Auf diesen Umgang mit der deutschen Geschichte war ich nicht gefasst. Im ersten Moment habe ich nicht gewusst: Verherrlicht er es oder stellt er es infrage?
Gallwitz holte Baselitz, Kiefer, Lüpertz. Eigentlich eine wunderbare Sache für eine Biennale. So weit, so gut. Was mich störte, war die Hierarchie. Baselitz war seine Nummer eins, Lüpertz war die Nummer zwei und Kiefer die drei. Ich wollte das durchbrechen und schlug den Freunden vor: Wir stellen alle drei im großen, im mittleren und im kleinen Raum aus – also immer in direkter Korrespondenz. Da hat der Georg Baselitz,der ja nun auch ein Mann ist, gesagt: „Nein, nein, ich will den großen Raum, ich bin hier die Nummer eins.“ Kiefer war damit einverstanden, für ihn war es enorm wichtig, überhaupt dort auszustellen. Mir aber ließ das keine Ruhe. Ich bin dann zu Gallwitz gegangen und habe gesagt: „Herr Gallwitz, das haut nicht hin, so geht das nicht. Wir müssen die Hierarchie aufheben oder wissen Sie was? Laden Sie die beiden aus, ich mach das allein.“ Da hat Gallwitz erwidert: „Herr Lüpertz, so geht es ja auch nicht.“ Also habe ich darauf verzichtet und mir gedacht: „Dann muss ich eben darauf warten, bis man mir eine Einzelausstellung anbietet.“ War natürlich völliger Unsinn. So wie sich die Biennale entwickelt hat, kann ich 200 Jahre alt werden, ehe ich da meine Einzelausstellung bekomme.
Ich war damals enttäuscht und habe die Absage sehr bedauert. An Ort und Stelle haben wir dann entschieden, die Bilder von Baselitz wegzulassen. So war er mit dieser einzigen Arbeit, dem „Modell für eine Skulptur“ Georg Baselitz, „Modell für eine Skulptur“, 1979/80. , vertreten, die am selben Platz stand, an dem Beuys vier Jahre zuvor mit mir den „Tram Stop“ Joseph Beuys, „Straßenbahnhaltestelle“, 1976. errichtet hatte und wo auch Rückriems große, kreuzförmig gespaltene Arbeit Ulrich Rückriem, „Dolomit, gespalten“, 1968. gestanden hatte. Auf diesen heißen Boden setzte Baselitz seinen Erstling, den alsbald Peter Ludwig erwarb. Damit war der Skandal für den Mittelraum sozusagen schon beschlossen, und Kiefer usurpierte einfach die beiden Seitenflügel des Pavillons. Damit war auch der zweite Skandal vorprogrammiert.
Er hat natürlich erwartet, dass ich als Maler Bilder aufhänge. Ich habe ja auch Bilder gemalt, aber ich fand diese Bilder dann nicht richtig. Ich habe sie wieder mitgenommen und fand die Skulptur, so falsch sie auch gewesen sein mag, einfach eine größere Herausforderung, von mir aus eine größere Provokation. Denn das Ding war so unglücklich geformt, als Skulptur so dilettantisch gemacht – aber das sollte so sein.
Die Skulptur lag in der Mitte des Pavillons, im Nebenraum hingen die Kiefer-Bilder. Die Kombination bildete die Atmosphäre um diese hilflose Skulptur. Wer jemals den Hitlergruß auf einem Foto gesehen hat, der muss doch zugeben: „Das hat damit nichts zu tun.“ Heute wissen wir – und damals hätte man es auch wissen können, wenn man nachgefragt hätte –, dass die Skulptur von einer afrikanischen Stoffpuppe inspiriert war. Auf jeden Fall wurde damals zum ersten Mal richtig – sozusagen mit einem Knall – die deutsche Problematik auf die Tagesordnung gebracht. Positiv, negativ – wie auch immer.
Werner Hofmann Werner Hofmann (1928 Wien – 2013 Hamburg) war ein Kunsthistoriker und Kurator. Zwischen 1962 und 1969 leitete er als Gründungsdirektor das Museum des 20. Jahrhunderts, heute Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok), und war anschließend bis 1990 Direktor der Hamburger Kunsthalle. Dort organisierte er unter anderem Ausstellungen mit Georg Baselitz, Joseph Beuys und Franz Erhard Walther. 1978 und 1980 war er zusammen mit Hans Hollein als Kommissar für den Österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig verantwortlich. Dort stellten 1978 Arnulf Rainer, 1980 Valie Export und Maria Lassnig aus. , der damals für Österreich Arnulf Rainer ausgewählt hatte, kam herüber und mokierte sich über Kiefers Bild „Deutschlands Geisteshelden“ (1973). Werner Spies hat die Ausstellung in der „F.A.Z.“ verrissen. Werner Spies, „Überdosis an Teutschem“, in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 02.06.1980, S. 20. Und Baselitz erging es nicht besser. Die deutsche Kritik stand gegen diese Künstler, dazu gehörte auch Petra Kipphoff von der „Zeit“ Petra Kipphoff, „Die Lust an der Angst – der deutsche Holzweg“, in: „Die Zeit“, 06.06.1980, S. 42. .
Keine deutsche Zeitung fand das gut. Zur „39. Biennale von Venedig“ 1980 kuratierte Klaus Gallwitz den Deutschen Pavillon. Ausgestellt waren Werke von Georg Baselitz und Anselm Kiefer. Beiden Künstlern wurde aufgrund ihrer Werkauswahl „martialisches Deutschtum“ vorgeworfen. Siehe auch: Rudi H. Fuchs, „Die Kritik riecht Blut und greift an“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 23.06.1980, S. 197–198; Petra Kipphoff, „Die Lust an der Angst – der deutsche Holzweg“, in: „Die Zeit“, 06.06.1980, S. 42; Werner Spies, „Überdosis an Teutschem“, in: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 02.06.1980, S. 19 und Peter Iden, „Die Lieben der Kommissare. Zur Eröffnung der diesjährigen Kunst-Biennale von Venedig“, in: „Frankfurter Rundschau“, 04.06.1980, S. 7. Die einzige Ausnahme war Klaus Wagenbach, der Herausgeber des „Freibeuter“ Der „Freibeuter“ war eine linksgerichtete Zeitschrift für Politik und Kultur, die von 1979 bis 1999 im Wagenbach-Verlag vierteljährlich erschien. . Der war extrem links, und da er gegen alles war, war er natürlich dagegen, dass alle gegen mich waren.
Ich habe darüber geschrieben und das war sehr negativ. Peter Iden, „Die Lieben der Komissare. Zur Eröffnung der diesjährigen Kunst-Biennale von Venedig“, in: „Frankfurter Rundschau“, 04.06.1980, S. 7. Ich dachte, das ist jemand, der den Gestus der von den Nazis gewollten großtuerischen Malerei repetiert. Fast alle waren damals kritisch. Auch Werner Spies zum Beispiel, wir waren alle bei der Ausstellung gegen Kiefer. Erst später habe ich gesehen, dass das ein Fehler war.
Ich erinnere mich gut daran, wie unterschiedlich Baselitz und Kiefer damals reagierten: Baselitz hielt diese außerordentlich scharfe und aggressive Stimmung beim Presserundgang kaum aus. Er kam morgens in einem hellen Seidenanzug mit Zigarre und Strohhut, eine Figur wie von Manet oder wie Manet selbst. Während Kiefer in Knobelbechern, Bluejeans und offenem Hemd erschien: ein Bauer zwischen seinen Kartoffeläckern. Und auf beide ging es runter: Kiefer hat man provoziert und Baselitz wurde ständig nach seinem Hitlergruß gefragt. Abends kam er zu mir: „Herr Gallwitz, ich halte das hier nicht aus. Ich fahre nach Florenz, noch heute Nacht. Ich werde zur Eröffnung da sein, aber ich kann der Presse hier nicht länger Rede und Antwort stehen.“ Und weg war er. Kiefer hielt durch. Er stand vor seinen Bildern und sagte: „Das ist die Sieglinde, die Kartoffel.“
Und dann kamen die Fragen: Wie sind wir damit umgegangen? Wer ist damit umgegangen? Wie soll das in der Zukunft sein? Es wurde offensichtlich, dass man zu Beuys’ Auschwitz-Vitrine zurückblicken oder die Helden-Bilder von Baselitz noch mal anders sehen konnte – Gleiches gilt für Immendorffs „Café Deutschland“ sowie für die deutschen Motive von Lüpertz, die ja auch ein wesentlicher Beitrag waren, allerdings nicht so rezipiert wurden. 1980 war der Moment gekommen, als das alles über Deutschland hinausging.
Die schwedische Presse und auch die Niederländer sahen im Deutschen Pavillon keine Provokation, keine Nazifiguren oder -gesten, sondern im Grunde das, was sie schließlich auch durch ihre Ankäufe und Ausstellungen in den Museen bewiesen haben: einen außerordentlichen, ernst zu nehmenden und kräftigen Impuls, der sich in Deutschland damals gerade unter diesen Leuten bemerkbar machte. Wenig später folgten dann die Israelis.
Was die USA und auch Frankreich angeht, kann ich mir vorstellen, dass es einen Vorbehalt gegen etwas gibt, was man das „Unheimliche“ bei den Deutschen nennt. Und dass Kiefer gewissermaßen den Schleier weggezogen hat vor diesem Unheimlichen. Er konnte das unter dem Vorbehalt einer Ästhetik des Erhabenen oder genauer gesagt des gescheiterten Erhabenen tun. Ich glaube, das hat für den Erfolg im Ausland gereicht. In Deutschland werden natürlich andere traumatische Schichten berührt. Da kommt auch das ins Spiel, was die Israelis den deutschen Schuldkomplex nennen.
Wie kann man auf die deutsche Geschichte, auf sechs Millionen Tote reagieren? Das Thema ist für Kiefer ganz unerlöst und ungelöst, wahrscheinlich auch unlösbar. Genau wie für Richter. Und diese Bewegung hat mich, weil ich ja aus einer ähnlichen Situation, aus der gleichen Generation, stamme, sehr bewegt. Das hat mich als junger Mann beschäftigt, beschäftigt mich aber heute noch mehr als, sagen wir mal, 1960. Weil wir 1960 dachten, endlich kommt jetzt etwas anderes. Mit ZERO Ab 1958 verwendeten Heinz Mack und Otto Piene den Begriff „ZERO“ im Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellungen sowie als Titel für die drei Ausgaben ihrer in Düsseldorf publizierten Zeitschrift. Ab 1961 nahm auch Günther Uecker regelmäßig an den Ausstellungen und Aktionen von ZERO teil. ZERO stand für die Stunde null, für Aufbruch und einen radikalen Neuanfang nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. ZERO setzte sich deutlich vom etablierten Informel ab. Mit neuen Materialien und der Einbeziehung von Bewegung, Licht und Raum in das künstlerische Werk etablierte ZERO eine neue Formensprache. Vgl. Wieland Schmied, „Etwas über ZERO“, in: Dirk Pörschmann/Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 9–18. zum Beispiel. Dann kam Ende der 60er-Jahre die Bewegung im Theater, und in der Literatur wurde die deutsche Geschichte aufgearbeitet. Seitdem ist das für mich immer bedrängender geworden.
Natürlich sind die „Helden“-Bilder von Baselitz im Rückblick hochpolitisch. Und auch Kiefer. Kiefer war nie ein 68er. Auch, wenn er politische Kunst machte und sich mit dem Dritten Reich, das heißt direkt mit den Vätern und Großvätern beschäftigte. Das war aber nie 68er-Kunst. Das war auch keine reaktionäre Kunst. Auch nicht Anti-68er. Kiefer hatte einen vollkommen anderen Zugang zur Vergangenheit. Und die Helden von Baselitz sind verrottete, zerrissene, zerlumpte Landser. „Landser“ war eine zeitgenössische umgangssprachliche Bezeichnung für an der Front kämpfende Soldaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Es ist zugleich der Titel einer Serie von Groschenromanen, die von 1957 bis 2013 im Pabel-Moewig Verlag/Bauer Media Group erschien und die Kämpfe der einfachen Soldaten im Zweiten Weltkrieg als verherrlichende Heldengeschichten beschreibt.
Als ich damals in den „Interfunktionen“ zum ersten Mal die Fotos von Kiefer mit erhobenem Arm vor den Denkmälern sah, 1969 reiste Kiefer mit einer Uniform seines Vaters nach Frankreich, Italien und in die Schweiz, um in der Landschaft vor wichtigen Bauten und Denkmälern den Hitlergruß auszuführen. Die Aktionen nannte Kiefer „Besetzungen“. Die fotografische Dokumentation der Aktionen ist 1975 in der Zeitschrift „Interfunktionen“ veröffentlicht worden. Vgl. Anselm Kiefer, „Besetzungen 1969“, in: „Interfunktionen“, 1975, Nr. 12, S. 133–144. bekam ich wirklich einen Schreck. Ich dachte: „Das darf doch nicht wahr sein. Was passiert da?“ In meinem Text im Kiefer-Katalog der Nationalgalerie habe ich mir erlaubt, von dieser Betroffenheit und dem falschen Verständnis zu schreiben. Wulf Herzogenrath, „Bilder entstehen nicht nur aus ‚Nach-Denken‘, sondern aus ‚Vor-Leben‘“, in: „Anselm Kiefer“, hg. von Angela Schneider, Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin, Berlin 1991, S. 93–100. Ich habe mich dazu bekannt, dass ich diese Werke 15 Jahre später ganz anders sah. Und ich glaube, dass Kiefer damit rechnete, dass es Widerstände geben müsste. Ob es nun wirklich Max Ernst war, der diesen Satz gesagt hat, weiß ich nicht, aber er passt gut zu ihm: „Wir Dadaisten haben die Bombe geschmissen. Und ihr Kunsthistoriker rahmt die Splitter in goldene Rahmen.“ „Dada war eine Bombe. […] Kann man sich irgendjemand vorstellen, der fast ein halbes Jahrhundert nach der Explosion einer Bombe sich damit abgibt, ihre Splitter zu suchen, sie zusammenzukitten und zu zeigen?“ Max Ernst, zit. n. o. A., „Dada-Ausstellung. Sinn im Unsinn“, in: „Der Spiegel“, Nr. 45, 05.11.1958, S. 68–71, hier S. 71. Dieser Bombenwurf war notwendig in der Zeit.
Amerika, um das vorwegzunehmen, passierte in meinem Fall ohne Michael Werner, da ich während der Biennale von Venedig 1980 Die „39. Biennale von Venedig“ fand vom 01. Juni bis 28. September 1980 unter der Leitung von Luigi Carluccio statt. Im Deutschen Pavillon, kuratiert von Klaus Gallwitz, stellten Georg Baselitz und Anselm Kiefer aus. Ursprünglich war auch Markus Lüpertz eingeladen, der seine Teilnahme jedoch absagte. zwei Briefe im Abstand von einer Woche bekam. Einen von Xavier Fourcade Xavier Fourcade (1926 Paris – 1987 New York) eröffnete 1970 Galerieräume in New York. In seinem Programm zeigte er vor allem Positionen der US-amerikanischen Gegenwartskunst, darunter John Chamberlain, Michael Heizer, Willem de Kooning, Walter De Maria und Joan Mitchell. Neben seiner Galerietätigkeit betreute er zudem den künstlerischen Nachlass von Barnett Newman und Eva Hesse unter anderen. und den anderen von Ileana Sonnabend Ileana Sonnabend (1914 Bukarest – 2007 New York) war eine Galeristin. Von 1932 bis 1959 war sie mit dem amerikanischen Kunsthändler und Galeristen Leo Castelli verheiratet. 1962 eröffnete sie eine Galerie in Paris, wo sie insbesondere auch die amerikanische Pop-Art vertrat. 1971 gründete Sonnabend eine weitere Galerie in New York und zeigte dort junge europäische Kunst. Sie stellte unter anderen Georg Baselitz, Bernd und Hilla Becher, Gilbert & George, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Andy Warhol aus. . Also von zwei ganz wichtigen Galerien in New York. Beide wollten mit mir zusammenarbeiten. Die Verhandlung darüber hat dann Michael Werner geführt. So sind wir nach New York gekommen. Michael ist dann später wirklich dort hingegangen. Erst hat er die Galeristin Mary Boone geheiratet und dann eine eigene Galerie aufgemacht, die er bis heute hat. Ab 1980 änderte sich alles in meiner Biografie wirklich radikal. Denn plötzlich tauchte Amerika als Kunsthandelsplatz, als Zentrum des Kunsthandels auf und es wurden Werke verkauft.
Als ich Anfang der 80er-Jahre dann den Vertrag hatte, bin ich losgezogen und habe versucht, die Bilder international zu platzieren. Erfolg hatte ich damit in New York bei Xavier Fourcade und bei Ileana Sonnabend, die beide auch Kataloge zu den Ausstellungen herausgegeben haben. Sie haben im Vorfeld beide 100-prozentig abgelehnt, eine Ausstellung zu übernehmen, wenn ich eine andere Ausstellung bei dem jeweils anderen Händler mache. Aber ich merkte, dass das Interesse für Baselitz vorhanden war, wusste, dass ich eine starke Stellung hatte, und habe gesagt: „Wenn ihr das nicht wollt, lassen wir es eben sein.“ Sie haben es dann beide gemacht, und dasselbe Spiel habe ich dann in London mit Waddington Leslie Waddington (1934 Dublin – 2015 London) war ein Galerist. Er eröffnete 1966 die Waddington Galleries in der Londoner Cork Street und zeigte unter anderem Carl Andre, Axel Hütte, Robert Indiana, Agnes Martin und Andy Warhol. Die „Helden“-Bilder von Baselitz waren 1984 in der Galerie ausgestellt. 2011 ging die Galerie in die Waddington Custot Galleries über. und Anthony d’Offay Anthony d’Offay (* 1940 Sheffield, Großbritannien) führte von 1965 bis 2001 eine Galerie in London. Neben zeitgenössischen Positionen aus England und den USA zeigte er mit Joseph Beuys, Anselm Kiefer und Gerhard Richter auch wichtige Künstler aus Deutschland. Im Frühjahr 1985 stellte Georg Baselitz mehrere seiner „Helden“-Bilder“bei d’Offay aus. Seit Schließung der Galerie im Jahr 2001 arbeitet d’Offay am Aufbau der renommierten Sammlung ARTIST ROOMS. gespielt. Die beiden haben ebenfalls eine Ausstellung gemacht, jeder mit einer anderen Gruppe von Bildern. Und auf diese Art und Weise war Baselitz in ganz kurzer Zeit bei 100.000 D-Mark pro Bild, weil diese Galerien natürlich eine kaufkräftige Kundschaft hatten. Was sie verkauften, waren eingeführte Marken. Eine Galerie ist eine Marke, und in dem Moment, wo ein Künstler da ausstellt, ist die Kunst automatisch glaubwürdig. Das ist der Weg, als Künstler erfolgreich zu werden. Wenn er sehr erfolgreich werden will, dann bemüht er sich darum, alle Galerien, die Einnahmen und Glaubwürdigkeit haben, für sich zu kassieren. Baselitz hat das hinterher systematisch gemacht. Er hat dann in Amerika auch noch bei Pace und anderen ausgestellt.
Die Sache mit Baselitz war natürlich eine mit großer Energie betriebene Kampagne. Überall wurden Baselitz-Fans generiert, Händler gewonnen und so weiter. Und dabei gab es auch schon zu Heiner Friedrichs Zeiten eine ganz starke Gegenbewegung. Der Don Judd Donald Judd (1928 Excelsior Springs, Missouri – 1994 New York) war ein US-amerikanischer Künstler, der insbesondere für seine sogenannten „Specific Objects“ bekannt ist. Er zählte zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Minimal Art. hat einmal gesagt: „Wenn du mit dem Baselitz nach New York kommst, bin ich weg.“ Da gab es also richtige Druckpunkte. Das hat sich nach der „Zeitgeist“-Ausstellung „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 16. Oktober 1982 – 16. Januar 1983. alles in Wohlgefallen aufgelöst. Danach kamen die internationalen Kunsthändler und fielen einer Berlin-Nostalgie anheim. Die Berliner Nachtklubs mit Fetting, Middendorf und so weiter Rainer Fetting (* 1949 Wilhelmshaven) und Helmut Middendorf (* 1953 Dinklage) sind deutsche Künstler aus dem Bereich der figurativen Malerei. Neben Luciano Castelli, Salomé und Bernd Zimmer gehörten sie 1977 zu den Mitbegründern der Galerie am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. … plötzlich wollte jeder New Yorker Kunsthändler eine Ausstellung mit deutscher Kunst machen.
Als ob die ganze Avantgarde ihre Zeit gehabt hätte und jetzt muss etwas Neues kommen.
Die Berliner – das war für mich die Rockmusik in Form und Farbe. Irgendwie passten die Künstler sehr gut zusammen, denn bei ihnen allen war auch die Wut auf die künstlerisch-kulturelle Situation evident. Und diese übertrug sich unmittelbar auf mich. Zum ersten Mal habe ich durch Kunstwerke so etwas wie eine physische Inanspruchnahme gespürt, eine Reaktion, die über den Kopf hinausschoss und in die Eingeweide griff.
Kunst wurde hip, ein bisschen wie Pop-Musik und Rock-Musik. Das Modische, das Schwule – all diese Sachen. Es gab plötzlich sexuelle Freiheit. In diesem Sinne war die Kunst sexy und die Künstler waren auch sexy. Sexy in dem Sinne, dass es irgendwie attraktive junge Leute waren.
Was mich begeistert hat, war die scheinbare Voraussetzungslosigkeit und die totale Unbekümmertheit der Akteure. Hans Peter Adamski, der Älteste der Gruppe, erklärte mir: „Wissen Sie, wir wussten nicht mehr, was wir machen sollten. Es war alles gemacht. Es war deprimierend. Das Dümmste, was wir machen konnten, war zu malen. Also haben wir gemalt.“
Mir war schnell klar: Damit möchte ich mich befassen. Allerdings waren wir ja, wenn man so will, bereits vorgewärmt durch die jungen Italiener und insofern nicht so leicht zu erschüttern. Also habe ich, wie gesagt, Dokoupil gefragt. Aber der sagte: „Nee, in so einer professionellen Galerie wie Ihrer sehen wir uns eigentlich nicht. Wir würden lieber bei Karstadt ausstellen.“ Sie haben es dann doch gemacht. So hat alles angefangen, und die Besprechung unserer ersten Ausstellung im „Spiegel“ endete mit dem Satz: „Zu befürchten steht: eine neue Kunst.“
Jiří Georg Dokoupil, Walter Dahn und die anderen Künstler kamen zu mir in die Galerie: „Hallo! Guten Tag. Wie geht’s? Wir machen etwas ganz Tolles. Komm doch übermorgen mal vorbei.“ Ich war da und ich war schockiert. Dann brach es bei mir mit der Kunst ein. Bei anderen Galerien genauso. Karsten Greve Karsten Greve (* 1946 Dahme/Mark) ist ein deutscher Galerist, der 1973 seine Galerie in Köln gründete. Heute besitzt er weitere Dependancen in Paris und St. Moritz. Mit Alexander Calder, Willem de Kooning, Jean Dubuffet, Jannis Kounellis, Piero Manzoni und Cy Twombly umfasst sein Programm wesentliche Positionen der modernen und zeitgenössischen Kunst. und Rudolf Zwirner haben in der Zeit ihre Galerien für Modenschauen vermietet. Der „Hunger nach Bildern“ Wolfgang Max Faust/Gerd de Vries, „Hunger nach Bildern. Deutsche Malerei der Gegenwart“, Köln 1982. wurde sehr spürbar. Zu mir kam ein Dr. Weber in die Galerie: „Sagen Sie mal, können Sie mir helfen? Ich habe sieben Dokoupils, und von Paul Maenz bekomme ich keine mehr. Können Sie herausfinden, wie ich an weitere Dokoupil-Bilder komme?“ Ich war sprachlos.
Das ist mir, wenn Sie so wollen, malerisch oft zu dürftig gewesen. Und dann war es mir im Gestus zu hochfahrend. Von den Motiven auch zum Teil so, dass ich mich da nicht hineinfinden konnte.
Peter Iden nannte die Künstlerinnen und Künstler „hochgemute Nichtskönner“. Vgl. Peter Iden, „Die hochgemuten Nichtskönner“, in: „Das Kunstwerk. Zeitschrift für bildende Kunst“, Nr. 6, 1981, S. 3–33. Viele haben diese Malerei gehasst. Zdenek Felix Zdenek Felix (* 1938 Prag) ist ein Kunsthistoriker und Kurator, der von 1991 bis 2003 die Deichtorhallen in Hamburg leitete. Ab 1976 arbeitete er als Ausstellungsleiter am Museum Folkwang in Essen und übernahm 1986 die Direktion des Kunstvereins München. Felix organisierte zahlreiche Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und Fotografie. , Bazon Brock und ich waren auf der anderen Seite. Wir fanden sie fabelhaft. Sie verstieß gegen so viele Konventionen, auch gegen die des Gut-Gemalten.
Damals hat mich Stefan Szczesny auf die Kölner gebracht. Wir haben zusammen die Ausstellung in der Lothringer Straße „Rundschau Deutschland 1“, Lothringer Straße 13, München, 1981. gemacht. Das war ein Wahnsinn. Die haben teilweise bei mir gewohnt und auch bei mir gefeiert und am nächsten Morgen lagen da zehn Leute in der Wohnung herum. Ich hatte immer das Gefühl, zwischen Kippi, Albert Oehlen und den Kölnern gab es eigentlich keine Animositäten. Ich hatte allerdings Angst vor Kippenberger.
Ich erinnere mich, wie ich mit Kosuth, einem der konzeptuellen Sachwalter schlechthin, und seiner Freundin Sarah Charlesworth Sarah Charlesworth (1947 East Orange, New Jersey – 2013 Falls Village, Connecticut) war eine amerikanische Konzeptkünstlerin und gilt als wichtige Vertreterin der Pictures Generation, deren künstlerische Arbeiten weitestgehend auf der kritischen Adaption von Bildern der Konsum- und Medienwelt basieren; vgl. „The Pictures Generation, 1977–1984“, hg. von Douglas Eklund, Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum of Art, New York, New Haven 2009. mal eine diesbezügliche Diskussion hatte. Er konnte einfach nicht verstehen, wie wir „so was“ ausstellen konnten, etwas, dem mit dem konzeptuellen Instrumentarium einfach nicht beizukommen war. Bis Sarah, selbst eine streng konzeptuell arbeitende Künstlerin, schließlich sagte: „But Joseph, don’t you feel at least the energy?“ Und genau das war es. Hier gab es plötzlich eine Energie, die den konzeptuellen Künstlern der 1960er-Jahre naturgemäß fremd war – ihre Arbeit war zwar immer intensiv, aber natürlich ohne die Irrationalität einer spontanen Leidenschaft …
Ach, der war so wild! Der war so wild, um Gottes Willen! In der Lothringer Straße hatte er diesen VW-Bus und da hat er sich draufgestellt, die Hose heruntergezogen … Ich war wirklich offen, aber das war mir einfach too much mit Kippenberger. Wenn ich jetzt manchmal Bilder sehe, denke ich, dass er eigentlich ein zartes Seelchen war. Wir kommen ja beide aus dem Ruhrpott und haben im Grunde ähnliche Wurzeln. Aber ich habe das damals mit dem nicht gepackt. Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass die Leute, die damals da waren – Sammler wie Galeristen – einfach gar nichts anderes machen wollten als das, was sie gemacht haben. Der Kontakt zu den Künstlern war eigentlich das A und O, das hat alles beflügelt. Weil sie etwas ausgedrückt haben, was wir, die Nicht-Künstler, nicht ausdrücken konnten.
Salomé war immer pflegeleichter. Sehr nett und freundlich. Ich habe ja mehrere Museumsausstellungen mit ihm gemacht. In mittelgroßen Museen habe ich ihn damals überall untergebracht. Er war wirklich einer der ganz Großen. Auf einem Fest in Bonn stand er irgendwann auf und sagte: „Ich will der nächste Kanzler werden.“ Der plötzliche Ruhm stieg ihnen zu Kopf. Sie kamen nicht damit zurecht, dass der Preis eines Bilds von 2.000 D-Mark plötzlich auf 30.000 D-Mark und mehr anstieg. Das passierte innerhalb von ein, zwei Jahren.
Auf meinem Heimweg von Kassel nach Eindhoven habe ich öfters bei Beuys zum Kaffee gehalten. Ich erinnere mich, wie er die Wurst für das Abendbrot geschnitten hat. Und einmal habe ich ihn gefragt: „Was mache ich denn mit diesen jungen Künstlern?“ – „Du musst sie ausstellen. Das ist der Humus.“ Für Sachen, die sich verändern, hat er das Wort „Humus“ benutzt. Es gibt Künstler, die eine Form gefunden haben, eine Haltung – und es gibt die Jüngeren. Salomé im Vergleich zu Immendorff zum Beispiel: Salomé war der Humus und Immendorff war eine gestandene Position. Solche Überlegungen hat man gehabt.
Rudi Fuchs galt ja als jemand, der sehr eng mit der Galerie Michael Werner zusammengearbeitet hat und auch die deutschen Künstler in Eindhoven ausstellte. Ich glaube, ich war die erste Künstlerin, die er in Eindhoven zeigte – und dann auch noch mit diesen großen Fotoarbeiten, das war ein Novum. Das war 1979. Und dass ich diese Chancen hatte und an verschiedenen Orten ausgestellt habe, wurde vielleicht auch etwas kritisch gesehen. Es war ja oft so, dass ich eine der wenigen oder auch die einzige Künstlerin war, die in den Ausstellungen, und zwar themenunabhängig, vertreten war.
Die Zusammenstellung der documenta, die wir gemacht haben, war unsere Zusammenstellung. Ich kann es nicht verteidigen und ich kann es auch nicht beweisen. Ich kann den Leuten nur sagen: „Schau es an und glaub es.“ Ich habe in letzter Zeit sehr viel die Märchen der Gebrüder Grimm gelesen und da ist mir der Gedanke gekommen: „Kunst muss man glauben.“ Es gibt in der Kunst keine Gerechtigkeit in dem Sinne. Ich kann es nicht beweisen und ich kann niemandem erklären, was es bedeutet. Ich habe keine Ahnung. Es gibt zwei Momente: Es gibt eine weiße Leinwand, der Maler beginnt zu malen, bis das Bild fertig ist. Das macht er ohne Fantasie, ohne Vorstellung. Es entsteht aus seiner Handschrift, aus seiner Intuition. Wenn es fertig ist, kommen die Herren Kritiker – Herr Walter Grasskamp Walter Grasskamp (* 1950 Kapellen) ist ein deutscher Kunstkritiker und Kunstsoziologe, der von 1995 bis 2016 Ordinarius für Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste München war. Er publizierte unter anderem zu Themen der zeitgenössischen Kunst und der Kulturpolitik. und andere – und wollen eine Erklärung, was es bedeutet. „Im Geschlechterkontext bedeutet es das …“ Oder: „Im Kontext der deutschen Einheit bedeutet es das …“
Damals haben wir dafür eine Pressure Group gebildet: „Künstlerinnen in die documenta“. In der Gruppe waren Rune Mields, Katharina Sieverding und Karla Fohrbeck, die Frau von Bazon Brock, die damals vorgeprescht ist und im Bundestag erreicht hat, dass die Gelder für Rudi Fuchs so lange eingefroren werden mussten, bis mehr Künstlerinnen eingeladen wurden.
Davon habe ich nichts mitbekommen. Sie haben mich nicht angesprochen. Ich hätte das natürlich unterstützen können, es wäre nicht das erste Mal gewesen. Aber vielleicht haben sie gedacht, ich würde mich nicht beteiligen, weil ich ja eingeladen war, auszustellen. Ich weiß es nicht.
Das war kein Aufstand im bildlichen Sinn. Es gab eben diese eine Pressure Group, die an die Frauenvereinigung der CDU schrieb. Karla Fohrbeck hat mit ihnen verhandelt. Das war eine ganz gerichtete politische Aktion: Ein Brief wurde geschrieben, die Frauen der CDU haben dann im Bundestag unser Anliegen zur Sprache gebracht und so wurde das angegangen. Es war wie ein Wunder, dass es klappte. Ich habe nicht daran geglaubt, dass es so etwas überhaupt gibt. Das war unglaublich.
Die Ausstellung war eigentlich sehr gelungen. Wenn ich heute in Kassel bin, werde ich immer noch von den Leuten umarmt: „Wunderbar, wunderbar!“ Es war eine gute Ausstellung. Sie war kompakt. Im Grunde war vieles da, bis auf ein paar Ausnahmen: Günther Förg war nicht dabei. Georg Herold war nicht dabei. Schnabel eben auch nicht.
Das musste blitzschnell gehen. Er hatte überhaupt keine Zeit, sich irgendwo umzusehen. Er hat dann die männlichen Kollegen – Künstler wie Franz Erhard Walther – gefragt, ihre Frauen, die auch Künstlerinnen waren, mit zur documenta zu bringen. Und das war dann das Ergebnis. Wir aus der Gruppe wurden natürlich alle nicht eingeladen. Miriam Cahn Miriam Cahn (* 1949 Basel) arbeitet seit den 1970er-Jahren über psychische Zustände und Traumbilder. Ihre erste Einzelausstellung hatte sie 1977 in der Galerie STAMPA in Basel. Bekannt wurde Cahn insbesondere mit dem Zyklus „Das wilde Leben“, den sie 1984 im Schweizer Pavillon der Biennale von Venedig zeigte. , die als eine der wenigen Künstlerinnen zu der documenta eingeladen war, hat ihren Beitrag aufgrund der Politik, die Rudi Fuchs betrieben hat, zurückgezogen.
„TRANSFORMER“ wurde bei Feminismusausstellungen ausgelassen. Ich fand es wirklich bemerkenswert, was feministische Künstlerinnen geleistet haben. Aber ich muss ehrlich sagen: Ich konnte mit dieser Problembewältigung nicht wirklich etwas anfangen. Ich habe mich ja schnell aus dieser Rechte-Winkel-Positionslage befreit, um überhaupt erst einmal als Künstlerin zu mir zu kommen. In späteren Begegnungen habe ich aber erfahren, dass das Männliche eine sehr große Unterstützung sein kann und dass es ohne eigentlich gar nicht geht. Mich hat mein eigenes Leben viel mehr interessiert als irgendein Konzept darüber. Insofern finde ich meine damalige Strategie viel feministischer. Ich bin immer präsent gewesen.
Ich erinnere mich an Katharina Sieverding, die konnte so gut bösartig sein. Bösartig gegen Johannes Gachnang Johannes Gachnang (1939 Zürich – 2005 Bern) leitete von 1974 bis 1982 die Kunsthalle Bern und war unter anderem für die „documenta 7“ (1982) in Kassel und die Ausstellung „Bilderstreit“ in Köln tätig. Gachnang gilt als Vermittler des künstlerischen Werks von Georg Baselitz, Markus Lüpertz, A.R. Penck und Sigmar Polke. oder Rudi Fuchs bei der Venedig-Biennale, die griff wirklich the male hierarchy an. Richtig verbissen. Und ich fand das toll. Der ganze Kunstbetrieb war von Männern besetzt – es war eine Männerdynastie. Ich kann mich erinnern, dass Ulrike Rosenbach nach Amsterdam kam, um in De Appel eine Performance „Ulrike Rosenbach. Video Registrations of Performances“, De Appel, Amsterdam, 01.– 30. September 1983. zu machen und sich damals weigerte, mir die Hand zu geben. Das vergesse ich nie. Das hat schon etwas Militantes. Aber ich mochte sie immer.
Die jungen Avantgardekünstlerinnen haben bei der Galerie Krinzinger in Innsbruck ausgestellt, auch Marina, Ulay und ich, bevor Krinzinger sich dazu entschieden hat, Medienkunst nicht mehr zu vertreten. Es war auf Händlerebene auch eine gemeinsame internationale Entscheidung der Galerien, Medienkunst nicht mit in den Deal zu nehmen, weil es Editionen waren, deren Begrenzung aufgrund ihrer Kopierfähigkeit zu schwierig zu überblicken war. Zu schwierig war es auch, die Preise im Blick zu behalten – auch wenn es nur Dreier- oder Fünfereditionen sind. Das ist der Handel. Die können mit Videoditionen nicht umgehen. Und sie tun sich auch mit der Technik oft schwer.
Die Gesellschaft hat in den Jahren, von denen wir reden, plötzlich andere Perspektiven gehabt, Wohlstandsperspektiven. Das hat Leute veranlasst zu denken, ein Bild kann auch wie eine Aktie sein.
Als wir mit Babara Gladstone die Schulze-Ausstellung Die Galerie Six Friedrich in München zeigte Arbeiten von Andreas Schulze erstmals 1982. 1984 war Schulze in einer Gruppenausstellung der Barbara Gladstone Gallery in New York vertreten. Zusammen organisierten die Galerien 1985 eine umfassende Einzelausstellung mit Werken von Andreas Schulze. machten, hat sie durchaus einiges verkauft. Aber sie hat zu mir gesagt: „Ich kann keine Ausstellung mit Bildern unter 10.000 US-Dollar machen, das geht nicht.“ Also mussten wir den Preis auf 10.000 oder 15.000 US-Dollar erhöhen. Es gab in den 80er-Jahren Sammler, die man Ten-Thousand-Dollar-Collectors nannte. Die kauften ein Bild für sich und eins zum Verkaufen. Sobald es ein bisschen im Preis gestiegen war, veräußerten sie es.
Da kamen plötzlich ganz neue Mechanismen ins Spiel, die nie wirklich mein Ding waren: die Strategien der selbst ernannten Global Player, das Abstecken der verschiedenen Claims, die ersten Grabenkämpfe zum Beispiel, wer mit wem, zu welchen Bedingungen und so weiter, Netzwerke eben. Die Kunst begann sozusagen im Betrieb aufzugehen – das alles natürlich, weil plötzlich ein lange entbehrtes Gewinnversprechen in der Luft lag und das Thema Malerei endlich wieder ein kommerzielles Frontthema wurde, bald auch schon mit Penck, Baselitz, Lüpertz, also genau jener vielleicht leidenschaftlichen, aber in unseren Augen traditionsverhafteten, auch konservativen Kunstgeneration, die uns nie interessiert hatte und die schon gar nicht der Grund gewesen war, überhaupt eine Galerie zu eröffnen.
Der Markt wurde nicht manipuliert. Als Paul Maenz die ersten Ausstellungen mit der Mülheimer Freiheit gemacht hatte, In der Galerie Paul Maenz in Köln fanden unter anderem folgende Ausstellungen mit den Künstlern der Mülheimer Freiheit statt: „Adamski – Barry – Buren – Lord“, 1980; „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“, 1981; „Der grüne Hühnerficker ist endlich traurig“, 1981; „Fleisches Lust. Die Wiederkehr des Sinnlichen. Die Erotik in der neuen Kunst“, 1981. sagte er zu mir: „Six, es sind die langen Postleitzahlen.“ Das bedeutete, die Käufer kamen aus der Umgebung von Köln, nicht aus der Stadt. Diese Leute hatten vorher keine Minimal Art oder so etwas gekauft und hatten auch nicht so viel Geld. Bei meiner ersten Anzinger-Ausstellung Die Galerie Six Friedrich zeigte Werke von Siegfried Anzinger erstmals im Jahr 1980: „Siegfried Anzinger“, Galerie Six Friedrich, München, 1980. habe ich gedacht: „Um Gottes Willen.“ Der kam mit großen farbigen Gouachen an – aber die Ausstellung war sofort ausverkauft. Die Leute waren begeistert. Die Minimal Art war schon eine sehr elitäre Kunst. Wir hatten 76 die letzte Judd-Ausstellung „Donald Judd“, Edition Galerie Heiner Friedrich, München, 01. Februar – 29. Februar 1976. , die uns die Hölle gekostet hat. Das war der Raum, der jetzt in der Pinakothek ist. Wir haben nicht ein Stück verkaufen können. Auch an die großen Sammler der Welt nicht mehr – die hatten ihren Bedarf gedeckt.
Der ganze Kunstmarkt hat sich in diesen Jahren rasant verändert und war nach vier, fünf Jahren nicht wiederzuerkennen. Mit dem Erfolg der inzwischen als „wilde Malerei“ Die nachwachsende Künstlergeneration entdeckte in den 1970er-Jahren die figurative Malerei als Ausdrucksmittel von Spontaneität, Dynamik und Dilettantismus in Abgrenzung zum akademischen Stil. Aufgrund ihres expressiven Malstils werden die Vertreter häufig unter dem Begriff „Junge Wilde“ zusammengefasst. Gemeint sind damit in der Regel die Künstler der Ateliergemeinschaft Mülheimer Freiheit, namentlich Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger, die ab 1979 in Köln-Deutz arbeiteten, sowie die Künstler der Galerie am Moritzplatz, die seit 1977 bestand. Dazu gehörten Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer. Zu den Vertretern der figurativen Malerei der 80er-Jahre werden ferner gezählt: Elvira Bach, Ina Barfuss, Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Volker Tannert und Thomas Wachweger. landauf, landab erfolgreichen jungen Kunst veränderte sich nahezu das gesamte bisherige Marktsystem. Diese neue Malerei wurde extrem schnell international gehandelt und zog dementsprechend auch den eher kommerziell orientierten Kunsthandel an, wie zum Beispiel Bruno Bischofberger Bruno Bischofberger (* 1940 Appenzell) ist ein Schweizer Kunsthändler und Sammler. 1963 eröffnete er in Zürich seine erste Galerie. Seine Sammlung umfasst hauptsächlich Werke der amerikanischen Pop-Art und der figurativen Malerei der 1980er-Jahre. Vertreten sind unter anderen Miquel Barceló, Jean-Michel Basquiat, Francesco Clemente, Jiří Georg Dokoupil, Rainer Fetting, David Salle, Salomé, Julian Schnabel, Andy Warhol. aus Zürich, und damit das große, in vielen Fällen – jedenfalls für junge Künstler – eindeutig auch unbekömmliche Geld.
Es war ein Hype! Die Preise schossen in die Höhe – man konnte förmlich zuschauen – eine Blase entstand, die prompt platzte, als zu viele der erworbenen Bilder zu schnell wieder auf den Markt geworfen wurden. Dumm spekuliert.
Es gab eine riesige Eifersucht der älteren Künstler auf diese jungen Künstler, die relativ schnell Erfolg hatten – viel früher als die anderen. Eigentlich waren sie die Wegbereiter für Leute wie Baselitz, Kiefer und so. Die Mülheimer waren ja 1985 alle schon in New York und da gab es eine große Eifersucht.
Wir waren die Ersten! Baselitz, Immendorff, Lüpertz und Penck – wir waren die Ersten. Damals machten wir in Aachen eine Ausstellung, die hieß „Les Nouveaux Fauves“ „Les Nouveaux Fauves“, Neue Galerie. Sammlung Ludwig, Aachen, 19. Januar – 21. März 1980. – Die Neuen Wilden. Und die Moritzplatz-Jungs nannten sich: Die Heftigen 1980 fand im Haus am Waldsee unter der Leitung von Thomas Kempas die Ausstellung „Heftige Malerei“ statt. Teilnehmer waren Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer. Mit dem Titel, den die Künstler für ihre erste gemeinsame Präsentation außerhalb der von ihnen gegründeten und selbst verwalteten Galerie am Moritzplatz wählten, wollten sie sich von dem Erbe des deutschen Expressionismus und den französischen Fauves, das ihnen stets in Verbindung mit dem Adjektiv wild angehängt wurde, befreien. Vgl. Franziska Leuthäußer, „Berlin“, in: „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“, hg. von Martin Engler, Ausst.-Kat. Städel Museum, Frankfurt am Main, Ostfildern 2015, S. 28–73, hier S. 32. . Deren Antwort auf die wilde Malerei war die heftige Malerei. Sie waren alle Schüler von Hödicke. Bloß „heftig“ stellte sich für die Presse als nicht griffig genug heraus. Neue Wilde – das klang viel besser! Und wir waren dann plötzlich die Väter, was isoliert betrachtet, völliger Unsinn ist. Die Heftigen haben etwas ganz anderes in den Bildern versucht, womit wir uns gar nicht beschäftigten. Private Probleme, Expressionismus, Kirchner mit seinen lasziven Geschichten, die Homosexualität, die eine große Rolle spielte bei Rainer Fetting, Salomé … Große Talente übrigens, aber sie hatten einen anderen Anlass. Es entsprang nicht unbedingt der Auseinandersetzung mit der Malerei, sondern gestaltete sich mehr aus ihrem Lebensgefühl heraus. All dies hatte mit uns relativ wenig zu tun. Das war etwas Neues. Deswegen auch dieser plötzliche und immense Erfolg, den sie vorzuweisen hatten. Und das korreliert mit dem völligen Vergessen, das sie und ihre Werke heute heimsucht.
In der Tat stehen die Genannten heute mit an der Spitze der weltweiten Anerkennung. Wobei dieses Faktum keineswegs selbstverständlich war, denn seit Jahrhunderten stand die deutsche Kunst im mächtigen Schatten der niederländischen, der italienischen, der französischen oder US-amerikanischen Vorbilder. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass Joseph Beuys der erste Künstler aus Deutschland war, den 1979 ein US-amerikanisches Museum, nämlich das New Yorker Guggenheim Museum, einlud, eine Retrospektive auszurichten. „Joseph Beuys“, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 02. November 1979 – 02. Januar 1980. Dass sich ihr Erfolg in Grenzen hielt, gab leider jenen Kritikern recht, die Beuys für einen germanischen Exoten und einen politischen Schwarmgeist hielten.
Du brauchtest mit ihm nur über die Straße zu gehen oder im Flieger zu sitzen … Alle guckten: „Das ist ja der Beuys.“ Typischerweise hatte er auch nie eine geheime Telefonnummer. Wenn man bei ihm war, ging dauernd das Telefon. Und wenn man ihn darauf ansprach, sagte er: „Ich muss für alle erreichbar sein.“ Stellen Sie sich Elvis Presley ohne Bodyguard vor. Solche Situationen hat man bei Beuys oft erlebt.
Als wir ankamen, legte Beuys sich dieses warme Handtuch, das man im Flugzeug bekommt, aufs Gesicht. Mit dem Foto, das dabei entstanden ist, machten wir später eine Edition und eine Postkarte: „Beuys auf dem Flug nach Amerika“. Beuys hat alles aufgesogen und in seine Welt eingebaut. Er war einer der wenigen, der sich wirklich eine eigene Welt geschaffen hatte. Beuys war ein eigener Kosmos. Das findet man ganz selten. Das ist es, glaube ich, was die Leute so fasziniert. Diese eigene Welt, die er sich geschaffen hat.
Von einigen Kollegen wurde ich damals mitleidig angeguckt. Das hätten schon andere verkündet, und dann würde Beuys doch nicht auftauchen. Bei mir war er da! Und außer ihm kamen weitere 500 oder 600 Besucher. Alle wollten den berühmt-berüchtigten Beuys sehen, der gerade als erster lebender deutscher Künstler im Guggenheim Museum in New York eine große Ausstellung hatte. „Joseph Beuys“, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 02. November 1979 – 02. Januar 1980. Wir sind damals alle hingeflogen. Wir wollten dabei sein.
Er kam dann nach Stuttgart und wir haben ihn vom Flughafen abgeholt. Ich hatte eine Bühne aufgebaut und es waren 3.000 Leute da. Das war Wahnsinn. Die Grünen waren damals noch nicht im Bundestag und er war der Grüne für das Ruhrgebiet. Joseph Beuys engagierte sich ab 1977 für die Grüne Liste und nahm im Januar 1980 an dem Gründungsparteitag der Partei Die Grünen teil. Im selben Jahr wurde er deren Spitzenkandidat für die Bundestagswahl in Nordrhein-Westfalen. 1982 erklärte er sich erneut bereit, für die Bundestagswahl zu kandidieren, zog seine Entscheidung jedoch kurze Zeit später zurück. Er blieb bis zu seinem Tod 1986 Parteimitglied. Siehe auch: Hans Peter Riegel, „Beuys. Die Biographie“, Berlin 2013, S. 479 ff.
Dass er nicht in den Bundestag kam, war furchtbar. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass er bereits 1967 in der Deutschen Studentenpartei auf die Frage eines Journalisten, warum er die Partei gegründet habe, die Auskunft gab: „Ich will in den Bundestag.“ 1967! Und die Zeit danach war durch eine ungeheure Kontinuität bestimmt. Er ist immer drangeblieben. Und bei den Grünen stand er kurz davor. Als die besagte Sitzung im Januar oder Februar 1983 stattgefunden hat, wäre er um ein Haar da reingekommen. Seine eigenen Leute, die Grünen, haben ihn daran gehindert – und zwar auf eine widerwärtige Art. Auf eine politische Art. Auf die Art: „Mach du doch dein Fett weiter.“ Oder: „Du kostest uns Stimmen.“
Er wollte unbedingt eine Partei gründen. Das konnte aber nicht gut gehen. Er hatte mit Johannes Stüttgen und anderen in der Altstadt ein Lokal gemietet. Mich hat das nicht besonders interessiert, ich habe nur gedacht: „Junge, das klappt nicht.“ Es war unkonkret und merkwürdig, was er den Wählern angeboten hat. Das konnte einfach nicht klappen. Dann die Projekte in Kassel mit den Eichen Joseph Beuys, „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, 1982–1987. Zur „documenta 7“ stellte Joseph Beuys 1982 das Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vor: 7.000 Eichen sollten im Stadtraum Kassel angepflanzt werden. Begleitet wurden die Neupflanzungen jeweils durch die Aufstellung einer Basaltstele, die bis zu ihrer Verwendung auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum in einer Dreiecksform aufgeschüttet waren. Die Aktion endete begleitend zur „documenta 8“ im Jahr 1987. und das Gesamtkunstwerk in Hamburg Joseph Beuys, „Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg“, 1984. Ausgehend von dem ökologischen und wirtschaftlichen Niedergang des Hamburger Stadtteils Altenwerder, sah das Konzept von Joseph Beuys eine ästhetische wie politische Umgestaltung der Stadt Hamburg vor. Im Sommer 1984 gab die Hamburger Kultursenatorin Helga Schuchardt das Projekt zur Umsetzung frei. Aufgrund anhaltender Proteste gegen das Vorhaben sagte der Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi das Projekt jedoch wenige Wochen später wieder ab. Siehe auch: o. A., „Beuys im Schlick“, in: „Der Spiegel“, Nr. 30, 23.07.1984, S. 137–138. … Es klappte bei ihm plötzlich nicht mehr. Warum? Weil er sich in Sachen einmischte, die nicht sein Metier waren.
Der verwegene Glauben an ein anderes Leben. Dass das Leben in Frieden und Freiheit doch möglich sei. Es gibt viele Metaphern dafür. Dass er so etwas fast Messianisches hatte. Am deutlichsten wurde das bei seiner letzten Rede in Krefeld – wo ich Gott sei Dank dabei war –, bei der er über Wilhelm Lehmbruck und die Weitergabe der Fackel gesprochen hat. Joseph Beuys hielt am 12. Januar 1986 in Duisburg anlässlich der Verleihung des „Wilhelm-Lehmbruck-Preises“ eine Rede. Siehe auch: Lothar Schirmer (Hg.), „Joseph Beuys. Mein Dank an Lehmbruck“, München 2006. Ich hatte damals wirklich das Gefühl: Das könnte seine letzte Rede sein.
Wir sehen die Dinge im Rückblick aus einer Welt, in der es einen riesigen Kunstmarkt gibt, in dem moderne Kunst zum Lebensstil gehört. Ich sage es jetzt ganz boshaft: Es ist fast eine snobistische Sache geworden. Natürlich berührt uns das, was man bei Beuys sieht. Auch diese Bedrohlichkeit. Das Übertragen von Erinnerungen, was ganz selten gelingt. Für diejenigen, die die Dinge nicht erlebt haben, ist es etwas ganz anderes als für uns, die aus dieser Welt gekommen sind. Wir kannten ja die heutige Welt noch nicht, sondern wir sind alle aus diesen grauen Ruinenstädten gekommen. Jeder hat es erlebt und jeder hat es auch noch überall gesehen. Es hat überall noch Ruinengrundstücke gegeben. Und deswegen war diese ganze Vergangenheitsbewältigung, auch bei Kiefer, etwas, was uns damals enorm und direkt berührt hat. Jeder hatte eine andere Erinnerung und eine andere Geschichte aus dieser Zeit, und Beuys hatte eben seine Geschichte und seine Verwundung. Die Arbeit „zeige deine Wunde“ Joseph Beuys, „zeige deine Wunde“, 1974–1975. Die unter anderem aus zwei Leichenbahren bestehende Installation wurde in Zusammenarbeit mit der Münchener Galerie Schellmann & Klüser entwickelt und erstmals 1976 im Maximiliansforum ausgestellt. 1979 erwarb das Lenbachhaus die Arbeit für seine Sammlung, was zu öffentlichen Diskussionen über den Wert und die Funktion von zeitgenössischer Kunst führte. , die vom Lenbachhaus angekauft und ausgestellt wurde, hat mir damals wirklich eine Gänsehaut bereitet. In Verbindung mit meiner eigenen Erinnerung.
Heute kannst du keine Beuys-Ausstellung mehr ansehen, weil der leibhaftige Jupp fehlt und mit ihm seine Magie und sein Zauber. Alles wirkt leer und ohne Kraft. Aber stand er daneben, hast du ihm alles geglaubt. Er war großartig, absolut authentisch. Völlig unbelastet, ohne Zweifel, er war durchdrungen, er war gottgleich, er war Jesus. Und er konnte das vermitteln! In unserer Jugend war er Assistent bei Mataré und war eben der dolle Jupp, der eine Vorliebe für große amerikanische Autos hatte. In der großen Karosserie steckte ein Opel-Rekord-Motor drin, weil der weniger Sprit fraß und es billiger war. Seine ersten Happenings in der Galerie René Block: „Beuys. Der Chef/The Chief“, 2. Soiree der Galerie René Block, Berlin, 01. Dezember 1964; „Beuys. Eurasia“, 9. Soiree der Galerie René Block, Berlin, 31. Oktober 1966. Da kam er, das muss man sich mal vorstellen, mit einer alten Aktentasche, in der Butterbrote und eine Thermoskanne waren. Der Jupp kam, legte sich 24 Stunden auf den Tisch und machte ab und zu ein Päuschen. Dann saß man mit ihm da, er hat uns ein Butterbrot gegeben, Kaffee aus seiner Kaffeekanne angeboten und sich danach wieder hingelegt.
Die Happenings von Kaprow und Vostell hatten Zielrichtungen. Die sollten etwas bewegen, auslösen, bewirken. Heute sind das vielleicht kurze Performances: „Werfen Sie bitte ein Tempotaschentuch in diese Richtung.“ Das hat mit einem Happening nichts zu tun. Das ist ein großes Missverständnis. Auch in Japan, wo es die Gutai-Gruppe Die Gutai-Gruppe war eine 1954 von den Künstlern Shozo Shimamoto (1928 Osaka, Japan – 2013 Osaka, Japan) und Jiro Yoshihara (1905 Osaka, Japan – 1972 Ashiya, Japan) gegründete Kunstbewegung in Japan. In dem 1956 erschienenen Manifest „Gutai bijutsu sengen“ forderten sie den künstlerischen Einbezug neuer Medien sowie eine performative Erweiterung der Malerei. Weitere wichtige Mitglieder der Gruppe waren Takesada Matsutani, Kazuo Shiraga und Atsuko Tanaka. Siehe auch: Marco Francioli/Fuyumi Namioka (Hg.), „Gutai – Painting with Time and Space“, Mailand 2011. gab, hat es keine Nachfolger gegeben. Es war eine andere Zeit, es war der große Aufbruch. Als ich neulich in der Kunsthalle Düsseldorf war, standen in einer Ecke ein Futon und ein paar Farben. Und Gregor Jansen sagte zu mir: „Das ist großartig.“ Ich habe es nicht mehr verstanden. Ich habe nicht verstanden, was daran so großartig sein soll.
Unser Traum der 70er-Jahre ist heute Realität geworden. Hunderttausende gehen zu den großen Messen. Ausstellungen haben 250.000 Besucher. Das war früher undenkbar. Wenn man das hochrechnet, sind die Museen stärker frequentiert als die Fußballstadien.
Doch, wir haben schon damit gerechnet. Aber es war schwierig. Mein Sohn Max sagt immer: „Ach, Mama, ihr habt so eine tolle Zeit gehabt. Was für eine Aufbruchsstimmung.“ Und so war es auch. Es gab mehr Gruppierungen als heute. Das ist jetzt auch eine tolle Zeit und ich finde immer großartige Künstler, wenn ich unterwegs bin – es ist wunderbar! Aber in den 70ern gab es Stoßrichtungen – im Gegensatz zu heute. Als die Minimal Art kam oder die Pop-Art mit Andy Warhol, waren das Neuigkeiten, darauf sind die Leute angesprungen. In den 80ern mit den Mülheimern war es ähnlich.
Es gab keinen gesellschaftlichen Druck mehr wie in den 60er- und 70er-Jahren. Auf einmal war einen Haufen Geld da. Das waren die Reagan-Jahre. Ronald Reagan (1911 Tampico, Illinois – 2004 Los Angeles) war ein US-amerikanischer Schauspieler und Politiker. Von 1981 bis 1989 war er Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Durch ein Steuersenkungsprogramm sollten die Unternehmen motiviert werden zu investieren. Jedoch war der Optimismus vorübergehend. Die Staatsverschuldung wuchs von 1981 bis 1988 um knapp 180 Prozent und die Ausgaben für Sozialprogramme wurden unter Reagan drastisch gekürzt. Auch in der Bundesrepublik ging es ziemlich gut. In Amerika kam es Anfang der 90er-Jahre noch einmal zu einem Einbruch im Kunstmarkt. Es ist faszinierend, das zu verfolgen: 87 gab es hier einen Zusammenbruch auf der Börse. Ich glaube, es war dann drei Jahre später, 1990, dass bei einer Auktion zeitgenössischer Kunst ein enormer Einbruch folgte. Auf einmal konnten die Galerien nichts mehr verkaufen. Das hat die Tür für schwarze Künstler, für Homosexuelle, die Homoerotik in ihren Arbeiten offen zeigten, und auch für viele Frauen geöffnet. Es kam plötzlich nicht mehr darauf an, wer die Schöpfer waren – man konnte sowieso nichts mehr im großen Stil verkaufen. Auf einmal waren die Türen offen. Es war toll. Für etwa drei Jahre. Einige dieser Künstlerinnen und Künstler haben daraufhin ein ziemliches Ansehen erlangt. Manche werden heutzutage weltweit gefeiert.
Heute wird die ZERO-Gruppe wiederentdeckt. Es gibt jetzt ein Revival. Es gibt plötzlich Leute, die meine „Pünktchenbilder“ Vgl. Mary Bauermeister, „Blau-Gelb-Grünes Pünktchenbild“, 1958/60. großartig finden. Wenn du heute auf die Kunstmessen gehst, hast du das Gefühl, das ist alles Design, Theater, Happening, Event. Schön. Aber verwirrend. Ich mache einfach weiter. Im Moment bin ich im Farbrausch. Ich kann gar nicht anders. Weil es jetzt für mich dran ist. Ich komme mir manchmal vor wie ein alter Baum, der noch mal ordentlich Früchte trägt, bevor er dann stirbt. Ich habe noch nie so ein produktives Jahr wie 2015 gehabt.
Ich war immer damit beschäftigt, Kunstgeschichte zu schreiben. Habe aber nie das Vergnügen gehabt, Marktgeschichte zu schreiben. Es wäre interessant, zu untersuchen, woran das liegt. Das ist die Schlüsselfrage für die 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Heute ist die Marktgeschichte einer künstlerischen Position das Entree für die allgemeine Wahrnehmung. Damals war es genau umgekehrt.
Wir wissen, dass die großen Maler des 19. Jahrhunderts in Frankreich – ich meine die „großen“ Maler – heute irgendwo in der Ecke hängen und kein Mensch sie mehr beachtet. Eine meiner beiden Guggenheim-Immobilienarbeiten wurde vor einem Jahr zur Neueröffnung des Whitney Museum gezeigt. „America Is Hard to See“, Whitney Museum of American Art, New York, 01. Mai – 27. September 2015. Die Ausstellung fand anlässlich der Neueröffnung des Museums in der Gansevoort Street in New York statt. In einem eigenen Raum. Sie wurde sehr positiv aufgenommen. Und die Leute fragten verwundert: „War das die Arbeit, wegen der es damals im Guggenheim so einen Aufruhr gab?“
Gerhard ist eine Währung geworden und leidet sehr darunter, dass die Bilder so viel Geld kosten, weil alle Welt nur noch auf den Preis schaut und nicht auf die Bilder. Bei der Ausstellung „Gerhard Richter: Panorama“, Neue Nationalgalerie und Alte Nationalgalerie, Berlin, 12. Februar – 13. Mai 2012. in der Nationalgalerie haben die Leute gesagt: „Was? Dafür bekommt der so viel Geld?“ Die Leute gucken nicht mehr die Bilder an, sondern sehen nur, dass 20 Millionen an der Wand hängen. Das ist ein großes, großes Unglück. Gut, Gerhard ist darüber reich geworden, aber für einen Künstler ist es das Ende der Diskussion.
Heute wird zu viel geredet. Der mündige Bürger, den wir wollten, ist heute zu einer Quasselstrippe geworden. Ich denke jetzt nicht nur an Deutschland, sondern auch an Amerika. Zu viele falsche Leute glauben, sie hätten die Möglichkeit des Auftritts oder des Auftreten-Müssens gefunden. Jetzt muss weitergearbeitet werden, aber in einer ganz anderen Richtung. Wie genau, weiß ich nicht. Das ist auch nicht meine Aufgabe.
Heute gehen wir mit Bildern ganz anders um. Fernsehen und Internet sind überall präsent. Facebook und Google – die Kommunikation findet im Netz statt. Die Leute bilden sich ein, das sei die Wirklichkeit. Das sind heute ganz andere Fragestellungen. Ich bin vor einigen Monaten von jungen Leuten gefragt worden, ob ich glaube, dass die Idee von „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“ noch irgendeine Aktualität hat. Überhaupt nicht! Das ist eine alte Geschichte, das sind alte Kamellen aus dem vorigen Jahrhundert. Auf das, was heute stattfindet, müsste man ganz anders reagieren.
Wenn ich in eurer Situation wäre, die Zwänge hätte von Handys und Erreichbarkeit und Internet und was weiß ich, dieser ganze Scherz, ich würde wahnsinnig werden. Ich würde meine ganze Fähigkeit, intuitiv zu sein, verlieren. Ich wäre ja pausenlos mit etwas beschäftigt. Ich erlebe das mit meiner Enkelin, die hat Mühe mit mir nur drei Minuten still zu sitzen, ohne auf ihr Ding zu gucken. Weil sie pausenlos mit der ganzen Welt in Kontakt sein muss. Ihr seid eine andere Generation. Ich wünsche euch Glück, ich hoffe, dass ihr eurer physischen Natur nicht schadet, dass ihr überlebt und dass ihr noch ein bisschen wahrnehmt, was es an analogen Schönheiten auf der Welt gibt, bevor sie entweder weggestorben sind, die Natur weggezaubert ist oder halbe Maschinen uns übernehmen und wir alle einen Chip haben.