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Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Inge Baecker

Inge Baecker

Inge  Baecker

Inge Baecker

Bad Münstereifel, 16. Juni 2016

Franziska Leuthäußer: Sie haben Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik studiert. Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, in diese Richtung zu gehen?

Inge Baecker: Ich habe in Konstanz studiert. Dort lernte ich Ingvild Otto kennen, die heute als Ingvild Goetz Ingvild Goetz (geb. Ingvild Otto; * 1941 Kulm, Westpreußen, heute Polen) ist eine Galeristin und Kunstsammlerin. 1969 gründete sie den Grafikverlag edition art in progress in Konstanz. Ab 1973 führte sie die Galerie art in progress, die in Zürich eröffnet wurde, sich dann bis 1975 in München befand und anschließend bis zur Schließung 1984 in Düsseldorf betrieben wurde. Ingvild Goetz baute eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst auf. Darin sind Positionen der Arte povera, der Young British Artists und der konzeptuellen Fotografie vertreten. Seit 1993 werden die Sammlungsbestände in einem neu errichteten Museumsgebäude im Münchener Stadtteil Oberföhring präsentiert. in der Szene bekannt ist. Ihr Vater Werner Otto (1909 Seelow – 2011 Berlin) war ein Unternehmer, der 1949 in Hamburg einen Versandhandel für Schuhe eröffnete. Daraus entstand in den darauffolgenden Jahren der Konzern Otto-Versand. war im Versand tätig, und sie wollte eine Versandgalerie machen. Darüber kamen wir ins Gespräch. Ich bin aus dem Ruhrgebiet, aus Bochum, nahe am Rheinland gelegen. Und Ingvild Goetz fragte mich: „Können Sie dort nicht mal ein paar Künstler interviewen, ob sie mitmachen würden? Ob sie auch Editionen produzieren würden?“ Ich war dann zum Beispiel bei Gerhard Richter. Das waren noch eigentümliche Zeiten: Er bot mir ein Bild an, ein Porträt Gerhard Richter, „Portrait Kühn“, 1970. von Heinz Kühn. Dafür wollte er 5.000 D-Mark haben, da habe ich gesagt: „Herr Richter, ich habe keine 5.000 D-Mark, ich bin Studentin!“ Ich war auch bei Günther Uecker und unter anderem bei Wolf Vostell Wolf Vostell (1932 Leverkusen – 1998 Berlin) war ein deutscher Künstler, der vor allem durch seine Installationen und Happenings bekannt wurde. Ab 1953 absolvierte er zunächst eine Lehre als Fotolithograf in Wuppertal, bevor er 1955 sein Studium der freien Kunst an der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris begann. Im November 1970 zeigte er erstmals eine Auswahl seiner Werke in der Galerie Inge Baecker in Bochum. Vostell galt als enger Freund von Allan Kaprow und Boris Lurie. . Wir verstanden uns sofort sehr gut, weil seine Kunst dialogisch ist und ich in Konstanz bei Karen Bartel Unterricht in dialogischer Logik genommen hatte. Sehr schnell waren wir in einem sehr intensiven Gespräch. Er hat auch eine sehr schöne Grafik für die Ingvild-Otto-Edition gemacht. Der Kontakt blieb bestehen, und als ich meinen Abschluss hatte, sagte er: „Warum eröffnen Sie nicht selbst eine Galerie? Ich helfe Ihnen dabei.“ Hinzu kam, dass 1970 die „Happening & Fluxus“-Ausstellung „Happening & Fluxus“, Kölnischer Kunstverein, Köln, 06. November 1970 – 06. Januar 1971. in Köln stattfand. Die habe ich besucht. Vostell, Joseph Beuys und die ganze Korona waren da. Auch Allan Kaprow Allan Kaprow (1927 Atlantic City, New Jersey – 2006 Encinitas, Kalifornien) war ein Künstler, der Ende der 1950er-Jahre zu den Begründern der Happening-Bewegung gehörte. Ab 1971 zeigte er seine Arbeiten regelmäßig in der Galerie Inge Baecker in Bochum. Kaprow war unter anderem auf der documenta 6 (1977) und 8 (1987) vertreten. , der sagte: „Ich bringe sie Ihnen nach Bochum.“ Und dann waren sie alle da: Dick Higgins, Ben Vautier, die ganze Bande. Es bestand von Anfang an ein guter Kontakt mit ihnen. Und Vostell ließ nicht locker: „Mach doch eine richtige Galerie.“ Die erste Galerie hatte ich in meiner Wohnung. Das fand mein Hauswart nicht so gut. Mein erster Verkauf war der „Lippenstiftbomber“ Wolf Vostell, „B 52 (Lippenstiftbomber)“, 1968. von Vostell. Den habe ich an den damaligen Intendanten des Schauspielhauses Bochum, Hans Schalla, verkauft. Darauf war ich sehr stolz. Jedenfalls sagte mein Hauswart: „Das geht nicht hier im Haus!“ Meine Mutter hatte ein Anwesen mit einer großen Tiefgarage und bot mir diese an, da sie gerade nicht genutzt werde. Weiß gestrichen. Teppich rein. Wunderbar! Keine Fenster, nur Wände! Die erste Ausstellung „Wolf Vostell. Grafik“, Galerie Inge Baecker, Bochum, 07. November – 10. Dezember 1970. war dann mit Vostell. Und mein erster Kunde war Werner Hofmann Werner Hofmann (1928 Wien – 2013 Hamburg) war ein Kunsthistoriker und Kurator. Zwischen 1962 und 1969 leitete er als Gründungsdirektor das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Anschließend war er bis 1990 als Direktor der Hamburger Kunsthalle tätig. Dort organisierte er unter anderem Ausstellungen mit Georg Baselitz, Joseph Beuys und Franz Erhard Walther. von der Hamburger Kunsthalle, er hat eine große Arbeit von Vostell gekauft. Dafür kam er persönlich nach Bochum. Danach zeigte ich Allan Kaprow. „Allan Kaprow. City Works (Activity)“, Galerie Inge Baecker, Bochum, 10. Januar – 11. März 1971.

Zurück zum Anfang: Als Sie für Ingvild Otto – heute Goetz – Künstler trafen, wie sind Sie an diese herangetreten? Wo haben Sie nach ihnen gesucht?

Ich habe gar nicht gesucht. Ich habe sie gefunden. Oder Vostell hat sie zu mir gebracht.

Wie kamen Sie zum Beispiel auf Gerhard Richter?

Das gehörte damals zu der Idee von Ingvild Otto, dass wir uns um die rheinische Kunstszene kümmern. Und zur rheinischen Kunstszene gehörte eben auch Gerhard Richter.

Und Sie haben dann angerufen, und er hat Sie eingeladen?

Ja, er sagte, ich könne gerne kommen. Kein Problem. Genauso war es mit Günther Uecker. Mit Vostell hat das auch gut geklappt, das ging ratzfatz.

Waren sie vorher über die Kunstszene schon gut informiert?

Nein, eigentlich nicht. Ich war eigentlich auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts spezialisiert. Ich wollte über Jan Vermeer promovieren. Da das in Konstanz aber etwas schwierig war – dort gab es keinen Lehrstuhl für Kunstgeschichte, den gab es in Gießen und in Münster, und ich war Schülerin von Max Imdahl Max Imdahl (1925 Aachen – 1988 Bochum) war ein deutscher Kunsthistoriker, der von 1965 bis 1988 als Professor für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum lehrte. Er setzte sich insbesondere für Analysemethoden ein, die den individuellen Charakter des Kunstwerks berücksichtigten. Er ist der Vater des Kunsthistorikers Georg Imdahl (* 1961). – konnte ich dort nicht weitermachen. Ich hätte nach Bochum oder sonst wohin wechseln müssen, hatte dann aber durch den Kontakt zu den Künstlern mehr Spaß an der lebendigen Kunstszene. Zumal sich gerade in der „Happening & Fluxus“-Ausstellung alles was „anti“ war – antibürgerlich, anti-sonst-was – abspielte. Es war eine so offene Kunstszene, dass ich wirklich Lust darauf bekam. Das Schöne war, dass man die Leute fragen konnte: „Warum machen Sie das so? Warum machen Sie das nicht anders?“ Das konnte ich bei Vermeer natürlich nicht.

Erinnern Sie sich an Ihre ersten Eindrücke bei diesem Fluxus-Event 1970 in Köln?

Hängen geblieben sind zum Beispiel die Partituren von Dick Higgins, diese völlig neue Form, Partituren zu sehen. Von Vostell natürlich die kalbende Kuh in der Kunsthalle. Es war wunderbar, die Reaktionen der Besucher zu beobachten. Da stellte ich fest, dass es bei all diesen Künstlern eine gewisse Botschaft gibt, nämlich eine Haltung, über bestimmte Dinge einfach mal aufzuklären und neue Sichtweisen zu ermöglichen. Über eine kalbende Kuh in der Kunsthalle regen die Leute sich zum Beispiel wahnsinnig auf, aber wehe, in Vietnam wird geschossen, Von 1954 bis 1975 kam es zwischen Nordvietnam, das von China und der Sowjetunion unterstützt wurde, und Südvietnam, unterstützt durch die USA und Australien, zum sogenannten Vietnamkrieg. Nachdem bei der Indochinakonferenz 1954 die Teilung Vietnams in einen kommunistischen Norden und einen antikommunistischen Süden festgesetzt worden war, entwickelten sich ab 1955 zunehmend militärische Konflikte zwischen den beiden Landesteilen. Da die USA eine Ausweitung des kommunistischen Einflussbereichs fürchtete, griff sie ab 1964 aktiv in die Auseinandersetzung ein. das interessiert dann keinen mehr. Das nimmt man irgendwie über das Fernsehen wahr. Diese Diskrepanzen zwischen moralischem Anspruch und tatsächlichem Geschehen, die Vostell immer wieder aufzeigte, haben mich ungemein interessiert. Ich war damals auch sehr in der SPD engagiert. Es ging mir darum, der Realität näherzukommen, zu erfahren, was wirklich los war. Und die Happening- und Fluxus-Künstler zeigten, was sich tatsächlich abspielte. Allan Kaprow war ein besonderer Fall. Bei Vostell ging es darum, die Realität, die einen umgab, auch politisch und gesellschaftlich zu erfahren. Bei Kaprow ging es darum, sich selbst zu erfahren. Das waren die beiden Ebenen. Vostell sagte „Jeder Mensch ist ein Kunstwerk!“ und nicht „Jeder Mensch ist ein Künstler!“ Der Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ wurde durch Joseph Beuys bekannt. Das erweiterte Kunstverständnis von Beuys findet vor allem in dem von ihm geprägten Begriff der „Sozialen Plastik“ seinen Ausdruck. Darunter fällt jegliches Handeln, das formend in die Gesellschaft eingreift. Damit wird jeder Mensch, der handelt und formt, zum Künstler. Siehe auch: Volker Harlan/Rainer Rappmann/Peter Schata, „Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys“, Krefeld 1984. – das finde ich blödsinnig. Kaprow wiederum sagte: „Jeder Künstler ist ein Mensch.“ Er erfährt sich als Mensch. Er will den Menschen helfen, sich in ihrer ganzen Atmosphäre, in ihrer Aura zu erfahren. Da trafen sich Vostell und Kaprow. Das war für mich eine spannende Überlegung. Zu Beuys habe ich nie Kontakt bekommen.

Weshalb nicht bekommen?

Weil ich es nicht wollte. Nicht, weil Vostell ihn nicht mehr leiden konnte. Mit der sogenannten „Freundschaft“ zwischen beiden ist dermaßen übertrieben worden. Wenn es Fluxus-Konzerte gab – in den 60er-Jahren waren das fünf oder sechs –, haben sie zwar an den gleichen Konzertabenden teilgenommen und standen auch auf der Bühne, aber nie gemeinsam. Dazu gehört auch, dass sich die Performanceleute bei den Fluxus-Veranstaltungen untereinander austauschen: „Ich habe jetzt gerade keine Lust, Filliou Robert Filliou (1926 Sauve, Frankreich – 1987 Chanteloube, Frankreich) war ein Künstler, der zu den zentralen Vertretern der Fluxus-Bewegung gezählt wird. Ab 1943 kämpfte er in der französischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung. Nach Aufenthalten in den USA und in Südkorea begann er Ende der 1950er-Jahre, in Paris künstlerisch zu arbeiten. 1961 zeigte Filliou seine erste Einzelausstellung bei Arthur Køpcke in Kopenhagen. Er war unter anderem auf der documenta 5 (1972) und 6 (1977) vertreten. mach du mal!“ Das ging ohne weiteres. Das ging aber bei Beuys überhaupt nicht. Da war alles auf seine Person fixiert. Da ging es um den Künstler als Helden, einen klassischen Künstlerbegriff. Genau das wollten die Fluxus-Leute ja abschaffen. Sie wollten das Ganze öffnen, während Beuys alles auf sich konzentrierte. Worin heute sein Erfolg begründet ist.

Als Sie 1970 Ihre Galerie eröffneten, war Beuys schon bekannt. Damals kam man wahrscheinlich überhaupt nicht an ihm vorbei?

Nein, natürlich nicht. Aber ich habe mich davon ferngehalten, weil ich den Kreis der Leute übersah, die sich mit ihm beschäftigten. Das waren die Gleichen, die über ein Kunstwerk sagten: „Das schöne Bild an der Wand.“ Das kann man heute noch feststellen, wenn man sieht, wie Arbeiten von Beuys gehandelt werden: Die Werke, die Kontexte oder Partituren liefern, können Sie für relativ wenig Geld haben. Aber wenn ein Hirsch oder ein Hase drauf ist, gehen die Preise ganz nach oben, weil man das Werk sofort als eine Beuys-Arbeit erkennt. Das ist ganz einfach. Und genau das hat mich immer schon gestört: Dass die sogenannte „Kunstwelt“ es sich so ungeheuer einfach macht. Sie hält sich an simplen Symbolen fest. Denken? Warum? Das, was Happening und Fluxus anbieten, findet da gar nicht statt. Darum hat es die von mir vertretene Richtung immer ziemlich schwer gehabt.

Sie haben sich relativ früh für dieses Programm entschieden. Sie hatten von Anfang an Publikum. Wie lief das ab? Die Fluxus-Aktionen waren eigentlich offen, da gab es viel Bewegung ...

Obwohl man bei Fluxus schon wie in einem Theater sitzt und auf der Bühne passiert etwas zwischen verschiedenen Personen. Es war nicht so, dass die Leute einfach weggegangen sind. Das würde ich nicht sagen. Nehmen Sie die Wiesbadener Aktionen, „Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik“, Städtisches Museum Wiesbaden, 01.–23. September 1962. An dem Festival beteiligt waren unter anderen Dick Higgins, George Maciunas, Nam June Paik und Wolf Vostell. Es gilt als erste offizielle Manifestation der Fluxus-Bewegung. Vgl. „1962 Wiesbaden Fluxus 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen“, hg. von René Block, Ausst.-Kat., u. a. Museum Wiesbaden, Wiesbaden 1983. da sind Ikonen geschaffen worden: Flügel zersägen … Das waren Vorstellungen! Und dann kommen diese dämlichen Journalisten und reden vom Fluxus-Künstler Beuys. Der hat damit gar nichts zu tun. Überhaupt nicht. Er war, wie Uwe Schneede einmal sagte, ein „fellow traveller“. Er hat sich schön drangehängt, weil es gerade gut lief, aber selbst hat er mit Fluxus nichts zu tun gehabt. Er war ein ganz anders gepolter Geist.

Wer gehörte zu Ihrem Publikum? Wer waren die Besucher Ihrer Galerie?

Es waren viele von der Universität Bochum. Es waren natürlich auch viele Kunstsammler. Mein Hauptkunde damals war Wolfgang Hahn Wolfgang Hahn (1924 Euskirchen – 1987 Köln) war ein deutscher Kunstsammler und Restaurator, der ab 1950 am Wallraf-Richartz-Museum und später am Museum Ludwig in Köln tätig war. Ab Anfang der 1960er-Jahre baute Hahn eine umfassende Sammlung europäischer und amerikanischer Nachkriegskunst auf. Dazu gehörten Werke von Joseph Beuys, John Cage, Christo, Claes Oldenburg, Yoko Ono, Nam June Paik, Daniel Spoerri, Franz Erhard Walther, Andy Warhol, Lawrence Weiner und anderen. 1978 verkaufte Hahn einen Großteil seiner Sammlung an die Republik Österreich, wo sie als Grundstein für die späteren Sammlungsschwerpunkte in die Bestände des heutigen Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) überging. . Er war ganz wichtig. Aber natürlich auch viele Museumsleute, zu denen ich einen sehr guten Kontakt hatte. Bei Charlie Ruhrberg Karl Ruhrberg (1924 Elberfeld – 2006 Oberstdorf) war ein Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher. Als Gründungsdirektor leitete er von 1965 bis 1972 die Kunsthalle in Düsseldorf. Dort organisierte er unter anderem frühe Überblicksausstellungen zum Werk von Bernd und Hilla Becher (1969), Edward Kienholz (1970) und Claes Oldenburg (1971). Zusammen mit Wieland Schmied (1929–2014) sollte er die künstlerische Leitung der „documenta 6“ übernehmen, beide Ausstellungsmacher traten jedoch 1974 nach anhaltenden konzeptionellen Konflikten von ihrem Amt zurück. Von 1978 bis 1984 war Ruhrberg Direktor des Museums Ludwig in Köln. Nach seinem Rücktritt war er für die Stadt Köln beratend tätig. angefangen, Hofmann oder mein Nachbar in Essen, Herzogenrath Wulf Herzogenrath (* 1944 Rathenow) ist ein Kunsthistoriker und Kurator. Von 1973 bis 1989 leitete er den Kunstverein in Köln. Dort zeigte er 1976 die erste Einzelausstellung von Nam June Paik. Zwischen 1989 und 1994 war er Hauptkustos an der Nationalgalerie in Berlin und ging anschließend an die Kunsthalle Bremen, die er bis 2011 als Direktor leitete. Herzogenrath war unter anderem an der Organisation der documenta 6 (1977) und 8 (1987) beteiligt. Er gilt als wichtiger Unterstützer der Videokunst in Deutschland. .

Haben Sie die Leute gezielt angesprochen?

Eigentlich nicht.

Sie sind einfach vorbeigekommen?

Viele sind von selbst gekommen, weil die Presse und das Fernsehen gut mitgespielt haben. Damals war der Westdeutsche Rundfunk noch ein progressiver Sender mit einem guten Kulturprogramm – wovon heute keine Rede mehr sein kann. Über die meisten Ausstellungen gab es Berichte im Fernsehen. Hinzu kam, dass ich – vorbei an der Pop-Art – eine neue Tür nach Amerika aufgemacht hatte. Ich erinnere mich noch gut, wie Vostell gesagt hat: „Du musst rüberkommen!“ Da lernte ich natürlich auch all die anderen kennen und bin durch New York gedüst. Es gab eine Zeit, da war ich dreimal im Jahr in New York.

Vostell hat Sie überredet, nach New York zu kommen. Und dann?

Vostell sagte: „Du musst die Ateliers sehen! Du musst sehen, wie die Künstler hier leben, sonst verstehst du nicht, was sie machen!“ Ich wurde zu einem sogenannten „Türöffner“. Nicht nur für diese Künstler, sondern insgesamt für das Publikum in Deutschland, weil ich plötzlich Kontakt zu Künstlern hatte, die für die Happening- und Fluxus-Bewegung sehr wichtig waren.

Wen haben Sie bei Ihrem ersten New-York-Besuch kennengelernt?

Die tollste Begegnung war mit John Lennon. Ein guter Freund, der mich auch beraten hat, war der Architekt Werner Ruhnau Werner Ruhnau (1922 Königsberg, Ostpreußen, heute Russland – 2015 Essen) war ein Architekt, der für seine Theaterbauten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern bekannt ist. 1956 gründete er ein Büro in Gelsenkirchen, wo 1959 das von ihm entworfene Musiktheater im Revier eröffnet wurde. Ruhnau entwickelte eine „Spielstraße“ für das Kunstprogramm der Olympiade 1972 in München und war 1978 für die Umbauten des Schauspielhauses in Frankfurt am Main verantwortlich. . Er war schon bei der ersten Kaprow-Ausstellung dabei, und er sollte dann die „Spielstraße“ in München machen. Er sagte: „Ich muss doch jemanden haben, der einen Film macht!“ Da sagte ich: „Nimm doch Yoko Ono.“ – „Wer ist das denn?“ Ich habe es ihm erklärt, und dann wollte er, dass ich Kontakt zu ihr aufnehme. Bei meinem dritten Besuch in den USA, 1972, habe ich dann mit Charlotte Moorman gesprochen, die eng mit Yoko befreundet war. Und sie arrangierte ein Treffen: „Komm heute Abend um acht da und da hin, wir gehen zu Yoko.“ Yoko Ono wohnte in der Bank Street, sie war Nachbarin von John Cage. Und dann saßen sie da auf einem riesigen Bett: Yoko und John. Wir haben lange über Leni Riefenstahl, die Olympiade und Fluxus gesprochen. Das war eine tolle Begegnung. Eine Tür öffnete die nächste. Ich war damals auch in Pennsylvania. Das waren unglaubliche Begegnungen.

Waren die Künstler Ihnen gegenüber aufgeschlossen?

Ja. Ich wurde für sie die Kontaktgalerie für Fluxus in Deutschland. René Block René Block (* 1942 Velbert) eröffnete Anfang 1964 in Berlin das Grafische Cabinet René Block, aus dem noch im gleichen Jahr die Galerie René Block hervorging. Dort zeigte er bis 1979 Ausstellungen und Aktionen unter anderen von Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Wolf Vostell. Zwischen 1974 und 1977 betrieb er eine Dependance im New Yorker Stadtteil SoHo. In den Folgejahren organisierte Block als Kurator zahlreiche Ausstellungen für die daadgalerie in Berlin sowie für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart, bevor er 1997 die Direktion des Fridericianums in Kassel übernahm. Seit 2008 führt René Block die auf Editionen spezialisierte Galerie Edition Block in Berlin. war in Berlin. Und ich war der Brückenpfeiler in Westdeutschland.

Gab es zwischen Ihnen und René Block einen engeren Kontakt?

Wir kannten uns gut. Wir grüßten uns auch, und er hat mir gratuliert, als ich in die Szene einstieg. Er hatte immer andere Kontakte, weil er mit Beuys arbeitete. Das war sein Weg. Unsere Wege waren unterschiedlich, aber die Richtung war die gleiche. Ich habe ihm jetzt vorgeschlagen: „Wollen Sie nicht mal eine Gastausstellung in meiner Galerie machen?“ Das haben wir noch nie gemacht.

Bis 75 war es lebhaft und lebendig. Charlie Ruhrberg war gerade weg, ich hatte aber einen guten Kontakt zu Jürgen Rath, seinem Nachfolger, und habe ihm vorgeschlagen, ob wir nicht einmal eine Ausstellung machen könnten: „Sehen um zu hören“. „Sehen um zu hören“, Kunsthalle Düsseldorf, 17.–26. Oktober 1975. Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel und die Fluxus-Künstler hatten alle irgendwie mit Musik zu tun, auch durch Cage. Ruhrberg hat zugestimmt, und ich bekam für eine Ausstellung inklusive Katalog einen Etat von 20.000 D-Mark. Das ist heutzutage ein Witz. Als ich wieder in den USA war, sagte mir Cage, dass er mitmacht: „Ich stelle dieses Stück vor, das können Sie so und so in die ganze Sache einbauen.“ Sie waren alle dabei: Kagel mit verschiedenen Performances, Charlotte Moorman, Giuseppe Chiari und Paik.

In dieser Zeit zogen viele Galerien aus München und Berlin ins Rheinland.

Und ich blieb im Ruhrgebiet.

Sie waren im Ruhrgebiet, bis Wolfgang Hahn sagte: „Sie müssen nach Köln kommen.“

1983! Da brodelte es.

Warum war Fluxus in der Zeit so wichtig?

Das war eine Öffnung für einen Bereich, wo sonst wenig passierte. Es gab kaum Fluxus-Ausstellungen, wenig Konzerte … Die Veranstaltung bei mir ging nur zwei Wochen, in der Zeit hatten wir 12.000 Besucher. Das war damals, 1975, schon enorm. Düsseldorf hängt der Ruf der schicken Kulturstadt an – Köln war eine andere Ebene, durch Rudolf Zwirner Rudolf Zwirner (* 1933 Berlin) betrieb von 1959 bis 1962 eine Galerie in Essen. 1962 eröffnete er neue Räumlichkeiten im Kolumbakirchhof in Köln. Zwirner zählte in den 1960er-Jahren zu den ersten deutschen Kunsthändlern, die in ihrem Programm US-amerikanische Gegenwartskunst vertraten, darunter John Chamberlain, Dan Flavin, Allen Jones, Roy Lichtenstein und Andy Warhol. 1966 gründete Zwirner gemeinsam mit Hein Stünke den Verein progressiver deutscher Kunsthändler, aus dem 1967 der erste Kölner Kunstmarkt hervorging. und die ganzen Leute. Aber ich muss sagen, dass das Publikum im Ruhrgebiet offener für Neues war. Die ließen sich nicht mal eben von Gerhard Richter einnehmen. Mode und Hype interessierte die nicht. Wenn ich eine Ausstellung eröffnete, sagten die Leute: „So, Frau Baecker, jetzt erklären Sie erst mal!“

Und was haben Sie dann erklärt?

Was es mit den jeweiligen Künstlern auf sich hatte, aus welchen Richtungen sie kamen und was das Werk jeweils zu bedeuten hat. Sie wollten wirklich viel wissen. Ich habe auch Fluxus-Konzerte in der Galerie gemacht, damals noch mit Philip Corner. Am 25. Juni 1978 veranstaltete die Galerie Inge Baecker eine Reihe von Fluxus-Konzerten, an denen sich Philip Corner, Geoffrey Hendricks, Alison Knowles und Takako Saito beteiligten. Mein Publikum wollte nicht mit dem Sektglas in der Hand und dem Rücken zum Bild stehen. Das interessierte die nicht. Sie wollten wissen, was Sache ist.

Von den Aktionen haben sich zum Teil Dokumentationen, zum Teil die damals verwendeten Objekte erhalten. Zusätzlich gab es natürlich Editionen oder Multiples, die bis heute gehandelt werden.

Ich habe nur eine Edition mit Vostell gemacht – sonst gar nicht. Es war wichtig, was an den Wänden hing. Aber es war auch immer wichtig, was passierte, dass die Leute sahen, wie die Künstler mit ihren eigenen Arbeiten umgingen. Ich habe zum Beispiel die erste Ausstellung mit Endre Tot in Deutschland gemacht, „Endre Tot. Rainproof Ideas“, Galerie Inge Baecker, 09. April – 10. Mai 1976. in der sehr frühe Arbeiten gezeigt wurden. Und die Leute wollten genau wissen: „Warum macht er das so?“ Es ging nicht darum: „Der Name ist bekannt, und mein Bekannter, der Bankier, hat von dem auch schon eine Arbeit. Das müssen wir haben!“ So war es bei mir nicht! Die Leute standen hinter den Werken, die sie kauften. Ich hatte ein ganz anderes Publikum. Das habe ich später in Köln gemerkt. Die Leute kamen rein, und es war teilweise auch brechend voll, aber Gespräche gab es nicht. Da wurde eher gefragt: „Wohin fahren Sie denn in den Urlaub?“

Wie Sie beschrieben haben, haben Sie sich für die Haltung der Fluxus-Leute begeistert. Diese Positionen zu vertreten und für ein größeres Publikum erreichbar zu machen, stelle ich mir schwierig vor.

Es war auch schwierig. Ich habe versucht, die Arbeiten auf Messen auszustellen, das war sehr schwierig. Damals kosteten die Messebeteiligungen noch nicht ganz so viel. 100 Quadratmeter konnte man für 16.000 D-Mark bekommen, heute bekommt man dafür 30 Quadratmeter, wenn überhaupt. Jedenfalls konnte ich damals gar nichts verkaufen. Es gab nur Fotos und Texte. Die Reaktion darauf war: „Ist die verrückt geworden?“ Ich habe mich dann gegen die Messen gewehrt. Ich fand das falsch. Ich habe mich auch selbst auf den Messen beobachtet. Da wird man durch die Menge der Dinge erschlagen, und man ist nur auf ganz bestimme Künstler kapriziert, die austauschbar sind. Sie wissen gar nicht, bei welcher Galerie Sie gerade sind, weil überall das Gleiche an der Wand hängt. Das hat mich sehr gestört. 2001 war meine letzte Messe in Köln. Ich komme mir vor wie ein Dinosaurier. Was soll ich dort? Die Messen waren der reine Kunstkonsum. Ich hatte auch einmal eine Auseinandersetzung mit Zwirner, mit dem ich bis heute gut befreundet bin: „Das was du hier machst, lieber Rudolf, das wird bei mir eine große Leere erzeugen. Mit zwei ‚e‘. Da ist keine Lehre mit ‚h‘ drin, mir fehlt da etwas.“ Er war eben Händler, ich bin Galeristin, das ist ein großer Unterschied.

Sie haben an der Messe teilgenommen, obwohl Sie dort nichts oder wenig verkaufen konnten. Ihnen war daran gelegen, diese Positionen sichtbar zu machen?

Ja, das war der Grund, warum ich da war, für meine Künstler. Ich hatte nicht die Absicht, den großen Reibach zu machen. Obwohl es ein Jahr auf der Messe gab, in dem ich komplett ausverkauft war. Das ist aber nur einmal passiert.

Wann war das?

Da war ich schon in Köln, Mitte/Ende der 80er-Jahre. Da habe ich auch Wolfgang Niedecken Wolfgang Niedecken (* 1951 Köln) ist ein Komponist und Musiker. Von 1970 bis 1974 studierte er Freie Malerei an den Kölner Werkschulen. Seine erste Ausstellung hatte er 1980 in der Galerie in der Friedrichstraße 31 in Berlin. Im März 1985 stellte er erstmals in der Galerie Inge Baecker aus, wo er seither regelmäßig an Ausstellungen beteiligt ist. Mit Wolfgang Boecker, Hans Heres, Klaus Hogrefe und anderen gründete Niedecken 1976 die Kölner Rockband BAP. ausgestellt und das erste Mal etwas von ihm verkauft. Er kam zur Eröffnung, und ich sagte: „Wolfgang, dein Bild ist verkauft!“ – „Was?“

War das der Boom der 80er-Jahre?

Das kann ich nicht so richtig beurteilen. Ich bin erst 83 nach Köln gegangen und hatte dann sehr schnell eine eigene Position in der Stadt, weil ich eine ganz andere Richtung vertrat. Das hat man gerne angenommen. Da kann ich mich nicht beschweren, das ist akzeptiert worden. Ich habe eine Vostell-Ausstellung „Wolf Vostell. Neue Bilderzyklen. Spanierinnen – Metamorphosen“, Galerie Inge Baecker, Köln, 26. April – 14. Juni 1985. gemacht, und von Kagel habe ich die ganzen Instrumente aus dem Staatstheater ausgestellt. „Mauricio Kagel. Musikinstrumente“, Galerie Inge Baecker, Köln, 24. März – 21. April 1985. Dafür gab es einen speziellen Kundenkreis aus Bremen oder Süddeutschland. Das Publikum war sehr unterschiedlich. Es kam nicht nur aus Köln. Das hat sich bis heute fortgesetzt, ich bekomme Anfragen aus Wien oder Budapest.

Mussten Sie dennoch überlegen, wie Sie diese Kunst verkaufen können, um das eigene Geschäft und das der Künstler aufrechtzuerhalten?

Das war nicht ganz einfach. Ich habe bestimmte Ausstellungen gemacht und auch neue Szenen erobert. Zum Beispiel war ich in den 80er-Jahren in Brasilien. Und ich hatte immer sehr gute Kontakte zu den Museen, bessere noch als zu anderen Sammlern.

Wodurch kam das?

Durch die fachliche Auseinandersetzung, die wir führten. Vor allem mit Werner Hofmann in Hamburg. Da ging es zur Sache: „Ich wollte Ihnen das und das zeigen …“ – „Ja, lassen Sie es gleich hier!“ Oder: „Schicken Sie es mir rüber.“ Oder: „Schicken Sie mir die Rechnung.“

Waren Sie damals regelmäßig in den Museen, um die Leute zu treffen?

Da habe ich extra Termine gemacht und habe ihnen dann etwas angeboten oder gefragt: „Können Sie nicht mal eine Ausstellung von dem und dem machen?“ So ist es häufig gelaufen. Und dann habe ich die Brasilien-Ausstellung gemacht, die „Brasil Já“ „Brasil Já. Beispiele zeitgenössischer brasilianischer Malerei“, unter anderem Museum Städtisches Museum Leverkusen Schloss Morsbroich, Leverkusen, 03. September – 30. Oktober 1988. . Damit haben wir Brasilien auf den Markt gebracht. Die brasilianischen Händler kamen dann auch zu den deutschen Kunstmessen. Etwas später hat sich das Ganze um etwas sehr Spannendes erweitert, was mich heute noch beschäftigt: die Türkei. Dafür habe ich mich sehr engagiert.

Ist es Ihre Motivation, das zu zeigen, was andere nicht machen? Lücken zu finden und festzustellen: Das darf nicht übersehen werden?

Genau. Vor ein, zwei Jahren sah ich zum Beispiel zufällig auf Euronews spielende Kinder auf einem Trümmerhaufen und habe dann erfahren, dass es sich um eine Arbeit des syrischen Künstlers Tammam Azzam Tammam Azzam (* 1980 Damaskus, Syrien) ist ein Künstler, der sich in seinem künstlerischen Werk mit dem kriegerischen Konflikt seines Heimatlands Syrien beschäftigt. Bekannt wurde er vor allem für seine Arbeiten der „Syrian Museum Series“. handelte. Auf die Trümmer Aleppos hat er bekannte Bilder der Moderne, zum Beispiel die Mona Lisa, projiziert. Ich habe mich mit seiner Londoner Galerie in Verbindung gesetzt und ihn dann hier gezeigt. Tammam Azzam, Stefanie von Zypern und einen türkischen Künstler. „Azzam – Kiraz – Stefani“, Galerie Inge Baecker, Bad Münstereifel, 14. September – 24. November 2014. Das Problem ist, das gucken sich die Leute zwar an, aber sie kaufen nichts.

Woran liegt das?

Diese Kunst ist zu fremd und spielt auf dem Markt keine Rolle. Der Markt ist sehr stark geworden, Kunstwerke sind Kapitalanlagen.

Syrien ist vielleicht zu exotisch … Leider suchen viele Leute in der Kunst einen Spiegel des eigenen Lebens und sehen darin eben nicht die Chance, die das Kunstwerk bietet: einen anderen Blick auf die Welt. Viele wollen sich mit dem Kunstwerk identifizieren.

Es kommt noch etwas anderes hinzu. Sie müssen sich die entsprechenden Häuser vorstellen: Die Leute wollen etwas Schönes sehen, wenn sie aus dem Büro kommen. Sie wollen sich daran erfreuen. Und an bestimmten Bildern kann man sich nicht erfreuen. Man kann sich davor setzen, darüber nachdenken, aber das wollen sie eigentlich nicht. Das ist auch das Problem mit den Arbeiten von Vostell. Viele kennen den malenden Vostell gar nicht. Man kennt nur seine kritischen Bilder aus den 70-ern, die gehen jetzt bei den Auktionen durch die Decke. Der „Lippenstiftbomber“ wurde jetzt für über 50.000 Euro verkauft. Das läuft. Wenn Vietnam drauf ist ... Aber an seine Malerei, in der er sich kritisch mit der Rolle der Frau auseinandersetzt, will man nicht ran. Das war immer ein schwieriger Punkt, die Leute hängen sich eine schöne Mona Lisa an die Wand – im übertragenden Sinne – aber sie hängen sich kein Bild daneben, in dem der Missbrauch der Frau dargestellt wird.

Sie haben sehr wenige Frauen ausgestellt, später wurden es etwas mehr.

Weil es kaum Frauen gab.

Wo haben Sie nach den Frauen gesucht?

Ich habe zuerst einmal im Happening-/Fluxus-Bereich gesucht. Da gab es außer Yoko Ono noch Takako Saito und Shigeko Kubota, die Frau von Nam June Paik. Mehr gab es nicht. Die Frauen waren immer im Hintergrund.

Sie haben auch Charlotte Moorman gezeigt. Aber warum haben Sie damals zum Beispiel Ulrike Rosenbach Ulrike Rosenbach (* 1943 Bad Salzdetfurth) ist eine Künstlerin, die insbesondere für Werke mit feministisch-kritischem Inhalt bekannt ist, die sie als Video, Performance oder multimediale Installation ausstellt. Ab 1964 studierte Rosenbach Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Karl Bobek, Norbert Kricke und Joseph Beuys. Sie schloss das Studium 1970 als Meisterschülerin von Beuys ab. Rosenbach hatte ihre erste Einzelausstellung 1972 in der Galerie Ernst in Hannover. 1973 wurden ihre Werke in den USA als Teil der von Lucy Lippard kuratierten Wanderausstellung „c. 7,500“ und 1974 in der Ausstellung „Projects: Video II“ im Museum of Modern Art in New York gezeigt. Von 1975 bis 1976 unterrichtete sie feministische Kunst und Medienkunst am California Institute of the Arts in Valencia. In Köln beteiligte sie sich in den 1970er-Jahren an der Schule für Kreativen Feminismus (1976–1982) und produzierte mit den Künstlern Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach für das selbst gegründete Alternativ Television (ATV). Von 1989 bis 2007 lehrte Rosenbach als Professorin für Neue künstlerische Medien an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. nicht gezeigt?

Ulrike Rosenbach habe ich jetzt im Programm. Damals hatte ich noch keinen Kontakt zu ihr.

Sie kannten ihre Arbeit auch nicht?

Ich kannte sie nicht persönlich. Und sie war auch mehr im Foto- und Filmbereich tätig, das war damals nicht so fluxuös. Die anderen waren eher in der Malerei, das kam bei mir so gut wie nicht vor.

Mary Bauermeister Mary Bauermeister (* 1934 Frankfurt am Main) ist eine Künstlerin, die insbesondere für ihre Objekte und Linsenkästen bekannt wurde. Von 1960 bis 1962 organisierte sie Konzerte und Ausstellungen in ihrem Atelier in der Lintgasse 28 in Köln. Neben Nam June Paik und John Cage beteiligten sich unter anderen auch George Brecht, Benjamin Patterson, David Tudor und La Monte Young an den Aktionen. Die Veranstaltungen gelten als wegbereitend für die Entstehung der Fluxus-Bewegung. Ab 1963 lebte Bauermeister für mehrere Jahre in New York und zeigte dort 1964 ihre erste Einzelausstellung in der Galeria Bonino. 1957 lernte Bauermeister den Komponisten Karlheinz Stockhausen kennen, mit dem sie von 1967 bis 1973 verheiratet war. beispielsweise hat mit vielen Künstlern gearbeitet, mit denen auch Sie später gearbeitet haben.

Ich habe Mary in Köln gezeigt. „Happening und Fluxus der 60er und 70er Jahre“, Galerie Inge Baecker, Bad Münstereifel, 18. Mai – 30. Juni 2002. Die Ausstellung umfasste Arbeiten von Mary Bauermeister, Joseph Beuys, Al Hansen, Ben Vautier, Wolf Vostell und anderen. Aber ihre Arbeiten hatten wenig mit dem zu tun, was ich sonst zeigte. Das war eher die Verbindung, die sie vorher durch ihr Atelier gehabt hat. Wir hatten immer Kontakt, aber es war nie so, dass eine Ausstellung zwingend gewesen wäre. Sie hatte auch ihre Galerien, und da konnte ich nicht dazwischen gehen. Das macht man nicht.

Sie waren damals unter den Galeristen eine der wenigen Frauen. Für die Künstlerinnen war es damals offenbar nicht ganz einfach, sich neben den männlichen Kollegen zu behaupten. So wie Sie entschieden haben, mit den Fluxus-Leuten zu arbeiten oder türkische Künstler auszustellen, hätten Sie sich auch für die Frauen einsetzen können, die wenig vertreten waren.

Das wäre aber ein anderes Thema gewesen. Ich habe zwar später auch mal Hela Santarossa gezeigt. Das war eine Parallelgeschichte zu den Jungen Wilden Die nachwachsende Künstlergeneration entdeckte in den 1970er-Jahren die figurative Malerei als Ausdrucksmittel von Spontaneität, Dynamik und Dilettantismus in Abgrenzung zum akademischen Stil. Aufgrund ihres expressiven Malstils werden die Vertreter häufig unter dem Begriff „Junge Wilde“ zusammengefasst. Gemeint sind damit in der Regel die Künstler der Ateliergemeinschaft Mülheimer Freiheit, namentlich Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger, die ab 1979 in Köln-Deutz arbeiteten, sowie die Künstler der Galerie am Moritzplatz, die seit 1977 bestand. Dazu gehörten Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer. Zu den Vertretern der figurativen Malerei der 80er-Jahre werden ferner gezählt: Elvira Bach, Ina Barfuss, Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Volker Tannert und Thomas Wachweger. Vgl. „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“, hg. von Martin Engler, Ausst.-Kat. Städel Museum, Frankfurt am Main, Ostfildern 2015. – die Berliner Wilden habe ich nie gezeigt, sondern die aus meiner Umgebung. Und darunter waren eigentlich keine Frauen, mit denen ich hätte arbeiten können.

Für Sie als Frau war der Umgang mit den Männern kein Problem? Die haben Sie alle ernst genommen und auch voll akzeptiert?

Ja. Mir war es auch egal, ob es ein Mann oder eine Frau war, es gibt für mich nur gute oder schlechte Kunst. In der Türkei gibt es sehr gute Frauen, das hat einen Grund: Die Frauen, die in der Türkei Kunst machen, kommen in der Regel aus vermögenden Familien und müssen kein Geld verdienen, um eine Familie zu ernähren, im Gegensatz zu den Männern. Das heißt, sie können sich frei entwickeln.

In der Kunstgeschichte gibt es fast keine Frauen. Ausnahmen sind Paula Modersohn-Becker oder Gabriele Münter. Wenn Sie noch weiter zurückgehen, werden es immer weniger. Man hatte sich irgendwie daran gewöhnt, dass die Männer die Kunst machen. Das hat sich erfreulicherweise geändert. Damals gab es eine Fluxus-Künstlerin, das war Alison Knowles Alison Knowles (* 1933 New York) ist eine Künstlerin aus dem Umfeld der Fluxus-Bewegung. Zwischen 1962 und 1963 reiste sie erstmals für mehrere Monate durch Europa. Sie beteiligte sich mit künstlerischen Aktionen an den frühen Fluxus-Festivals unter anderem in Kopenhagen (1962) und Düsseldorf (1962). Nach ihrer Rückkehr in die USA begann sie mit der Anfertigung erster Buchobjekte, zu deren frühesten Beispielen „Bean Rolls“ (1963) und „Big Book“ (1967) gehören. Von 1960 bis 1998 lebte Knowles in einer Ehe mit dem Künstler Dick Higgins (1938 Cambridge – 1998 Québec). , sie war die Frau von Dick Higgins, mehr gab es nicht.

Ulrike Rosenbach sagt, sie habe in der Medienkunst die Möglichkeit gesehen, sich mit einem neuen Medium neben den Männern besser behaupten zu können. Vgl. Ulrike Rosenbach. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Sie ist eine unglaublich gute Künstlerin. Sie hat sehr viel im Kopf, und sie hat sehr viele Fähigkeiten. Mit der Medienkunst setzt sie sich von der Malerei, von allem, was es vorher gab, ab. Damit hat sie sich einen eigenen Bereich geschaffen. Das war sehr geschickt, da konnte sie sich ausdrücken. Was sie macht und wie sie es macht, ist hervorragend.

Wie wichtig waren Ausstellungsmacher wie Wulf Herzogenrath, der im Kölner Kunstverein mit der Medienkunst gerade nicht das gezeigt hat, was in den Galerien und in den Museen zu sehen war?

Ich war sehr gerne und sehr häufig mit Herzogenrath zusammen. Ich kannte ihn noch aus der Zeit, als er unter Dieter Honisch im Folkwang Museum in Essen war. Er hat mir damals auch Niedecken vermittelt. Und er war natürlich stark mit Paik und mit allem, was mit Video zu tun hatte, befasst.

Sie haben die Werke von Paik einige Male ausgestellt. Haben Sie die Arbeiten immer gleich verstanden und auch einordnen können? Oder gab es häufiger Verständnisprobleme?

Nein, eigentlich nicht. Und mit Paik sowieso nicht. Ich hatte eher Probleme mit Leuten, die weder zum Paik-Lager – das war ja Mary Bauermeister – noch zum Vostell-Lager gehörten. Vostell hat, das lässt sich nicht leugnen, bereits 1958 ein Fernsehbild in ein Bild eingebaut. Ihm ging es nicht darum, mit dem Fernsehen irgendetwas Unglaubliches anzustellen, sondern für ihn war es wie eine Zeitung. Allerdings eine lebendige, permanent sich erneuernde Zeitung, die er in ein Bild hineinsetzte. Es gibt zwei Bilder der „Transmigration“ Wolf Vostell, „Transmigration“, 1958. . Eines ist in den USA, das andere hat jetzt das ZKM in Karlsruhe gekauft. Das war seine Sache. Immer wieder kam das Fernsehen vor. Paik hat sehr früh mit dem Fernsehen selbst als Medium gearbeitet, ihm ging es mehr um die Bildfläche, nicht um die Nachricht. Er wollte mit dem Fernsehbild etwas machen, das war ein ganz anderer Zugang. Auch Vostell hat ab Anfang der 60er-Jahre mit der Bildfläche gearbeitet, aber auch da ging es ihm um die Information. Es gibt sehr viele Arbeiten von ihm, in denen ein Fernseher eingebaut ist, zum Beispiel seine berühmte MiG, die mit voll funktionierenden Fernsehgeräten bestückt ist. Wolf Vostell, „Engels-Sturz“, 1997. Das ging bei Vostell in eine ganz andere Richtung. Das kann man nicht gegeneinander ausspielen. Ich wurde häufig gefragt: „Was ist denn nun mit Paik, der war doch zuerst?“ Vostell hat die eine Sache zuerst und Paik die andere Sache zuerst gemacht. Das muss man auseinanderhalten.

Warum war das damals so wichtig, wer etwas zuerst gemacht hat?

Das war die Einbildung bei den Leuten.

Man fragt ja auch nicht: „Wer hat das erste Bild gemalt?“

Das ist eine müßige Frage, wer was zuerst gemacht hat. Zumal beide in ganz verschiedene Richtungen zielten. Es spielte also gar keine Rolle. Wie oft hat Goya zitiert?

Aber warum wurde es bei Vostell zum Thema gemacht? Warum sagen so viele bis heute, Vostell hätte einige sehr gute Sachen hervorgebracht, doch vor allen Dingen hätte er sich bei den anderen bedient?

Bei wem denn? Wenn man nachfragt, kommt nichts mehr.

Sie kennen die Vorwürfe!

Ja, von Richter gibt es zum Beispiel ein Bild mit dem Titel „Akt auf einer Treppe“ Gerhard Richter, „Ema (Akt auf einer Treppe)“, 1966. – Marcel Duchamp hatte zuvor den „Akt, eine Treppe herabsteigend“ Marcel Duchamp, „Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2“, 1912. gemalt, und Vostell machte dann einen Zyklus „Frau, die Treppe herunterkriechend“ Wolf Vostell, „Zyklus Akt, die Treppe herunter- und heraufkriechend“, 1983. . Er zitiert dieses Thema, aber er setzt es ganz neu um, darin liegt seine Leistung. Das wollen die Leute aber nicht sehen.

Daher noch einmal meine Frage: Warum wurde Vostell dafür so häufig kritisiert? Und wie ist er selbst damit umgegangen?

Er hat das abgeschüttelt. Das waren Leute, die nicht richtig hingeguckt haben. Die das Bild nur von der Oberfläche her sehen und nicht darüber nachdenken, weshalb es sich auf die eine oder die andere Art verändert. Vostell hat nie das Original kopiert, wenn er es benutzt hat, hat er es vollständig verändert. Eigentlich ist es wie bei Beuys mit dem Hasen oder dem Hirsch. Man erkennt es sofort wieder. Bei Vostell war es genauso. Nur bei Beuys wurde es positiv bewertet, bei Vostell wurde das zum Negativbeispiel, weil man sich massiv gegen seine Gesellschaftskritik wehrte. Diese soll mit den fadenscheinigsten und dümmsten Argumenten irgendwie abgeschüttelt werden.

Sie haben viele Künstler in Ihrer Galerie gezeigt, aber natürlich fällt auch auf, dass Allan Kaprow und Wolf Vostell in der Galerie besonders oft gezeigt wurden. Sie haben es gerade beschrieben, für Sie persönlich hat das am meisten Sinn gemacht. Können Sie beschreiben, warum Sie das Format der Galerie gewählt haben? Was genau wollten Sie mit der Galerie und mit dieser Kunst?

Eigentlich wollte ich zeigen, dass das Nachdenken über die Gesellschaft nicht bei den Philosophen aufhört, sondern dass es bei den Künstlern genauso stattfindet. Da ich aus der klassischen Kunst komme, weiß ich auch, dass dort schon immer viel kritisiert wurde. Das machen die Leute sich aber nicht mehr klar, wenn sie einen Tizian oder einen Raffael oder sonst was angucken. Genauso bei den Holländern, dort ganz besonders. Ich wollte eine Doktorarbeit darüber schreiben, inwieweit die Kunst von Paul Cézanne von den Perspektivbegriffen bei Vermeer abhängig ist. Da gibt es große Übereinstimmungen, besonders bei den Milch ausgießenden Mädchen. Das hat mich interessiert. Ich bin da mehr als Kunsthistorikerin herangegangen, weniger als Händlerin. Selbstverständlich musste die Galerie laufen, daher habe ich ja auch Handel betrieben, das war für mich aber immer zweitrangig. Ich konnte es mir insofern leisten, weil meine Mutter mich sehr unterstützt hat. Grundsätzlich ging es mir darum, etwas zu zeigen, was bis dahin noch keine Beachtung gefunden hatte.

Wenn man etwas Unbeachtetes zeigen möchte, dann will man auch, dass es gesehen wird. Würde man dann nicht an einen Ort gehen, wo möglichst viele Menschen sind? Das war ja damals auch Wolfgang Hahns Argument, Sie zu überreden, nach Köln zu kommen, weil es in Bochum zu wenig Publikum gab. Jetzt sind Sie hier, in Bad Münstereifel …

Wieder weit weg. Die Galerie in Köln lag wunderbar – mitten in der Stadt –, doch es gab keine Parkplätze. Die Leute, auch gute Kunden, sagten mir: „Frau Baecker, wir kommen nicht in die Stadt, wir kriegen da keinen Parkplatz!“ Außerdem hatte ich das Problem, dass ich dort nichts lagern konnte. Ich musste teuren Galerieraum als Lager nutzen, um die Sachen in der Nähe zu haben. Am Ende hatte ich fünf verschiedene Lager und wusste gar nicht mehr, was ich besaß. Ich habe jetzt über 450 Ausstellungen gemacht, da muss man nicht mehr mitten in der Stadt sitzen. Die Leute kommen trotzdem. Sie kommen zu den Eröffnungen, und dann kommen sie nur noch, wenn man sie einlädt und sich verabredet. Unter der Woche kommen sie nicht. In den 80er-Jahren ging das noch, in den 90ern wurde es weniger und weniger.

Sie haben viel mit Künstlern aus den USA gearbeitet, hatten Sie dort auch viel Kontakt zu Galerien?

Zu Nancy Hoffman und Pavel Zoubok Der in Moskau geborene Pavel Zoubok ist ein Galerist, der seit 1997 Ausstellungsräume im New Yorker Stadtteil Chelsea betreibt. Ein Schwerpunkt der Galerie sind Werke von Künstlern, die sich mit der Collage und der Assemblage auseinandersetzen. In der Galerie vertreten sind unter anderen Joseph Cornell, Al Hansen, Robert Motherwell, Mimmo Rotella und Anne Ryan. . Die Galerien waren in San Francisco. Da habe ich zwei Ausstellungen mit Vostell gemacht. Eine in San Francisco und eine in New York in der Kouros Gallery. „Wolf Vostell. Recent Work“, Jannetti-Lanzone Gallery, San Francisco, Herbst 1988; „Wolf Vostell. Recent Work“, Kouros Gallery, New York, 17. November – 31. Dezember 1988. Da gab es schon Kontakte.

Und haben Sie sich mit den Galeristen auch darüber beraten, wie man diese Kunst durchsetzen kann?

Nein, beraten eigentlich nicht. Sie riefen an: „Können wir das haben?“ Oder: „Können Sie uns das vermitteln?“ Es war nicht so, dass man da Themen ausgetauscht hätte. In den USA gibt es kaum Sachgalerien. Pavel Zoubok ist eine Ausnahme. Ich kenne David Zwirner gut, und der Vater hat mir selbst erzählt: „Ich kann Jeff Koons nicht ausstehen!“ Da sagte der Sohn: „Aber, ich habe gerade eine Serie mit 50 Stück aufgelegt und davon schon 40 zu so und so viel Millionen verkauft.“ Das sind ganz andere Denkweisen.

Wie wurde die Kunst von Vostell in den USA aufgenommen?

Die einen sagten, damit könnten sie überhaupt nichts anfangen. „Der Rebell“ hieß es dann sehr schnell. Andere sagten: „Das ist hochspannend.“ Es gab immer beide Meinungen. Bei der großen Ausstellung „Berlinart“ „Berlinart 1961–1987“, The Museum of Modern Art, New York, 04. Juni – 08. September 1987/San Francisco Museum of Modern Art, 22. Oktober 1987 – 03. Januar 1988. An der Ausstellung beteiligt waren unter anderen Georg Baselitz, Robert Filliou, Martin Kippenberger, Bernd Koberling, Salomé, Wolf Vostell und Emmett Williams. , die in New York und San Francisco gezeigt wurde, ist Vostell sehr gut angenommen worden. Darauf kamen dann auch die Anfragen der Galerien: „Können wir den ankaufen?“ Nur, dass das Verkaufen einer so sperrigen Kunst in den USA sehr schwer war.

Hatte das auch damit zu tun, dass das teilweise sehr deutsche Themen waren?

Das kam noch hinzu. Vor etwa 20 Jahren gab es eine Ausstellung von Anselm Kiefer in New York, da stand eine ältere Frau vor einem Bild und sagte: „That’s crazy! Great!“ Als ich es genauer betrachtete, sah ich, dass es die Verbrennungsöfen von Auschwitz waren. Für die Amerikanerin war es nur ein Objekt. Mir ist es kalt über den Rücken gelaufen. Amerikaner funktionieren ganz anders. Sie sind – Entschuldigung, wenn ich das so sage – fast noch oberflächlicher als das, was sich hier bei uns zurzeit abspielt. Was mich auch sehr erschreckt.

Es gab im Umfeld der Künstler, die Sie ausgestellt haben – Kagel, Cage und so weiter – noch eine Figur, die eigentlich durch Heiner Friedrich Heiner Friedrich (* 1938 Stettin, Pommern, heute Polen) gründete 1963 gemeinsam mit Franz Dahlem und seiner damaligen Ehefrau Six Friedrich die Galerie Friedrich & Dahlem in München. 1970 siedelte er mit seiner neuen Lebensgefährtin Thordis Moeller nach Köln über und betrieb dort eine zweite Galerie. Ab 1973 expandierte er in die Vereinigten Staaten und eröffnete im New Yorker Stadtteil SoHo die Heiner Friedrich Gallery Inc. Das Galerieprogramm umfasste wichtige Positionen der Minimal Art und Konzeptkunst, darunter Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd und Walter De Maria. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Helen Winkler und seiner späteren Ehefrau Philippa de Menil gründete Friedrich 1974 in New York die Dia Art Foundation, die eine dauerhafte Setzung künstlerischer Großprojekte unterstützt. in Deutschland schon eine gewisse Präsenz hatte. Das war La Monte Young La Monte Young (* 1935 Bern, Idaho) ist ein amerikanischer Komponist, der in Los Angeles, Berkeley, New York und in Darmstadt bei Karlheinz Stockhausen in Komposition, Jazz und Neuer Musik ausgebildet wurde. Er gehörte der Fluxus-Bewegung an und arbeitete unter anderen mit John Cage zusammen. Young beschäftigte sich ab den 1950er-Jahren auch mit indischer und japanischer Musik und gilt als Mitbegründer der Minimal Music. . War das niemand, der Sie interessiert hätte?

Er war einfach bei anderen Galerien. Ich kannte ihn über Kaprow und hatte ihn in San Diego kennengelernt. Es gab aber keinen direkten Kontakt. Ich hatte eher mit Leuten wie Robert Watts oder Giuseppe Chiari zu tun. Ich habe zum Beispiel auch keine Ausstellung mit Ben Vautier gemacht, weil er von einer anderen Galerie vertreten wurde.

Das schloss sich dann konsequent aus?

Das macht man einfach nicht. Da habe ich mich einmal sehr über Hans Mayer Hans Mayer (* 1940 Ulm) eröffnete im April 1965 seine erste Galerie in Esslingen am Neckar mit einer Ausstellung von Josef Albers. Sein Schwerpunkt lag in den Anfangsjahren auf konstruktivistischer und kinetischer Kunst. Seit 1971 befindet sich die Galerie Hans Mayer in Düsseldorf. Zum Programm der Galerie gehören heute unter anderen Jürgen Klauke, Heinz Mack, Katharina Sieverding, Günther Uecker, Victor Vasarely sowie die US-Amerikaner Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, Frank Stella und Andy Warhol. geärgert. Er hatte mit Niedecken eine große Museumsausstellung „Manfred Boecker und Wolfgang Niedecken – Ob de nu laut mohls oder leis“, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 08. April – 10. Mai 1987. im Lenbachhaus gemacht. Und dann finde ich eine Einladung für eine Ausstellung von Wolfgang Niedecken bei Hans Mayer. Das macht man nicht. Dann ruft man an und fragt: „Frau Baecker, ich möchte mit dem eine Ausstellung machen und wollte Sie informieren …“ Das wäre schon genug gewesen.

Gab es andere Künstler, mit denen Sie gerne gearbeitet hätten, mit denen es aber aus irgendeinem Grund nicht geklappt hat? Weil sie nicht wollten? Weil sie in anderen Galerien vertreten waren?

Eigentlich nicht. Eigentlich habe ich bisher alle bekommen, die ich wollte. Spannend waren für mich immer Musikausstellungen. Ich habe eine Ausstellung zu Ehren von John Cage gemacht, „um John Cage zu ehren“, Galerie Inge Baecker, Bad Münstereifel, 16. September – 28. Oktober 2012. es war unglaublich, was da zusammenkam. Man konnte sehen, wie gerade bei den jungen Künstlern Cage plötzlich wieder in den Köpfen war. Das macht eine Riesenfreude zu sehen, wie diese Ideen weitergetragen werden.

Kannten Sie Ben Patterson Benjamin Patterson (1934 Pittsburgh – 2016 Wiesbaden) war ein Künstler und Musiker. Er zählt zu den Hauptakteuren der Fluxus-Bewegung der 1960er-Jahre. Nach seiner Ausbildung als Kontrabassist an der University of Michigan spielte Patterson in mehreren Orchestern, darunter dem Seventh Army Symphony Orchestra. 1960 reiste er nach Köln, um Karlheinz Stockhausen und andere Komponisten zu treffen, und lernte dort auch Mary Bauermeister und John Cage kennen. 1962 nahm Patterson an dem Festival „Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik“ in Wiesbaden teil und übersiedelte Ende des Jahres 1963 mit seiner Familie nach New York. Patterson war von 1974 bis 1976 Professor am Staten Island Community College und zog 1989 nach Wiesbaden, wo er bis zu seinem Tod lebte. damals? Er war ja auch in dem Fluxus-Umfeld und wohnte sogar zeitweise bei Vostell.

Er war viel in den USA, dann in Wiesbaden. Außerdem war er bei Christel Schüppenhauer, daher bin ich auch an ihn nicht herangetreten. Als ich hier eine Ausstellung „Al Hansen und Freunde“, Galerie Inge Baecker, Bad Münstereifel, 10. Mai – 28. Juni 2015. zum Todestag von Al Hansen machte, habe ich ihn angefragt, und da hat er auch eine Arbeit beigesteuert.

Wie sehen Sie insgesamt in dieser Zeit der 70er-Jahre den Kunstbetrieb oder die Kunstszene hier im Rheinland? Es heißt häufig, Sie hätten alle gut zusammengearbeitet und es habe wenig Konkurrenz gegeben.

Es gab die große Berliner Schule Am 24. Januar 1973 wurde im Berliner Atelier von Johannes Grützke die Schule der Neuen Prächtigkeit ins Leben gerufen. Neben Grützke gehörten dem Zusammenschluss auch die Künstler Manfred Bluth, Matthias Koeppel und Karlheinz Ziegler an. In ihrer künstlerischen Ausrichtung trat die Gruppe für die Prinzipien eines kritisch-satirischen Realismus’ ein. Siehe auch: „Die Schule der Neuen Prächtigkeit: Bluth, Grützke, Koeppel, Ziegler. Gemälde und Dokumente einer Künstlergruppe“, hg. von Diethelm Kaiser/Bénédicte Savoy, Ausst.-Kat. Technische Universität Berlin, Berlin 2009. mit Johannes Grützke und allen, die dazugehörten. Was dann rüberkam, auch aus den neuen Bundesländern, war eine Berliner Angelegenheit, die im Rheinland nie wirklich angenommen wurde, mit einigen wenigen Ausnahmen. Das sind sehr verschiedene Kunstszenen. Berlin hatte eine gewisse Exotik … Ich habe es immer das katholische Rheinland und das protestantische Preußen genannt. Preußen hatte einen anderen Zugang zur bildenden Kunst. Sie müssen nur in die Kirchen gehen, um zu sehen, was sich hier abspielt. Zum Beispiel wurde in Köln sieben Jahre lang Kunst parallel zum liturgischen Jahr in der St. Gereonskirche gezeigt. Wir hatten dort unglaubliche Sachen hängen. Von Vostell über die Türken, es durfte alles hängen. Das ist die Offenheit des Rheinlands.

Und diese Offenheit gab es auch untereinander? Unter den Galerien und Künstlern?

Ja, das muss ich schon sagen. Ich hatte gute Kontakte zu meinen Kollegen.

Gibt es in der Geschichte Ihrer Galerie einen Zeitpunkt, an dem Sie festmachen können, dass die Verkäufe besser wurden?

Das fing mit den Kunstmärkten an. Da wurde dann auch meine Adresskartei viel größer. So richtig begann es eigentlich in den 80er-Jahren, als ich nach Köln kam. Die 80er waren die besten Jahre. Es ging noch in die 90er rein, und dann wurde es wieder weniger und auch exotischer. Entscheidend ist, dass wir jetzt einen völlig anderen Markt haben. Die Chinesen und die Russen kaufen ganz andere Sachen.

Haben Sie versucht, Ihre Künstler auch im Ausland stark zu machen?

Ja, mit Vostell habe ich sogar in Nikosia eine große Grafikausstellung „Wolf Vostell – Grafiksammlung Galerie Inge Baecker“, Ausstellungssaal Casteliotissa, Nikosia, April – Mai 2002. gemacht. In Brasilien wäre es besser gewesen, aber da hatten wir in São Paulo ein Problem mit Pietro Maria Bardi, dem Direktor des dortigen Museums. Die wollten nur brasilianische Kunstwerke zeigen: „Wir haben doch noch die Biennalen. Da kommst du gratis ins Land.“ „Gratis“ hieß, dass die Museen es nicht bezahlen müssen. Also es war schwierig, die Künstler ins Ausland zu vermitteln. Ich habe auch mit einer griechischen Galerie zusammengearbeitet und dort ebenfalls eine Vostell-Ausstellung „Wolf Vostell 1932–1998“, Gallery Artis Causa, Thessaloniki, 24. Januar – 20. März 2008. gemacht, aber es war nicht einfach. Ägypten, wo es sehr gute Künstler gibt, hat einen eigenen Markt, die können mit unserer Kunst überhaupt nichts anfangen. Dort sollen es möglichst keine Personendarstellungen sein, sondern eher abstrakte Kunst. Aber damit habe ich nichts zu tun. Ich kann mich nicht erinnern, je eine Ausstellung mit abstrakter Kunst gemacht zu haben. Einmal Bernard Schultze. Aber das war eine absolute Ausnahme.

Kurz nachdem Sie Vostell kennenlernten, trafen Sie, soweit ich weiß, auch Bazon Brock Bazon Brock (eigtl. Jürgen Johannes Hermann Brock; * 1936 Stolp, Pommern, heute Polen) ist ein Künstler, Kunsttheoretiker und Philosoph. Ab 1957 studierte er Germanistik, Politikwissenschaften und Philosophie an den Universitäten in Zürich, Hamburg und Frankfurt am Main. Parallel absolvierte er eine Dramaturgie-Ausbildung am Landestheater Darmstadt bei Claus Bremer und Gustav Rudolf Sellner. Ab 1959 nahm Brock regelmäßig an Fluxus-Aktionen teil, darunter am „Festival der Neuen Kunst“ 1964 in Aachen sowie am „24-Stunden-Happening“ 1965 in der Galerie Parnass in Wuppertal. 1968 initiierte Brock auf der „documenta 4“ in Kassel die erste Besucherschule, die er bis 1992 begleitend zu den documenta-Ausstellungen fortführte. Als Professor lehrte Brock unter anderem an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1965–1976) und an der Bergischen Universität Wuppertal (1981–2001). 2011 gründete Brock in Berlin-Kreuzberg die „Denkerei mit dem Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand“. ?

Ich hatte eigentlich keinen Kontakt zu ihm. Er war für mich ein Theoretiker. Er war in Hamburg an der Hochschule und hat dort Vorlesungen gehalten. In den 50er-Jahren hat Brock Verschiedenes gemacht, an dem auch Vostell beteiligt war. In den 60er-Jahren hat Vostell auch mehr mit Brock gearbeitet als mit Beuys, vielleicht zehnmal in zehn Jahren und Beuys fünfmal – mehr waren sie gar nicht zusammen. Danach haben sie sich auseinanderentwickelt. Was da immer konstruiert wird, dass sie so viel miteinander zu tun gehabt hätten, stimmt de facto nicht!

Dass man mit Bazon Brock nicht auf einem Podium sitzen will, verstehe ich …

Der redet die Leute ja zu Tode.

… aber die Gedankengänge, die Haltung, die Sie an Ihren Künstlern so geschätzt haben und die Sie so begeistert hat, die hat Brock auf jeden Fall. Er hat eine Haltung.

Ja, die hat er.

Er hat einen Anspruch, hat zu der Aufbruchsstimmung und auch zur Nachkriegszeit Stellung bezogen, er war unabhängig, und er hing nicht an irgendeinem Werk. Er hing vielleicht an seinen Theorien ...

Wenn er seine Theorien erklärte, war er sehr gut. Aber wenn er immer bei Humboldt oder am besten noch bei Sokrates anfing , verlor er sich dermaßen in seiner eigenen Rede, dass man große Probleme hatte, überhaupt zu verstehen, was er eigentlich sagen wollte. Er schwebt in einer eigenen Welt ...

Wen gab es sonst? Mit Kasper König waren Sie fachlich nicht auf einer Linie, wie Sie sagen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Harald Szeemann Harald Szeemann (1933 Bern – 2005 Tegna im Tessin, Schweiz) war von 1961 bis 1969 als Direktor an der Kunsthalle Bern tätig. Dort zeigte er 1969 die wegweisende Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“. Szeemann leitete die „documenta 5“ (1972) sowie die Biennale von Venedig in den Jahren 1999 und 2001. Mit seinen innovativen Ausstellungsformaten zählte er zu den wichtigsten Vermittlern der Kunst seiner Zeit. ?

Das war Charlie Ruhrberg. Er hatte engen Kontakt zu Szeemann und hat ihn gefragt, weil Szeemann die Ausstellung „Happening & Fluxus“ in Köln gemacht hatte. Ich hatte zuerst Charlie Ruhrberg gefragt, ob er das machen wolle. Aber er sagte, Szeemann wäre besser, der sei im Thema. Er hat dann den Kontakt hergestellt, und Szeemann hat zugestimmt. Das war gar kein Problem.

Gab es außer den Künstlern noch andere Gesprächspartner, mit denen Sie sich inhaltlich auseinandergesetzt haben? Ich stelle mir vor, wenn man eine Galerie betreibt und ein derart spezielles Programm hat, dass man das auch mal diskutieren muss. Oder waren Sie sich Ihrer Sache immer sicher?

In dem, was ich machte, war ich mir sicher. Aber durch die vielen Kontakte zu den Museumsleuten gab es auch Anregungen, bestimmte Dinge neu zu sehen. Das traf besonders auf Werner Hofmann zu, das waren theoretische Auseinandersetzungen. Wenn es um die praktische Sache ging, waren Charlie Ruhrberg oder auch Jürgen Harten wichtige Gesprächspartner für mich. Wir haben uns häufig zum Abendessen getroffen und dann diskutiert. Das war wichtig. Wie funktioniert was? Was läuft wo? Das waren gute Anregungen. Damals gehörte auch Evelyn Weiss Die Kunsthistorikerin Evelyn Weiss (1938 Rom – 2007 Bonn) war von 1983 bis 2003 stellvertretende Leiterin des Museum Ludwig in Köln. 1977 betreute sie gemeinsam mit Klaus Honnef die Abteilungen für Malerei und Fotografie der „documenta 6“. Sie galt als enge Vertraute des Sammlerpaars Peter und Irene Ludwig. dazu. In Duisburg war noch Siegfried Salzmann Siegfried Salzmann (1928 Hannover – 1994 Bremen) war ein Kunsthistoriker, der von 1971 bis 1984 das Lehmbruck Museum in Duisburg leitete. Anschließend war er bis 1993 Direktor der Kunsthalle Bremen. Salzmann gilt als Experte für Skulptur des 20. Jahrhunderts. sehr wichtig. Mit Werner Schmalenbach Werner Schmalenbach (1920 Göttingen – 2010 Düsseldorf) leitete von 1955 bis 1962 die Kestnergesellschaft in Hannover und war von 1962 bis 1990 Direktor der neu gegründeten Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Er wirkte außerdem an zahlreichen internationalen Großausstellungen mit, darunter als Kommissar der Biennale von Venedig (1960) oder den Biennalen in São Paulo (1961, 1963, 1965). 1959 und 1964 war er im Arbeitsausschuss der documenta. habe ich mich nur wenig auseinandergesetzt. Das waren alles gute Kontakte. Auch Wolfgang Becker Wolfgang Becker (* 1936 Hannover) ist ein Kunsthistoriker, der ab 1969 die Neue Galerie – Sammlung Ludwig in Aachen leitete. Dort organisierte er 1980 die Ausstellung „Les Nouveaux Fauves“, auf die der Begriff der Neuen Wilden zurückgeht. Als die Neue Galerie 1991 in das Ludwig Forum für Internationale Kunst überging, wurde Becker Gründungsdirektor. Das Amt hatte er bis 2001 inne. Becker gilt als enger Vertrauter des Sammlerpaars Peter und Irene Ludwig. in Aachen.

Hatten Sie auch Kontakt zu Daniel Spoerri Daniel Spoerri (eigtl. Daniel Isaak Feinstein; * 1930 Galaţi, Rumänien) ist ein Künstler, der insbesondere mit seinen Assemblagen aus Abfallprodukten – den sogenannten „Fallenbildern“ – bekannt wurde. Zwischen 1949 und 1954 studierte er modernen Tanz und Ballett in Zürich und Paris, bevor er 1957 als Regieassistent am Landestheater in Darmstadt arbeitete. 1959 siedelte Spoerri nach Paris über. In dieser Zeit entstanden seine ersten „Fallenbilder“, und er gründete die Edition MAT. Am 27. Oktober 1960 unterzeichnete er gemeinsam mit Arman, François Dufrêne, Raymond Hains, Yves Klein, Martial Raysse, Pierre Restany, Jean Tinguely und Jacques de la Villeglé das Gründungsmanifest der Nouveaux Réalistes. ?

Ich habe einmal eine Ausstellung „Daniel Spoerri“, Galerie Inge Baecker, Köln, 23. März – 25. April 1987. mit ihm gemacht, die sehr schön war. Er hat eine große Arbeit gezeigt, für die ich auch einen Kunden hatte und zwar niemand Geringeren als den Besitzer des „Kölner Stadtanzeigers“. Das habe ich Spoerri gesagt, und er hat sofort den Preis verdoppelt, noch während ich verhandelte. Da sagte ich: „Herr Spoerri, so geht das nicht! Ich habe es zu dem Preis, der auf dem Zettel steht, vermittelt. Da kann ich jetzt nicht plötzlich sagen: „Es kostet das Doppelte!“ Da sagte er: „Ich will es aber so.“ Und dann habe ich gesagt: „Herr Spoerri, holen Sie Ihre Sachen ab. So arbeite ich nicht!“ Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu Spoerri. Das ging nicht.

War das bekannt? Ich habe neulich schon mal gehört, dass Spoerri irgendwo nicht teilgenommen hat, weil es kein Honorar gab. Vgl. Wulf Herzogenrath.

Ich wusste es nicht, habe es aber selbst erlebt und fand es überhaupt nicht witzig. Das macht man einfach nicht.

Wie haben Sie überhaupt die Preise gemacht?

Zuerst spricht man mit dem Künstler. Um ein kleines Beispiel zu nennen: Ich habe damals die Ausstellung von Al Hansen mit 50 Arbeiten angekauft. Damals, 1972, kosteten die Arbeiten, glaube ich, 1.000 D-Mark. Heute kostet eine Arbeit 3.400 Euro. Man hält das im Rahmen. Es gibt bestimmte Arbeiten, die sind teurer geworden, gerade bei Vostell. Es gibt wichtige Arbeiten, zum Beispiel „Sawdust“ Allan Kaprow, „Sawdust“, 1970. , die erste Partitur von Kaprow in Deutschland. Sie ist nicht sehr groß, aber teuer.

Haben Sie die Werke in der Regel angekauft?

Zum Teil. Ich habe beispielsweise von René Halkett einmal 30 Collagen gekauft. Da lebte er noch. Er war am Bauhaus Schüler von Oskar Schlemmer. Bei Vostell habe ich immer eine Arbeit aus der Ausstellung gekauft. Früher habe ich mehr angekauft als heute.

Hatten Sie mit irgendeinem Ihrer Künstler Verträge?

Nein, das haben wir nicht gemacht. Vostell wollte das zwar, aber ich hätte es nicht durchhalten können. Das geht nur, wenn die Sachen wirklich laufen. Wenn ich weiß, ich verkaufe jeden Monat im Wert von X. Das konnte ich aber bei dieser Kunstrichtung wirklich nicht garantieren.

Was hatten Sie stattdessen mit den Künstlern Ihrer Galerie vereinbart? Eine bestimmte Anzahl von Ausstellungen im Jahr, Vorkaufsrecht, oder wie lief das?

Das gab es bei den Künstlern nicht, mit denen ich gearbeitet habe. Nehmen wir zum Beispiel Geoffrey Hendricks. 30 Jahre lang hat er nur mit mir gearbeitet. Später hatte er noch einen Galeristen in Münster. Und da habe ich auch gar nichts dagegen, ich habe meine Kunden, und er hat seine. Ich finde es an sich ganz gut, wenn ein Künstler drei, vier Galerien in Deutschland hat. Das ist in Ordnung. Nehmen wir zum Beispiel Vostell. Er hat natürlich einen Kundenstamm in ganz Deutschland. Aber ich bin die einzige Galerie, in der Sie Werke von ihm bekommen können. Rafael Vostell macht zwar im Internet einiges, aber er hat natürlich nicht die Werke, die ich habe. Ich besitze über 60 Grafiken. Ich habe über 40 Ausstellungen mit ihm gemacht, da ist viel zusammengekommen.

Es gab in den 70er-Jahren einen Boom von Editionen und Multiples. Wäre das nicht gerade bei den Künstlern, die Sie vertraten, auch eine gute Möglichkeit gewesen, einerseits zusätzliche Einnahmen zu erzielen und andererseits das Werk etwas mehr zu verbreiten?

Das haben die Fluxus-Leute eigentlich nicht gemacht. Bei Vostell gab es natürlich Editionen. Auch Kaprow hat einmal eine Grafikedition gemacht, kleinere Sachen. Sonst haben meine Künstler eigentlich keine Grafiken hergestellt. Das ist eine andere Art von Kunst. Das hätte bei mir nicht funktioniert.

Wie fanden Sie die Arbeit von Klaus Staeck Klaus Staeck (* 1938 Pulsnitz) ist gelernter Grafikdesigner und Jurist. In seinen künstlerischen Arbeiten beschäftigt er sich insbesondere mit der politischen Karikatur. 1965 gründete er den Verlag Edition Tangente, aus dem 1972 die Edition Staeck hervorging. Neben eigenen Arbeiten verlegt Staeck dort auch Editionen anderer Künstler, unter anderen von Thomas Bayrle, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Hanne Darboven, A.R. Penck und Sigmar Polke. Zu den engsten Weggefährten Staecks zählen Joseph Beuys, Dieter Roth und Daniel Spoerri. Von 2006 bis 2015 leitete er als Präsident die Akademie der Künste in Berlin. ? Er hat ja sozusagen die Superedition gemacht.

Ich fand die Idee von Staeck toll. Hervorragend! Ich habe eine sehr schöne Arbeit von Paik aus dieser Edition. Paik kam und sagte: „Ich habe dir etwas mitgebracht, anstelle von Blumen.“ Und dann legte er mir eine Grafik hin.

Wie haben die Sammler oder Käufer das Unikat im Verhältnis zur Edition bewertet?

Die Fluxus-Sammler wollten das Original und am besten mit persönlicher Widmung des Künstlers. Die interessierten sich nicht für Grafiken. Die letzte Grafik, die ich verkauft habe, war von Vostell, an das Haus der Geschichte. Die Grafik entstand zur Olympiade 72. Sagen wir mal so: Denen reichte die Grafik.

Würden Sie sagen, dass der Kontakt unter den Fluxus-Leuten, der Zusammenhalt derer, die die Verbindung von „Kunst und Leben“ propagierten, enger war als bei anderen Künstlergruppierungen?

In gewisser Weise schon. Das konnte man vor vier Jahren bei dem Fluxus-Festival „Fluxus at 50“, Museum Wiesbaden, 02. März – 24. Juni 2012. in Wiesbaden beobachten. Die haben es tatsächlich geschafft, diejenigen, die noch lebten, wieder auf die Bühne zu bringen. Das hat wunderbar funktioniert. Sie waren alle über 80, das war unglaublich.

Die Fluxus-Künstler sind auf die Bühne gegangen, damit waren die Besucher erstmals auch Publikum. War das der Anfang der Öffnung von Kunst, der Beginn einer „Kunst für alle“?

Da muss man unterscheiden. Die Leute, die von Cage kamen und Fluxus entwickelt haben, sind im Konzertraum aufgetreten. Da war auf der einen Seite das Publikum, auf der anderen Seite waren die Akteure. Die Auflösung kam erst mit Vostell. Das war der große Sprung in die allgemeine Landschaft, was auch immer man darunter verstehen will. Das war das Verlassen des Museums. Vostell hat selbst noch viel in Museen gemacht, weil er auf verschiedenen Ebenen arbeitete. Beispielsweise haben wir seine frühen Fotos in der Galerie gezeigt, aber das Happening spielte sich draußen ab. Deswegen hatte er auch den großen Krach mit Claes Oldenburg. Oldenburg ist mit seinen Arbeiten anfangs auch nach draußen gegangen, hat dann aber selbst eine Galerie gegründet, die Ray Gun Manufacturing Company. Im Winter 1961 bezog der Künstler Claes Oldenburg (* 1927 Stockholm) in New York ein Atelier in der 107 East Second Street. Das ehemalige Ladengeschäft nannte er Ray Gun Manufacturing Company. Im Dezember des gleichen Jahres zeigte er dort die Ausstellung „The Store“, in der nachgebildete Alltagsgegenstände wie in einem Geschäft zum Verkauf angeboten wurden. Siehe auch: David Hopkins, „After Modern Art 1945–2000“, Oxford 2000, S. 109–110. Er konnte sich das leisten, weil er ein wohlgestellter Professor an der Universität war. Er war nicht davon abhängig, was er als Künstler produzierte. Die anderen mussten aber davon leben, das war der große Unterschied. Das Happening, das wirklich draußen stattfand, wie es von Vostell ausgegangen ist, war etwas anderes als die Verbindung von „Kunst und Leben“. Es ist allerdings nie wirklich definiert worden, was darunter zu verstehen ist. Das müsste man einmal genauer nachfassen.

Hatten die Fluxus-Künstler damals das Publikum, das sie sich wünschten? Und wie ist das heute? Ist Fluxus Geschichte, eine Bewegung, die der Vergangenheit angehört, oder was bleibt?

Das weiß ich nicht. Es gibt heute kaum noch Leute, die Happenings gestalten oder konzipieren können. Heute gibt es Flashmobs. Ich kenne kaum einen Künstler, der ein Happening durchspielen, der es als Struktur aufbauen könnte. Das ist im Grunde mit den Künstlern gestorben. Das war eine Bewegung, die vielleicht in anderer Form einmal wiederkommt. Wir können die Happenings heute wiederholen. Bei Vostell geht es allerdings schlecht, weil seine Aktionen sehr materialintensiv waren. Ich kann heute nicht ein Auto auf die Schienen stellen und einen Zug dagegen fahren lassen. Das gäbe Ärger. Aber das, was Kaprow gemacht hat, ist zum Beispiel wiederholbar, kein Problem.

War Happening genauso wie Video oder Fotografie auch eine Art neues Medium in der Kunst?

Es ist als neue Kunstform begriffen worden, ja. Es war schon sehr an den Künstler gebunden. Das ist eigentlich auch das Problem. Was heute bei den jüngeren Künstlern fehlt, ist das Denken in Strukturen. Sie können sich einen Vorgang wie ein Happening im Ablauf nicht vorstellen. Die sagen: „Irgendetwas, das passiert, ist ein Happening.“ Das ist es eben nicht! Darum hat Kaprow auch gesagt: „Ich streiche bei mir den Ausdruck Happening – es wird Activity.“ Das ist eine durchgestaltete Angelegenheit, und ich sehe heute – zumindest in dem Bereich, ich dem ich mich ein bisschen auskenne – keinen Nachfolger. Die alten Partituren werden heute wieder gesehen. Und ich glaube, es würden gerne viele bei einem Happening mitmachen, wenn es jemanden gäbe, der es könnte, der wirklich ein sinnvolles Happening zustande brächte. Die Happenings von Kaprow und Vostell hatten Zielrichtungen. Die sollten etwas bewegen, auslösen, bewirken. Heute sind das vielleicht kurze Performances: „Werfen Sie bitte ein Tempotaschentuch in diese Richtung.“ Das hat mit einem Happening nichts zu tun. Das ist ein großes Missverständnis. Auch in Japan, wo es die Gutai-Gruppe Die Gutai-Gruppe war eine 1954 von den Künstlern Shozo Shimamoto (1928 Osaka, Japan – 2013 Osaka, Japan) und Jiro Yoshihara (1905 Osaka, Japan – 1972 Ashiya, Japan) gegründete Kunstbewegung in Japan. In dem 1956 erschienenen Manifest „Gutai bijutsu sengen“ forderten sie den künstlerischen Einbezug neuer Medien sowie eine performative Erweiterung der Malerei. Weitere wichtige Mitglieder der Gruppe waren Takesada Matsutani, Kazuo Shiraga und Atsuko Tanaka. Siehe auch: Marco Francioli/Fuyumi Namioka (Hg.), „Gutai – Painting with Time and Space“, Mailand 2011. gab, hat es keine Nachfolger gegeben. Es war eine andere Zeit, es war der große Aufbruch. Als ich neulich in der Kunsthalle Düsseldorf war, standen in einer Ecke ein Futon und ein paar Farben. Und Gregor Jansen sagte zu mir: „Das ist großartig.“ Ich habe es nicht mehr verstanden. Ich habe nicht verstanden, was daran so großartig sein soll.

Sie sagten gerade, „Es war der große Aufbruch“. Aufbruch von wo und wohin?

Das ist genau die Frage. Ich kann mich erinnern, wie Kaprow einmal zu Vostell sagte: „Wenn das, was wir jetzt angerührt haben, weitergeht, dann möchte ich nicht, dass mir das um die Ohren fliegt.“ Und das passiert gerade. Kaprow war ein Denker, auch ein Philosoph – das hat das Publikum gar nicht erfasst. Heute wird nur noch die dünnste, einfachste Form genommen, und das wird als Kunst erklärt. Nach dem Motto von Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Das wird damit aufgegriffen. Es wird alles verwurstet, und es kommt nur schierer Unfug dabei heraus, der immer dünner wird. Bei der Malerei genauso. Es passiert nichts Neues mehr. Das ist das Problem. Alles, was zur äußersten Auflösung hat passieren können, ist passiert. Das haben die Happening- und Fluxus-Leute uns vorgemacht. Sie haben es aufgelöst. Was sollen die jüngeren Künstler heute erfinden? Das ist ein großes Problem. Heute möchte ich nicht als Galerist anfangen.

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Inge Baecker