das war kein Skandal, sondern die Leute sollten durch sie erregt werden – und es ist gelungen.
Die können doch froh sein, dass das zum Skandal wurde. Das hat die Sache bekannt gemacht. Man hat sich gut gekannt, und Baselitz ist ein konsequenter Maler. In Wirklichkeit waren nicht die Bilder skandalös, sondern die Gesellschaft war skandalös.
Die frühe Bundesrepublik war durch eine biedermeierliche Restauration geprägt, der tiefschwarze Schatten des Völkermordes hing über ihr und mehr und mehr zeigten sich die Verbrechen des Holocausts in ihrem ungeheuerlichen Ausmaß. In dieser Situation war die Nation unheimlich um Moral und Anstand bemüht. Peinlich darauf bedacht, sich als liberal, aber auch als moralisch sauber zu etablieren. In dieser Gemengelage waren Provokationen wie die Bilder von Baselitz Reizthemen, was man heute nur noch schwerlich nachvollziehen kann.
Ich habe in Frankfurt Erwin Piscator Erwin Piscator (1893 Ulm – 1966 Starnberg) war ein deutscher Theaterintendant und Regisseur, der insbesondere durch die künstlerische Leitung der von 1927 bis 1931 bestehenden Piscator-Bühne in Berlin Bekanntheit erlangte. Piscator gründete zudem die New Yorker Schauspielschule Dramatic Workshop und übernahm von 1962 bis 1966 die Intendanz am Theater der Freien Volksbühne Berlin. kennengelernt, den Regisseur. Der war gerade aus der Emigration in Amerika gekommen. Der politische Regisseur der 20er-Jahre in Berlin. Ich war eine Zeit lang sein Assistent, bin zwei Jahre mit ihm durch Deutschland gefahren, als sein Privatsekretär. Und Piscator hat mich gefragt: „Gehen Sie mit mir in den Auschwitz-Prozess?“ Ich habe damals gedacht: „Na ja, muss man das jetzt machen?“ Ich war nur zweimal dort. Das ist ein Bruchpunkt in meinem Leben gewesen. Da habe ich etwas verstanden, ich habe gesehen, dass die Probleme, die die bildende Kunst zu lösen hat, wenn sie auf die Welt reagieren will, größer sind, als ich es als junger Spund gedacht habe.
Mit Fritz Bauer Fritz Bauer (1903 Stuttgart – 1968 Frankfurt am Main) war ein Jurist, der von 1956 bis zu seinem Tod 1968 das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts innehatte. Auf seine Initiative hin wurde am 20. Dezember 1963 der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main eröffnet, in dem sich 22 ehemalige SS-Männer des Konzentrationslagers Auschwitz für ihre Beteiligung am Holocaust vor Gericht zu verantworten hatten. Die 1965 verkündeten Urteile umfassten unter anderem 16 lebenslängliche Haftstrafen. Das Verfahren gilt als wegbereitend für zahlreiche weitere Prozesse in den folgenden Jahren. Siehe auch: Ralph Dobrawa, „Der Auschwitz-Prozess. Ein Lehrstück deutscher Geschichte“, Berlin 2013. wurden in Frankfurt dann die ersten Versuche gemacht, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, was in keiner anderen deutschen Stadt der Fall war. Hier habe ich die eindrucksvollste Ausstellung über Auschwitz „Auschwitz – Bilder und Dokumente“, Paulskirche, Frankfurt am Main, November/Dezember 1964. gesehen. Das war in der Paulskirche. Ich war damals einerseits stark politisch und gesellschaftlich interessiert und gleichzeitig mit Werbung, der krassen Gegenwelt, beschäftigt. Wirklich interessiert haben mich die enormen Widersprüche, die hier mit 40.000 Amerikanern, heimgekehrten Juden, Werbeagenturen, Verlagen, geldgierigen Hausbesitzern und Studenten aufeinandergeprallt sind: AFN Das American Forces Network (AFN) war ein Verbund aus Radiosendern, die ab 1943 vom US-Militär in Europa etabliert wurden. Zwischen 1945 und 2017 diente der Sender AFN Frankfurt als Zentrale des Netzwerks. Die Sendung „Hillbilly Guesthouse“ gehörte zu den beliebtesten Produktionen des AFN. und „Hillbilly Guesthouse“, gemischt mit Heinz Schenk und Apfelwein. Frankfurt war billig und teuer, ehrlich und verlogen, alles oder nichts …
1964 gab es eine wichtige Ausstellung von Werner Hofmann in Berlin. 64 war überhaupt ein ganz wichtiges Jahr. Die Ausstellung hieß „Neue Realisten & Pop Art“ „Neue Realisten & Pop Art“, Akademie der Künste, Berlin, 20. November 1964 – 03. Januar 1965. und war im selben Jahr, in dem Robert Rauschenberg zur Verwunderung aller auf der Biennale von Venedig den Amerikanischen Pavillon bespielte. Robert Rauschenberg (1925 Port Arthur, Texas – 2008 Captiva Island, Florida) studierte am Kansas City Art Institute, an der Académie Julian, Paris, am Black Mountain College in North Carolina und an der Art Students League of New York. Er arbeitete häufig mit anderen Künstlern wie Jasper Johns, dem Choreografen Merce Cunningham und dem Komponisten John Cage zusammen. Rauschenberg war auf der documenta 2 (1959), 3 (1964), 4 (1968) und 6 (1977) vertreten. 1964 wurde ihm auf der „32. Biennale von Venedig“ der Große Preis für Malerei verliehen. Die Einladung, 1970 im US-amerikanischen Pavillon der Venedig-Biennale auszustellen, sagte er aus Protest gegen den Vietnamkrieg ab. Mir war die Pop-Art also geläufig. Dann kam dazu, dass in Kassel auf der documenta natürlich auch jede Menge Pop-Art gezeigt worden war.
Von 1964 bis 72 war ich Studentin der Akademie. Ich war Meisterschülerin, das heißt, ich hatte zusätzlich Meisterschülersemester. Ich müsste in meinem Testatbuch nachgucken, aber ich glaube, das letzte Testat ist von 1971.
64 bin ich aus der Akademie raus, Polke, Richter etwa zur gleichen Zeit. Wir haben uns dann nur noch sporadisch gesehen. Richter hatte sehr bald eine Ausstellung bei Schmela und auch Heiner Friedrich Heiner Friedrich (* 1938 Stettin, Pommern, heute Polen) gründete 1963 gemeinsam mit Franz Dahlem und seiner damaligen Ehefrau Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem. 1970 ging Heiner Friedrich mit seiner neuen Lebensgefährtin Thordis Moeller nach Köln und betrieb dort eine zweite Galerie. Ab 1973 expandierte er in die Vereinigten Staaten und eröffnete im New Yorker Stadtteil SoHo die Heiner Friedrich Gallery Inc. Das Galerieprogramm umfasste wichtige Positionen der Minimal Art und Konzeptkunst, darunter Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd und Walter De Maria. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Helen Winkler und seiner späteren Ehefrau Philippa de Menil gründete Friedrich 1974 in New York die Dia Art Foundation, die eine dauerhafte Setzung künstlerischer Großprojekte unterstützt. hat ihn ausgestellt – das waren Gelegenheiten, bei denen man sich gesehen hat. „Gerd Richter. Fotobilder, Portraits und Familien“, Galerie Friedrich & Dahlem, München, 10. Juni – 10. Juli 1964; „Gerhard Richter“, Galerie Schmela, Düsseldorf, 09.–30. September 1964.
ZERO und auch Spoerri waren ja schon etabliert, als ich 1964 anfing, da musste ich nicht meine Kraft und das geringe Kapital, das ich hatte, verschwenden. Außerdem gab es von ZERO Kontakte nach Berlin zur Galerie Diogenes. Das war eine kleine und sehr sympathische Galerie, die von dem Schauspieler Günter Meisner betrieben wurde. Ich habe mit ZERO und Spoerri in späteren Jahren gelegentlich gearbeitet, aber das waren dann Projekte außerhalb der Galerie.
Hödicke ging damals zu René Block, der zu dieser Zeit seine Galerie aufmachte. Block fuhr für einen Süßwarenladen die Lieferung aus und abends betrieb er die Galerie. Und da ist Hödicke hingegangen und machte dann seine experimentellen Geschichten mit Teer, der raustropfte, die Scheibenwischer-Bilder und all diese Dinge. Gott sei Dank, ist er heute wieder bei der Malerei!
Ich habe die großen Fluxus-Festivals, die es vorher gab, nicht gesehen. Weder Wiesbaden 1962 „Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik“, Städtisches Museum Wiesbaden, 01.–23 September 1962. An dem Festival beteiligt waren unter anderen Dick Higgins, George Maciunas, Nam June Paik und Wolf Vostell. Es gilt als erste offizielle Manifestation der Fluxus-Bewegung. Vgl. „1962 Wiesbaden Fluxus 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen“, hg. von René Block, Ausst.-Kat. u. a. Museum Wiesbaden, Wiesbaden 1983. , noch die 1963 „Festum Fluxorum. Fluxus. Musik und Antimusik. Das Instrumentale Theater“, Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, 02./03. Februar 1963. An dem Festival nahmen unter anderen John Cage, Robert Filliou, Yoko Ono und Terry Riley teil. in der Düsseldorfer Akademie oder in anderen Städten. Um die Künstler kennenzulernen, musste ich sie nach Berlin einladen, und dies geschah in Form einer Serie von Einzelvorstellungen und -aktionen, die wir „Soiree“ genannt haben. Unter dem Titel „Soiree“ organisierte die Galerie René Block ab 1964 regelmäßig abendliche Veranstaltungen mit Künstlern aus dem internationalen Fluxus-Umfeld. Es fanden unter anderem Aktionen mit Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik und Wolf Vostell statt. Vgl. Birgit Eusterschulte, „Demonstration für die Kunst und ein Koffer fürs Weekend“, in: „René Block. Ich kenne kein Weekend. Ausstellungsprojekte, Texte und Dokumente seit 1964“, hg. von Marius Babias/Birgit Eusterschulte/Stella Rollig, Ausst.-Kat. u. a. Neuer Berliner Kunstverein, Berlin, Köln 2015, S. 16–24, hier S. 18. Jede Soiree war ein neues Erlebnis, war etwas ganz anderes. Stanley Brouwns Aktion, die den Anfang gemacht hatte, unterschied sich bezüglich der Konzeption und der Aktion extrem von dem, was Beuys gemacht hat.
Fluxus ist im engeren Sinne eigentlich keine Kunstbewegung, denn es gab viele unterschiedliche Richtungen, unterschiedliche Stile und unterschiedliche Leute. Und es gab auch nie eine gemeinsame Ästhetik. Ich habe es oft als großen Zirkus beschrieben, in dem sich viele unterschiedliche, talentierte Leute tummelten: die Löwenbändiger, die Hochseilartisten, die Akrobaten, der Schwertschlucker und natürlich die Clowns. Sie waren alle unter diesem einen großen Zelt. Und Maciunas war im Zentrum als der Meister im Ring und führte an. Jeder hatte seine Fähigkeiten und Talente woanders erlernt. Und alle waren sehr unterschiedlich, aber zusammen auf einem Haufen sorgten sie für einen unterhaltsamen Abend.
Dazu gehört auch, dass sich die Performanceleute bei den Fluxus-Veranstaltungen untereinander austauschen: „Ich habe jetzt gerade keine Lust, Filliou Robert Filliou (1926 Sauve, Frankreich – 1987 Chanteloube, Frankreich) war ein Künstler, der zu den zentralen Vertretern der Fluxus-Bewegung gezählt wird. Ab 1943 kämpfte er in der französischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung. Nach Aufenthalten in den USA und in Südkorea begann er Ende der 1950er-Jahre, in Paris künstlerisch zu arbeiten. 1961 zeigte Filliou seine erste Einzelausstellung bei Arthur Køpcke in Kopenhagen. Er war unter anderem auf der documenta 5 (1972) und 6 (1977) vertreten. mach du mal!“ Das ging ohne weiteres. Das ging aber bei Beuys überhaupt nicht. Da war alles auf seine Person fixiert. Da ging es um den Künstler als Helden, einen klassischen Künstlerbegriff. Genau das wollten die Fluxus-Leute ja abschaffen. Sie wollten das Ganze öffnen, während Beuys alles auf sich konzentrierte.
Es gab diese Fluxus-Veranstaltungen, es gab Wuppertal, es gab diese ganzen Dinge. Kann es vielleicht sein, dass das normale Theater im Aufbruch war und dass die wahnsinnig viel übernommen haben? Denken Sie mal an die Schaubühne in den 60er-Jahren in Berlin und die Theater in Bremen und Ulm. Dieser unglaubliche Aufbruch durch die Regisseure Stein und Zadek, der Versuch, eine neue Form des Theaters zu finden. Die beiden Regisseure Peter Stein (* 1937 Berlin) und Peter Zadek (1926 Berlin – 2009 Hamburg) zählten Anfang der 1970er-Jahre zu den wichtigsten Vertretern des deutschen Regietheaters, das sich durch einen direkten Bezug zu den gesellschaftspolitischen Ereignissen seit den Studentenprotesten 1968 sowie eine starke Lesbarkeit des Regisseurs innerhalb der Inszenierung auszeichnet. Siehe auch: Denis Hänzi, „Die Ordnung des Theaters. Eine Soziologie der Regie“, Bielefeld 2013, S. 87 ff. Das berühmte Happening „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“ Wolf Vostell, „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“, 1964. Bei dem siebenstündigen Happening wurden 24 Stationen im Umland von Ulm mit einem Bus angefahren. Der Höhepunkt war ein vom Künstler konzipiertes Konzert mit drei Düsenfliegern. mit Vostell ist mit den gleichen Leuten umgesetzt worden, die sonst das Theater machten. Das ist vielleicht die erste Begegnung in einer sehr krassen Form.
Die Leute, die von Cage John Cage (1912 Los Angeles – 1992 New York) war ein Komponist und Künstler, der zu den zentralen Figuren der Fluxus-Bewegung und der Neuen Improvisationsmusik zählt. Nachdem Cage zwischen 1930 und 1937 Architektur, Harmonielehre und Kompositionstechnik in Paris und Los Angeles studiert hatte, siedelte er 1942 nach New York über und knüpfte dort erste Kontakte zu den Avantgardekreisen um André Breton und Marcel Duchamp. Im Anschluss an seine Lehrtätigkeit am Black Mountain College unterrichtete Cage ab 1956 an der New School for Social Research in New York, wo unter anderen George Brecht, Dick Higgins, George Maciunas und Yoko Ono zu seinen Schülern gehörten. Zur selben Zeit unternahm Cage gemeinsam mit David Tudor mehrere Konzerttourneen durch Europa und beteiligte sich während dieser Aufenthalte an zahlreichen Fluxus-Aktionen. In Deutschland pflegte Cage insbesondere Kontakt zu dem Kölner Künstlerkreis um Mary Bauermeister, Nam June Paik und Karlheinz Stockhausen. Cage zählt zu den Hauptvertretern der Neuen Musik. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Untitled Event“ (1952), „4′33″“ und „Essay(Writings through the Essay‚ On the Duty of Civil Disobidience‘)“ (1985/91). kamen und Fluxus entwickelt haben, sind im Konzertraum aufgetreten. Da war auf der einen Seite das Publikum, auf der anderen Seite waren die Akteure. Die Auflösung kam erst mit Vostell. Das war der große Sprung in die allgemeine Landschaft, was auch immer man darunter verstehen will. Das war das Verlassen des Museums.
1964 habe ich meine erste New-York-Reise unternommen, die mich für meine zukünftige Galeriearbeit sehr geprägt hat. Ich habe dort die Künstler meiner Generation kennengelernt: George Segal, James Rosenquist, Jim Dine, Roy Lichtenstein, Andy Warhol und so weiter.
Man hat sie kennengelernt. Man war halt da, bei Vernissagen, Happenings, in der Church Ab Mitte der 1950er-Jahre nutzte die Judson Gallery einen Raum im Keller der Judson Memorial Church am Washington Square für Ausstellungen und Aktionen der jungen New Yorker Kunstszene. Unter anderen stellten dort Jim Dine, Claes Oldenburg, Yoko Ono und Robert Rauschenberg aus. Vgl. Julia Robinson, „Judson Gallery“, in: Joan Marter (Hg.), „The Grove Encyclopedia of American Art“, Band 1, Oxford 2011, S. 665. . Man trieb sich herum. In New York gab es Orte, wo man hinging. Warhol hat mir zum Beispiel in seiner Factory „The Factory“ hieß das zwischen 1964 und 1968 von Andy Warhol genutzte Studio in der Nähe des Grand Central Terminals in New York. Vgl. Nat Finkelstein, „Andy Warhol: The Factory Years, 1964–1967“, New York 2000. eine seiner „Campbell’s Soups“ Andy Warhol, „Campbell’s Soup Can“, 1962. geschenkt. Damals waren irgendwelche Leute da, die sich eine ganze Kiste von ihm haben signieren lassen. Wahrscheinlich Galeristen. Ich stand daneben, und da fragte er: „Do you want one, too?“ – „Yes. Why not?“ Und dann hat er angefangen, die ganze Dose vollzukritzeln. „Why do you do that?“ – „Because then you have more drawing.“ Ich habe Andy Warhol auch einmal geküsst. Das fühlte sich so an, als wenn er keine Muskeln hätte. Und so hat er auch die Hand gegeben. Und Robert Rauschenberg hat mich einmal gebissen. Irgendwie muss ich ihn nervös gemacht haben. Ich muss vor seinen Augen rumgefuchtelt haben, und da hat er plötzlich zugebissen, wirklich sehr fest, bis auf den Knochen.
Düsseldorf war ein guter Ausgangspunkt, Berlin war eine Insel, und New York wurde das neue Zentrum. Von dort kam die größte Anregung: Polke und Richter haben das Prinzip der Reproduktion bei Warhol und Lichtenstein gesehen. Da hatten wir das in Berlin in dem Maße noch gar nicht wahrgenommen. Auf einmal war dann alles da. Zuvor war Gegenständliches verpönt, aber mit der Pop-Art war die Realität, die ganze wahrnehmbare Ding-Welt wieder akzeptiert.
In Hamburg gab es zu dem Zeitpunkt nur eine Galerie, und zwar die von Hans Brockstedt. Hans Brockstedt (* 1930 Hamburg) eröffnete 1959 eine Galerie in Hamburg. Sein Programm umfasst hauptsächlich Werke der Expressionisten, des Informel und Vertreter der zeitgenössischen Skulptur. Seit 1992 betreibt er eine Dependance seiner Galerie in Berlin-Charlottenburg. Und ich habe mir dann in demselben Haus, in dem meine Eltern wohnten, eine Wohnung gemietet, dort war durch Zufall die Parterrewohnung frei geworden. Ich habe mit meinen Brüdern die Wände gestrichen und dann angefangen, Ausstellungen zu machen. Am Anfang von lokalen Hamburger Künstlern, aber ziemlich schnell auch eine Pop-Art-Ausstellung. „Pop-Art aus den USA“, Hamburger Kunstkabinett Hans R. Neuendorf, Hamburg, September – Oktober 1965. Das war 1965. Ich bin mit meinem Bruder auf einem Lastwagen, einem kleinen Lieferfahrzeug mit Plane, nach Paris zu Ileana Sonnabend Ileana Sonnabend (1914 Bukarest – 2007 New York) war eine Galeristin. Von 1932 bis 1959 lebte sie in einer Ehe mit dem Kunsthändler und Galeristen Leo Castelli und eröffnete 1962 eine Galerie in Paris, wo sie insbesondere auch die amerikanische Pop-Art vertrat. Dort zeigte sie 1963 und 1965 umfassende Einzelausstellungen des Amerikaners Roy Lichtenstein. 1971 gründete Sonnabend eine weitere Galerie in New York und zeigte dort junge europäische Kunst. Sie stellte unter anderen Georg Baselitz, Bernd und Hilla Becher, Gilbert & George, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Andy Warhol aus. gefahren, die dort damals gerade ihre Galerie als Brückenkopf eröffnete und Lichtenstein ausstellte. Das war so sensationell, dass die ganze Straße voller Leute war.
Zu meiner Eröffnung kamen der Südwestfunk und das Fernsehen. In der Tagesschau liefen bestimmt anderthalb Minuten über die Eröffnung in meiner Galerie in Esslingen. Der Erste war Albers, dann kam Max Bill, dann Antonio Calderara und dann Graevenitz. Ich musste mich immer mit der Stadt absprechen, wann die Eröffnung stattfinden konnte, weil an den Tagen der komplette Verkehr lahmgelegt war. Es kamen immer 500 bis 1.000 Leute, das war für so eine kleine Stadt eine Herausforderung.
Sie wissen, dass ich Gerhard Richter sehr früh ausgestellt habe und auch mit Wolf Vostell gearbeitet habe. Rolf Ricke zeigte Arbeiten von Gerhard Richter und Wolf Vostell erstmals im Rahmen der folgenden Ausstellungen: „Zeichnungen, Bilder, Objekte, Skulpturen“, Galerie Ricke, Kassel, 05. August – 07. September 1967, unter anderem mit George Brecht, Andy Warhol und Wolf Vostell; „Gerhard Richter. Bilder“, Galerie Ricke, Kassel, 02.–30. März 1968. Das konnte ich dann alles nicht mehr machen, weil die Künstler von anderen Galerien in Köln vertreten wurden. Allerdings hatte der Sammler Hans-Joachim Etzold Hans-Joachim Etzold war ein deutscher Industrieller und Kunstsammler aus Moers. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Bernie Etzold baute er ab 1960 eine bedeutende Sammlung internationaler Gegenwartskunst auf, die unter anderem Werke von Lucio Fontana, Yves Klein, Heinz Mack, Ulrich Rückriem, Richard Serra und Günther Uecker umfasst. Seit 1970 befindet sich der Sammlungsbestand als Dauerleihgabe im Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach. mich bereits 1965 nach New York geschickt, und ich war dort auf eine Szene getroffen, die mir völlig unbekannt war. Dennoch habe ich innerhalb von fünf Tagen große Erfolge erzielen können, weil in New York alles so einfach ging. Der Kurator Peter Selz Peter Howard Selz (* 1919 München) ist ein US-amerikanischer Kunsthistoriker deutscher Herkunft. 1936 floh er mit seiner Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Er studierte an der Columbia University in New York. Ab 1958 betreute er als Kurator die Abteilung für Malerei und Skulptur am Museum of Modern Art, bevor er von 1965 bis 1973 als Gründungsdirektor das Berkeley Art Museum in Kalifornien leitete. vom Museum of Modern Art sagte mir: „Ich helfe Ihnen überall, wo Sie hinwollen, aber gehen Sie auch in das Atelier von Reva Urban Reva Urban (1925 Coney Island, New York – 1987 New York) war eine US-amerikanische Malerin und Grafikerin. 1964 war sie auf der „documenta 3“ vertreten. Im Frühjahr 1966 fand unter dem Titel „Reva Urban. Pastelle 1959–1966“ eine Einzelausstellung ihrer Werke in der Galerie Ricke statt. Werke der Künstlerin befinden sich unter anderem im Museum of Modern Art in New York. , das ist hier um die Ecke.“ Etwas später habe ich sie dann in meiner Galerie ausgestellt. Das war ein Lernprozess. Ich hatte nie ein Praktikum gemacht, ich hatte mit Kunstgeschichte nichts zu tun. Ich war ein Quereinsteiger ohne Geld und musste mir ein eigenes Programm aufbauen. Das habe ich dank der Amerikaner geschafft. Und da waren von Anfang an auch Frauen dabei. Eva Hesse Eva Hesse (1936 Hamburg – 1970 New York) war eine US-amerikanische Künstlerin deutscher Herkunft, die insbesondere für ihre Überführung „armer“ Materialien in prozessbasierte Installationen und Objekte bekannt ist. In ihrem Spätwerk beschäftigte sie sich auch mit Themen des Feminismus. In der Galerie Ricke war sie erstmals 1968 im Rahmen der Ausstellung „Programm 1“ vertreten. war eine der Ersten.
Ich glaube, die Albers-Ausstellung haben wir im April eröffnet, und im Mai bekam ich in der Galerie einen Anruf, weil in der „Newsweek“ ein Artikel über die (op) art galerie erschienen war. Dort stand, dass in einem kleinen Dorf in der Nähe von Stuttgart eine Galerie unter dem Namen „(op) art“ mit Josef Albers eröffnet hat. Am Telefon: „Mr. Mayer?“ – „Yes.“ – „You have a Albers-show?“ – „Yes.“ – „You are the man who has the Albers-show?“ – „Yes.“ – „I’m very interested, do you have 48?“ – „What do you mean with 48? I don’t understand what you mean.“ – „Do you have the big size?“ – „Yes, I have the big size.“ – „I’m very interested. In the summer I will be in Cannes. You should visit me. I’m interested. Bring some photo material with you. I’m Mr. Jo Hirshhorn.“ Joseph Hirshhorn Joseph Herman Hirshhorn (1899 Mitau, Litauen – 1981 Washington) war ein Finanzinvestor und Kunstsammler. Er emigrierte 1907 mit seiner Familie in die USA. Hirshhorn wuchs in New York auf und verdiente später dort als Börsenmakler sein Geld. Ab den 1940er-Jahren sammelte er amerikanische und europäische Kunst der Moderne und der Gegenwart. Das Hirshhorn Museum in Washington wurde 1974 eröffnet. ! Ich bin dann zu ihm gefahren. In Jeans und mit langen Haaren kam ich da an. In Amerika wurde einem damals in so einem Aufzug unter Umständen der Tisch im Restaurant verwehrt. Hirshhorn fasste sich in die Hosentasche und gab mir einen Dollar: „At first, if you want to do business with me, get a haircut.“ Ich habe auf den Ein-Dollar-Schein geschaut: „It’s not one Dollar, it’s five Dollar, the haircut.“ Damit hat es zwischen uns sofort funktioniert. Er kaufte vier Bilder. Für insgesamt 100.000 D-Mark. Das war damals absolut sensationell.
Ich kam gerade aus New York zurück, wo ich für 10.000 US-Dollar, also nicht gerade wenig, einen „Elvis Presley“ Andy Warhol, „Double Elvis“, 1963. von Andy Warhol gekauft hatte, und dann sehe ich bei Rudolf Springer diese „Helden“-Bilder von Baselitz. Ich war geschockt und habe mich gefragt, wie man so rückwärtsgewandt sein kann. Wie kann man in der Zeit so zurück sein? Meine jüngste Erwerbung war dieser silberne lebensgroße Elvis Presley, die „Helden“ von Baselitz erschienen mir dagegen wie Romantiker des 19. Jahrhunderts. Sie hatten zerzauste Haare im expressionistischen Malstil – für mich damals der höchst denkbare Gegensatz zum Bild meines Elvis Presleys. Das multiplizierte, im Siebdruckverfahren hergestellte, kühle Bild eines Medienstars und das expressiv gemalte, geradezu dramatische Bild eines scheiternden Helden. Ich habe Baselitz mit diesen Bildern abgelehnt. Meine Position war zu der Zeit die US-Version von kühler, sachlicher, auch reproduktiv hergestellter Kunst. Für mich war Andy Warhol ein ganz wichtiger Künstler.
Ich will nicht sagen, dass Baselitz die sogenannte „Revolution 1968“ vorhergesehen hat, aber auf seine Weise hat er es geahnt. Auch wenn er auf eine Art ein sehr konservativer Mensch ist, hat er, wie alle dieser Generation, die Realität des Kriegs, den deutschen Alptraum von 1933 bis 1945, sehr intensiv wahrgenommen. Die Generation von Heinz Mack – und das kann man auch sehr gut verstehen – hat eher versucht, das alles wegzuwischen und mit der Abstraktion einen neuen Anfang zu machen.
Gestern hat mich jemand gefragt: „Was sind die besten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts?“ Für mich sind das Kurt Schwitters Kurt Schwitters (1887 Hannover – 1948 Kendal, Großbritannien) war ein deutscher Künstler, Dichter und Werbegrafiker. Bekannt ist er insbesondere für seine Collagen und Materialbilder, die er unter dem dadaistischen Begriff „MERZ“ zusammenfasste. 1919 veröffentlichte er den international rezipierten Prosa- und Gedichtband „Anna Blume“. Gemeinsam mit César Domela, László Moholy-Nagy und Friedrich Vordemberge-Gildewart gründete er 1927 den ring neuer werbegestalter. und Beuys. Das sind die großen Figuren, weil sie gewissermaßen in ihrer Arbeit die Gebrochenheit Deutschlands reflektieren. Deutschland im 20. Jahrhundert war ja kein normales Land. Es war komplex, intelligent, aggressiv, träumerisch. Alles Mögliche lief durcheinander. Und es war auch ein Großteil des Jahrhunderts ziemlich arm.
Zwei Mädchen aus der Beuys-Klasse kamen ab und zu bei uns vorbei und guckten, was in den Probesemestern los war. Irgendwie stießen sie immer auf mich, weil ich wahrscheinlich eine merkwürdige Ausstrahlung hatte. Die haben sofort gemerkt: Mit dem ist irgendetwas los, der fühlt sich hier nicht wohl. Ich habe natürlich auch meinen Mund nicht gehalten. Jedenfalls haben die gesagt: „Du musst Beuys unbedingt mal kennenlernen. Du musst in die Beuys-Klasse kommen.“
Ich habe immer mit dem Gedanken gespielt, zu Teo Otto Teo Otto (eigtl. Theodor Karl Otto; 1904 Remscheid – 1968 Frankfurt am Main) war ein deutscher Bühnenbildner. 1927 folgte er seinem Professor Ewald Dülberg als Assistent an die avantgardistische Krolloper der Staatstheater zu Berlin, wo er ab 1931 Ausstattungschef der Preußischen Staatstheater war, bis die Nationalsozialisten ihn 1933 aus politischen Gründen seines Amts enthoben. Otto emigrierte 1933 in die Schweiz und war bis zu seinem Lebensende dort als Bühnenbildner für das Zürcher Schauspielhaus tätig, wo er unter anderem an mehreren Uraufführungen Bertolt Brechts beteiligt war. Ab 1958 war er Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. in die Bühnenbildklasse zu gehen, aber leider ist in Düsseldorf in der Klasse von Teo Otto damals gemalt worden – und daran hatte ich überhaupt kein Interesse. So bin ich dann bei Kricke gelandet. Als ich schwanger wurde, habe ich mich schließlich bei Joseph Beuys beworben, weil Kricke meinte, eine schwangere Frau solle nicht schmieden und Stahl bearbeiten. Er wollte das nicht.
Ich war voreingenommen. Wie die zwei immer über ihn erzählten: „Das ist einer der Wichtigsten, der Größten …“ – „Was macht er denn?“ – „Er macht Happenings.“ Ich wusste gar nicht, was Happenings sind, und dachte: Um Gottes willen. Also kurz: Ich dachte, er sei der Oberidiot von den Idioten, mit denen ich es zu tun hatte, weil alle so von ihm schwärmten.
Zu dieser Zeit, 64 oder früher, waren nur Männer in der Klasse – bis Katharina, ich und Ursula, die spätere Frau von Christiansen, kamen. Ich würde von meinem Gefühl her sagen, dass es für Beuys wirklich ein Schritt war, eine Frau mit hereinzunehmen. Das war für ihn eine Entscheidung, die er sehr bewusst getroffen hat – aus seiner politischen Überzeugung. Weil er aus einer Generation kam – der Generation meines Vaters –, in der das eigentlich nicht denkbar war.
Auf den Rängen saßen Akademiestudenten aus allen möglichen Klassen, auch Professoren waren dabei. Und dann saß da der Beuys. Da sah ich ihn zum allerersten Mal. Er saß von mir aus gesehen vorne rechts, in der ersten Reihe. Ja, wie war mein erster Eindruck? Mein erster Eindruck war eigentlich: Das ist ein richtiger Mensch! Wir haben das Charisma eben schon angesprochen. Das war ganz merkwürdig. Ich hatte das Gefühl: Endlich ein normaler Mensch!
Komischerweise – gemessen an der Persönlichkeit meines Vaters – fand ich Beuys total weiblich. Für mich war er in keiner Weise ein autoritärer Mann. Schon von seiner Statur her war er eine außerordentlich sensible Erscheinung. Genauso wie Paik. Das Problem der Männerdominanz hatte ich mit diesem Lehrer nicht.
Ich war fasziniert, wie jemand plötzlich mit so einer Klarheit über Kunst reden konnte. Wie jemand aufgrund der Dinge, die man als Schüler zeigte, mit Hellsichtigkeit die Schwächen, die Ansätze erkannte und wusste, wo man weitermachen konnte. Diese Klarheit hat mich natürlich fasziniert. Man kann sagen: Ich bin eigentlich immer tiefer in meine eigene Unwissenheit hineingestürzt. Ich bin durch diese ursprüngliche Erleuchtung immer tiefer in meine eigene Ahnungslosigkeit hineingeführt worden. Das heißt, das Ganze war auch eine Tortur: Je mehr ich diese Transparenz erkannte, desto mehr erkannte ich meine eigene Blödheit.
Es gab viele Leute, die durch die Beuys-Klasse gegangen sind, aber etwas Eigenes aufgebaut haben. Sie liefen nicht mehr als Beuys-Schüler durch die Gegend, sondern die Ernte ging langsam mit eigenständigen Figuren auf. Was ich Beuys hoch anrechne ist, dass er nie wollte, dass die Leute wie Beuys werden. Sie sollten alle etwas Eigenes werden, etwas Eigenes produzieren. Eigenständigkeit bewahren, eigene Ideen haben. Derjenige, der natürlich immer am engsten an Beuys dran war, war Johannes Stüttgen. Er war sein Chronist.
Ich war – und bin es eigentlich heute immer noch – ein Modernist. Für die anderen war Beuys ein Künstlergott. Er war der Stern im Zentrum. Doch wenn man das Zentrum versucht zu konturieren und alle avancierten Künstler miteinschließt, dann rekrutierte es sich in Europa aus vielleicht 50 Künstlern, vielleicht auch weniger. Das Publikum war kaum größer. Und für die Concept-Art engagierten sich auf der ganzen Welt vielleicht zwei oder drei Dutzend Menschen. Einerseits war es also eine kleine Gruppe, die unter dem Druck stand, ihre künstlerische Legitimität unter Beweis zu stellen, andererseits schweißte das zusammen. Interessenskonflikte, die sich heute sehr viel schärfer formieren, sind kaum in Erscheinung getreten.
Das war natürlich toll, dass diese jungen Stars sich für mich interessierten. Mack, Piene, Uecker in Deutschland. Mack brachte dann den Uecker noch mal mit, der eine Arbeit aus dem „Werksatz“ Franz Erhard Walther, „1. Werksatz“, 1963–1969. Der 58-teilige „Werksatz“ besteht unter anderem aus textilen Materialien, Schaum und Holz. In den „Werkvorführungen“ werden die Objekte aktiviert, das heißt sie werden von der Lagerform in die Handlungsform überführt. Der Künstler selbst oder vom Künstler angeleitete Assistenten agieren dann zusammen mit dem Publikum mit den Objekten. Der prozesshafte Charakter des Werks und das Agieren und Handeln der Beteiligten sind vom Künstler von Anfang an im Werk mitangelegt. kaufte, die „Rote Weste“ Franz Erhard Walther, „Ohne Titel (Weste) (Nr. 11 aus dem 1. Werksatz)“, 1965. . Die waren beide sehr offen und haben Schmela überredet, eine Ausstellung mit mir zu machen. Schmela kam also zu mir, er fand meine Sachen komisch, aber der Hinweis kam von wichtigen Künstlern, und er sagte mir zu. Ich habe mir die Galerieräume angeguckt und einen Plan gezeichnet, es war also alles klar – aber es passierte nichts. Ich fand das eigenartig, war aber zu stolz, um hinzugehen und nachzufragen. Irgendwann habe ich Mack getroffen: „Ach, Herr Walther, wir hatten das alles so schön mit Ihnen geplant, dachten die Arbeiten sind wichtig, aber das wird nichts!“ Sage ich: „Warum denn?“ Ja, der Schmela hätte den Beuys gefragt: „Was hältst denn du von dem Walther? Kennste den?“, „Ja, ja“, hat Beuys gesagt – ich beziehe mich auf Mack: „Wenn du den ausstellst, kriegst du meine Arbeiten nicht!“ Natürlich war es dann gestorben.
Polke versuchte damals, mich gegen Beuys aufzuhetzen. Das werde ich nie vergessen. „Merkst du denn nicht, dass Beuys alles von Rudolf Steiner Rudolf Steiner (1861 Kraljevec, Kaisertum Österreich, heute Kroatien – 1925 Dornach, Schweiz) war ein Publizist und Privatlehrer, der als Begründer der Anthroposophie gilt, einer spirituellen Erkenntnislehre, die auf der Verbindung esoterischer und naturwissenschaftlicher Prinzipien beruht. geklaut hat?“ Das war das erste Mal, dass ich damit konfrontiert wurde. Er hat wirklich versucht mich aufzuhetzen. Und Polke war ein Meister des Aufhetzens. Immer, wenn irgendwo etwas los war, war er mit am Lästern. Diesmal war ich sein Zielpunkt. Danach war Sendepause.
Richter hatte in Düsseldorf am Fürstenwall sein Atelier. Uecker hatte seines eine Etage darüber. Und keiner durfte mitkriegen, dass man bei dem anderen war. Uecker durfte nicht wissen, dass ich Richter besuchte. Und Richter durfte nicht wissen, dass ich Uecker besuchte. Es war immer irgendwie delikat. Deshalb hat man dann auch mit Uecker nicht so viel gemacht.
Uecker machte Creamcheese Das Creamcheese war eine Bar, die 1967 von Hans-Joachim Reinert und Bim Reinert in der Düsseldorfer Neubrückstraße 12 eröffnet wurde. An der Ausgestaltung der Räumlichkeiten waren mehrere Künstler beteiligt, darunter Ferdinand Kriwet, Heinz Mack und Günther Uecker. Neben Theateraufführungen und Performances umfasste das Programm ebenso zahlreiche Konzerte internationaler Bands wie etwa Deep Purple, Genesis und Pink Floyd. Aufgrund anstehender Sanierungsarbeiten wurde das Creamcheese 1976 geschlossen. Siehe auch: Alexander Simmeth, „Krautrock transnational. Die Neuerfindung der Popmusik in der BRD, 1968–1978“, Bielefeld 2016, S. 113 ff. . Der war schon Anfang der 60er-Jahre in New York und hatte dort eine Diskothek, Electric Circus, erlebt. Die hat er nach Düsseldorf gebracht. Etwas anders, aber es war diese Art von Diskothek. Da hat Gerhard Richter dann ein Bild gemalt. Ich war vorher Geschäftsführer von einem Beat-Schuppen, dem Liverpool-Club, auf der Graf-Adolf-Straße. Deswegen hatte ich lange Haare. Weil wir immer Bands aus England bei uns hatten, haben wir ein Hotel in der Adersstraße gemietet. Alle 14 Tage kamen Neue. Morgens habe ich bei mir im Atelier für die Bands Frühstück gemacht. Die kamen aus Glasgow, Liverpool oder London. Alle Proletarier-Jungs, die mit Beat-Musik Geld verdienten. Bei uns waren Jimi Hendrix, The Lords, The Mirage … und ich war Geschäftsführer. Aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr, ich wollte nur noch Kunst machen.
Damals war ich bei den Salzburger Festspielen für die „Zauberflöte“ engagiert worden, wo wieder Teo Otto das Bühnenbild entworfen hatte. Bei der Hauptprobe am 03. Juni knarrte beziehungsweise klemmte die Tür für Sarastros Abgang, worüber der Dirigent völlig aus der Fassung geriet. Über das Theater, das wegen dieser klimatisch verursachten Panne veranstaltet wurde, habe ich mich so geärgert, dass ich erst mal ins Café Tomaselli gegangen bin. Dort las ich die Tagespresse und dachte: „verdammt“. Es wurde über die Studentendemonstrationen gegen den Schah-Besuch am 02. Juni in Berlin und den Mord an Benno Ohnesorg berichtet. Als der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi (1919 Teheran – 1980 Kairo) auf Einladung des Bundespräsidenten Heinrich Lübke am 02. Juni 1967 Berlin besuchte, kam es aufgrund der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran vonseiten der linkspolitischen Studentenschaft zu zahlreichen Protesten. Während einer Demonstration vor der Deutschen Oper wurde der Student Benno Ohnesorg (1940 Hannover – 1967 Berlin) von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Das Ereignis markierte einen wesentlichen Kristallisationspunkt für die weitere Entwicklung und Radikalisierung der 68er-Bewegung. Siehe auch: Uwe Soukup, „Ein Schuss, der die Republik veränderte: Der 2. Juni 1967“, Berlin 2017.
67 haben Charlotte Posenenske, Paul Maenz und Peter Roehr mich in London besucht. Wir haben den ganzen Abend über die neuesten Entwicklungen in der Kunst gesprochen. Und dann haben wir beschlossen, darüber eine Ausstellung zu machen. So entstand „Dies alles, Herzchen, wird einmal dir gehören“. „Dies alles, Herzchen, wird einmal dir gehören“, Galerie Dorothea Loehr, Frankfurt am Main, 09. September 1967. Beteiligt waren Jan Dibbets, Barry Flanagan, Bernhard Höke, John Johnson, Richard Long, Konrad Lueg, Charlotte Posenenske und Peter Roehr. Das war eine unglaublich wichtige Ausstellung. Sie war nur auf drei Stunden angelegt. Paul Maenz hatte aus London die neueste Beatles-Schallplatte mitgebracht – „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ ist das achte Album der Beatles. Es erschien am 01. Juni 1967. –, die durch die ganze Ausstellung schallte. Als die Türen geöffnet wurden, standen da Hunderte von Leuten. Drei Stunden lang eine Ausstellung, die so noch keiner gesehen hatte.
Da habe ich mir gesagt: „Jetzt ist Schluss mit High Culture. Jetzt gehe ich zu Beuys, jetzt möchte ich meine eigenen Statements formulieren.“ Ich war bereit, mich vom Theater zu verabschieden, Kunst zu studieren und mich dort den Auseinandersetzungen und Herausforderungen zu stellen. 20 Tage später gründete Beuys die Deutsche Studentenpartei als ausdrückliche Reaktion auf diese Berliner Tragödie.
Das war ein paar Monate vor der Ausstellung in Mönchengladbach. Mit dieser Gründung war ich wie ein Fisch im Wasser. Ich war einer der wenigen, die dort richtig mit eingestiegen sind. Das war für mich im Grunde genommen eine kontinuierliche Fortsetzung all dessen, was auch in den Ringgesprächen besprochen wurde und was ich immer mehr mit dem Kunstbegriff verband.
Am 12. September 1967 hatte mich Karl Ströher eingeladen, mit ihm ins Rheinland zu reisen. Ich wurde frühmorgens im großen Mercedes mit Chauffeur abgeholt, und nach dem Besuch verschiedener Galerien in Köln und Düsseldorf ging es abschließend nach Mönchengladbach zur Eröffnung der exzeptionellen Beuys-Ausstellung. Es war brechend voll und sehr heiß in dem engen kleinen Museum von Cladders Johannes Cladders (1924 Krefeld – 2009 Krefeld) leitete von 1967 bis 1985 die Städtischen Kunstmuseen (ab 1982 Museum Abteiberg) in Mönchengladbach. Für die „documenta 5“ (1972) arbeitete er im Team von Harald Szeemann. Cladders war 1982 und 1984 kommissarischer Leiter des Deutschen Pavillons der Biennale von Venedig. Er gilt als wichtiger Vermittler des künstlerischen Werks von Joseph Beuys, Robert Filliou und Jannis Kounellis. . Und plötzlich wurde ich ohnmächtig, nicht weil mich die Kunst von Beuys derart irritiert hätte, sondern weil ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Mein Gastgeber Ströher war von Hause aus eher sparsam veranlagt, und die einzige Verköstigung, die es während unserer Reise gab, war ein Apfel, den er mit dem Hinweis auspackte: „Junge Leute müssen ja nicht so viel essen und ich in meinem Alter auch nicht. Wir teilen uns den Apfel.“ Das war die Wegzehrung an diesem Tag, und deshalb trug ich abends während der Eröffnung zu einer gewissen Aufregung bei. Auf der Rückfahrt nach Darmstadt, noch in derselben Nacht, weil die Hotelkosten gespart werden sollten, befragte mich Ströher über die Arbeiten von Beuys und konfrontierte mich mit der Idee, Hauptteile der Ausstellung en bloc für Darmstadt zu erwerben.
Ich bekam vorab einen Bericht meiner Eltern, die zur Eröffnung gegangen waren. Ich konnte nicht teilnehmen, weil ich Nachtschicht in der Psychiatrie hatte. Mein Vater erzählte eigentlich nur von der Eröffnungsrede des Monsignore Otto Mauer aus Wien, davon war er sehr beeindruckt. Meine Mutter war sprachlos. Sie war einfach sprachlos. Ich fragte sie: „Was war denn jetzt?“ – „Ich kann es dir nicht sagen. Da war zum Beispiel eine Hutschachtel und darin lag eine tote Ratte.“ Das sagte sie mit einer Fassungslosigkeit, die sich sofort auf mich übertrug – eine tote Ratte! Sie wusste überhaupt nicht mehr, woran sie war. Das war keine Kritik, sondern eine ganz tiefe Betroffenheit. Sie sagte es so, als ob ich ihr diese Arbeit jetzt erklären sollte. Schließlich war ich ja schon ein Jahr Student bei Beuys und hatte auch viel von der Akademie erzählt. Aber ich hatte keine Ahnung. Ich konnte mir auch die tote Ratte in einer Kunstausstellung nicht vorstellen … Als ich selbst ein paar Tage später in die Ausstellung ging, betrat ich einen fremden Stern. Ich war natürlich in gewisser Weise befangen, weil ich mit dem Lehrer sehr vertraut war, aber umso wahnsinniger war auch die Wirkung, weil ich überhaupt nichts verstand. Das war ein derartiges Kontrastprogramm.
Diese toten mechanischen Apparaturen, die nicht funktionieren können, die einfach totgestellt sind. Und die Konfiguration, die räumliche Strukturierung des Ganzen, die dem Betrachter durch den Vitrinengang keine Ausweichmöglichkeiten lässt. Das war schon eine sehr bewegende und psychisch kaum zu verarbeitende Erfahrung, die man – ich zumindest – so von Kunst nie zuvor gehabt hatte. Kunst sollte doch eigentlich den Schrecken und das Grauen sublimieren und zum Positiven wenden. Das jedoch manifestierte sich nicht mehr in den Arbeiten von Beuys. Hier war die Sublimation negiert, und man sah gleichsam in einen Abgrund, in dem Existenz, menschliches Leben und Gerechtigkeit versunken zu sein schienen. Es war eine grundsätzlich andere Erfahrung als jene, die ich bis dahin mit Kunst gemacht hatte.
Etwa 20 Leute wollten aus der Ausstellung heraus ihr Lieblingsobjekt kaufen. Da hieß es dann: „Alles schon verkauft.“ Der alte Herr Ströher mit seinen Haarshampoos und Gels hatte das auf seine alten Tage noch mitgekriegt und die ganze Ausstellung erworben. Beuys war das nur recht. Und von da an konnte man eigentlich nichts mehr aus seinem Werk auswählen.
Noch in den 60er-Jahren war es so: Wenn einer mehr als sechs Sammler hatte, die im Jahr circa 20.000 D-Mark ausgeben konnten, war man auf der wirtschaftlich sicheren Seite. Wenn davon dann drei oder vier selbst auf Einkaufstour ins Ausland gingen, wurde es eng. Der erste Kölner Kunstmarkt Auf Bestreben der Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt vom 13. bis 17. September 1967 in den Räumen der historischen Festhalle Gürzenich statt. Die 18 beteiligten Galerien waren: Galerie Aenne Abels (Köln); Galerie Appel & Fertsch (Frankfurt); Galerie Block (Berlin); Galerie Brusberg (Hannover); Galerie Gunar (Düsseldorf); Galerie Müller (Stuttgart); Galerie Neuendorf (Hamburg); Galerie Niepel (Düsseldorf); (op) art galerie (Esslingen); Galerie Ricke (Kassel); Galerie Schmela (Düsseldorf); Galerie Der Spiegel (Köln), Galerie Springer (Berlin); Galerie Stangl (München); Galerie Thomas (München); Galerie Tobiès & Silex (Köln); Galerie van de Loo (München); Galerie Rudolf Zwirner (Köln). Bis 1973 wurde die Messe jährlich ausgerichtet und ging anschließend in den Internationalen Kunstmarkt Köln über, aus dem sich 1984 die Art Cologne entwickelte. hat ein Tor zu neuen Sammlerschichten aufgestoßen. So wie wir das jetzt mit dem globalisierten Kunstmarkt erleben.
1967 wurde der Kölner Kunstmarkt gegründet und da wollte ich natürlich dazugehören. Da waren ungefähr 20 Händler aus Deutschland. Herr Zwirner und vor allem Stünke haben sich darum bemüht. Das war eine irre Idee. Weil es keine Hauptstadt gab, wo sich das normalerweise versammeln konnte, sahen sie eine Chance, das Interesse auf Köln zu lenken. Und das ist ihnen auch gelungen.
Die deutschen Händler, an die man sich heute erinnert, saßen ja bis dahin über ganz Deutschland verteilt: Rudolf Zwirner war in Essen, Rolf Ricke in Kassel, Heiner Friedrich in München und so weiter. Der Erfolg der Idee „Kunstmarkt“ war der Anlass für die Konzentration der deutschen Galerien in Köln und hat die Stadt im Laufe der Jahre zu einer internationalen Kunstmetropole gemacht, inklusive Galeriehaus Auf Initiative der Brüder Christoph und Andreas Vowinckel wurde das Galeriehaus Köln 1968 in der Lindenstraße 18–22 eröffnet. Zur ersten Generation der dort ansässigen Galerien zählten: Galerie Heiner Friedrich, Galerie Hans-Jürgen Müller, Galerie Neuendorf, Onnasch Galerie, Galerie Rolf Ricke, Galerie M. E. Thelen und Galerie Dieter Wilbrand. Vgl. Brigitte Jacobs van Renswou, „Porträt Galeriehaus Köln, Lindenstraße 18–22“, in: „Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e. V.“, unter: http://www.artcontent.de/zadik/default.aspx?s=1061 (eingesehen am 14.06.2016). .
Dann gab es die Leute, die sich eigentlich beteiligen wollten, es aber finanziell nicht stemmen konnten. Also machte man Editionen und Multiples. Das hatte alles etwas Organisches.
Mit dem Anwachsen der Galerienszene in Köln und Düsseldorf entstand auch ein gewisses Konkurrenzdenken. So hatte etwa Heiner Friedrich das Pech, dass er beim ersten Kölner Kunstmarkt nicht zugelassen wurde. Er machte dann im DuMont-Haus seine eigene Ausstellung mit Richter, Palermo, Polke, Twombly und anderen. „Demonstrative 1967“, 12.–19. September 1967, Breite Str. 70 (DuMont-Haus) in Köln. Die beteiligten Künstler waren John Hoyland, Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Reiner Ruthenbeck und Cy Twombly. Es wird nirgends so viel über Umsätze, Preise, Summen, Bilanzen, Werte, Coups und Volltreffer gelogen wie auf Kunstmärkten und Messen.
Ich weiß nur, dass er immer überfüllt war. Dort gab es ein riesen Sammlerpotenzial, die kamen aus Düsseldorf und von sonst wo in Nordrhein-Westfalen. Als der erste Kunstmarkt in Köln stattgefunden hat, war ich ja noch in Berlin. Und ich war damals sehr skeptisch, genauso wie der verstorbene Kollege Heinz Ohff Heinz Ohff (1922 Eutin – 2006 Berlin) war ein deutscher Kunstkritiker, der von 1961 bis 1987 das Feuilleton des „Tagesspiegels“ in Berlin leitete. , der Feuilletonchef vom „Berliner Tagesspiegel“, den wir bis heute abonniert haben – der gehört ja nicht Springer, denn da gilt immer noch der alte Spruch: „Springer-Presse, halt die Fresse.“ Der „Tagesspiegel“ schrieb damals schon: „Wo soll das hingehen?“ Und ich stimmte zu: „Kommerz ist eine Katastrophe.“ Ich war damals sehr skeptisch, aber wir haben toll verkauft.
Kunst wurde zu dem, was Beuys und andere in Aussicht gestellt hatten: Sie veränderte die gesamte Gesellschaft. Da fallen mir jedoch nicht nur Kunstwerke und Studentenrevolten ein, sondern auch Figuren wie Franz Dahlem Franz Dahlem (* 1938 München) gründete 1963 gemeinsam mit Heiner und Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem in München. Zum Jahreswechsel 1966/67 eröffnete er eine eigene Galerie in Darmstadt und lernte dort den Sammler Karl Ströher kennen. Gemeinsam mit Heiner Friedrich vermittelte er Ströher im Jahr 1968 die Sammlung des US-amerikanischen Versicherungsmaklers Leon Kraushar. Dahlem gilt als enger Vertrauter und wichtiger Vermittler der Kunst von Georg Baselitz, Joseph Beuys, Uwe Lausen und Blinky Palermo. . Der hatte so eine subversive Haltung, die sehr gesund für mich war. Er war ja Berater von Karl Ströher in Darmstadt. Sie kennen sicher die Geschichte von Dahlem, wie er den Sammler Ströher auf einem Flug nach Amerika umgebogen hat, anstatt einer Briefmarkensammlung die Kraushar-Sammlung zu kaufen. Vgl. Katrin Sauerländer, „Die Sammlung 1968 Karl Ströher. Rudolf Zwirner im Interview“, in: dies. (Hg.), „Karl Ströher. Eine Sammlergeschichte“, Frankfurt am Main 2005, S. 117–128, hier S. 123. So war er und so hat er auch den „Block Beuys“ „Block Beuys“ bezeichnet den größten zusammenhängenden Werkkomplex des Künstlers Joseph Beuys, der in den Jahren 1967 bis 1969 in mehreren Ankäufen von Karl Ströher erworben wurde und seit 1970 dauerhaft in sieben Räumen des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt präsentiert wird. Den Kern des Werkkomplexes bildet eine Anzahl von Arbeiten, die erstmals 1967 in der Ausstellung „Parallelprozeß I“ im Städtischen Museum in Mönchengladbach gezeigt wurden. In seiner heutigen Form umfasst der „Block Beuys“ sowohl Plastiken und Arbeiten auf Papier wie auch zahlreiche Relikte aus Aktionen des Künstlers. nach Darmstadt gebracht. Der hat, aus einer subversiven Haltung heraus, etwas unglaublich Wichtiges gemacht. Und er war eben kein Museumsdirektor, sondern ein ehemaliger Bierbrauer. Der kam wirklich von unten.
Ich setzte damals alles daran, Karl Ströher nach New York zu holen und sich mit mir im 82. Stockwerk im Empire State Building einzufinden, um die Sammlung zu kaufen. Bei der Verhandlung habe ich erstaunt registriert, dass Geschäfte in New York relaxter und intelligenter zu machen sind als in Deutschland. Obwohl Arnold Saltzmann gut Deutsch konnte und Herrn Ströher ja auch aus Darmstadt schon kannte, sagte Ströher zu Saltzmann in seinem Schulenglisch: „Herr Saltzmann, der Herr Dahlem ist ein tüchtiger junger Mann, wir zahlen jetzt ein Drittel der Sammlung an, und zwei Drittel nehmen wir in Kommission mit nach Deutschland. So geschickt, wie Herr Dahlem ist, wird er sofort große Gewinne damit erzielen, und damit bezahlen wir dann den Rest der Sammlung.“ Weißt du, wie Arnold Saltzmann darauf reagiert hat? Das werde ich nie vergessen. Er legte seine Hand auf die Hand von Herrn Ströher: „Mister Ströher, that’s not my problem, that’s your problem.“ Da wurde der 78-jährige Herr Ströher nervös und redete leise auf mich ein: „Was soll ich jetzt machen? Die sind verrückt, die machen nicht das, was ich will.“ Ich sagte: „Herr Ströher, machen Sie es ganz ruhig. In Ihrer Innentasche links sind ein Füller und Ihr Scheckbuch. Sie ziehen das Scheckbuch und den Füller heraus, öffnen das Scheckbuch und schreiben einen Scheck über 425.000 Dollar aus. Dann gehört die Sammlung uns.“ – „Meinen Sie?“ – „Natürlich.“ – „Sie haben recht, das machen wir.“ Karl Ströher hat unterschrieben, den Scheck an Herrn Saltzmann übergeben, und damit war der Fall erledigt.
Wir Kunsthistoriker spielten ja bei der Beurteilung der zeitgenössischen Kunst kaum eine Rolle. Es sind tatsächlich die Händler und die wenigen mutigen Sammler gewesen, die es damals gab. Und dazu zähle ich Ströher mit seinen 78 Jahren, der anfangs Romantiker-Zeichnungen und dann klassische Moderne gesammelt hat und der schließlich durch Friedrich und Dahlem, die beiden „Überzeugungstäter“, umgepolt wurde.
Franz Dahlem hat mich, meiner Erinnerung nach, angerufen und gesagt: „Da gibt es diese Sammlung Kraushar, die hat der Ströher erworben und die kommt nach Deutschland. Die ist riesengroß, da sind die ganzen Pop-Künstler und alles dabei. Und die wird jetzt hier eingelagert, bis beim Herrn Ströher das Haus dafür fertig ist. Das wäre doch eine Möglichkeit, die in München zu zeigen.“ Und da haben wir im Galerie-Verein befunden: Das machen wir. Das Tragische war, dass kurz vorher Halldor Soehner Halldor Soehner (1919 München – 1968 München) war ein deutscher Kunsthistoriker, der von 1964 bis zu seinem Tod 1968 als Generaldirektor die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen leitete. gestorben war. Er war ja derjenige mit den offenen Augen, der wirklich auf die große Qualität gegangen ist. Der Erste, der wirklich den Durchbruch machen wollte. Sein Vertreter hat es aber dann sofort akzeptiert und hat gesagt: „Ja, prima, gehen wir ins Haus der Kunst.“
An dem Tag, an dem die Werke am Flughafen in München-Riem angeliefert wurden, erlitten bei einer Demonstration vor der Springer-Druckerei ein Student und ein Journalist tödliche Verletzungen. Am 15. April 1968 erlitten der Student Rüdiger Schreck und der Fotograf Klaus-Jürgen Frings bei einer Blockade gegen den Springer-Konzern in München tödliche Verletzungen. Ich glaube, zur Eröffnung war die ganze Münchener Innenstadt gesperrt.
In völliger Herzensunschuld haben wir damals angefangen, die ganzen Werke auszupacken und aufzuhängen und es ist schrecklich danebengegangen. Ich glaube, am Tag vor der Eröffnung, haben wir gesehen: Es geht nicht. Wir sind damit nicht fertig geworden. Wir haben ja diese Bilder noch kaum gekannt. Das war eine Kunst, mit der wir nicht umgehen konnten. Und dann hat irgendjemand – ich glaube Heiner Friedrich – den Dan Flavin gefragt: „Kannst du uns nicht helfen? Da droben geschieht etwas Entsetzliches.“
Es wusste keiner richtig, wie man mit der Kunst, der Pop-Art, umgehen sollte. Vgl. hierzu Herzog Franz von Bayern. Zum Beispiel wollten sie den „Brushstroke“ Roy Lichtenstein, „Yellow and Green Brushstrokes“, 1966. von Roy Lichtenstein unter die Decke hängen. Die haben nur komische Ideen gehabt. Ich war am Verzweifeln. Und Heiner hat mich damals wirklich sitzen lassen. Er saß mit Dan Flavin im Schwarzwälder und hat für 250 D-Mark Wein getrunken, während ich mich da mit diesen Heinis rumärgern konnte. Lothar-Günther Buchheim Lothar-Günther Buchheim (1918 Weimar – 2007 Starnberg) war unter anderem Maler, Autor, Sammler und Gründer des „Buchheim Museums der Phantasie“ in Bernried am Starnberger See. ging immer die Treppe rauf und runter und sagte: „Pi-pa-po-po-po, pi-pa-po-po-po.“
Rock ’n’ Roll war Amerika, genauso wie Coca-Cola oder Bluejeans. Das war eine Art Freiheitsstoß in unserem Zusammenhang hier am Niederrhein oder in Deutschland. Das ist unglaublich. Das hat sich bei mir 68 mit Andy Warhol wiederholt. Als Warhols „Double Elvis“ Andy Warhol, „Double Elvis“, 1963. Das Werk befindet sich heute im Museum of Modern Art in New York. ins Museum einzog, dachte ich: Jetzt haben wir es geschafft.
Damals überschlugen sich die Kunsttrends förmlich: Minimal Art, Conceptual Art, Prozesskunst, Land-Art … die ganzen avancierten Kunstrichtungen. Die Pop-Art nicht zu vergessen. 1968 wurde sie auf der documenta zum ersten Mal umfassend in Deutschland aufgeführt. Sie war ja auch in den USA keineswegs unumstritten. Pop war für viele von uns eine Protestkunst, weil sie die Bilder der populären Medien, aus Kino, Werbung und Comic in die Sphäre der Kunst hob. Das trieb manche zur Weißglut.
Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, Düsseldorf war der Schlüssel. Es gab eine Barszene, und es war einiges möglich. Die Leute schliefen beieinander auf dem Fußboden, und es wurde viel unternommen. Dann kamen Brüssel und Antwerpen, und es gab Art & Project Die Galerie Art & Project wurde 1968 von Geert van Beijeren (1933–2005) und Adriaan van Ravesteijn (1938–2015) in Amsterdam gegründet. Sie zeigten unter anderem Werke von Robert Barry, Stanley Brouwn, Jan Dibbets und Lawrence Weiner und hatten damit einen Schwerpunkt in der Minimal Art und der Konzeptkunst. in Amsterdam. All diese Leute bildeten zusammen eine Struktur, die nicht über Legitimation und Macht funktionierte.
Wir saßen sozusagen in einem Boot. Kommerziell waren wir alle gleichermaßen erfolglos: Künstler, Händler und Kritiker. Die avancierte Kunst war nicht auf Anhieb ein kommerzieller Hit. Die Künstler, die progressiven Kunsthändler und die Kritiker kamen, wenn sie erfolgreich waren, gerade so über die Runden – mehr war nicht drin. Wir bildeten zusammen die Fronde gegen die Etablierten. Das Label „progressiv“ war symptomatisch für unsere Haltung.
66, 67, 68 fing das große Aufräumen erst an, und wir haben da alle schwer mitgemacht. Wenn Sie in so einem Prozess sind, dann denken Sie nicht darüber nach. Das Ziel war: „Weg mit dem ganzen Kram. Weg von dieser Gesellschaft. In allen Ländern. Weg mit den Kriegen – vor allen Dingen in Amerika –, weg mit dem Rassismus. Weg mit diesen ganzen Dingen! Wir bauen die neue Welt.“ Beuys, Dutschke Rudi Dutschke (1940 Schönefeld – 1979 Aarhus, Dänemark) war ein deutscher Soziologe und politischer Aktivist, der durch seine führende Funktion innerhalb der Studentenbewegung der 1960er-Jahre bekannt wurde. Als Teil des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) organisierte er ab 1966 mehrfach Demonstrationen und Aktionen in Berlin, die sich gegen den Krieg in Vietnam sowie die gesellschaftliche Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit richteten. Dutschke galt als Wortführer der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Am 11. April 1968 wurde er von dem rechtsorientierten Josef Bachmann auf offener Straße niedergeschossen. Er erlag den Folgen seiner Verletzungen am 24. Dezember 1979. Siehe auch: Helmut Reinicke, „Rudi Dutschke. Aufrecht gehen. 1968 und der libertäre Kommunismus“, Hamburg 2012. , RAF Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) war eine linksterroristische Organisation, die von 1970 bis 1998 in Deutschland operierte. Sie verstand sich als militanter Arm der antiimperialistischen Bewegung, die sich aus den Studentenprotesten des Jahres 1968 entwickelt hatte. Als Gründungsereignis gilt die Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 in West-Berlin, an der sich unter anderen Gudrun Ensslin, Irene Goergens, Ulrike Meinhof und Astrid Proll beteiligten. Siehe auch: Ulf G. Stuberger, „Die Akte RAF. Taten und Motive. Täter und Opfer“, München 2008. . Ich bin ein großer Anhänger der RAF gewesen. Alle diese Dinge haben sich hinterher oft als nicht möglich herausgestellt.
Man wusste von Paris, man wusste, dass die Triennale in Mailand geschlossen worden war und dass in Venedig zur Biennale nur Teile eröffnet worden waren. Am 03. Mai 1968 besetzten Studenten in Paris mehrere Räume der Universität Sorbonne, um für Reformen in der Bildungs- und Sozialpolitik zu protestieren. Nach der Räumung des Universitätsgebäudes durch die Polizei kam es in den folgenden Wochen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, an denen sich zunehmend auch die Arbeiterbewegung beteiligte. Parallel zu den Ereignissen in Paris besetzten italienische Künstler und Studenten während der Eröffnungsveranstaltung am 30. Mai 1968 die Ausstellungsräume der Triennale in Mailand. Aufgrund verschiedener Protestaktionen blieben in dem Jahr auch Teile der Biennale von Venedig geschlossen. Siehe auch: „Triennale – Sturm auf die Vitrinen“, in: „Der Spiegel“, Nr. 24, 10.06.1968, S. 122. Man überlegte, wie man damit in Kassel umgehen sollte, denn auch dort war natürlich Protest angekündigt. Es war eine Mischung aus Protest von Künstlern, die nicht vertreten waren, und solchen, die das ganze etablierte Kulturgehabe nicht wollten, etwa Wolf Vostell oder Jörg Immendorff. Die „documenta 4“ fand vom 27. Juni bis 06. Oktober 1968 unter der künstlerischen Leitung Arnold Bodes in Kassel statt. Das Hauptaugenmerk der Ausstellung lag auf Pop-Art, Farbfeldmalerei und Minimal Art und damit auf den jüngsten Entwicklungen der amerikanischen Kunst. Dies nicht zuletzt zum Ärger der deutschen Aktions- und Fluxus-Künstler, die nicht vertreten waren: Mit Blindenbinden, Transparenten und Flugblättern stürmten Jörg Immendorff, Chris Reinecke, Werner Schreib und Wolf Vostell das Auditorium des Kasseler Rathauses und unterbrachen die Presseveranstaltung der Eröffnung durch ein Protest-Happening unter dem Titel „Ich mache die documenta frei“. Die Aktion richtete sich gegen das Auswahlverfahren des documenta-Rats sowie das allgemeine Konzept der Ausstellung, das aus Sicht der Protestierenden wesentliche Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst vernachlässigte. Vgl. Petra Kissling-Koch, „Bildende Kunst um 1968 – eine ‚Kulturrevolution‘ und ihr künstlerisches Umfeld. Joseph Beuys und Andy Warhol auf der documenta 4 in Kassel“, in: Tobias Schaffrik/Sebastian Wienges (Hg.), „68er Spätlese – was bleibt von 1968?“, Berlin 2008, S. 98–108, hier S. 100 f.
Die Studentenbewegung – das klingt heute alles modisch – ist natürlich total wichtig gewesen. Da ist man bis an die Grenze oder über die Grenze hinaus, die erträglich war. Das waren für mich wichtige Erfahrungen, dass man zum Beispiel jemanden wie den Jan-Carl Raspe Jan-Carl Raspe (1944 Seefeld, Österreich – 1977 Stuttgart) war ein deutscher Soziologe, der 1966 zu den Mitbegründern der Kommune 2 in Berlin-Charlottenburg gehörte. Seine Wohnung diente ab 1970 für die erste Generation der Roten-Armee-Fraktion (RAF) als Zufluchtsort. Gemeinsam mit Andreas Baader und Holger Meins wurde Jan-Carl Raspe 1972 in Frankfurt am Main verhaftet und starb am 18. Oktober 1977 in der sogenannten „Todesnacht von Stammheim“. kennengelernt hat. Da wurde einem klar, das sind nicht nur irgendwelche Freaks, die eben mal die 65. Ausstellung hinter sich gebracht haben, sondern die stellen ganz andere Fragen.
Einer der aktivsten Protestler war Dieter Ruckhaberle. Er war selbst Maler, leitete die Berliner Kunsthalle und stand dem SDS nahe, obwohl er Mitglied der Freien Demokratischen Partei Berlins war. Ein charmanter, witziger Typ, mit dem ich ganz gut Fingerhakeln konnte. Bei der Pressekonferenz wurde von Buttlar dann angegriffen. Ich glaube, es war Wolf Vostell, der mit Pfennigen um sich geworfen und ihn mit Honig eingeschmiert hat.
Wir wollten die Tür aufmachen – und das haben wir auch gemacht. Nach „Frisches“ kam ja die Blücherstraße Im April 1968 eröffneten Jörg Immendorff und Chris Reinecke mit Hansjürgen Bulkowski den sogenannten „Lidl-Raum“ in der Blücherstraße in Düsseldorf. Der Raum war ein autonomes Informations-, Aktions- und Ausstellungszentrum. Bis zur Schließung im Januar 1969 beteiligten sich unter anderen Charlotte Moorman, Nam June Paik und Wolf Vostell an den Veranstaltungen. Siehe auch: Susanne Rennert, „Ein doppelter Strang. Lidl, 1968–70. Konzepte, Aktionen, Strategien von Chris Reinecke und Jörg Immendorff“, in: „Chris Reinecke. 60er Jahre – Lidl Zeit“, hg. von Barbara John u. a., Ausst.-Kat. u. a. Kunstmuseum Düsseldorf, Köln 1999, S. 35–64, hier S. 42 f. . Das war ein altes Tanzhaus. Damals gab es das noch, die Leute tanzten ja. Es war ein furchtbar hässlicher Saal! Aber als wir die Türen aufgemacht haben, kamen die ersten Gastarbeiterkinder und guckten, was wir da machten. Sie haben mitgemacht! Es war eine offene Tür! Kunst sollte nicht mehr exklusiv sein, sie sollte nicht ausschließen. Es war auch nicht für Bürger gedacht, wie man es heute sagen würde.
Was auf der documenta stattfand, war ein Sit-in in dem Raum, der dem beuysschen Raum benachbart war und in dem sich das Soldaten-Bordell von Edward Kienholz, das „Roxys“, Edward Kienholz, „Roxys“, 1960/61. befand. Die Studenten kamen, typisch für die 68er, mit dem Argument: „Wenn hier ein Bordell ist, wollen wir eine Rotwein-Party feiern, und zwar so lange, wie es uns passt.“ Ich hatte das vorher erfahren und natürlich entsprechend Leute, die die Ausstellung mehr schlecht als recht bewachten, dorthin bestellt. Die Studenten fingen an zu diskutieren und Beuys, der sich Sorgen machte, was passieren würde, wenn alle durchdrehten, kam dazu.
Den größten politischen Umbruch, den es in Deutschland je gegeben hat, hat Adenauer 1957 selbst in Gang gesetzt, nämlich durch die Reform der Sozialgesetzgebung. Auf Initiative des von 1949 bis 1963 regierenden Bundeskanzlers Konrad Adenauer (1876–1967) wurde am 21. Januar 1957 eine umfassende Sozialreform im deutschen Bundestag verabschiedet. Diese beinhaltete vor allem eine grundlegende Modernisierung und Neuregelung der Rentenversicherung. Siehe auch: Werner Abelshauser, „Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945“, München 2004, S. 193 ff. Es hat in der Weltgeschichte nie ein größeres Reformwerk gegeben als Adenauers Veränderung der Sozialgesetzgebung 1957. Während alle immer sagen: „Die langweiligen 50er-Jahre. Der Adenauer-Mief.“ Das war die Revolution schlechthin! Alle, die heute die 50er-Jahre schmähen und sagen, was für ein langweiliges Affentheater, haben keine Ahnung. Die größte Revolution in der deutschen Sozialgeschichte, die Otto von Bismarck erfunden hat, war Adenauers Sozialgesetzgebung von 1957! Wer das miterlebt hat, hat einen anderen Anspruch. Das bisschen studentische Rumhopsen auf der Straße, mit Balletteusen in büstenhalterlosem Zustand – das war ja damals die allgemeine Belustigung –, was soll das? Angesichts dessen, was andere Leute gemacht haben, konnte man das nicht ernst nehmen.
Als abends gegen acht der Schließdienst kam, erklärten die Studenten, sie würden bleiben. Beuys sagte daraufhin – das stimmt mit den Berichten von Stüttgen überein –, dass er das gegenüber dem Hausmeister nicht fair fände, denn dieser sei auch nur ein Mensch und hätte einen Auftrag. Wenn sie diskutieren wollten, müssten sie nicht hier sitzen, sondern könnten genauso gut mit ihm draußen vor der Tür weiterdiskutieren. Dem haben sich die Studenten dann gefügt, sie sind alle rausgegangen und haben tatsächlich vor der Tür weiterdiskutiert.
Ich war damals Sprecher des AStA. Das war genau die Zeit, als auch die politischen Geschichten der 68er-Zeit in der Akademie durchbrachen und Beuys, das war im Herbst 68, zum ersten Mal mit einem absoluten Widerstand seines Kollegiums konfrontiert war. Wir waren in der Zeit sehr aktiv. Wir haben zum Beispiel für eine Neuordnung der Aufnahmeprüfungen gekämpft. Insofern war ich in einen Aktionszusammenhang eingespannt, der spätestens mit der Gründung der Deutschen Studentenpartei in Gang kam. Von da an war in der Akademie der Teufel los. Ich konnte mich gar nicht großartig auf anderes konzentrieren.
Die Demonstrationen oder die Sit-ins … Das war der „Arbeitsraum“, in dem ich mich bewegen wollte. Ich wollte nicht in einem abgeschlossenen Atelier sitzen und in der Einsamkeit Kunst kreieren. All meine Versuche – ob das Malerei oder Skulptur oder sonst etwas war –, das gefiel mir alles nicht. Performance war dann der Anfang, wo es für mich spannend wurde. Ich habe zum Beispiel vor der Akademie ein Zelt aufgestellt und den Leuten aus der Hand gelesen, also eine Art Prophetie. Das waren die ersten Schritte in die Öffentlichkeit.
Der dritte Kunstmarkt war 1969 und 1969 war ein Zäsurjahr. Da ist wirklich etwas abgebrochen. Mir ist das durch die Manson-Geschichte Im Sommer 1967 scharte der Straßenmusiker Charles Manson (* 1934 Cincinnati, Ohio) in San Francisco eine Gruppe junger Männer und Frauen um sich, die bald als „The Manson Family“ bekannt wurde. Im Stil einer Hippie-Kommune reiste die Gruppe in den folgenden Monaten durch Kalifornien. Unter dem manipulativen Einwirken von Manson begingen Mitglieder der Gemeinschaft ab dem Sommer 1969 mehrere Morde. Berüchtigt wurde insbesondere ihre Tötung der Schauspielerin Sharon Tate im Haus des in Los Angeles lebenden Regisseurs Roman Polański. Nur wenig später wurden Manson und die beteiligten Mitglieder von der Polizei verhaftet. Siehe auch: Vincent Bugliosi, „Helter Skelter. Der Mordrausch des Charles Manson. Eine Chronik des Grauens“, München 2010. in Kalifornien sehr deutlich aufgegangen. Als ich von der Geschichte mit Charles Manson hörte, wusste ich, die große Zeit ist vorbei. Das, was in der 68er-Zeit zu einem Fest wurde, zum Höhepunkt – interessanterweise auch in der Beuys-Klasse als Höhepunkt der künstlerischen Vielfalt und Lebendigkeit – war 1969 plötzlich abgebrochen.
Plötzlich war das Interesse für Twombly da, und ich habe mehrere Bilder auf dem Kunstmarkt verkauft. Auch zu hohen Preisen, 20.000 D-Mark. Ich habe mir einen Leihwagen besorgt, bin nach Düsseldorf gefahren, weil ich wusste, dass da noch ein Bild war, habe das Bild gekauft und es wieder auf die Messe geschleppt. Es gab damals eine starke Nachfrage. Das war der Anfang von Twomblys Karriere.
Ich stand schon vor dem Problem, für eine Arbeit wie „The Pack“ Joseph Beuys, „The Pack (das Rudel)“, 1969. einen Preis zu bestimmen. Ich habe mit Beuys darüber gesprochen, wie er sich das vorstellt, und er sagte: „Das ist mir egal. Du hast das jetzt auf dem Markt und du bestimmst den Preis!“ Er hat mir da freie Hand gelassen. So konnte ich entscheiden, dass diese Arbeit so viel kosten muss wie ein Andy Warhol oder ein Robert Rauschenberg, nicht darunter! In einem ersten Gespräch fand er das auch logisch und richtig, aber wie das dann so ist auf dem Kunstmarkt in Köln, die Leute sind sehr nah, und er wurde dann auch laufend von Journalisten und Bekannten angesprochen: „Ist es schon verkauft?“ Und so weiter. Oder vielleicht auch: „Seid ihr wahnsinnig?“
Ich wollte unbedingt nach New York und ich wollte Andy Warhol treffen. Und da haben alle gesagt: „Das geht nicht.“ Ich bin dann mit einer Kommilitonin gefahren und habe Franz Erhard Walther gefragt, ob ich bei ihm wohnen könnte. „Wie lange denn?“ –„Ein paar Tage.“ Am Ende war es dann fast ein viertel Jahr. Ich glaube, es hat ihn auch schwer genervt.
New York war dann wie eine Explosion, dort sind in zwei Jahren fast doppelt so viele Stücke entstanden wie vorher in fünf. Die Stücke wurden gesehen und es wurde darüber diskutiert. Es gab eine enorme Neugier. Und Jennifer Licht hat dann diese mittlerweile legendäre Ausstellung „Spaces“ gemacht, mit Robert Morris, Michael Asher, Larry Bell, Dan Flavin und mir. Jeder hatte einen eigenen Raum. Das war natürlich in bester Umgebung, und es hat der Rezeption meiner Arbeiten sehr geholfen.
Ich werde nie vergessen, wie ich Downtown aus dem Bus – Taxi war damals für uns nicht möglich, denn New York war sehr teuer – ausstieg und in einer anderen Welt war. Diese Wolkenkratzer! Diese jungen Leute! Ähnlich war, dass ich kein Geld hatte – nur, dass es in New York noch schlimmer war. In Essen konnte man in manchen Kneipen immerhin anschreiben lassen. Das ging in New York nicht.
Werkhandlungen im MoMA, das wurde schon vorab als etwas Besonderes angesehen. Zwei Fernsehsender hatten Aufnahmeteams geschickt, es gab Radiointerviews und Claude Picasso fotografierte meinen Ausstellungsaufbau für das „Life“-Magazin. Die Eröffnung war ein großes Ereignis, bei dem ich unter anderen Barnett Newman und Robert Motherwell kennenlernte. Es war angekündigt, dass ich während der Ausstellung an allen Tagen mit den Besuchern Werkhandlungen vornehmen würde. Ich hatte das Gefühl, dass sich – vielleicht auch deswegen – das Interesse wesentlich auf meinen Raum konzentrierte. Ich bin halt weiter gegangen als die anderen beteiligten Künstler, indem ich die Handlung zu einem Werkbestandteil gemacht habe, ja, die Handlung selbst Werkcharakter erhielt.
Es gründet auf einem tatsächlich einleuchtenden Hinweis, dass das Werk nicht diese abgeschlossene, materiell physisch vorliegende Einheit ist, sondern als Werk zumindest seine Wirkung miteinbeziehen muss. Denn es ist ja auf Wirkung hin gemacht. Es soll gesehen werden, es soll genutzt werden. Also muss die Art des Wirkens schon in die materielle Organisation des Werks einbezogen werden. Wie die Zentralperspektive in der Renaissance entwickelt wurde, um den Betrachter vor dem Gemälde schon auf einer bestimmten Position zu fixieren. Der Augenpunkt in der Horizontlinie wird genau so gesetzt, dass der Betrachter den richtigen Abstand vor dem Bild finden muss, um genau die Zentralperspektive erfüllt zu sehen. Das heißt, das Bild erweitert sich um den Raum, in dem der Betrachter steht. Und wenn das Bild schon daraufhin gedacht wird, dass der Betrachter stehen und das sehen muss, dann ist der Betrachter ein Bestandteil des Bildes. Das war die logische Ableitung. Das versteht doch wohl jeder. Und da hat Franz Erhard Walther, meiner Ansicht nach in gewisser Weise am nachhaltigsten und ausführlichsten, in seiner Produktionsform gearbeitet, nämlich: „Was kann ich alles aus diesem dreifach gefalteten Stoff, der da auf dem Teppich liegt, machen? Wie geht man damit um?“ Als Werk wird es entfaltet durch die Art, wie andere damit wirken.
Es war wirklich eine gute Zeit, das muss man sagen. Ende der 60er-Jahre. Mitte der 70er ging es dann schon anders zu, schon Anfang 70 wurde alles viel kommerzieller. Als ich Warhol damals besuchte, war er noch nicht der Superstar, der superteure Künstler. Wahrscheinlich hätte ich sonst auch gar nicht dort herumlungern können. Danach hat sich das dann alles sehr verändert.
Am Anfang waren die gesellschaftlichen Systeme, mit denen ich mich abgab, nicht besonders kritisch. Bei einer Einzelausstellung in der New Yorker Howard Wise Gallery habe ich 1969 die Besucher zum Beispiel gefragt, wo sie wohnen und wo sie geboren sind. Ich bat sie, diese Orte auf großen Karten mit einem Pin zu markieren. „Hans Haacke“, Howard Wise Gallery, New York, November 1969. Für die Ausstellung realisierte Hans Haacke die Arbeit „Gallery Goers’ Birthplace and Residence Profile“. Damit forderte er die Galeriebesucher auf, ihren Geburts- und Wohnort in einem Stadtplan zu markieren. Das war mein erster Versuch, die gesellschaftliche Umgebung der Kunstwelt begreifbar zu machen – für mich selbst wie auch für die Besucher der Galerie. Sie konnten durch dieses quasi demografische Experiment, an dem sie selber teilnahmen, erkennen, dass sie zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht gehören.
Es war eine hermetische und gleichzeitig eine Aufbruchsstimmung. Es war beides. Die politische Situation war ja eine ewige Adenauer-Zeit Konrad Adenauer (1876 Köln – 1967 Rhöndorf) war von 1949 bis 1963 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. . Das war ein erstarrtes System. Dann kam ein bisschen Erhard Ludwig Erhard (1897 Fürth – 1977 Bonn) hatte von 1963–1966 das Amt des Bundeskanzlers inne. , das ging schnell vorbei. Und dann kam 69, 70, 71, 72, wirklich ein gesellschaftlicher Aufbruch: Dann kam Willy Brandt Willy Brandt (eigtl. Herbert Ernst Karl Frahm; 1913 Lübeck – 1992 Unkel) wurde 1969 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. 1972 wurde er wieder wiedergewählt, trat jedoch bereits 1974 von seinem Amt zurück. . Das war auf einmal das andere Deutschland. Vorher war immer noch die mitgeschleppte Nazizeit.
1969 haben wir an der Akademie eine erste Frauengruppe gegründet. 67, 68 und 69 waren die Jahre der Studentenbewegung. Dabei ging es uns auch um die Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau. Meine Generation – die 68er-Generation, wie man sie nennt – hatte, im Vergleich zu heute, eine extrem autoritäre Elterngeneration. Meine Großeltern hatten noch zwei Weltkriege erlebt. Das ist unglaublich. Wir erleben überhaupt keinen Krieg. Gott sei Dank!
Alle guten Künstler, die aus den 60er-Jahren hervorgegangen sind, hatten das gleiche Problem. Wir waren 22, 23, 24 Jahre alt und hatten begriffen, worum es in der Minimal Art ging. Obwohl die Kommunikation mangelhaft war – es gab zwei Kunstzeitschriften, das „Kunstwerk“ „Das Kunstwerk“, 1946 durch den Verleger Woldemar Klein gegründet, war ein deutsches Magazin für moderne Kunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte es in Westdeutschland zu den wichtigsten Informationsmedien über die internationalen Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst. Die letzte Ausgabe der Zeitschrift erschien im Frühjahr 1991. und „Studio International“ Die Zeitschrift „Studio International“, von 1964 bis 1992 in London herausgegeben, war ein Magazin für zeitgenössische Kunst. Es erschien sechsmal im Jahr. –, kannten wir Bob Rymans weiße Bilder – ZERO war damals eigentlich schon Schnee von gestern – und wir hatten verstanden, dass die Dinge nur noch als theoretisches Konzept existierten. Da mussten Sie sich fragen: Was ist hier für mich auf der Welt noch zu tun?
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