Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Stephan von Wiese

Stephan von Wiese

Stephan von Wiese

Stephan von Wiese

Berlin, 11. Juni 2016

Franziska Leuthäußer: Wir waren am Donnerstag bei Christa Dichgans. Kannten Sie auch Rudolf Springer Rudolf Springer (1909 Berlin – 2009 Berlin) war ein Galerist und Verleger. Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete er ab 1947 die Galerie Gerd Rosen in Berlin. 1948 eröffnete Springer eigene Galerieräume und vertrat Berliner Künstler seiner Zeit, zum Beispiel Hans Uhlmann oder Werner Heldt, sowie internationale Vertreter der Moderne, die er aufgrund seiner engen Verbindung zu Frankreich, wo er im Krieg Kontakte zur Widerstandsbewegung Résistance hatte, zum großen Teil in Paris fand. Darunter waren Henri Laurens, Hans Bellmer, Max Ernst, Hans Arp, Ernst Wilhelm Nay und Willi Baumeister. Anfang der 1960er-Jahre beschäftigte er in der Galerie den jungen Michael Werner (* 1939), mit dem er später in enger Verbindung blieb. Aus dem Programm der Galerie Michael Werner zeigte Springer etwa Werke von Georg Baselitz, Per Kirkeby, Markus Lüpertz und A.R. Penck in seiner Berliner Galerie. Gemeinsam mit dem Künstler und Kurator Johannes Gachnang (1939–2005) gründete Springer 1983 den Verlag Gachnang & Springer. Er war in vierter Ehe mit der Künstlerin Christa Dichgans (* 1940) verheiratet. noch?

Stephan von Wiese: Ich habe in Berlin studiert und kannte ihn bereits in den 60ern über Künstler und Kollegen. Aber als Kunstgeschichtsstudent war ich für ihn unbedeutend. Ich habe seine Galerie besucht, persönlich habe ich ihn damals nicht gekannt.

Aber Sie wussten, dass es Springer gibt?

Springer war damals „die“ Galerie in Berlin. Mit René Block, René Block (* 1942 Velbert) eröffnete Anfang 1964 in Berlin das Grafische Cabinet René Block, aus dem noch im gleichen Jahr die Galerie René Block hervorging. Zwischen 1974 und 1977 führte er eine Dependance in New York. In seinem Galerieprogramm zeigte er bis 1979 Ausstellungen und Aktionen von Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell unter anderen. In den Folgejahren organisierte Block als Kurator zahlreiche Ausstellungen für die daadgalerie in Berlin sowie für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart, bevor er 1997 die Direktion des Fridericianums in Kassel übernahm. Seit 2008 leitet René Block die auf Editionen spezialisierte Galerie Edition Block in Berlin. der für die Nachrücker, die neuen Kräfte, zuständig war. Sie waren damals die Wichtigsten.

Seit wann waren Sie in Berlin?

1964 habe ich angefangen, hier zu studieren.

In Ihrer Vita kommt als nächste Station die Staatsgalerie Stuttgart.

Ja, da war ich zweieinhalb Jahre.

Danach kommt schon Düsseldorf.

Ja, in Düsseldorf bin ich hängen geblieben. Ich habe keinen sehr bewegten Lebenslauf. Ich hatte viele Studienorte und im Anschluss war ich dann sehr konstant. Es gab ja auch viel zu tun.

Damals als Student in Berlin, das stelle ich mir sehr interessant vor.

Das war auch eine interessante, vor allem eine bewegte Zeit. Ich war bei diesen ganzen Unruhen, Bewegungen und Rebellionen dabei und zum Teil auch mittendrin. Ich war damals auch ein Jahr in Paris. Noch vor 67. Und ich war auch mal in Freiburg, da hat es mir aber nicht so gut gefallen. In München, wo ich das Studium begonnen hatte, war es mir ein bisschen zu konservativ. Berlin ist mehr meine Stadt.

Gebürtig sind Sie aus Hamburg?

Da bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Abitur bin ich dann weg.

Und warum Berlin?

Weil ich Berlin schon als Jugendlicher kannte. Erstens kam meine Mutter aus Berlin, ich fühlte mich immer als halber Berliner, und dann fand ich damals die FU, die Freie Universität, sehr fortschrittlich. Ich habe ja nicht nur Kunstgeschichte studiert …

Was haben Sie noch studiert?

Geprüft wurde ich noch in den Fächern Philosophie und Germanistik. Aber ich habe alles Mögliche gemacht, auch Ägyptologie. Das war interessant. Am Anfang schaut man sich das alles an. Im Gegensatz zu heute, wo die Leute möglichst schnell das Studium abschließen müssen. Damals konnte man sich noch in Ruhe die verschiedenen Fächer anschauen. Heute kann man in drei Jahren nur so durchhecheln. Das hat auch irgendwelche Vorteile, aber die habe ich inzwischen vergessen.

Können Sie Ihren damaligen Zugang zur Kunst beschreiben?

Richtig angefangen mit der Tätigkeit habe ich erst in Stuttgart. Während des Studiums saß man an seiner Dissertation und in Seminaren, schaute sich natürlich auch die Aktionen und Ereignisse ringsherum an, aber richtig im Kunstbetrieb bin ich erst seit April 1974. Als Volontär haben die mich dann gleich recht tüchtig eingespannt und ich habe sehr schön die Grundlagen mitbekommen. Die Jahre in Stuttgart waren für mich die Basis. Durch Günther Uecker bin ich nach Düsseldorf gekommen. Stephan von Wiese leitete von 1976 bis 2007 die Moderne-Abteilung des Kunstmuseums im Ehrenhof (heute Museum Kunstpalast, Düsseldorf).

Wieso durch Günther Uecker?

Wir hatten in der Staatsgalerie Stuttgart eine Uecker-Ausstellung, „Günther Uecker. Bilder und Objekte“, Staatsgalerie Stuttgart, 13. März – 23. Mai 1976. die ich in enger Kooperation mit einer Kollegin, Gudrun Inboden, gemacht habe. Uecker kam natürlich auch und die Ausstellung hat ihm gefallen. Als dann die Stelle in Düsseldorf frei wurde, hat er mich empfohlen.

Und das hat geklappt?

Ja. Ursprünglich hatten sie Clara Weyergraf im Visier. Sie ging dann aber nach Amerika und heiratete etwas später Richard Serra.

Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit der Kunst erinnern?

Wir waren in gewisser Weise keine amusische Familie. Es gab immer wieder Leute in der Familie, die gemalt haben. Auch meine Schwester ist in dem Bereich tätig, sie ist Grafikerin und malt jetzt auch. Aber der Entschluss, Kunstgeschichte zu studieren, war allein meiner. Es war mein Interesse für die visuelle Kommunikation. Ich habe zwar auch Germanistik studiert, aber das Fach war in meiner Familie sehr belastet: Ich hatte einen berühmten Onkel, der Germanist war. Das Feld war schon abgegrast. Das Bildhafte und die gesellschaftlichen Implikationen von Kunst haben mich schon immer interessiert. Vielleicht fanden die ersten Berührungen damit sogar schon in der Schule statt, denn wir hatten einen ganz guten Unterricht und haben auch gemeinsam Ausstellungen besucht. Wir sind mit der Schule häufig in den Kunstverein und die Kunsthalle gegangen, das hat mir immer Spaß gemacht. Das war vielleicht ein Anstoß. Dann gab es Auseinandersetzungen mit der Moderne. Ein Mann, der mich immer sehr provoziert hat, war Hans Sedlmayr Hans Sedlmayr (1896 Hornstein, Österreich – 1984 Salzburg) war ein Kunsthistoriker und Mitbegründer der kunstwissenschaftlichen Strukturanalyse. Bekannt ist er vor allem für sein umstrittenes Buch „Verlust der Mitte“ (Salzburg/Wien 1948), das sich aus einer kulturkonservativen Perspektive gegen die Ausdrucksformen der modernen Kunst und Architektur richtet. Bei den ersten „Darmstädter Gesprächen“ 1950 vertiefte er seine Position in dem Vortrag „Die Gefahren der modernen Kunst“. Von 1951 bis 1964 lehrte Hans Sedlmayr als Ordinarius am Institut für Kunstgeschichte der Universität München. .

„Verlust der Mitte“.

Wobei „Verlust der Mitte“ in den 50er-Jahren noch richtig reaktionär war. Sedlmayr konnte provokant und gut beschreiben und analysieren. Er hat das Buch „Die Revolution der modernen Kunst“ Hans Sedlmayr, „Die Revolution der modernen Kunst“, Reihe „Rowohlts deutsche Enzyklopädie“, Bd. 1, Hamburg 1955. – in der Reihe von Rowohlts deutscher Enzyklopädie – geschrieben. Darin hat er das 20. Jahrhundert aus einer passionierten Antipathie heraus sehr gut beschrieben. Er hat die Phänomene und Themen der Moderne aus einem katholischen Blickwinkel betrachtet. Eben aus einer gewissen Antipathie, die aber auch gleichzeitig Faszination war. Das war für mich ein Ansatz und deshalb bin ich auch nach München gegangen, um bei Sedlmayr zu studieren. Das war der Anfang der Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst in ihren inhaltlichen Implikationen. Die visuelle Beschreibung von Emotionen – Furcht, Angst, Zerstörung –, alles, was er als schrecklich empfand, hat mich damals interessiert. Sedlmayr schildert in dem Buch fast den Untergang des Abendlands, das ist sehr gut analysiert. Er hatte einen sehr guten Blick. Der Mann konnte gucken, das muss man ihm lassen. Er war ein bisschen verknöchert, wie ein alter K.-u.-K.-Offizier, Der Begriff „K.-u.-K.-Offizier“ ist der umgangssprachliche Name für Offiziere des Heers der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie (1867–1918). Aufgrund ihrer Etikette und ihrer militärischen Tugenden galten diese zur Zeit des Ersten Weltkriegs als idealtypische Repräsentanten ihrer Monarchie. aber ganz witzig. Und er war mit einer Münchener Schlagersängerin verheiratet. Die Zeit in München war eigentlich ganz nett, aber es war mehr eine Art Präludium. Außer ihm gab es in der Kunstgeschichte noch einige interessante Assistenten. In Berlin war dann die offene Szene. Dort habe ich mich sehr der Literatur und Philosophie gewidmet. Kunstgeschichte habe ich weiter im Hauptfach studiert. Das Problem an den Universitäten war damals, dass man im Lehrplan über 1800 kaum hinauskam. Ich war bei Otto von Simson und habe sehr viel über die gotischen Kathedralen und Barock erfahren. Vorher war ich bei Hans Kauffmann, auch ein großer Rubens-Spezialist. Man hat gelernt zu analysieren, aber man fragte sich: Wieso hört das plötzlich auf? Vor allen Dingen, weil ich mich auch immer sehr für die deutsche Geschichte und den Horror des Dritten Reichs interessiert habe. Die Frage war: Welche Rolle hat eigentlich die Kunst damals gespielt? Das wurde an den Universitäten nicht behandelt und war einer der Gründe, mich auch für die Studentenrebellion zu interessieren, die sagte: Da wird etwas unter den Teppich gekehrt, da wird etwas unterdrückt. Die wollten das wieder nach oben bringen. Genauso in der Kunstgeschichte. Wir haben dann auch eigene Lehrveranstaltungen organisiert, bis in die Gegenwart hinein. Das nannte sich „Kritische Universität“. Eine Ausnahme war Tilmann Buddensieg, er kam aus dem Mittelalterbereich, hat aber auch Seminare über moderne Erscheinungen gemacht. Er kannte sich zum Beispiel bestens bei dem Architekten Peter Behrens aus. Ich kann mich sehr gut an ein Seminar über die visionären Architekten der 20er-Jahre entsinnen, den Kreis um Bruno und Max Taut, Erich Mendelsohn und Ludwig Mies van der Rohe. All die modernen Erscheinungen wurden da behandelt. Urbanität hat natürlich viel mit gesellschaftlichem Leben zu tun, das hat mich sehr interessiert.

Sie haben gerade schon René Block und Rudolf Springer genannt, hatten Sie in der Berliner Zeit auch schon Kontakt zur Kunstakademie?

Ich kannte nur wenige Studenten. Ich war manchmal dort, meistens allerdings bei den Faschingsveranstaltungen.

Bei den Faschingsveranstaltungen?

Ja. Im Februar gab es da immer einen sehr netten Fasching. Eigentlich der einzige in Berlin. Ich kannte auch ein paar Kunststudenten, aber das waren, glaube ich, keine bedeutenden. Da wurden auch Gespräche über Kunst geführt, klar.

Haben Sie 63 die Baselitz-Ausstellung bei Werner & Katz „Baselitz“, Galerie Werner & Katz, Berlin, 01.–25. Oktober 1963. Die Ausstellung umfasste 52 Bilder von Georg Baselitz, darunter die Werke „A. A.“, „P. D. Stengel“, „Erste Semmel“, „Nackter Mann“ und „Die große Nacht im Eimer“. Am 09. Oktober 1963 wurden die beiden letztgenannten Bilder wegen des Vorwurfs der „Unsittlichkeit“ von der Berliner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Vgl. o. A., „Baselitz-Prozess – Klage und Qual“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26, 24.06.1964, S. 82–84. gesehen?

Nein, damals war ich noch gar nicht in Berlin. Was mich sehr beschäftigt hat, war 69 eine Veranstaltung von René Block in der Akademie der Künste: „Ich will dich frei machen lassen“ „Ich versuche dich freizulassen (machen)“, Akademie der Künste, Berlin, 27. Februar 1969. Die Aktion wurde im Rahmen der Ausstellung „Blockade 69“ der Galerie René Block von Joseph Beuys und Henning Christiansen durchgeführt. mit Joseph Beuys und Henning Christiansen, wo irgendeine Aktionsgruppe von Studenten abends reinkam und das Ganze unter Wasser setzte. Es wurde alles gesprengt, einiges auch zerstört.

Die Veranstaltung hat eigentlich gar nicht erst angefangen, oder? Dazu kamen sie gar nicht.

Doch, es gibt auch Fotos davon. Die haben schon angefangen zu geigen und zu musizieren, ich war ja dabei. So eine halbe Stunde oder 20 Minuten ist das gelaufen, dann kamen mehr und mehr Leute auf die Bühne, haben Feuerlöscher in Gang gesetzt und Wasser auf die Bühne geschüttet. Dann gab es ein merkwürdiges intermediäres Ereignis, was, glaube ich, sechs Stunden gedauert hat. Das war das erste Mal, dass ich Beuys in Aktion sah. Ich hatte später ein ganz gutes Verhältnis zu ihm. Er hat sich dem völlig gestellt. Er setzte sich vorne auf die Bühne und hat mit den Leuten sechs Stunden lang diskutiert, was das doch für ein Blödsinn sei, und versucht, sie von seinen Ideen zu überzeugen. Für ihn war eine Kritik immer ein willkommener Anlass, um seine eigene Position darzustellen. Er hat sich dem geradezu körperlich ausgesetzt. Dass er nicht geflüchtet ist, sondern standgehalten hat, hat die Leute dann doch überrascht und überzeugt. Es gibt ja so ein Buch: „Flüchten oder Standhalten“. Horst-Eberhard Richter, „Flüchten oder Standhalten“, Reinbek 1976.

Wie war Ihr Gefühl dabei? Ich stelle mir vor, dass so etwas schleichend beginnt und sich dann langsam steigert, bis es eskaliert. Waren Sie nur neugierig oder war das auch bedrohlich?

Ich war auf der Seite von Beuys. Mich hat diese Gewalt, auf diese Weise haben die Studenten auch die Lehrveranstaltungen gesprengt, immer gestört. Das fand ich nicht gut. Man muss die Leute zu Wort kommen lassen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Mit Gewalt etwas abbrechen, das schätze ich nicht.

1969 war ich in Berlin Gründungsmitglied der neuen Gesellschaft für bildende Kunst. Eine Gegengründung zum bestehenden Kunstverein mit Eberhard Roters als Erstem Sekretär. Ich kannte auch einige Künstler aus dem Umkreis der neuen Gesellschaft, zum Beispiel Gernot Bubenik. Ruckhaberle Dieter Ruckhaberle (1938 Stuttgart – 2018 Berlin) studierte Malerei und Grafik an der Stuttgarter Kunstakademie und an der Hochschule der Künste in Berlin. Zu seinem kulturpolitischen Engagement zählen 1963 die Gründung der Freien Galerie in der Berliner Kurfürstenstraße, die Mitbegründung des Kultur- und Bildungswerks des BBK Berlin sowie der neuen Gesellschaft für bildende Kunst und sein Einsatz zur Rettung des Berliner Martin-Gropius-Baus. Von 1977 bis 1993 war Ruckhaberle Direktor der Staatlichen Kunsthalle Berlin. spielte auch eine Rolle. In diesem Kreis habe ich mich dann mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt.

Wie entstand der Wunsch, so eine Gesellschaft zu gründen?

Der alte Berliner Kunstverein erschien nicht genug gesellschaftsbezogen. Man wollte eine neue Gesellschaft für bildende Kunst gründen, die sich stärker mit den gesellschaftlichen Implikationen der Kunst auseinandersetzt. Gegründet wurden zwei Vereine, der Neue Berliner Kunstverein (n. b. k.) und die neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), die es heute noch gibt. Solche Auseinandersetzungen wurden hier geführt. Wobei die bildende Kunst in Berlin eigentlich eine schwache Rolle spielte. Es war eine Stadt der Literatur, der Philosophie und des Films. Später kannte ich auch ein bisschen den Kreis um Karl Horst Hödicke K.H. Hödicke (eigtl. Karl Horst Hödicke; * 1938 Nürnberg) gehörte 1964 zu den Mitbegründern der Ausstellungsgemeinschaft Großgörschen 35 in Berlin-Schöneberg. Im selben Jahr zeigte er erstmals Arbeiten in der Galerie René Block. Zwischen 1974 und 2005 unterrichtete Hödicke als Professor an der Universität der Künste Berlin, wo unter anderen Barbara Heinisch, Helmut Middendorf und Salomé zu seinen Schülern zählten. Er war auf der documenta 6 (1977) sowie 1990 auf der Biennale von Venedig vertreten. . An der Kunsthochschule galt Hann Trier Hann Trier (1915 Kaiserswerth – 1999 Castiglione della Pescaia, Italien) war ein Künstler, der dem deutschen Informel zugerechnet wird. Von 1957 bis 1980 lehrte er als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin. als wichtiger Lehrer. Das waren, glaube ich, die beiden wichtigsten: Trier und Hödicke.

Und Großgörschen? Unter dem Namen „Großgörschen 35“ schlossen sich 1964 in Berlin-Schöneberg 14 Maler, darunter K.H. Hödicke, Markus Lüpertz, Wolfgang Petrick und Peter Sorge, zu einer Ausstellungsgemeinschaft zusammen. In einer leer stehenden Fabriketage in der Großgörschenstraße 35 mieteten sie Räumlichkeiten an, um regelmäßig Einzel- und Gruppenausstellungen zu realisieren. Die Künstlergemeinschaft bestand in wechselnden Zusammensetzungen bis 1968. Vgl. „Großgörschen 35. Aufbruch zur Kunststadt Berlin 1964“, hg. von Lothar C. Poll, Ausst.-Kat. Haus am Kleistpark, Berlin, Köln 2014.

Kurt Mühlenhaupt habe ich ein bisschen mitbekommen, Hans-Jürgen Diehl, Wolfgang Petrick, Peter Sorge … Diese Berliner Realisten habe ich natürlich auch verfolgt. Oder Maina-Miriam Munsky. Berlin war offiziell die Stadt der Realisten. Auch die Galerie Poll Die Galerie Poll wurde im Oktober 1968 von Eva (* 1938 Aachen) und Lothar C. Poll (* 1937 Berlin) mit einer Ausstellung zu Werken von Peter Sorge in West-Berlin eröffnet. Bis heute umfasst das Programm der Galerie vor allem Vertreter der realistischen und figurativen Kunst. kannte ich gut.

Haben Sie damals auch Markus Lüpertz und Lambert Maria Wintersberger kennengelernt?

Ich kannte sie, aber ich war nicht eng mit ihnen verbunden. Ich war ja noch ein kleiner Student. Ich kannte die Schriften, diese neue Pathetik von Lüpertz und seine „Dithyramben“ Ab 1964 entwickelte Markus Lüpertz das Konzept einer „dithyrambischen“ Malerei, der Versuch einer Synthese von gegenständlicher und abstrakter Darstellung. Zu den bekanntesten Arbeiten dieser Werkgruppe zählen „Dithyrambe – schwebend“ (1964), „Feigling – dithyrambisch“ (1964) und „Tod und Maler – dithyrambisch“ (1973). Siehe auch: Armin Zweite, „Dithyramben und anderes“, in: „Markus Lüpertz“, hg. von Armin Zweite, Ausst.-Kat. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Ostfildern 1996, S. 11–29. . Man hat auch die literarische Seite verfolgt. Dann gab es hier in Berlin immer das Theatertreffen und das Filmfestival. Das Kulturleben war ein Zusammenhang, man hat nicht so sehr in Sparten getrennt. Berlin war damals als geteilte Stadt nicht so groß, dass es eine riesen Kunstszene gegeben hätte. Und es gab natürlich auch noch die Möglichkeit, ab und zu nach Ost-Berlin zu gehen. Das war auch interessant.

Das haben Sie auch gemacht?

Ja, natürlich, das konnte man. Es gab ein Tagesvisum. Als Westdeutscher – ich hatte anfangs noch einen westdeutschen Pass – kam ich immer leicht in den Osten. Später hatte ich dann einen Berliner Ausweis, aber ab dem Abkommen Im Dezember 1963 wurde das erste Passierscheinabkommen zwischen dem Berliner Senat und der DDR vereinbart. Dieses ermöglichte Personen aus West-Berlin, Verwandte in Ost-Berlin zu besuchen. Bis zum Viermächteabkommen 1971 wurde das Passierscheinabkommen regelmäßig erweitert. kamen auch die Berliner rüber. Ich bin da auch ein bisschen durch den Sozialistischen Realismus gezogen und kannte ein paar Literaten. Ich kannte Johannes Bobrowski Johannes Bobrowski (1917 Tilsit, Ostpreußen, heute Russland – 1965 Ost-Berlin) war ein Schriftsteller und Lektor. Neben seinem lyrischen Werk wurde er insbesondere auch durch seinen Erzählband „Levins Mühle. 34 Sätze über meinen Großvater“ (1964) sowie den Roman „Litauische Claviere“ (1966) bekannt. Sein schriftstellerisches Schaffen gilt als wichtiger Impulsgeber für die deutsche Nachkriegsliteratur. ganz gut. Auch Anna Seghers Anna Seghers (1900 Mainz – 1983 Ost-Berlin) war eine Schriftstellerin, die zu den einflussreichsten Vertreterinnen der deutschen Nachkriegsliteratur zählt. Ab Mitte der 1920er-Jahre veröffentlichte sie zahlreiche Romane und Erzählungen, in denen sie Themen der gesellschaftlichen Lebensrealität aufgreift und reflektiert. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer Mitgliedschaft in der KPD emigrierte sie 1933 über Paris nach Mexiko. Nach ihrer Rückkehr wurde sie 1947 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und zog kurze Zeit später nach Ostberlin. 1955 erhielt sie den ersten Nationalpreis der DDR. habe ich mal erlebt. Sie war eine wichtige Emigrantin. Man hat diese Persönlichkeiten nicht so sehr – ich jedenfalls nicht – in Sparten getrennt, sondern als Zeitzeugen, als wichtige Stimmen der Zeit verstanden.

Warum sind Sie von Berlin nach Stuttgart gegangen?

Ich habe über Max Beckmann promoviert und das war damals der übliche Weg. Es war ganz einfach: Man schrieb Briefe an die Museen und dann kriegte man begeisterte Zusagen, man solle sich vorstellen. Ich habe nach Köln und Stuttgart geschrieben und damit dann eine kleine Reise mit meiner Frau verbunden. In Köln waren Gert von der Osten und Horst Keller sehr nett, aber es war furchtbar schlechtes Wetter, und in Stuttgart schien die Sonne. Ich habe dann bei Gunther Thiem in der Graphischen Sammlung angefangen. Er hatte eine sehr schöne Sammlung aufgebaut.

Warum haben Sie sich nicht in Berlin beworben?

Da hätte es zu lange gedauert. In Berlin gab es eine lange Warteliste. Man hätte mindestens ein Jahr warten müssen und das war mir zu lange. Außerdem war ich ja letzten Endes zehn Jahre in Berlin, da möchte man vielleicht auch mal einen neuen Horizont.

War für Sie klar, dass Sie ins Museum wollen?

An die Universität wollte ich nicht, das war mir zu trocken. Zu theoretisch. Ich wollte eigentlich immer praktisch tätig sein. Ich möchte Kunst, den Künstler anfassen können. Und ich meine damit nicht, dass ich den Künstler abtasten will, sondern die persönliche Nähe. Kunst soll greifbar bleiben. Nicht diese starke Trennung zwischen Universität und Museum, wie es damals, aber ich glaube auch heute noch der Fall ist. Die Museen waren fortschrittlicher als die Unis. Die Forschung im 20. Jahrhundert und in der Gegenwart geht von Kunstvereinen und Museen aus.

Wann haben Sie die Relevanz der Kunst und ihre Aufgabe in der Gesellschaft begriffen?

Kunst ist Lebensmittel, wie man so schön sagt.

War das für Sie immer so selbstverständlich?

Ja, ich hätte nichts anderes machen können. Hätte ich Jura studieren sollen? Ich wollte in den Kulturbereich und da war ich. Ich hätte sicher auch zum Theater oder zum Film gehen können. Film hätte mich noch interessiert, das wäre eine Alternative gewesen.

Ich meine gar nicht so sehr für Sie persönlich. Wenn man am Museum arbeitet, Ausstellungen vorbereitet und Sammlungen erweitert, macht man das ja nicht für sich selbst. Es ist schön, wenn man in dieser Arbeit aufgehen kann, aber man hat ja auch so etwas wie einen Auftrag.

Ja, man hat eine Art Utopie, eine Vision. Das hatten wir damals eigentlich alle. Man wollte natürlich die Leute an die Kunst heranführen. Man wollte damit auch die Sensibilität schärfen, den Leuten Inhalte nahebringen, neue Welten öffnen. Man hatte auch ein bisschen etwas Missionarisches. Das habe ich heute noch.

Was waren die Mittel und Wege, um diese Vision auch zu erfüllen?

Dass man etwas entdeckt und versucht, es in die Öffentlichkeit zu bringen, ein interessantes Phänomen zum Beispiel. Einerseits habe ich natürlich geschrieben. Zunächst hauptsächlich für eigene Publikationen, aber ab und zu auch für das „Kunstforum“. Das andere Mittel war, die Leute zu unterstützen. Es gab eine ganz private, persönliche Ebene. Allein dadurch, dass man Gesprächspartner ist. Atelierbesuche. Mit den Leuten über Kunst reden. Versuchen, das zu verstehen, sich einzufühlen. Das beginnt ganz privat mit zwei Personen im Atelier.

Wo haben Sie nach den Künstlern geschaut? Wonach sind Sie gegangen?

Nach dem, was mir Kollegen empfohlen haben. Es gab in Stuttgart auch eine Einrichtung vom Land, die ganz gut war: Wir sind regelmäßig vom Landesmuseum und von der Staatsgalerie mit einer kleinen Delegation durch ganz Baden-Württemberg gefahren. Es gab Ankaufsvorschläge und die Ankäufe wurden dann mit Fördermitteln des Lands getätigt. Dadurch bekam man auch andere Orte in Baden-Württemberg mit. Peter Beye war in seinem Programm für die Kunst der Gegenwart sehr aufgeschlossen. Er hat versucht, die Gegenwart ins Museum zu holen. In einer meiner ersten Sitzungen legte er einen handgeschriebenen Zettel mit seinen Ideen und Vorstellungen vor, welche Gegenwartskünstler man in der Staatsgalerie zeigen könnte. Woher er seine Informationen hatte, weiß ich nicht. Er war noch relativ jung, mit 35 wurde er Museumsdirektor. Dadurch war das Museum offen. Durch ihn kam auch die Verbindung zu James Stirling und dem Erweiterungsbau zustande.

Die Staatsgalerie war damals ein ziemlich progressives Institut in Deutschland, nicht so schläfrig wie heute. Da war ich in Düsseldorf, an diesem etwas hölzernen städtischen Kunstmuseum, fast schon revolutionär, wenn ich mit Ideen aus Stuttgart kam, man müsse das und das machen. Das städtische Kunstmuseum in Düsseldorf war an sich ein Landesmuseum mit wahnsinnig vielen Abteilungen. Es ist eigentlich ein wunderbares Museum mit sehr schönen Beständen, aber es gab keine Gegenwart. Immerhin hatte Herr von Kalnein Karl Wend Graf von Kalnein (1914 Ludwigslust – 2007 Seekirchen, Österreich) war ein Kunsthistoriker, der von 1964 bis 1979 als Direktor das Kunstmuseum in Düsseldorf leitete. Ein Schwerpunkt seiner kunsthistorischen Arbeit lag auf der Schloss- und Landschaftsarchitektur des 18. Jahrhunderts. , mein Direktor – der aus ganz konservativen Verhältnissen kam –, den Ehrgeiz, auch die Düsseldorfer Gegenwart und Beuys ins Museum zu holen. Dafür hatte er Gerhard Storck. Gerhard Storck (1940 Essen – 2008 Krefeld) leitete von 1975 bis 1999 die Kunstmuseen in Krefeld. Dort zeigte er in den 1970er-Jahren Ausstellungen von Bruce Nauman, Claes Oldenburg, Blinky Palermo und Richard Serra. 1982 gehörte er dem künstlerischen Beirat der „documenta 7“ an. Storck galt als enger Freund von Joseph Beuys und Gerhard Richter. Der hat sich sehr intensiv um ZERO Ab 1958 verwendeten Heinz Mack und Otto Piene den Begriff „ZERO“ im Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellungen sowie als Titel für die drei Ausgaben ihrer in Düsseldorf publizierten Zeitschrift. Ab 1961 nahm auch Günther Uecker regelmäßig an den Ausstellungen und Aktionen von ZERO teil. ZERO stand für die Stunde null, für Aufbruch und einen radikalen Neuanfang nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs. ZERO setzte sich deutlich vom etablierten Informel ab. Mit neuen Materialien und der Einbeziehung von Bewegung, Licht und Raum in das künstlerische Werk etablierte ZERO eine neue Formensprache. Vgl. Wieland Schmied, „Etwas über ZERO“, in: Dirk Pörschmann/Mattijs Visser (Hg.), „ZERO 4 3 2 1“, Düsseldorf 2012, S. 9–18. gekümmert. Als ich kam, war die moderne Abteilung eine reine ZERO-Abteilung. Im Büro hatte ich zudem das ZERO-Archiv um mich. Er hatte leihweise von Mack, Piene und Uecker die Archive eingesammelt, weil er bei DuMont ein großes Buch über ZERO schreiben wollte. Das Buch kam nie zustande. Ich saß zwischen den ZERO-Akten und ab und zu kamen wütende ZERO-Künstler, die sich ihre Akten zurückholten. Ich weiß noch, wie Otto Piene damals kam.

Weil es da nicht weiterging?

Ich habe das nicht weitergemacht. Ich wollte nicht unbedingt alte Pfade weiter treten, sondern die Gegenwart in dieses Haus bringen. ZERO galt damals in Düsseldorf als schick.

Was heißt schick?

Glitzernd, weiß, „Creamcheese“ Das Creamcheese war eine Bar, die 1967 von Hans-Joachim Reinert und Bim Reinert in der Düsseldorfer Neubrückstraße 12 eröffnet wurde. An der Ausgestaltung der Räumlichkeiten waren mehrere Künstler beteiligt, darunter Ferdinand Kriwet, Heinz Mack und Günther Uecker. Neben Theateraufführungen und Performances umfasste das Programm auch Konzerte internationaler Bands wie Deep Purple, Genesis und Pink Floyd. Aufgrund von Sanierungsarbeiten wurde das Creamcheese 1976 geschlossen. Siehe auch: Alexander Simmeth, „Krautrock transnational. Die Neuerfindung der Popmusik in der BRD, 1968–1978“, Bielefeld 2016, S. 113 ff. . Diese Düsseldorfer Schickimicki-Szene, die sich für Kunst interessierte. Ich hatte damals – völlig zu Unrecht, wie sich heute zeigt – den Verdacht, dass das eigentlich die Kunst der Reichen ist. Wir waren als Museum sehr eng mit der Akademie benachbart und dadurch habe ich die Entwicklung der Akademie sehr gut verfolgt. Den Rausschmiss von Beuys habe ich nicht mehr miterlebt, Nachdem 1972 ein neues Zulassungsverfahren an der Akademie eingeführt wurde, besetzte Beuys mit einigen seiner Studenten das Hochschulsekretariat. Der im Zuge dessen erteilten Entlassung durch den nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau begegnete Beuys mit einer langjährigen Klage vor dem Bundesarbeitsgericht. aber Klaus Rinke Klaus Rinke (* 1939 Wattenscheid) ist ein Künstler, der vor allem für seine ab 1969 entwickelten „Primärdemonstrationen“ bekannt ist. Während der 1970er-Jahre zeigte er seine Arbeiten regelmäßig in den Galerien von Konrad Fischer und Rolf Ricke. Im Rahmen seiner Performances kollaborierte er zeitweise mit der Künstlerin Monika Baumgartl. Von 1974 bis 2004 war Rinke Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Er war auf der documenta 5 (1972) und 6 (1977) sowie den Biennalen von Venedig 1972 und 1977 vertreten. und Norbert Kricke Norbert Kricke (1922 Düsseldorf – 1984 Düsseldorf) wurde in den 1950er-Jahren mit abstrakten Stahlplastiken bekannt, die häufig für öffentliche Plätze oder als Kunst am Bau konzipiert wurden. Er lehrte von 1964 bis 1984 an der Kunstakademie Düsseldorf und war zwischen 1972 und 1981 Rektor der Akademie. Kricke gehörte ab Ende der 1960er-Jahre zu den Wortführern der Beuys-Opposition im sogenannten „Akademiestreit“. als neue Direktoren. Mit Kricke hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Er hat versucht, neue junge Kräfte an die Akademie zu holen. Klaus Rinke kam als Beuys-Ersatz an die Akademie. Später waren auch Gerhard Richter, Uecker, die Bechers und Nam June Paik Nachdem Nam June Paik (1932 Seoul – 2006 Miami) 1956 als Student nach Deutschland gekommen war, arbeitete er von 1958 bis 1963 im Studio für Elektronische Musik des WDR in Köln und beteiligte sich an zahlreichen Fluxus-Aktionen. 1964 siedelte er nach New York über und begann sich zunehmend mit der Technik von Fernsehen und Video zu beschäftigen. Paiks Werk wurde unter anderem auf der „documenta 6“ (1977) und im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig (1993) gezeigt. Von 1979 bis 1996 lehrte Paik als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Er zählt zu den Pionieren der Video- und Medienkunst. dort. Alles noch in den 70er-Jahren. Die sind sogar aus dem Gebäude der Akademie ausgezogen und haben in der Karl-Anton-Straße eigene größere Atelierräume gehabt, wo sie ungestört und nicht so traditionsbehaftet experimentieren konnten. Da war ich überall. Rinke hat noch eine Ausstellung für Stuttgart gemacht. „Rinke – Hand – Zeichner. Die autonomen Werke von 1957–1980“, Staatsgalerie Stuttgart, 13. Juni – 02. August 1981. Er war für mich ein Ding zwischen Stuttgart und Düsseldorf. Die Rinke-Klasse hatte ein eigenes Atelierhaus in der Hildebrandtstraße, wo sie Ausstellungen organisiert haben. Da kamen aber auch renommierte ältere Künstler. Pierre Soulages Pierre Soulages (* 1919 Rodez, Frankreich) ist für seine schwarzen abstrakten Gemälde bekannt. Er war auf der documenta 1 (1955), 2 (1959) und 3 (1964) vertreten. 1992 wurde er mit dem internationalen Kunstpreis Praemium Imperiale ausgezeichnet. habe ich zum Beispiel dort kennengelernt. Oder Thomas Schütte. Thomas Schütte (* 1954 Oldenburg) studierte von 1973 bis 1981 bei Fritz Schwegler und Gerhard Richter an der Kunstakademie Düsseldorf. Er ist besonders für sein bildhauerisches Werk bekannt und war unter anderem auf den documenta-Ausstellungen 8 (1987), 9 (1992) und 10 (1997) vertreten. Und ich habe mich auch sehr um den Kreis um Beuys gekümmert. Durch die Akademie war ich einerseits eng mit Rinke, dann aber auch mit Uecker, der sich inzwischen von ZERO losgesagt hatte und bedauerte, dass er ZERO je angehört hatte.

Hat er das damals gesagt?

Damals noch nicht. Aber später, ab und zu. Die Richter-Klasse kannte ich auch ganz gut. Dann kam Paik. Kricke hat ihn geholt, damit er schön das Akademieleben dokumentiert. Er dachte, er holt sich da einen Dokumentaristen an die Hochschule, aber er hat bald mit eigenen Produktionen angefangen. Paik hat seine Performances gemacht und auch Charlotte Moorman Charlotte Moorman (1933 Little Rock, Arkansas – 1991 New York) wurde nach einer Ausbildung zur klassischen Cellistin in den 1960er-Jahren als Interpretin und Performancekünstlerin der Neuen Musik- und Fluxus-Szene bekannt. Sie gründete 1963 das The Annual Avant Garde Festival of New York und arbeitete unter anderen mit Nam June Paik, Joseph Beuys, Otto Piene und John Cage zusammen. geholt. Durch ihn kamen die neuen Medien an die Akademie. Film gab es schon vorher, aber Ole John Ole John Povlsen (* 1939 Født, Dänemark) ist Kameramann, Fotograf und Filmproduzent. Von 1971 bis 1975 lehrte er als Dozent an der Kunstakademie Düsseldorf. – den ersten Filmdozenten an der Akademie – habe ich nicht mehr kennengelernt.

Waren Sie regelmäßig in den Ateliers an der Akademie?

Ich war sowohl in den Klassen wie auch in den Ateliers. Es gab wenige Museumsleute, mit denen die Künstler Kontakt hatten. Kuratoren gab es damals noch nicht.

Und Sie waren da willkommen?

Ich gehörte irgendwie ein bisschen mit dazu.

Wie kann man sich das vorstellen? Was für Gespräche wurden da geführt? Haben Sie sich über die einzelnen Arbeiten der Künstler unterhalten?

Ja, man hat sich verabredet, ist in die Ateliers gegangen und dann haben wir auch bald überlegt, was man noch machen kann, zum Beispiel haben wir zusammen Gruppenausstellungen organisiert. Damals gab es die Sammlung Ulbricht. In den 1960er-Jahren begann das Ehepaar Ulbricht Gegenwartskunst aus dem Rheinland zu sammeln. Dazu gehörten Werke von Joseph Beuys, Michael Buthe, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Norbert Tadeusz. 1986 übergaben sie einen Großteil ihrer Multiples von Joseph Beuys an das Kunstmuseum Bonn. Günter Ulbricht war ein Werbemensch, der leider früh gestorben ist. Er hatte Palermo, Beuys, Richter, Polke – eine sehr schöne Sammlung. Damit okkupierte er aber das später abgebrochene Malhaus Bis zum Abriss 1983 wurden die ehemaligen Ausstellungsräumlichkeiten des Hetjens-Museums durch das Düsseldorfer Kunstmuseum genutzt und inoffiziell als „Malhaus“ bezeichnet. , in dem ich mein Büro hatte. Das heißt, ich hatte keine Ausstellungsräume mehr. Also habe ich die Sammlung Ulbricht, die dort seit 1974 zu sehen war, regelmäßig abgebaut und andere Positionen ausgestellt. Anfangs habe ich mich an dem orientiert, was in Köln passierte. Ich glaube, die zweite Ausstellung war 1977 Michael Buthe. Ich habe Ulrike Rosenbach, C.O. Paeffgen und Jürgen Klauke ausgestellt. Aus Düsseldorf Inge Mahn und Rolf Julius. Oder William Anastasi aus Amerika. Unter anderem fanden folgende Ausstellungen unter der Leitung von Stephan von Wiese am Kunstmuseum Düsseldorf statt: „Michael Buthe. Hommage an einen Prinzen aus Samarkand“, 1977; „Ulrike Rosenbach. Videoinstallationen“, September 1978; „C.O. Paeffgen“, März 1979; „William Anastasi. Coincidents“, Juli 1979; „Jürgen Klauke. Viva España“, April 1980; „Inge Mahn“, April 1980; „Julius. Körperhorizont“, April 1980. Ich habe auch Leute aus Frankreich eingeladen, zum Beispiel Bernard Bazille. Ohne Etat. Ich habe niemanden groß gefragt, ich habe im Museum mein eigenes Programm entwickelt.

Gab es da nicht unheimlich Gegenwind?

Der Direktor war ganz froh, dass etwas passierte. Es gab einmal Gegenwind, als ein Aufseher sich beschwerte, dass bei einem Paeffgen-Objekt eine Maus am Penis von Christus knabberte. Er war katholisch. Da kam der Direktor in Schwierigkeiten, aber das war das einzige Mal. Sonst war er ganz froh, dass da ein bisschen Leben und interessante Positionen in die Bude kamen. Daraus entwickelten sich dann auch Ankäufe.

Wie wurde das nach außen kommuniziert? Sie haben ein ganz neues Programm aufgestellt, neue Künstler gezeigt …

Das wurde gar nicht kommuniziert. Es erschienen Zeitungsartikel, es gab Pressekonferenzen und dann kamen immer die üblichen drei Düsseldorfer Zeitungen. Da ich kein Geld hatte, fing ich an, mit Halbblättern Plakate zu entwickeln. Buthe war zum Beispiel Nummer 2. Die wurden dann tausendfach gedruckt. Ich habe, glaube ich, 15 solcher Ausstellungen gemacht. Das war der Beginn. Ich weiß gar nicht, wo ich mir immer das Geld für die Drucksachen hergeholt habe. Wir haben uns immer etwas einfallen lassen. Wie machen wir die Transporte? Geld spielte eigentlich keine Rolle, weil es keines gab.

Es gab kein Budget?

Es gab praktisch kein Budget. Es gab natürlich ein Budget für die Museumsausstellungen und ich musste versuchen, das einzubauen. Aber ich habe immer versucht, mit wenig Geld auszukommen. Das war den Künstlern eigentlich auch nicht so wichtig. Wir haben später versucht, ein Ausstellungshonorar einzuführen. Einmal hatten wir eine Ausstellung zum Düsseldorfer Stadtjubiläum, die hieß „Meine Zeit, mein Raubtier“. „Meine Zeit, mein Raubtier. Eine autonome Ausstellung“, Kunstpalast, Düsseldorf, 25. Juni – 28. August 1988. Wir hatten nebenan einen riesigen Kunstpalast mit fünf riesigen Sälen, der meist leer stand und für irgendwelche Messen benutzt wurde. Den habe ich mir dann langsam erobert und dort die ganze Düsseldorfer Szene dargestellt. Jeder Künstler hatte einen Teil des Ausstellungshonorars und durfte zwei Künstler seiner Wahl einladen. Am Ende waren es etwa 50 Düsseldorfer Künstler. Jeder Teilnehmer bekam 3.000 D-Mark. Wir hatten damals versucht, das Honorar einzuführen, weil wir sagten: „Die Einzigen, die an Ausstellungen nichts verdienen, sind die Künstler.“ Natürlich habe ich immer Materialkosten bezahlt und die Leute haben ihre Publikationen gekriegt.

Hatten Sie viele Besucher?

Für die damaligen Verhältnisse ja. Das war nicht so wie heute, dass die Leute Schlange gestanden hätten, aber es war immer sehr lebendig. Wir waren ein sehr kompliziertes Haus, bei uns passierte ständig etwas. Ich habe das erste Attentat auf Kunst gesehen: Da warf jemand Chemikalien auf ein Rubens-Gemälde. Dann musste das Haus bereits 1979 für fünf oder sechs Jahre wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Einmal gab es einen Wassereinbruch. Dann ein Feuer. Die Paik-Installation, die ich gekauft und aufgebaut hatte, ist abgebrannt. Durch einen Kabelbrand. Durch die Klimaanlage hat der Ruß sehr viele Gemälde geschwärzt. Es gab ständig Katastrophen. Daher mussten wir uns auch ständig Ausweichquartiere suchen. Um später überhaupt die Gruppenausstellungen machen zu können, musste ich mir andere Räume suchen, das Museum gab es ja nicht mehr. In der Altstadt wurde ich fündig. Die einzelnen Abteilungen waren dann über die ganze Stadt versprengt. Das hat das Museum aber eigentlich eher verlebendigt, weil wir mitten im gesellschaftlichen Leben waren.

Sie haben mit Ulrike Rosenbach, Nam June Paik, C.O. Paeffgen und Michael Buthe auch Medienkunst gezeigt. Gab es für Sie Schwerpunkte? Haben Sie damals gesehen, dass es interessanter und wichtiger war, die neuen Medien zu zeigen?

Ich habe mich persönlich immer sehr für Skulptur interessiert, aber im Programm habe ich versucht, ein gewisses Gleichgewicht zu schaffen. Ich habe die Maler berücksichtigt und ich bin in die neuen Medien gegangen. Die waren auch untereinander verbunden. Viele Leute, die mit den neuen Medien arbeiteten, haben anfangs gemalt. Auch mit Fotografie habe ich mich mehr und mehr beschäftigt. Das führte nachher zu einem Fotoarchiv. Paik hat das dann sehr lebendig gemacht. Er war viel unterwegs und hat, um seinen Studenten ein bisschen Programm zu bieten, die Kuratoren der Kunsthalle und mich gebeten zu unterrichten. Ich kenne ihn seit 79. 1982 hatte er mit „Video Gate“ Nam June Paik, „Video Gate“, 1982. seine erste Monitorausstellung bei uns im Museum. Das Projekt, das für die CEBIT in Hannover entstanden ist, bestand aus einer großen Pyramide mit Monitoren. Was wir auch ständig gemacht haben – das war aber schon fast eine Art Institutionalisierung –, waren Klassenausstellungen der Akademie. Jede Klasse war bei uns mal dran. Auch das war in der ganzen Stadt verteilt. Solange das Museum zu war, bekamen wir direkt gegenüber vom Stadtmuseum am Maxplatz, wo die Mariensäule ist und die Galerie Fricke war, in der Orangeriestraße einen schönen Ausstellungsraum für die Moderne-Abteilung. Ich hatte somit zum einen die großen Räume im Kunstpalast und zum anderen diesen intimeren, fast könnte man sagen Galerieraum in der Orangeriestraße. Dort habe ich auch Bernd Lohaus Bernd Lohaus (1940 Düsseldorf – 2010 Antwerpen) war ein Künstler, der vor allem Installationen aus Holz und Stein entwickelte. 1966 heiratete er die Kunsthistorikerin Anny de Decker (* 1937 Antwerpen) und gründete mit dieser die Galerie Wide White Space in Antwerpen. Bis 1976 zeigten sie dort Werke von Carl Andre, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, James Lee Byars und Lawrence Weiner unter anderen. kennengelernt. Er spielte für mich eine große Rolle. Lohaus hatte in Antwerpen mit Anny de Decker die Wide White Space Gallery gemacht. Er war Künstler und Galerist. Ich war mit ihm befreundet und er hat mich sehr breit in die Szene eingeführt. Dadurch hatte ich auch ein relativ gutes Verhältnis zu Beuys, denn Lohaus, Anny de Decker und Beuys waren Freunde.

Welche Rolle spielte Beuys zu der Zeit, als Sie nach Düsseldorf gekommen sind?

Er war sehr beschäftigt. Damals riss man sich schon um ihn. Er war auch immer provokativ, nahm gern Stellung zu aktuellen Fragen. Er wurde überall gefragt, kam auf Titelseiten von Zeitungen. Er war ein Star. Beuys war selbst bei unseren Museumsaufsehern ein Star. Das war schon eine wichtige Figur. Er hatte etwas Andy-Warhol-Haftes, Starhaftes.

War Ihnen das sympathisch?

Ja. Er war ja völlig unprätentiös. Mit Beuys war es wie mit Ihnen, man konnte sich ganz normal mit ihm unterhalten. Er war temperamentvoll und witzig, aber völlig unprätentiös.

Hat einen das nicht auch ein bisschen skeptisch gemacht, dass eine Person so eine regionale und auch überregionale Dominanz hatte?

Aber das hatte Beuys gar nicht. Meistens war er schon weg. Er wurde bei den Ausstellungen immer gesucht. Wer eine Rolle spielte, waren Künstler wie Blinky Palermo, Jørgen Dobloug, Jörg Immendorff, Chris Reinecke, Katharina Sieverding oder Inge Mahn. Es gab viele Leute, die durch die Beuys-Klasse gegangen sind, aber etwas Eigenes aufgebaut haben. Sie liefen nicht mehr als Beuys-Schüler durch die Gegend, sondern die Ernte ging langsam mit eigenständigen Figuren auf. Was ich Beuys hoch anrechne ist, dass er nie wollte, dass die Leute wie Beuys werden. Sie sollten alle etwas Eigenes werden, etwas Eigenes produzieren. Eigenständigkeit bewahren, eigene Ideen haben. Derjenige, der natürlich immer am engsten an Beuys dran war, war Johannes Stüttgen. Johannes Stüttgen (* 1945 Freiwaldau, Sudetenland, heute Tschechische Republik) studierte ab 1964 Theologie bei Joseph Ratzinger in Münster und war von 1966 bis 1971 Student an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Joseph Beuys. 1971 war er an der Gründung der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung durch Beuys beteiligt und übernahm von 1980 bis 1986 den Posten des Geschäftsführers der 1973 von Beuys, Willi Bongard, Georg Meistermann und Klaus Staeck gegründeten Freien Internationalen Universität (FIU). Stüttgen beruft sich in seiner Arbeit als Künstler auf den Kunstbegriff der „Sozialen Plastik“, der von seinem Lehrer Joseph Beuys geprägt wurde. Er war sein Chronist. Die anderen haben aber eigentlich alle neue Wege beschritten.

Wie hat man das mit Stüttgen wahrgenommen? Er war ja nicht nur der Assistent, sondern hat auch viel in der Akademie gemacht.

Er kam und hat diskutiert.

Hatte man das Gefühl, dass er ein Beuys-Anhänger war, der alles übernahm?

Er hat auch selbst Kunst gemacht. Er war der Chronist von Beuys, hat aber zum Beispiel auch mit Droese und Dahn die Gruppe Baumkreuz Kurz nach Öffnung der innerdeutschen Grenze 1989 initiierten die Künstler Walter Dahn, Felix Droese und Johannes Stüttgen gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Norbert Scholz und dem Unternehmer Frank Wilhelmi das Projekt „Baumkreuz“. Seit 1990 treffen sie sich zu Baumpflanzaktionen, um eine Allee von Kassel nach Eisenach zu pflanzen. Siehe auch: Maren Ullrich, „Geteilte Ansichten. Erinnerungslandschaft deutsch-deutsche Grenze“, Berlin 2006, S. 259 ff. gegründet und gesellschaftliche Projekte gemacht. Die Gruppe habe ich auch bei „Brennpunkt“ „Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys. Die Akademie. Der allgemeine Aufbruch. 1962–1987“, unter anderem Kunstmuseum Düsseldorf, 24. Mai – 06. September 1987. ausgestellt. Sie haben sogar sehr viele Seiten im Katalog gekriegt. In dem Beitrag wurde die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik thematisiert. Stüttgen hat auch mit anderen Beuys-Schülern zusammengearbeitet. Er hat beides gemacht. Einerseits hat er in seinem Buch „Der Ganze Riemen“ Johannes Stüttgen, „Der Ganze Riemen. Joseph Beuys – der Auftritt als Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf 1966–72“, Köln 2008. die Beuys-Klasse dargestellt. Dann hatte er aber auch immer eigene Projekte, die zum Teil Performancecharakter hatten. Seine Vorträge waren fabelhaft.

Diese „Ringgespräche“ …

Die Ringgespräche habe ich nicht mehr mitbekommen. Dieser Ringunterricht fand innerhalb der Beuys-Klasse statt. Dort haben sie sich einmal die Woche oder auch häufiger im Kreis versammelt und über aktuelle Themen gesprochen. Das war, als Beuys dort noch als Lehrer tätig war. Nachdem er entlassen war, gab es keine Ringgespräche mehr. Aber es gab einen FIU-Raum in der Akademie. In dem ihm gerichtlich auf Lebenszeit zugesprochenen Raum 3 der Düsseldorfer Kunstakademie initiierte Joseph Beuys 1973 gemeinsam mit Willi Bongard, Georg Meistermann und Klaus Staeck die Freie Internationale Universität (FIU), die als freie Hochschule das bestehende Bildungssystem ergänzen sollte. Die FIU bestand bis zwei Jahre nach dem Tod von Joseph Beuys im Jahr 1986. Den Raum – in dem auch die „Fettecke“ Joseph Beuys, „Fettecke“, 1982. von Beuys war – haben sie behalten und dort Veranstaltungen gemacht. Paik war auch dabei. Es kamen Lehrer und Schüler aus allen Klassen. In Raum 3 fanden keine Ringgespräche, sondern Diskussionen statt. Als Lüpertz Direktor wurde, wurde die „Fettecke“ weggewischt und es gab einen riesen Aufruhr, das ging bis zum Prozess. Nach dem Tod von Joseph Beuys 1986 entfernte der Hausmeister der Düsseldorfer Kunstakademie die Arbeit „Fettecke“ aus dem ehemaligen Atelier des Künstlers. Der Beuys-Schüler und langjährige Assistent Johannes Stüttgen erhob Besitzansprüche auf das Werk und klagte gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen eines Vergleichs erhielt Stüttgen einen Schadensersatz in Höhe von 40.000 D-Mark. Siehe auch: Harald Keller, „Bereinigungen – Die Kunstwelt und ihre Putzfrauen“, in: „Die Putzfrau. Vom Dienstmädchen zur Raumpflegerin“, hg. von Margret Baumann/Barbara Kahlert, Ausst.-Kat. Museum Industriekultur, Osnabrück, Bramsche 2008, S. 102–119, hier S. 104 f.

War das Werk von Beuys für Sie von Anfang an zugänglich?

Ich habe mich bemüht. Wenn er eine Aktion hatte, bin ich hingegangen. Das war für mich zum Teil sehr fremd. Aber ich habe mich nicht mit Kunst auseinandergesetzt, um das zu sehen, was ich schon kannte, ich wollte mein Bewusstsein erweitern. Beuys hat das immer sehr spannend zelebriert. Er konnte das. Trotzdem bin ich nicht ständig zu Beuys gerannt, es gab auch sehr viele andere. Beuys war ein Inspirator, ein Motor. Er hat einen unterstützt. Er hat mir Leute empfohlen. Und als dieses Malhaus abgerissen wurde und wir unter dem Titel „Der letzte Schrei“ Protest machten, war er natürlich mit dabei. Wir haben 1980 auch seine erste große Multiple-Ausstellung im Museum gemacht. „Joseph Beuys. Multiplizierte Kunst 1965–1980. Sammlung Ulbricht“, Kunstmuseum Düsseldorf, 10. August – 14. September 1980.

Noch einmal zurück zum Werk. Immer wieder hört man im Museum: „Das kann ich auch! Was soll das sein? Das soll Kunst sein?“ Wie haben Sie sich dem Werk von Beuys genähert?

Man musste sich nicht bemühen, das sprang einen geradezu an. Es war nicht so, wie wenn man ein Gedicht auswendig lernt, wo man sich dann vielleicht bemüht. Das war ein Sog, der sich entwickelte.

Was haben Sie da gesehen? Nehmen wir den „Block Beuys“ Der „Block Beuys“ bezeichnet den größten zusammenhängenden Werkkomplex des Künstlers Joseph Beuys, der in den Jahren 1967 bis 1969 in mehreren Ankäufen von dem Sammler Karl Ströher erworben wurde und seit 1970 dauerhaft in sieben Räumen des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt ausgestellt ist. Den Kern des Werkkomplexes bilden Arbeiten, die erstmals 1967 in der Ausstellung „Parallelprozeß I“ im Städtischen Museum in Mönchengladbach gezeigt wurden. In seiner heutigen Form umfasst der „Block Beuys“ sowohl Plastiken und Arbeiten auf Papier wie auch zahlreiche Relikte aus Aktionen des Künstlers. Vgl. „Die Ausstellungsgeschichte des Block-Beuys“, in: Eva, Jessyka und Wenzel Beuys, „Joseph Beuys. Block Beuys“, München 1990, S. 395–403. in Darmstadt. Dort gehen Sie von einer Vitrine zur nächsten …

Aber das ist ja nur dort abgestellt. Nach dem Tod von Beuys haben wir bei „Brennpunkt“ „Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys. Die Akademie. Der allgemeine Aufbruch. 1962–1987“, unter anderem Kunstmuseum Düsseldorf, 24. Mai – 06. September 1987. auch einen Vitrinen-Raum gemacht und die Sachen abgestellt. Für Beuys gab es immer lebendige Werke in Aktion und dann gab es auch die abgestellten Werke. Ich fand natürlich immer spannender, wenn er selber noch in Aktion war. Ich hatte einmal das Glück, mit ihm eine ganze Ausstellung aufzubauen. Das war die Ausstellung „Nehmen Sie Dada ernst! Es lohnt sich!“ „Nehmen Sie Dada ernst! Es lohnt sich!“, Kunstmuseum Düsseldorf, 13. Oktober – 11. November 1984. und da war er mit vielen Plakaten vertreten. Ich war allein mit ihm und er hat sich einen ganzen Vormittag Zeit genommen. Da habe ich eigentlich gelernt, wie man Sachen in einer Ausstellung platziert, weil er sehr auf die Bezüge und Richtungen geachtet hat. Wie ein Dirigent hat er die Kunst zum Leben gebracht.

Wie wichtig waren in der Zeit, als Sie in Düsseldorf waren, die Galerien? Hatten Sie viele Leute, die zu Ihnen kamen und gesagt haben: „Den müsst ihr euch mal angucken?“ Wie lief die Zusammenarbeit?

Die Galeristen kamen damals auch ins Museum, was sie heute nicht mehr so häufig machen. Sie kamen mit ihren Köfferchen und haben versucht, einem ihre Leute nahezubringen. Man ist natürlich auch zu den Eröffnungen gegangen. Oder sie haben einen auf etwas aufmerksam gemacht, dann ist man hingegangen und hat sich die Originale angeguckt. Manches hat man sich natürlich auch ganz von selbst angeschaut. Ich hatte mit Konrad Fischer Konrad Fischer (1939 Düsseldorf – 1996 Düsseldorf) war ein deutscher Künstler und Galerist. In seiner 1967 in der Düsseldorfer Altstadt eröffneten Galerie stellte er frühe Vertreter der Minimal Art und der Konzeptkunst vor, darunter Carl Andre, Hanne Darboven, Bruce Nauman und Lawrence Weiner. Als „Konrad Lueg“ war Fischer vor Gründung seiner Galerie als Künstler tätig und stellte mehrfach unter anderen mit Gerhard Richter aus. Die bekannteste künstlerische Aktion, an der Lueg beteiligt war, fand im Oktober 1963 im Düsseldorfer Möbelhaus Berges unter dem Titel „Leben mit Pop. Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ statt. und Alfred Schmela Alfred Schmela (1918 Dinslaken – 1980 Düsseldorf) eröffnete 1957 in der Hunsrückenstraße 16–18 in Düsseldorf eine Galerie. Sein Programm umfasste wesentliche Positionen der deutschen Nachkriegskunst, darunter Joseph Beuys, Gerhard Richter sowie Künstler aus dem Umfeld der ZERO-Bewegung. zwei tolle Galeristen vor Ort, bei denen ich regelmäßig in den Ausstellungen war.

Waren Sie in engem Kontakt?

Das war eine Szene. Irgendwie gehörten wir alle zusammen. Das war in Düsseldorf eigentlich das Schöne, diese Kunstszene, wo jeder jeden kannte. Wo jeder wusste, wer der andere ist. Man wusste, was man von dem anderen erwarten konnte. Düsseldorf ist an sich eine kleine Stadt. Da war sehr viel Informationsaustausch. Anders als heute stand die Kunst im Zentrum. Das ist das Verrückte, was die Leute heute gar nicht mehr wissen: In den 70er-Jahren war die Kunst Tagesgespräch. Wenn ein Künstler eine neue Ausstellung machte, haben die Leute darüber debattiert. Es gab nicht nur einheitliche Meinungen, es gab auch heftige Diskussionen. Das stand in der Zeitung und wurde ernst genommen. Es gab große Artikel, auch lokal. Es war eine Aufbruchsstimmung in der Kunst.

Aufbruch wohin? Oder woher?

Es wurde immer gesagt, vorher war es ein bisschen miefig. Also Aufbruch ins Freie, frische Luft, neue Ideen, Weiterentwicklung der Gesellschaft, offene Gesellschaft. „Offenes Museum“ war ein Schlagwort. Es gab damals auch Museumstheorien.

Wie hat sich die Institution Museum nach außen hin positioniert? Haben Sie diesen Anspruch „Kunst für alle“ in Ihren Ausstellungen mitgedacht?

„Kunst für alle“ habe ich jetzt erst durch Klaus Staeck Klaus Staeck (* 1938 Pulsnitz) ist gelernter Grafikdesigner und Jurist. In seinen künstlerischen Arbeiten beschäftigt er sich insbesondere mit der politischen Karikatur. Ab Mitte der 1960er-Jahre beteiligte sich Staeck regelmäßig an der Umsetzung künstlerischer Projekte. Zu seinen Weggefährten zählen Joseph Beuys, Dieter Roth und Daniel Spoerri. Von 2006 bis 2015 leitete er als Präsident die Akademie der Künste in Berlin. wieder gehört. Letztes Jahr hat er seine Abschlussausstellung „Kunst für alle“ „Kunst für alle. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck“, Akademie der Künste, Berlin, 18. März – 07. Juni 2015. mit seinen Editionen gemacht. „Kunst für alle“ haben wir, glaube ich, nie gewollt.

„Kunst für alle“ war ja ein kulturpolitisches Programm.

Ja, vor allem von Hilmar Hoffmann Hilmar Hoffmann (* 1925 Bremen) ist ein deutscher Kulturschaffender, der 1954 die Internationalen Kurzfilmtage im nordrhein-westfälischen Oberhausen gründete. Von 1970 bis 1990 hatte er das Amt des Kulturstadtrats in Frankfurt am Main inne, wo er sich für eine nachhaltige Demokratisierung des Kulturbereichs engagierte. Als Präsident leitete er zwischen 1992 und 2001 das Goethe-Institut in München. in Frankfurt, aber er stand damit ziemlich alleine da. Man war schon ein bisschen elitär. Ich glaube nicht, dass man „Kunst für alle“ wollte, Kunst war etwas Besonderes. Man musste sich anstrengen, um dem folgen zu können. Der Einzige, der das mal versucht hatte, auch diese Politisierung, war Jörg Immendorff um 1973 in seiner maoistischen Phase mit diesen komischen Politbildern. Mit Beginn der 1970er-Jahre entstanden Arbeiten des Malers Jörg Immendorff, die auf die zeitgenössische gesellschaftspolitische Situation Bezug nahmen. Zu den bekanntesten Werken dieser Schaffensphase zählen „Wo stehst du mit deiner Kunst, Kollege?“ (1973), „Zwei deutsche Türme“ (1977) und der Zyklus „Café Deutschland“ (1977–1982). Siehe auch: Dieter Koepplin, „Jörg Immendorffs ‚Café Deutschland‘“, in: „Jörg Immendorff, ‚Café Deutschland‘“, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Basel 1979, S. 9–16. Aber eigentlich hat jeder seine eigenen Entdeckungen gemacht. Nicht für alle, sondern für sich selbst. Dass jemand Kunst für alle wollte, habe ich kaum erlebt.

Gut, der Anspruch oder die Formulierung hat vielleicht auch noch nichts mit der Umsetzung zu tun. Aber so etwas wie die „Fernsehgalerie“ oder überhaupt dieses Thema „Kunst im Fernsehen“ …

Gerry Schum Gerry Schum (eigtl. Gerhard Alexander Schum; 1938 Köln – 1973 Düsseldorf) war ein Filmemacher und Galerist, der ab 1964 Kunstdokumentationen für den Westdeutschen Rundfunk produzierte. 1967 initiierte er das Fernsehformat „Fernsehgalerie“, für das er die international beachteten Beiträge „Land Art“ (1969) und „Identifications“ (1970) produzierte. 1971 eröffnete er die Videogalerie Schum in Düsseldorf. Es war die erste Galerie, die sich auf die Produktion und Distribution künstlerischer Videoeditionen konzentrierte. Schum arbeitete unter anderen mit Joseph Beuys, Daniel Buren, Jan Dibbets, Klaus Rinke, Ulrike Rosenbach und Lawrence Weiner zusammen. war nicht im Fernsehen, er hat Produktionen gemacht. Er stand mit seinem VW-Bus unten am Rheinufer, hat dort gelebt und sich nachher da umgebracht. Die Videoproduktionen konnte man kaufen und in Ausstellungen im Museum zeigen. Kunst im Fernsehen konnte man das erste Mal 1969 in Boston bei WGBH mit Paik und so weiter sehen. Der Bostoner Fernsehsender WGBH strahlte 1969 die Sendereihe „The Medium Is the Medium“ aus, für die unter anderen Allan Kaprow, Nam June Paik und Otto Piene jeweils eigenständige Folgen produzierten.

Später auch beim WDR, oder?

Ja, Wibke von Bonin hat das ein bisschen versucht. Sie war fast die Einzige. Wir hatten Glück, dass der WDR mit Wibke von Bonin eine Redakteurin hatte, die einen guten Zugang zur Kunst hatte. Es gab natürlich auch ein Landesstudio des WDR in Düsseldorf. Dann gab es kleine Kultursendungen, „Kunst in NRW“, wo über Ausstellungseröffnungen gesprochen wurde. Aber es gab nicht speziell Programme, die von Künstlern für das Fernsehen geschaffen wurden. Das fing erst mit dem „Kölner Treff“ und Alfred Biolek an. Gemeinsam mit Dieter Thoma war Alfred Biolek (* 1934 Freistadt, Schlesien, heute Tschechische Republik) zwischen 1976 und 1980 als Moderator für die Talkshow „Kölner Treff“ tätig. Parallel dazu präsentierte er die Sendungen „Bio’s Bahnhof“ (1978–1982) und „Bei Bio“ (1983–1984). Bei beiden Sendungen wirkte Nam June Paik an der Ausstattung mit. Er hat dann Paik nach Köln geholt. Biolek hatte diesen Bahnhof in Köln, wo die Palmen und das alles standen. Er hat sich sehr für Paik interessiert. Das wird Ihnen Wulf Herzogenrath bestätigen. Da wurden kleine Monitore an Bäume gehängt und das war, glaube ich, das erste Mal, dass hier in Deutschland richtig Videokunst im Fernsehen gezeigt wurde.

Sie würden dennoch sagen, dass das nicht unbedingt eine Erweiterung des Aktionsraums war, sondern für eine kleine Szene gemacht wurde, die sich gar nicht unbedingt öffnen wollte?

Man hat sich natürlich gefreut, wenn Leute kamen. Aber zuerst wollte man doch seine eigene Welt als Künstler weiterentwickeln und entdecken. Natürlich wollte man auch andere dafür begeistern, aber das waren konzentrische Kreise.

Die Künstler sind das eine, aber die Institution Museum musste sich ja auch fragen: Für wen machen wir das? Wie sieht meine Zielgruppe aus?

Wir hatten einen museumspädagogischen Dienst, der eine sehr schöne Arbeit mit Kindern gemacht hat. Wir waren 1973 mit das erste Museum in Deutschland, das eine pädagogische Abteilung hatte. Aber darum haben sich die Kollegen von der Pädagogik gekümmert, darum brauchte ich mich nicht kümmern.

Das heißt, Sie haben sich bei der Konzeption einer Ausstellung oder auch bei der Auswahl der Künstler nicht überlegt, für wen Sie das eigentlich machen?

Für die Künstler.

Sie haben es für die Künstler gemacht?

Für den jeweiligen Künstler, dass er gut dargestellt wird. Oder auch für mich. Ich finde Volksbildung sehr wichtig, aber wenn man so ein Programm macht, muss man Ansprüche stellen. Man muss die Latte ein bisschen hochhängen und kann sich nicht fragen: „Wird das auch verstanden?“ Das wird sich zeigen. Bei Beuys zum Beispiel sah man, wie schnell sich seine Kunst durchgesetzt hat, dass so jemand schnell akzeptiert wurde. Er war ja fast schon ein Volksheiliger. Das war ganz erstaunlich.

Das kann man im Nachhinein wahrscheinlich nicht mehr beurteilen, aber ich frage mich, ob diese Rezeption des Werks von Beuys nicht auch sehr viel mit dem Eventcharakter zu tun hatte.

In Wuppertal haben sie eine 24-Stunden-Aktion Das Happening „24 Stunden“ wurde von Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell am 05. Juni 1965 von 0 bis 24 Uhr in der Galerie Parnass in Wuppertal veranstaltet. gemacht. Das waren nicht so spektakuläre Events wie heute. Das war ganz bedächtig, langsam. Da musste man sehr viel Geduld haben, sich dem aussetzen. Das war eigentlich mehr eine meditative Geschichte.

Auch der Buddhismus fand in der Zeit einen großen Zuspruch.

Obwohl der Buddhismus in der Kunst ein Problem war. Es gab einzelne Künstler, die in diese Ecke wanderten, das fand man aber eher esoterisch. Man hat die Gesellschaft beobachtet, in der man lebte, und dann dazu seinen Kommentar gegeben. Man war sicher eher erfreut, wenn das auf Provokation als auf weite Zustimmung stieß, das war viel interessanter.

Sie haben vorhin von „Aufbruch“ gesprochen. Würden Sie sagen, dass es auch so etwas wie ein Schulderbe gab? Spielte das eine Rolle?

Ja, natürlich. Das war immer der Schatten, unter dem man stand. Dass die politisch engagierte Kunst und die experimentelle Kunst in Deutschland ab 1933 verboten waren. Dagegen hat man gekämpft, klar. Man hätte sich gegen jede Zensur, gegen jeden Eingriff gewehrt. Auch ich als Kurator. Der Versuch, von oben einzugreifen, das war verpönt. Es wurde nicht eingegriffen. Der Schatten der NS-Zeit war noch da. Es wurde auch nicht gesagt: „Das muss hier jetzt Eventcharakter haben.“ Oder: „Es ist zu langweilig.“ Nein. Da gab es eine gewisse Freiheit. Die Besucherzahlen, die heute so eine elende Rolle spielen, spielten damals überhaupt keine Rolle. Das war aber auch schon in den 20er-Jahren so. Wenn Sie sich angucken, was bekannte Künstler bei Museumsausstellungen in den 20er-Jahren für Besucherzahlen hatten, waren 5.000 Leute ein Erfolg. Wir hatten das Glück, dass wir durch die Akademie immer einen gewissen Kreis hatten und es ein gewisses Interesse gab. Und auch die Presse war ziemlich aufgeschlossen, muss ich sagen.

Sie haben dann trotzdem dafür gekämpft, dass der Kurator das Copyright für seine Ausstellung hat.

Ja.

Warum war das notwendig?

Da ging es nicht um die Gegenwartskunst, sondern um die Ausstellung zu Gert Heinrich Wollheim. Es gab in den 20er-Jahren in Düsseldorf Das Junge Rheinland, zu dem Wollheim, Otto Pankok und einige andere gehörten. Das Junge Rheinland war eine Künstlervereinigung, die 1919 durch Herbert Eulenberg, Arthur Kaufmann und Adolf Uzarski in Düsseldorf gegründet wurde. Der Vereinigung gehörten vor allem Positionen des rheinischen Expressionismus an, darunter Otto Dix, Curt Lahs, Otto Pankok und Gert Heinrich Wollheim. 1933 wurde Das Junge Rheinland im Rahmen der Säuberungsaktionen der Nationalsozialisten zerschlagen. Siehe auch: Annette Baumeister, „Das Junge Rheinland. Zur Geschichte der Künstlergruppe 1919–1932“, in: „Das Junge Rheinland. Vorläufer, Freunde, Nachfolger“, hg. von Susanne Anna/Annette Baumeister, Ausst.-Kat. Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf, Ostfildern 2008, S. 9–22. Wollheim ist 1933 mit Tatjana Barbakoff nach Frankreich geflüchtet. Barbakoff ist in Auschwitz umgebracht worden. Wollheim hatte das Glück, dass eine Bäuerin ihn in Frankreich versteckt hat. Bis 1925 war er in Düsseldorf fast so eine Figur wie Beuys. Er war wie eine Zielscheibe, stadtbekannt und machte dadaistische Kunst. Später in Berlin wurde er gesellschaftsbezogen, lebte im Neuen Westen. Wollheim war für mich ein verfolgter Künstler, der nie eine vernünftige Retrospektive hatte. In zweijähriger Arbeit haben wir wirklich eine sehr schöne Wollheim-Retrospektive aufgebaut, in der auch seine Werkentwicklung, Lebensentwicklung sichtbar wurden. Eine Berliner Sammlerin und die Witwe haben mir ein bisschen geholfen, aber eigentlich war es meine Ausstellung. Damals hatte ich mit Hans Albert Peters, Hans Albert Peters (1937 Euskirchen – 2014 Düsseldorf) war ein Kunsthistoriker, der zwischen 1979 und 1995 als Direktor das Kunstmuseum Düsseldorf leitete. der leider auch schon tot ist, einen etwas verrückten Direktor, dem ich sehr viel verdanke, eben weil er so verrückt war – dadurch gab es viel Reibungsfläche. Er kam auf die absurde Idee, mich 1993 zwei Tage vor der Eröffnung – da hingen die Sachen schon – zu sich ins Büro zu holen und zu sagen: „So geht das nicht. Man muss umgekehrt hängen. Man muss mit dem Schluss beginnen und die Ausstellung rückwärtslaufen lassen.“ Er hat mir die Anordnung gegeben, dass ich die ganze Ausstellung umhängen soll, und ich habe mich geweigert. Er hat sich dann Leute geholt und das in seinem Sinne umgehängt. Das fand ich einen unerhörten Eingriff.

Ja, das ist heftig.

Und dann habe ich einen Prozess gegen ihn geführt, dass man den Kurator doch respektiert und ihm auch ein Copyright zugesteht. Wenn man zwei Jahre an einer Ausstellung arbeitet und die ständig kommunizierte, dann ist das schon ein Werk. Es ging erst vor das Amtsgericht – das Amtsgericht ist immer ein bisschen milder –, da habe ich mich nicht durchgesetzt, aber vom Landesgericht ist er sehr abgewatscht worden, mein lieber Direktor. Für die letzten 14 Tage haben wir die Ausstellung wieder so gehängt, wie ich es wollte. Das musste man gerichtlich durchsetzen. Das war lustig, das hat damals viel Aufsehen erregt. Und bis heute gibt es ein Urteil, auf das sich noch manche Kollegen berufen. Bei diesem Prozess haben mich die Künstler wahnsinnig unterstützt. Sie haben für mich vor dem Rathaus eine Demonstration gemacht. Ihm, dem Direktor, hat das furchtbar geschadet, dem armen Kerl. Mir hat das eigentlich eher genutzt. Zum Glück ist es ja gut ausgegangen.

Das erforderte damals einen gewissen Mut. Die Leute waren sehr erschrocken. Die Kollegen dachten, die Welt geht unter: Jetzt zerrt man den Direktor vors Gericht. Das war natürlich etwas kompliziert. Peters hat sich auch sehr für die Moderne interessiert. Wir hatten fast eine Art Konkurrenzkampf: Wer hat mehr Macht am Museum? Das war eigentlich gar nicht schlecht. Ich hatte nichts gegen ihn, aber da ist er zu weit gegangen. Wie kann man mit einem Verfolgten des Naziregimes, der 1936 in Paris die Immigrantenorganisation gegen verfolgte Kunst mitgegründet hat, so unsensibel umgehen? Da hat er sich ein bisschen zu wichtig genommen. Ich habe das ja nicht meinetwegen gemacht, sondern um Wollheim zu schützen.

Sie sagen, in Düsseldorf war keine Konkurrenz spürbar …

Doch, natürlich. Das war ja das Schöne, dass Köln und Düsseldorf so dicht beieinanderlagen, 35 Kilometer, und jeweils ihre eigene Kunstszene hatten. Köln war sogar mit Ulrike Rosenbach, Paeffgen, Buthe und Polke medialer ausgerichtet. Die waren anfangs, bis Paik kam, sehr viel medienbewusster. Die Düsseldorfer Akademie wollte Film haben, weil Film als Dokumentationsmedium galt. Die Düsseldorfer Akademie war 1972 ein bisschen marxistisch orientiert und deshalb wollten sie Ole John. Film als Agitationsinstrument. Köln war da etwas freier.

In Köln gab es natürlich die Kölner Werkschulen, aber es gab keine Akademie.

Nein. In Köln gab es eigentlich gar nichts. Den Maler Karl Marx gab es.

Sind die Künstler nach Köln gezogen, weil es günstiger war?

Köln hatte eine viel längere Tradition. Ob bei Ferdinand Franz Wallraf in der Romantik oder in den 1920er-Jahren, es gab immer eine starke Kölner Kunstszene. Da war das Bürgertum, es gab das Wallraf-Richartz-Museum, die Kunsthalle. Köln hat sich seit den Römern immer sehr mit seiner Kunst geschmückt. Sie haben noch die alten Mosaiken aus der Römerzeit. Köln war eigentlich die Kulturstadt und Düsseldorf die Parvenüstadt. Köln war immer viel volkstümlicher, die Leute haben viel rheinischer gesprochen als in Düsseldorf. Da haben die Künstler sich wohlgefühlt. Es gab auch nette Gegenden, wo man wohnen konnte, Ehrenfeld zum Beispiel. Eine ganz gute Atelier-Situation. Eine Reihe Düsseldorfer Künstler ist nach dem Studium nach Köln gegangen. Köln war eine Metropole, Düsseldorf war eine Kleinstadt.

Daher verstehe ich auch gar nicht, was das Problem zwischen Düsseldorf und Köln war. Warum musste es nach einer „Westkunst“ „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. - eine „von hier aus“ „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“, Halle 13 der Messe Düsseldorf, 29. September – 02. Dezember 1984. -Ausstellung geben?

Das fing eigentlich mit den Messen an. Erst gründete Köln die Kunstmesse, 1967, dann kam die Messe in Düsseldorf. Düsseldorf war Landeshauptstadt und Schreibtisch des Ruhrgebiets. Hier war das Geld. In Köln war eher das Volk. Das waren verschiedene Lebenshaltungen. Es gab 1288 eine Schlacht bei Worringen. Da gab es zwischen Köln und Düsseldorf mal Scharmützel, aber eigentlich war es doch mehr ein Wettstreit. Auch im Theater. Die Landeshauptstadt und die traditionelle Kulturstadt, jeder versuchte, etwas Besonderes zu machen. Das hat eigentlich ganz gut etwas rausgekitzelt. Man sah dann eben häufig in Köln, was man in Düsseldorf nicht sah. Und umgekehrt. Düsseldorf war ja viel formalistischer. Hier war mehr die Konkrete Kunst und ZERO. Köln war mehr auf Themen des täglichen Lebens eingestellt. Da wurde das gesellschaftliche Leben thematisiert. Wie bei Paeffgen oder Ulrike Rosenbach mit ihrem Feminismus. Immerhin ist sie doch wohl die erste und wichtigste deutsche Feministin. Es ist sicher kein Zufall, dass sie nach Köln gegangen ist. Da gab es die Kneipen, da gab es das Roxy. In Düsseldorf gab es auch Kneipen, rings um die Akademie herum, in der Ratinger Straße. Das war prima. Das Creamcheese … In Köln waren sie viel breiter verteilt.

Ulrike Rosenbach sagt, die neuen Medien waren für die Frauen eine Chance, sich gegenüber den Männern zu behaupten, weil das Medium noch nicht besetzt war. Vgl. Ulrike Rosenbach. Sehen Sie das auch so?

Ja, das war so. Da hatten sie wirklich mehr Luft, konnten besser ihre Inhalte transportieren. Wenn Sie eine Malerei-Ausstellung gesehen haben, dann waren da zehn Männer und eine Frau. Wenn es Video war, war es einigermaßen gleichberechtigt. Es gab damals im Ausstellungswesen tatsächlich noch eine Dominanz der männlichen Künstler. Ich muss zu meiner Ehre sagen: Ich habe in Ausstellungen immer versucht, einigermaßen ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen herzustellen.

Sie haben damals schon geschaut, dass es gleichberechtigt ist?

Ja, es gab unter den Frauen hochinteressante Künstlerinnen. Die hatten ein breiteres Spektrum. Die Männer hatten natürlich immer ein bisschen mehr Pathos, Durchsetzungskraft. Die Frauen haben das alles vielleicht mehr emotional verarbeitet. Das hat eigentlich auch immer gut geklappt.

Sie hatten keine Not, genug Frauen zu finden, die Sie gerne ausgestellt haben?

Nein. Die sind mir teilweise die Bude eingerannt. Das war kein Problem. Wenn ich eine Gruppenausstellung machte, wussten die Leute das und kamen ins Museum. Auch eine Menge Frauen. An der Akademie waren relativ viele Künstlerinnen.

Gerade auch in der Klasse von Beuys, oder?

Auch bei Beuys. Obwohl Beuys gesagt hat, Frauen gehörten eigentlich in die Küche. Er hat ja manchmal so reaktionäre Äußerungen von sich gegeben. Aber es gab dann doch viele, die sich an ihm gerieben haben: Katharina Sieverding, Ulrike Rosenbach, Erinna König, Ursula Reuter und Gislind Nabakowski. Es sind immer alle von Karl Bobek weggelaufen und zu Beuys in die Klasse gegangen, was Bobek damals sehr frustriert hat. Beuys hatte eine Anziehungskraft auf Frauen. Er hatte vielleicht kein sehr fortschrittliches Frauenbild, aber er hat auch Frauen gefördert und gewollt, dass sie zu ihren eigentlichen Inhalten kommen und frei arbeiten können. Er hat den Leuten auch ihre Freiheit gelassen. Er hat nur mal geguckt und kurze Andeutungen gegeben, kurze Kommentare gemacht. Ab und zu hat er ein Beil genommen und eine Figur kaputt gehauen – bei Beatrix Sassen Beatrix Sassen (* 1945 Vinsebeck) ist eine Bildhauerin. Sie studierte an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, wo sie von 1962 bis 1965 in der Klasse von Joseph Beuys war. Nach einer längeren Unterbrechung nahm sie das Studium 1975 wieder auf und war bis 1978 in der Klasse von Erwin Heerich. zum Beispiel. Er hat den Kopf ihrer Skulptur abgehauen und ihn in Kleve für sein Denkmal benutzt. Oder Heinz Baumüller Heinz Baumüller (* 1950 Kollerschlag, Österreich) ist ein Künstler, der zwischen 1981 und 1984 bei Klaus Rinke an der Kunstakademie Düsseldorf studierte. Neben seinem Studium engagierte er sich dort auch an der von Joseph Beuys initiierten Freien Internationalen Universität (FIU). hat er einmal eine Skulptur abgekauft und die „Nasse Wäsche – Jungfrau“ Joseph Beuys, „Nasse Wäsche – Jungfrau II“ (1985); Joseph Beuys, „Nasse Wäsche – Jungfrau III“, 1985. dann als seine eigene Skulptur ausgegeben.

Johannes Stüttgen beschreibt in seinem Buch, dass Beuys ihm einfach ins Bild gemalt habe. Vgl. Johannes Stüttgen, „Der Ganze Riemen. Joseph Beuys – der Auftritt als Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf 1966–72“, Köln 2008, S. 106.

Eigentlich spielte Malerei in der Beuys-Klasse keine Rolle. Deshalb haben Leute wie Imi Knoebel oder Blinky Palermo sich auch andere Materialien gesucht. Palermo hat Stoff gekauft, Knoebel hat diese Hartfaserplatten benutzt. Leinwand oder Staffelei waren verpönt. Das war der große Verrat von Jörg Immendorff, als er 1973 zur Malerei zurückgekehrt ist. Das haben ihm manche Leute nie verziehen.

Wie war Ihr Verhältnis zur Malerei?

Staffeleimalerei mit Keilrahmen gab es in meinen Ausstellungen anfangs wahrscheinlich auch wenig. Aber Holger Bunk zum Beispiel habe ich gerne ausgestellt. Oder Sigrid Redhardt. Es gab viele Maler, die ich ausgestellt habe. Ich hatte eigentlich keinen Vorbehalt gegen Malerei, sie musste nur gut sein, sie musste malerisch neue Felder öffnen. Ich war nicht ideologisch und sagte: „Malerei ist ein bürgerliches Medium von gestern. Wir brauchen nur noch neue Medien. Jetzt löst die Kamera das Gemälde ab.“ So war es eigentlich in Düsseldorf auch nicht. Es gab zum Beispiel die Ateliergemeinschaft Grafenberger Allee, in Abbruchhäusern. Da waren unter anderen Milan Kunc und Horst Gläsker. Nach Beuys gab es unter den Jüngeren doch wieder relativ viele Maler.

Das ist jetzt sehr lokal.

Ja, aber das gilt auch für Köln. Sie wissen ja, in Köln gab es die Mülheimer Freiheit. Die Kölner Künstler Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger zogen im Oktober 1980 gemeinsam in ein Atelier in der Mülheimer Freiheit 110 in Köln-Deutz. Der Name „Mülheimer Freiheit“ fand erstmals anlässlich der Gruppenausstellung „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“, die vom 13. November bis 20. Dezember 1980 in der Galerie Paul Maenz in Köln stattfand, Verwendung. Vgl. Franziska Leuthäußer, „Rheinland – Hans Peter Adamski, Peter Angermann, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever, Jan Knap, Milan Kunc, Gerhard Naschberger, Andreas Schulze, Volker Tannert“, in: „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“, hg. von Martin Engler, Ausst.-Kat. Städel Museum, Frankfurt am Main, Ostfildern 2015, S. 126–181.

Und vorher gab es in Berlin – Sie haben sie alle schon genannt – Georg Baselitz, Markus Lüpertz …

Ach so, die Heftigen. Vor allem Karl Horst Hödicke …

Die Galeristen haben letztlich auch die Malerei mit ins Rheinland gebracht. Michael Werner ist zum Beispiel mit seinen Künstlern, mit Baselitz, Penck und so weiter, von Berlin nach Köln gekommen.

Penck kam durch Immendorff. Wie es zu der Verbindung Michael Werner zu Immendorff kam, weiß ich gar nicht mehr. An sich war Alfred Schmela der Galerist, der auch für Malerei zuständig war. Später dann auch Hans Strelow Hans Strelow (* 1940 Stettin, Pommern, heute Polen) eröffnete seine Galerie 1971 in Düsseldorf mit einer Ausstellung von Frank Stella. In der Galerie vertreten waren unter anderen auch Emil Schumacher, Imi Knoebel, Willem de Kooning und Kenneth Noland. Gemeinsam mit Konrad Fischer organisierte Strelow 1968 die wegweisende Ausstellung „Prospect 68“ in der Düsseldorfer Kunsthalle. und einige andere. Finden Sie, dass Köln eine Stadt der Maler ist? Das finde ich eigentlich gar nicht. Sie ist eigentlich mehr die Stadt der neuen Medien.

Aber Ende der 70er-Jahre kommt die „neue“ Malerei gerade auf …

Da kommt der Umbruch. Da war dieser Frust: Es gab viele neue interessante Künstler, aber in den Institutionen hatten sich inzwischen Minimal und Concept-Art durchgesetzt. Das waren die beiden Grundhaltungen. Die Jüngeren, die auch malten und vielleicht wieder gesellschaftliche Stimmungen oder auch ihre eigenen Befindlichkeiten eingefangen haben, kamen in diesen Galerien schwer zum Zuge. Gerade deshalb haben wir diese großen Gruppenausstellungen gemacht. Bei mir waren es eigentlich keine reinen Malerei-Ausstellungen. Bei meinem ersten „Treibhaus“ „Treibhaus. 31 Künstler in Düsseldorf“, Kunstmuseum Düsseldorf, 31. Mai – 28. Juni 1981. 1981 waren 31 Künstler dabei. Jaroslav Ivan Adler: Bildhauer, Holger Bunk: Maler, Abraham David Christian: Bildhauer, Jørgen Dobloug: Maler, Bogomir Ecker: Bildhauer, Horst Gläsker: Maler, Halina Jaworski: Malerin, Klaus Jung hat Objekte gemacht, Milan Kunc: beides, Monika Lister: Malerin, Wolfgang Luy: Bildhauer. Und so weiter und so fort. Da waren alle Medien gemischt, aber in dem Fall gab es kaum Videokunst. Video war damals auch ein schwieriges Instrument. Man sagte damals: „Video ist, wenn es nicht funktioniert.“ Wenn man Videoinstallationen aufbaute, gab es bei der Eröffnung meistens irgendwelche Probleme. Es war schwierig und teuer. Videokunst kam eigentlich erst mit Nam June Paik. Natürlich spielte auch Ursula Wevers Ursula Wevers (* 1943 Hameln) ist eine Künstlerin, die mit Film, Video und Fotografie arbeitet. Gemeinsam mit Gerry Schum produzierte sie ab 1968 Beiträge für die „Fernsehgalerie“ und war auch an der Videogalerie Schum beteiligt. Nach dem Tod Gerry Schums 1973 führte sie das Galerieprogramm mithilfe des Galeristen Rolf Ricke in neuen Räumlichkeiten fort. Ab 1976 war Wevers Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Bergischen Universität Wuppertal. eine große Rolle, die ja von Gerry Schum kam. Sie war mit Gerry Schum verheiratet, hat in Düsseldorf das Video weitergetragen. Ihre Rolle kann man gar nicht überschätzen. Düsseldorf hatte auch seine neuen Medien, aber eigentlich war Köln die Medienstadt.

Haben Sie damals das Werk von Sigmar Polke verfolgt?

Ja, das hat man gesehen. Ich bin aber sicher nicht herumgereist, um zu einer Polke-Ausstellung zu fahren. Das Seltsame ist, dass Polke damals auf derselben Stilhöhe war wie meinetwegen Michael Buthe oder andere Künstler. Er hatte noch nicht diese übergeordnete Rolle. Sigmar hatte hier auf dem Land seine Kommune. Dann gab es eine Gemeinschaftsausstellung mit Polke und anderen, die der Duisburger Bauunternehmer Hans Grothe komplett aufgekauft hat. Polke hat auch gern kollektiv gearbeitet und er ist einer der ersten Medienkünstler. Er hat ganz schöne Filme gemacht und auch ganz gut fotografiert. Er hatte immer einen Fotoapparat dabei. Ich kann mich entsinnen, dass es bei mir im Büro immer sehr merkwürdig war, wir hatten dort alte Ausstellungs-Reststücke und Pflanzen stehen. Wenn Polke ins Museum kam, hat er immer das, was er mystisch, seltsam fand, fotografiert. Er hatte sicher ganze Bildersammlungen von Merkwürdigkeiten, die er dann malerisch umgesetzt hat. Auch noch bei der „von hier aus“-Ausstellung 1984. Er war eigentlich kein Überflieger.

Und für Sie auch nicht außerordentlich interessant?

Ich fand Polke immer interessant. In meinen Gruppenausstellungen war er auch mit dabei. Er war bei „Rheingold“ „Rheingold. 40 Künstler aus Köln und Düsseldorf“, Palazzo della Società Promotrice delle Belle Arti, Turin, 25. Mai – 30. Juni 1985. mit dabei, er war bei „Brennpunkt“ „Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys. Die Akademie. Der allgemeine Aufbruch. 1962–1987“, unter anderem Kunstmuseum Düsseldorf, 24. Mai – 06. September 1987. mit dabei. Ich habe ihn als einen der interessantesten Künstler dargestellt.

Sind Sie vorrangig in Düsseldorf auf die Suche nach Künstlern und Positionen gegangen oder hat sich das irgendwann auch erweitert?

Ich habe natürlich anfangs ziemlich regional gearbeitet. Das kam durch die Kunstakademie und durch den großen Bedarf der Künstler, die dort lebten. Das hat sich dann mehr und mehr erweitert. „Rheingold“ habe ich bereits zusammen mit Wulf Herzogenrath gemacht. Das war die erste Köln-Düsseldorfer Gemeinschaftsausstellung. Das hat auch ganz gut geklappt. Ich habe aber auch immer versucht, internationale Positionen zu zeigen. Mein Schlagwort war eigentlich immer: Ich möchte gerne – gerade auch, was die Sammlung betrifft – lokale Kunst vor internationalem Hintergrund zeigen. Nicht bloß als lokales Phänomen, sondern eingebettet in die internationale Entwicklung.

Sind Sie viel gereist? Wo haben Sie sich informiert?

Ich war, glaube ich, sieben- oder neunmal in den USA. Aber nicht, um mir Großausstellungen anzugucken. Ich bin dann natürlich auch ins MoMA oder ins Metropolitan gegangen, aber ich bin nicht wegen einer Ausstellung in die USA gefahren. Um Himmels willen, nein! Ich glaube auch nicht, dass das damals üblich gewesen wäre. Dafür hatte man gar nicht das Geld. Ich bin einmal wegen Otto Piene zum Center for Advanced Visual Studies nach Cambridge in die USA gefahren. Schon auch mal wegen einer Ausstellung, aber nur dann, wenn man sie selber vorbereitete. Um sich Leihgaben zu suchen oder Künstler zu besuchen, aber nicht, um Ausstellungen zu sehen.

Die Biennalen und documenta-Ausstellungen haben Sie aber gesehen?

Ja, klar, das hat man mitgemacht. Die documenta war im Vier- oder Fünfjahresrhythmus. Die Skulptur-Projekte in Münster waren wichtig, die Biennale in Venedig war wichtig. Ich war nicht auf jeder, aber auf fast jeder Biennale. Die documenta-Ausstellungen habe ich alle gesehen. Münster war ein sehr schönes Programm, das haben Kasper König und Klaus Bußmann zusammen entwickelt. Es lag mir sehr, weil es die Skulptur in die Stadt gebracht hat.

Etwas Ähnliches haben Sie auch in Düsseldorf probiert.

Wir haben versucht, ein Skulpturenprogramm in die Wege zu leiten. 1980 initiierte das Kunstmuseum Düsseldorf gemeinsam mit der Düsseldorfer Kunsthalle ein Skulpturenprojekt. Es war geplant, dass elf künstlerische Arbeiten dauerhaft im öffentlichen Raum der Stadt installiert werden sollten. Die Teilnehmer waren Jaroslav Ivan Adler, Alice Aycock, Nam June Paik, Panamarenko, David Rabinowitch, Chihiro Shimotani, Yoshio Shirakawa, Klaus Simon, Guiseppe Spagnulo, George Trakas und Jean Tinguely. Wegen eines Budgetdefizits konnten die Projekte nicht vollendet werden. Siehe auch: Stephan von Wiese, „Jeder Schuß ein Treffer!?!? Kapitel einer Sammlung“, in: „Kunstminen. Neuerwerbungen zeitgenössischer Kunst 1978–1990“, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Düsseldorf, Düsseldorf 1990, S. 21–27, hier S. 21 f. Es waren zwölf internationale Künstler eingeladen. Sie kamen aus allen Ländern, auch aus den USA, und haben Modelle abgeliefert. Von Jean Tinguely bis zu Panamarenko. Leider ist irgendwann das Geld ausgegangen. Wir haben sehr viel Geld für Hotels ausgegeben und dafür, die Künstler zu beköstigen. Es waren alle eingeladen. Wir sind durch die Stadt gefahren und jeder konnte sich seinen Standort aussuchen. Irgendwie war das Geld nachher nicht mehr da, ich weiß nicht, was der Grund war. Die einzige Arbeit, die im Stadtgebiet zur Ausführung kam, war die von Maria Nordman, eine dreiteilige Bodenarbeit am Rhein, an der Düssel und im Volksgarten. Maria Nordman, „Ohne Titel (Arbeiten an der Grafenberger Allee/Altenburgstraße und am Robert-Lehr-Ufer)“, 1979.

Die gab es vorher schon, oder?

Ja, richtig. Die gab es schon 79 – Sie sind gut informiert. Aber das war eine Art Pilotprojekt. Von den Leuten, die kamen, gab es ein paar Modelle, die wir dann auch ins Museum bekommen haben. David Rabinowitch wollte zum Beispiel eine wunderschöne Ausstellung in Kaiserswerth machen. Eine Hommage an seinen Vater, eine Bodenskulptur in der Nähe der romanischen Kirche. Die haben wir als Template im Museum. Man könnte sie heute noch herstellen.

Wenn Sie sagen, wir haben in Münster geschaut, wir haben auf der documenta geschaut: Man hat heute das Gefühl, jeder will immer der Erste sein, als Entdecker gelten. Wie sind Sie damals vorgegangen? Wen wollte man entdecken, wen wollte man finden? Hatte man Anspruch auf eine gewisse Vollständigkeit oder sollte es nur abwechslungsreich sein? Wie haben Sie Ihre Konzepte am Haus – gerade auch im Wechsel mit der internationalen Kunst – gemacht?

Man hat natürlich schon versucht, einige interessante Positionen nach Düsseldorf zu ziehen. Aber dann, wie ich schon sagte, als Stil-Stimulanz und Hintergrund für die lokale Produktion. Man ist sicher auch von der Frage ausgegangen: Was hat die Düsseldorfer Künstler international inspiriert? Vielleicht spielten durchaus auch manchmal Galerien wie Fischer und Schmela eine Rolle.

Konrad Fischer brachte die Kunst aus den USA ins Rheinland.

Ja, ich bin sicher auch von Fischer beeindruckt worden, habe die Fischer-Kunst zur Kenntnis genommen und war auch ein bisschen von seinem Programm geprägt. Er war sehr breit gestreut und überzeugend. Aber man hat dann versucht, sozusagen sein eigener Fischer zu sein und durchaus Dinge zu finden, die Fischer nicht hatte. Er hatte auch verschiedene Ebenen. Er hatte ab 69 in der Neuburgstraße diesen kleinen Ausstellungsraum. Dann in der Platanenstraße die Fabrik, wo er viel mehr Platz hatte. In der Neuburgstraße hat er mehr experimentiert und Künstler gezeigt, die er vielleicht in seinem Hauptgebäude nicht gezeigt hätte. Die ehemalige Fabrik in der Platanenstraße war das Repräsentationsgebäude. Man wollte Fischer zeigen, was er nicht zeigte, man wollte sagen: „Ätsch, das zeigst du nicht.“

Die Niederlande war von Düsseldorf nicht weit. Rudi Fuchs Rudi Fuchs (* 1942 Eindhoven) ist ein niederländischer Kunsthistoriker und Kurator und war von 1975 bis 1987 Direktor des Van Abbemuseum in Eindhoven sowie von 1993 bis 2003 des Stedelijk Museum in Amsterdam. 1982 verantwortete er die künstlerische Leitung der „documenta 7“. beispielsweise hat sich sehr für die deutsche Kunst interessiert. War der Kontakt in diese Richtung für Sie wichtig?

Rudi Fuchs kam sogar zu meinen Gruppenausstellungen. Die Künstler waren immer ganz begeistert und fielen ihm um den Hals, wenn er auftauchte. Sie waren damals so dankbar, wenn jemand aus den Institutionen kam. Rudi spielte schon eine wichtige Rolle. Er hat mir ein paar Tipps gegeben. Wie hungrig die Künstler damals nach Anerkennung waren! Diese jüngere Generation hatte ja zunächst Probleme, in die Institutionen reinzukommen. Rudi Fuchs oder Harry Szeemann kamen nicht wegen meiner Ausstellung, sondern wegen anderer Ereignisse, aber sie haben sie wahrgenommen. Es gab einige Leitwölfe in der Kunstwelt, und wenn die kamen, waren die Künstler natürlich immer sehr glücklich und hofften, dass das für sie positiv ist, wenn sie zur Kenntnis genommen werden oder auch persönlich bekannt gemacht wurden. Aber das ist nur eine Episode. Rudi Fuchs hat auch Michael Buthe und viele andere ausgestellt. Es gab sicher Gemeinsamkeiten in den ästhetischen Vorlieben. Ich verdanke ihm den Hinweis auf Bernd Lohaus.

Wie wichtig war für Sie der Kontakt zu den Kollegen? Oder sind Sie eher über die Künstler gegangen?

Ja, ich habe es mehr über die Künstler gemacht. Es gab natürlich den Kontakt zur Kunsthalle Düsseldorf. Das war immer freundschaftlich, wobei Jürgen Harten Jürgen Harten (* 1933 Hamburg) war von 1972 bis 1998 Direktor der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf. Dort organisierte er viel beachtete Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst, unter anderen von Marcel Broodthaers (1972), Sigmar Polke (1976), Anselm Kiefer (1984) und Gerhard Richter (1986). 1998/99 betreute Harten als Gründungsdirektor die Entwicklung des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, das 2001 nach dem Zusammenschluss von Kunstmuseum und Kunstpalast eröffnet wurde. selbstverständlich der Chef war. Die Jüngeren hatten es nicht ganz leicht. Die haben dann versucht, mich ein bisschen zu kopieren, haben Gruppenausstellungen wie „Standort Düsseldorf“ und solche Dinge eingeführt. Ich hatte einige befreundete Kollegen, aber die Tipps kamen meistens doch eher von den Künstlern. Die Künstler kennen sich ja alle untereinander. Jeder kennt einen ganzen Kreis von Leuten, mit denen er zusammen studiert oder zusammen ausgestellt hat. Die sagen einem dann schon mal: „Guck dir das und das mal an.“ Ich hatte auch ständig Besuch. Katharina Oesterreicher, meine Assistentin, und ich waren im Haus etwas verpönt, weil bei uns im Büro häufig irgendwelche Künstler saßen und wir mit denen Kaffee tranken. Das war eine offene Bude. Das war nett, das war kollegial.

In den 70er-Jahren sind die Multiples und Editionen groß rausgekommen.

Ja, damit hatte ich wenig zu tun. Wir haben 1980 eine Multiples-Ausstellung von Beuys gemacht. „Joseph Beuys. Multiplizierte Kunst 1965–1980. Sammlung Ulbricht“, Kunstmuseum Düsseldorf, 10.August – 14. September 1980. Da haben wir versucht, möglichst alle zu zeigen. Wir hatten fünf Hallen des Kunstpalasts, da konnte man das sehr schön ausbreiten. Wir brauchten, glaube ich, nur drei. Aber Editionen … Ich habe mich viel mit konkreter Kunst, Konstruktivismus, Anton Stankowski und solchen Leuten beschäftigt. Ich habe also schon mit Editionen zu tun gehabt, aber sie waren für mich immer mehr ein Nebengebiet der Künstler aus rein finanziellen Gründen. Sie haben ja Editionen gemacht, um davon zu leben.

Es gibt zwei weitere Theorien: Die einen sagen, die Edition war der Versuch einer Demokratisierung in der Kunst, der Versuch, Kunst auch für jemanden erschwinglich zu machen, der eigentlich die Kaufkraft nicht besitzt. Die anderen sagen, damit wurden neue Sammlerschichten herangezogen.

Man hat sicher die Kunst breiter gestreut. Als Klaus Staeck kürzlich seine Abschlussausstellung „Kunst für alle“ „Kunst für alle. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck“, Akademie der Künste, Berlin, 18. März – 07. Juni 2015. hatte, habe ich allgemein über Editionen geschrieben, über René Block und dessen Programm. Es begann ja mit Daniel Spoerri, mit der MAT-Geschichte 1959/60. Die Edition MAT (Multiplication d’Art Transformable, später als „Multiples“ bekannt) ist eine 1959 gegründete Initiative von Daniel Spoerri, die die Vervielfältigung sowie den Verkauf künstlerischer Objekte fördern sollte. An der Edition beteiligten sich unter anderen Marcel Duchamp, Heinz Mack, Dieter Roth und Jean Tinguely. Vgl. Katerina Vatsella, „Edition MAT. Die Entstehung einer Kunstform. Daniel Spoerri, Karl Gerstner und das Multiple“, Bremen 1998. Es gibt sehr kommerzielle Editionen, Wiederholungen, aber auch sehr einfallsreiche. Wolfgang Feelisch in Remscheid hatte zum Beispiel seinen VICE-Versand. Das waren keine Wiederholungen, sondern jede Edition war eine Innovation. Das fing schon 1966 an und lief natürlich auch unter dem Begriff „Demokratisierung der Kunst“.

Und hat es auch am Markt eine Rolle gespielt?

Auf dem Kölner Kunstmarkt 67, Auf Bestreben der Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt vom 13. bis 17. September 1967 in den Räumen der historischen Festhalle Gürzenich statt. Die 18 beteiligten Galerien waren: Galerie Aenne Abels (Köln), Galerie Appel & Fertsch (Frankfurt am Main), Galerie Block (Berlin); Galerie Brusberg (Hannover), Galerie Gunar (Düsseldorf), Galerie Müller (Stuttgart), Galerie Neuendorf (Hamburg), Galerie Niepel (Düsseldorf), (op) art galerie (Esslingen), Galerie Ricke (Kassel), Galerie Schmela (Düsseldorf), Galerie Der Spiegel (Köln), Galerie Springer (Berlin), Galerie Stangl (München), Galerie Thomas (München), Galerie Tobiès & Silex (Köln), Galerie van de Loo (München), Galerie Rudolf Zwirner (Köln). Bis 1973 wurde die Messe jährlich ausgerichtet und ging anschließend in den Internationalen Kunstmarkt Köln über, aus dem sich 1984 die Art Cologne entwickelte. Vgl. auch „Kunstmarkt Köln ’67. Entstehung und Entwicklung der ersten Messe für moderne Kunst. 1966–1974“, Reihe „sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels“, Nr. 6, 2003. gab es da schon Editionen? Block spielte eine Rolle auf dem Markt. Die erste Multiples-Ausstellung in einer Institution war 73 im Neuen Berliner Kunstverein. „Graphische Techniken“, Neuer Berliner Kunstverein, Berlin, 24. Februar – 24. März 1973. Staeck hat natürlich seine Edition Staeck 1965 gründete der Künstler und Grafiker Klaus Staeck den Verlag Edition Tangente, aus dem 1972 die Edition Staeck hervorging. Neben eigenen Arbeiten verlegt Staeck auch Editionen anderer Künstler, unter anderen von Thomas Bayrle, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Hanne Darboven, A.R. Penck und Sigmar Polke. gemacht. Es gab wahnsinnig viele Künstlerinitiativen, aber die meisten haben in den 70er-Jahren wieder dicht gemacht, die wenigsten haben überlebt.

Haben Sie als Museumsmann diese Marktentwicklung überhaupt mitbekommen? In den 60er-Jahren war der Beruf des Galeristen keiner, um Geld zu verdienen. Die Galeristen hatten häufig noch einen zweiten und dritten Job.

Das stimmt.

Das hat sich in den 70er-Jahren, insbesondere Ende der 70er, sehr verändert. Können Sie zu dieser Entwicklung des Kunstmarkts und damit natürlich auch des ganzen Kunstbetriebs etwas sagen?

Hein Stünke Hein Stünke (1913 Oberhausen – 1994 Fribourg, Schweiz) war ein deutscher Galerist, der gemeinsam mit seiner Frau Eva (1913–1988) ab 1945 die Galerie Der Spiegel in Köln-Deutz betrieb. Als eine der ersten Galerien in Deutschland verlegte Der Spiegel ab 1949 grafische Editionen, unter anderen von Max Ernst, Hans Hartung, Fritz Winter und Wols. Stünke leitete die Galerie bis zu seinem Tod im Jahr 1994 und gehörte 1967 zu den Mitbegründern des ersten Kölner Kunstmarkts. oder Aenne Abels Aenne Abels (1900–1975) war eine Galeristin, die 1945 den Kunstsalon Abels in Köln gründete. Ab 1957 führte sie diesen unter dem Namen „Aenne Abels – Kunst-Galerie alter und neuer Meister“. Vertreten waren unter anderen Marc Chagall, Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Mattia Moreni, Jackson Pollock und Jean-Paul Riopelle. Ihr Programm umfasste bis zur Schließung der Galerie im Jahr 1972 vor allem Positionen des figurativen und abstrakten Expressionismus. in Köln hatten sicher keinen zweiten Beruf. Der große Einschnitt war 67 der erste Kölner Kunstmarkt. Und dann solche Leute wie Ingo Kümmel Ingo Kümmel (1937 Fulda – 1990 Köln) war ein Kunstvermittler und Kunsthändler, der zwischen 1964 und 1974 die Galerien Kümmels Spirit and Art Shop, Kümmel + Beilhartz und Baedeker-Kümmel in Antwerpen, Dinslaken und Köln führte. Er unterstützte vor allem Positionen der Fluxus- und Performancekunst, darunter Joseph Beuys, Jürgen Klauke und Wolf Vostell. Aufsehen erregte Kümmel auch als Organisator zahlreicher Gegenveranstaltungen zum Kölner Kunstmarkt. . Das waren einfallsreiche Galeristen, die durch alle Raster fielen und unter dem Begriff der Demokratisierung angefangen haben. Die haben nicht so sehr an Kommerzialisierung gedacht. Es öffnete sich ein neuer Markt, und dem haben sich andere Galerien angeschlossen. Sie hatten wahrscheinlich alle auch ihr Editionsprogramm. Ab 72 hat sich das professionalisiert. Die Kunstmärkte wurden institutionalisiert – vor allem in Köln und Düsseldorf. Und dann gab es von Beuys und Co. das Gegenprogramm: Wir öffnen die Türen der Kunstmärkte, damit nicht so ein elitärer Verein des Kommerzes entsteht. An der Eröffnung des Kölner Kunstmarkts 1970 beteiligten sich Joseph Beuys, Klaus Staeck, Wolf Vostell und der Galerist Helmut Rywelski mit der Aktion „Wir betreten den Kunstmarkt“. Ihr lautes Klopfen gegen die verschlossenen Türen der Messehalle stand stellvertretend für jene, die vom Kunstmarkt aufgrund der selbst gemachten Regeln des Organisationsteams ausgeschlossen waren. Siehe auch: „Joseph Beuys. Wir betreten den Kunstmarkt“, Reihe „sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels“, Nr. 16, 2009. 1974 war noch mal ein Einbruch, es gab eine Art Weltwirtschaftskrise, die viele Sammler vernichtet oder zur Nichttätigkeit verurteilt hat. Das war ein ziemlicher Einschnitt. Nach 74 gingen auch die Editionen schlagartig zurück. Der neue Aufschwung des Kunstmarkts kam eigentlich erst Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre mit einem neuen Aufschwung der Wirtschaft und der Erschließung neuer Sammlerschichten.

Dann aber auch schon mit der neuen Malerei?

Gleichzeitig kamen diese neuen Maler und neuen Sammler. Das hat sich vielleicht ein bisschen zusammengeschlossen. Diese neuen Sammler waren doch recht traditionell, wollten gern zu Hause Bilder an den Wänden hängen haben. Keine Frage, Bilder lassen sich besser verkaufen als Skulpturen. Es gab neue Sammlerschichten, neue Künstler und es gab einen Prozess, wo sich das zusammenschloss.

Und es gab die Sammlung Ströher 1968 erwarb der Unternehmer Karl Ströher (1890 Rothenkirchen – 1977 Darmstadt) die bedeutende Pop-Art-Sammlung des verstorbenen New Yorker Versicherungsmaklers Leon Kraushar. Die Sammlung umfasste 160 Objekte, darunter 6 Bilder von Roy Lichtenstein, 21 Objekte von Claes Oldenburg, 6 Bilder und Objekte von Andy Warhol, 15 Bilder von James Rosenquist, 7 Bilder von Tom Wesselmann sowie weitere Werke amerikanischer Künstler, unter anderen von Jasper Johns und Walter De Maria. Nach der Ankunft der Sammlungsbestände in München wurden diese unter dem Titel „Sammlung 1968. Karl Ströher“ auf einer Ausstellungstournee in folgenden Museen gezeigt: Galerie-Verein im Haus der Kunst, München, 14. Juni – 09. August 1968; Kunstverein in Hamburg, 24. August – 06. Oktober 1968; Neue Nationalgalerie, Berlin, 01. März – 14. April 1969; Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 22. Mai – 12. Juni 1969; Kunsthalle Bern, 12. Juli – 28. September 1969. Vgl. Katrin Sauerländer, „Die Sammlung Kraushar“, in: dies. (Hg.), „Karl Ströher – Eine Sammlergeschichte“, Frankfurt am Main 2005, S. 62–87, hier S. 74. in Darmstadt und die Sammlung Ludwig Ab 1969 baute das Industriellenpaar Peter (1925 Koblenz – 1996 Aachen) und Irene Ludwig (1927 Aachen – 2010 Aachen) eine der bedeutendsten Sammlungen im Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst auf. Neben den Strömungen der Pop-Art und der abstrakten Malerei umfasste diese auch Positionen aus dem Bereich der Konzeptkunst, der russischen Avantgarde und des Expressionismus. Durch Schenkungen und Leihgaben etablierte das Ehepaar Ludwig zahlreiche Kooperationen zwischen öffentlichen Trägern und ihrer privaten Sammlung: 1976 wurde der Stadt Köln ein umfangreiches Sammlungskonvolut übergeben, mit der Bedingung, dafür einen eigenen Präsentationsort – das heutige Museum Ludwig – zu errichten. 1982 gründeten Peter und Irene Ludwig die Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung, die nach dem Tod Peter Ludwigs 1996 in die Peter und Irene Ludwig Stiftung überging. Vgl. Heinz Bude, „Peter Ludwig – Im Glanz der Bilder“, Bergisch Gladbach 1993. in Köln.

Ludwig war anfangs noch in Aachen und sehr traditionell, er sammelte Picasso und figurative Kunst. Er war sehr weit weg. An Gegenwartskunst kam er erst, als er von diesem Taxifahrer die New Yorker Sammlung gekauft hat.

Robert C. Scull. Robert C. Scull (1915 New York – 1986 Warren, Connecticut) war ein US-amerikanischer Taxiunternehmer und Kunstsammler. Während der 1960er- und 1970er-Jahre baute er eine der umfassendsten Sammlungen von Pop-Art, Minimal Art und Land-Art auf. In der Sammlung vertreten waren unter anderen Michael Heizer, Jasper Johns, Walter De Maria, Robert Rauschenberg, James Rosenquist und Andy Warhol. 1973 wurden Teile der Sammlung Scull bei Sotheby’s in New York versteigert. Über Rudolf Zwirner erwarb Peter Ludwig zahlreiche Werke aus der Sammlung.

Durch Ludwig kam die Pop-Art nach Köln. Er hat sich aber auch für Osteuropa und China interessiert. Er hatte ein imperiales Denken, Ludwig war Schokoladen-Imperialist. Er hat weltweit gedacht, weil er sich gleichzeitig natürlich Märkte erschließen wollte. Das Geschäftliche und das Künstlerische flossen bei ihm irgendwie zusammen. Das ist eine Spekulation von mir. Aber ich nehme doch mal an, dass ihn sicher der Markt auch interessiert hat. Ich weiß es nicht. An Kunst war an sich mehr seine Frau interessiert. Sie war ja Kunsthistorikerin, die Frau Ludwig.

Er hat sich möglicherweise auch ein wenig für die Kunst interessiert. Immerhin war er promovierter Kunsthistoriker.

Es wird sicher nicht nur um Schokolade, sondern auch um qualitative Kriterien gegangen sein. Er war einer der ersten Großsammler. Dann gab es eben noch Hans Grothe. Als Dauerleihgabe hatten wir auch die Sammlung Ulbricht. In den 1960er-Jahren begann das Ehepaar Ulbricht, Gegenwartskunst aus dem Rheinland zu sammeln. Dazu gehörten Werke von Joseph Beuys, Michael Buthe, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Norbert Tadeusz. 1986 übergaben sie einen Großteil ihrer Multiples von Joseph Beuys an das Kunstmuseum Bonn. Da die Museen sich auf einmal für Gegenwartskunst interessierten, aber bis dahin nichts gesammelt hatten, hat man natürlich anfangs versucht, Sammler ins Haus zu holen. Das war der erste Weg, auch die Gegenwartskunst ins Museum zu bekommen. Wobei ich immer fand, dass es dabei nicht bleiben darf. Ein Museum hat die Aufgabe, eine eigene Sammlung aufzubauen. Man darf nicht nur von Marx und Ludwig abhängig sein. Das ist in Berlin das Elend, dass man hier keinen vernünftigen Ankaufsetat hat und sich dadurch in Abhängigkeiten begibt. Ein Museum hat doch die Aufgabe, korrigierend ins Marktgeschehen einzugreifen. Nicht nur nach dem zu urteilen, was gerade im Gespräch ist, sondern nach eigenen qualitativen Kriterien zu arbeiten, eine langfristige Sammlung aufzubauen.

Sie schreiben in der Einleitung Ihres Texts im „Brennpunkt“-Katalog, es gehe auch darum zu sehen, inwieweit die Erweiterung der Kunst, die seit den 60er-Jahren betrieben worden ist, heute noch gültig und brauchbar ist. Vgl. Stephan von Wiese, „Brennpunkt Düsseldorf – eine Chronik“, in: „Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys, die Akademie, der allgemeine Aufbruch. 1962–1987“, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Düsseldorf, Düsseldorf 1987, S. 10–18, hier S. 10.

Ja, das frage ich mich.

Eine Antwort gibt es darauf wahrscheinlich nicht? Sie haben 76 eine Vermittlerrolle übernommen …

1974, um genau zu sein. Stuttgart zähle ich schon mit dazu.

Seitdem Sie jetzt ein paar Jahre ohne feste Institution arbeiten, hat sich vielleicht auch dieser Blick noch einmal verändert. Wie würden Sie diese sogenannte „Erweiterung der Kunst“ heute beurteilen?

Erweiterung in welche Richtung?

In alle. Interessant ist, dass man immer das Gefühl hat, dass in der Zeit, in der man lebt, nichts Neues mehr entstehen kann. Dieses „Alles ist schon gemacht worden“-Gefühl hatten nicht nur die ZERO-Künstler, sondern dann auch wieder die 80er-Jahre-Künstler. Deswegen haben sie gemalt, was sie gemalt haben. Dieses Problem haben letztlich die Künstler heute natürlich auch, sie sagen: „Das gab es alles schon.“ Jetzt fangen sie an, Oberflächen zu bearbeiten.

Ich glaube, heute wird doch mehr darauf geachtet, was auf dem Markt erfolgreich ist.

Wann hat sich das verändert?

Früher war Kunst mehr eine Lebenshaltung – Beuys sagte: „Ich kenne kein Weekend“. Joseph Beuys, „Ich kenne kein Weekend“, Auflage 95, 1971. Heute machen Künstler sogar Urlaub. Es verbürgerlicht sich. Das ist die Verspießerung des ganzen Betriebs. Früher war man mit ganzer Seele und immer Künstler.

Können Sie die Veränderung an einem bestimmten Zeitpunkt festmachen?

Es änderte sich mit dem Neoliberalismus, nehme ich mal an. Wann fing der an? Gerhard Schröder war einer der treibenden Kräfte 2001. Um 2000 kam dieser absolute Wille, Rendite zu machen, zu spekulieren und Kunst zu sammeln, um sie ins Depot zu stellen und fünf Jahre später wieder zu verkaufen. Im größeren Stil entwickelte sich das alles durch den Neoliberalismus. Und der Neoliberalismus war natürlich eine Folge des Mauerfalls. Denn durch den Fall der Mauer war die Konkurrenz des Sozialismus weg. Der Kapitalismus konnte sich in purer Form als Wolf entwickeln und hat alles aufgefressen, bis er irgendwann an seinem eigenen Hunger zugrunde gehen wird. Hoffe ich.

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Stephan von Wiese