Café Deutschland

Im Gespräch mit der ersten Kunstszene der BRD

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Rolf Ricke

Rolf Ricke

Rolf  Ricke

Rolf Ricke

Berlin, 18. November 2015

Rolf Ricke: Ich war am Wochenende in Frankfurt und habe diese tolle Ausstellung in der Schirn gesehen: die „Sturm-Frauen“. „Sturm-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932“, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt am Main, 30. Oktober 2015 – 07. Februar 2016. Ich muss sagen, wenn man über die Entwicklung der künstlerischen Welt nachdenkt und wie weit die damals in den 20er-Jahren schon waren, sind wir heute im Verhältnis dazu wieder zurückgefallen. Dies und jenes ist passiert, dann kamen die Kriege, und in den 60er-Jahren musste das alles wieder aufgeräumt werden. Vor ein paar Jahren hat der Rückschritt erneut begonnen, wobei das alles schon einmal überwunden war. Wenn ich mir diese Power angucke, die die Frauen damals hatten, das ist unglaublich! Ich habe eine Galerie in einer Zeit geführt, in der – das war die Kippenberger Martin Kippenberger (1953 Dortmund – 1997 Wien) war ein Künstler, der insbesondere für seine humorvollen, konzeptuellen und teilweise zynischen Arbeiten bekannt ist. Ab 1972 studierte er offiziell in der Klasse von Claus Böhmler und Franz Erhard Walther an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 1978 zog er nach Berlin, wo er die Geschäftsführung des SO36 übernahm und gemeinsam mit Gisela Capitain Kippenbergers Büro gründete. Während der 1980er-Jahre war Kippenberger mit Werner Büttner, Albert Oehlen und Georg Herold in zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten. 1986 zeigte das Hessische Landesmuseum in Darmstadt mit „Miete Strom Gas“ seine erste institutionelle Einzelausstellung. Als Gastprofessor lehrte Kippenberger an der Städelschule in Frankfurt am Main (1990) und an der Gesamthochschule in Kassel (1992). -Zeit – ich durchaus von Kollegen gefragt wurde: „Wieso stellst du eigentlich Frauenkunst aus?“

Franziska Leuthäußer: Und was haben Sie geantwortet?

Mir ist es in erster Linie einmal egal. Ich bin auch tausendmal gefragt worden: „Warum stellen Sie immer mehr amerikanische Künstler aus?“ Das ist mir auch egal. Ich kann auch chinesische Künstler ausstellen. Die gab es damals allerdings noch nicht. Mich interessiert die Qualität, nicht das Geschlecht oder die Rasse. Ich bin sehr früh in New York gewesen und habe dadurch auch diese ganzen Emanzipationsbemühungen und Kämpfe kennengelernt. Für den Sammler Hans-Joachim Etzold unternahm Rolf Ricke zu Beginn des Jahres 1965 eine Reise nach New York. Vor allen Dingen im künstlerischen Bereich gab es 69/70 eine wirkliche Diskriminierung in Bezug auf Frauen.

In Deutschland wurde die Kunst von Frauen so gut wie gar nicht ausgestellt. Die Emanzipation in den USA mag zu Kämpfen und Unsicherheiten geführt haben, aber sie war offenbar viel weiter als hier in Europa.

Wir haben denen ja alles nachgemacht.

Wie muss man sich die Diskriminierung der Frauen in Deutschland in der Kunstwelt damals vorstellen?

Künstler wie zum Beispiel Markus Lüpertz, das waren Machos. Ich kannte die eigentlich gar nicht, weil ich mich nur für eine ganz bestimmte Richtung von Kunst interessiert habe. Das war damals auch einfacher als heute, weil alles sehr getrennt war. Aber innerhalb von bestimmten Kreisen gab es diesen Kampf. In den USA waren die männlichen Künstler eigentlich diejenigen, die die weiblichen Künstler gefördert haben: Sol LeWitt und Lee Lozano Lee Lozano (1930 Newark, New Jersey – 1999 Dallas, Texas) war eine US-amerikanische Künstlerin, die sich in ihren Werken mit Themen der kulturellen und geschlechtlichen Identität sowie mit Fragen der Institutionskritik beschäftigte. 1961 zog sie nach New York und zählte dort zum engen Freundeskreis von Sol LeWitt und Carl Andre. Zu Beginn der 1970er-Jahre brach Lozano den Kontakt zur Kunstwelt ab und lebte bis zu ihrem Tod in Dallas. Eine umfassende Einzelausstellung ihrer Arbeiten im MoMA PS1 leitete 2004 die posthume Wiederentdeckung ihres künstlerischen Schaffens ein. . Oder Nancy Graves Nancy Graves (1939 Pittsfield, Massachusetts – 1995 New York) war eine US-amerikanische Künstlerin, die sich in ihren Arbeiten vorwiegend mit der hyperrealistischen und abstrakten Darstellung von Natur- und Bewegungsphänomenen beschäftigte. Während ihres Studiums in Yale lernte sie Richard Serra kennen, mit dem sie von 1965 bis 1970 verheiratet war. und Richard Serra. Und Joan Jonas Joan Jonas (* 1936 New York) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die als Wegbereiterin der Videoperformance gilt. Mitte der 1960er-Jahre zog sie nach New York, wo sie enge Kontakte zu den Künstlern Dan Graham und Richard Serra unterhielt. Mit Serra arbeitete sie Anfang der 1970er-Jahre an mehreren Projekten zusammen, etwa bei der Videoarbeit „Anxious Automation“ (1971). . Auch schon in den 50er-Jahren. Damals sind schon sehr viele Arbeiten von Künstlerinnen in den berühmten Galerien ausgestellt worden. Leo Castelli hat Lee Bontecou gezeigt, er hat Marisol ausgestellt. Zwischen 1958 und 1960 zeigte die Castelli Gallery in New York Einzelausstellungen von Marisol Escobar (1930 Paris – 2016 New York) und Lee Bontecou (* 1931 Rhode Island, New York): „Marisol“, 18. November – 14. Dezember 1958; „Lee Bontecou“, 09. November – 03. Dezember 1960. Das war ja hier alles nicht der Fall. Allerdings gab es in ganz bestimmten, in entscheidenden Ausstellungen der öffentlichen Institutionen in New York eine Art unsichtbare Sperre. Henry Geldzahler Henry Geldzahler (1935 Antwerpen – 1994 Southampton, New York) war ein US-amerikanischer Kunsthistoriker belgischer Herkunft, der von 1960 bis 1977 zunächst als Assistenz- und später als Chefkurator für Gegenwartskunst am Metropolitan Museum of Art in New York arbeitete. Ab 1977 hatte er fünf Jahre lang das Amt des Kulturbeauftragten der Stadt New York inne. Als freier Kurator konzipierte er ab 1982 unter anderem Ausstellungen für das PS1 und die Dia Art Foundation. Henry Geldzahler galt als enger Freund von Jackson Pollock, Frank Stella und Andy Warhol. hat die Ausstellung „New York Painting and Sculpture. 1940–1970“ „New York Painting and Sculpture. 1940–1970“, The Metropolitan Museum of Art, New York, 18. Oktober 1969 – 01. Februar 1970. gemacht. Da war Jo Baer Jo Baer (* 1929 Seattle) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die zu den frühen Vertretern der Hard-Edge-Malerei zählt. Ihre erste Einzelausstellung fand 1968 in der Galerie Ricke in Köln statt. zum Beispiel nicht dabei. Da war Lozano nicht dabei. Das war eindeutig diskriminierend gemeint. Obwohl Henry Geldzahler wiederum schwul war und selbst diskriminiert wurde. Das ist eine sehr merkwürdige Geschichte. Dann gab es aber zum Beispiel diese große Bewegung The Kitchen The Kitchen wurde 1971 von dem Künstlerpaar Steina und Woody Vasulka in der ehemaligen Küche des Mercer Arts Center in Greenwich Village in New York gegründet. Der Raum für Videokunst, Performance und Musik wurde schnell zu einem wichtigen Treffpunkt der New Yorker Künstlerszene. Es stellten unter anderen aus: Vito Acconci, Laurie Anderson, Charles Atlas, Dara Birnbaum, Lucinda Childs, Bill T. Jones, Sherrie Levine, Robert Longo, Robert Mapplethorpe, Cindy Sherman und Kiki Smith. Siehe auch: David Azarch (Hg.), „The Kitchen Video Collection. Two Decades of the Video Vanguard“, New York 1996. , wo die Frauen eine unwahrscheinliche Dynamik entwickelt haben. Das ist in Amerika wirklich viel besser gelaufen als hier, weil die Gesellschaft anders gepolt ist. Und die streiten ganz heftig. Sie fordern und streiten. Irgendwann kam diese merkwürdige Unisex-Kleidung auf. Alle in Parkas und Uniformen. Die Frauen sahen alle aus wie Männer. Yoko Ono Yoko Ono (* 1933 Tokio) ist eine US-amerikanische Künstlerin japanischer Herkunft. Nach dem Abbruch ihres Musikstudiums am Sarah Lawrence College in Yonkers, New York, bezog sie Ende der 1950er-Jahre gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann Toshi Ichiyanagi ein Loft im New Yorker Stadtteil Manhattan. Im Umfeld von John Cage und La Monte Young schloss sie sich der US-amerikanischen Fluxus-Bewegung an. Zu ihren bekanntesten Arbeiten aus dieser Zeit zählen die Aktionen „Wall Piece for Orchestra“ (1962) und „Cut Piece“ (1965). 1966 lernte Ono den Musiker John Lennon in London kennen, den sie im März 1969 heiratete. Bis zu Lennons Ermordung im Dezember 1980 arbeitete das Paar an experimentellen Musikkompositionen und engagierte sich politisch. Onos künstlerisches Werk wurde international gezeigt, unter anderem auf der „documenta 5“ (1972) und der „documenta 8“ (1987). Siehe auch: „Yoko Ono. Half-A-Wind Show. Eine Retrospektive“, hg. von Max Hollein/Ingrid Pfeiffer, Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt am Main u. a., München u. a. 2013. darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Es ging dann relativ schnell. Diese ganze Emanzipationswelle hat keine zwei Jahre gedauert, dann war sie durch. Denn es war damals die Zeit, voller Visionen, voller Zukunftsorientierung. Es war das Gegenteil von heute.

Sie haben in Ihrer Galerie schon früh amerikanische Künstlerinnen gezeigt.

Ja. Wenn Sie wissen wollen, wie das alles kam, können wir vorne anfangen: Mit der Galerie habe ich in Kassel begonnen. Ein Schüler von Professor Bode Arnold Bode (1900 Kassel – 1977 Kassel) war ein deutscher Künstler und Ausstellungsmacher, der als Gründer der documenta in Kassel gilt. 1936 belegte ihn das nationalsozialistische Regime mit Berufsverbot und stufte seine künstlerische Arbeit als „entartet“ ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich Bode maßgeblich am Wiederaufbau der Kunstakademie in Kassel und gründete die Gesellschaft Abendländische Kunst des XX. Jahrhunderts e. V., aus der 1955 die erste documenta hervorging. Bode war als künstlerischer Leiter der „documenta 2“ (1959) und der „documenta 3“ (1964) tätig. Mit der Gründung der documenta als internationale Großausstellung der modernen und zeitgenössischen Kunst trug Bode wesentlich zum Anschluss Deutschlands an die Kunstwelt nach dem Zweiten Weltkrieg bei. , Tom Gramse Tom J. Gramse (1940 Lüben, Schlesien, heute Polen – 1982 Soest, Niederlande) war ein deutscher Künstler, der vor allem für seine gegenständlichen Zeichnungen und fotografischen Serien bekannt ist. Ab 1966 war er im Programm der Galerie Ricke vertreten. , war mein erster deutscher, sogenannter „eigener“ Künstler. Dann kam Michael Buthe Michael Buthe (1944 Sonthofen – 1994 Köln) war ein deutscher Künstler, der sich in seinen Arbeiten häufig mit außereuropäischen Kulturen sowie der Ästhetik „armer“ Materialien beschäftigte. Ab 1968 stellte er in der Galerie Ricke aus. dazu. 1967 war der erste Kunstmarkt Auf Betreiben der beiden Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt vom 13. bis 17. September 1967 in den Räumen des Gürzenich statt. Unter den 18 beteiligten Galerien waren neben den Galerien von Stünke und Zwirner: Galerie Aenne Abels (Köln); Galerie Appel & Fertsch (Frankfurt am Main); Galerie Block (Berlin); Galerie Brusberg (Hannover); Galerie Gunar (Düsseldorf); Galerie Müller (Stuttgart); Galerie Neuendorf (Hamburg); Galerie Niepel (Düsseldorf); (op) art galerie (Esslingen); Galerie Ricke (Kassel); Galerie Schmela (Düsseldorf); Galerie Der Spiegel (Köln); Galerie Springer (Berlin); Galerie Stangl (München); Galerie Thomas (München); Galerie Tobiès & Silex (Köln); Galerie van de Loo (München); Galerie Rudolf Zwirner (Köln). Vgl. auch „Kunstmarkt Köln ’67. Entstehung und Entwicklung der ersten Messe für moderne Kunst, 1966–1974“, Reihe „sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels“, Nr. 6, 2003. , den wir alle zusammen gemacht haben. Es war ein so großer Erfolg, dass ich mich daraufhin entschieden habe, nach Köln zu ziehen. Im März 1968 eröffnete Rolf Ricke im Galeriehaus in der Lindenstraße 18–22 in Köln seine Räume mit der Ausstellung „Robert Breer. Floats“. Bis 1971 zogen sechs weitere Galeristen in das Gebäude: Heiner Friedrich, Hans-Jürgen Müller, Hans Neuendorf, Reinhard Onnasch, M. E. Thelen und Dieter Wilbrand etablierten sich dort. Damit entfiel ein Teil des Programms meiner Galerie, weil einige Positionen in Köln und Düsseldorf bereits besetzt waren. Sie wissen, dass ich Gerhard Richter sehr früh ausgestellt habe und auch mit Wolf Vostell gearbeitet habe. Rolf Ricke zeigte Arbeiten von Gerhard Richter und Wolf Vostell erstmals im Rahmen der folgenden Ausstellungen: „Zeichnungen, Bilder, Objekte, Skulpturen“, Galerie Ricke, Kassel, 05. August – 07. September 1967, unter anderem mit George Brecht, Andy Warhol und Wolf Vostell; „Gerhard Richter. Bilder“, Galerie Ricke, Kassel, 02.–30. März 1968. Das konnte ich dann alles nicht mehr machen, weil die Künstler von anderen Galerien in Köln vertreten wurden.

Allerdings hatte der Sammler Hans-Joachim Etzold Hans-Joachim Etzold war ein deutscher Industrieller und Kunstsammler aus Moers. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Bernie Etzold baute er ab 1960 eine bedeutende Sammlung internationaler Gegenwartskunst auf, die unter anderem Werke von Lucio Fontana, Yves Klein, Heinz Mack, Ulrich Rückriem, Richard Serra und Günther Uecker umfasst. Seit 1970 befindet sich der Sammlungsbestand als Dauerleihgabe im Städtischen Museum Abteiberg in Mönchengladbach. mich bereits 1965 nach New York geschickt, und ich war dort auf eine Szene getroffen, die mir völlig unbekannt war. Dennoch habe ich innerhalb von fünf Tagen große Erfolge erzielen können, weil in New York alles so einfach ging. Der Kurator Peter Selz Peter Howard Selz (* 1919 München) ist ein US-amerikanischer Kunsthistoriker deutscher Herkunft. 1936 floh er mit seiner Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Er studierte an der Columbia University in New York. Ab 1958 betreute er als Kurator die Abteilung für Malerei und Skulptur am Museum of Modern Art, bevor er von 1965 bis 1973 als Gründungsdirektor das Berkeley Art Museum in Kalifornien leitete. vom Museum of Modern Art sagte mir: „Ich helfe Ihnen überall, wo Sie hinwollen, aber gehen Sie auch in das Atelier von Reva Urban Reva Urban (1925 Coney Island, New York – 1987 New York) war eine US-amerikanische Malerin und Grafikerin. 1964 war sie auf der „documenta 3“ vertreten. Im Frühjahr 1966 fand unter dem Titel „Reva Urban. Pastelle 1959–1966“ eine Einzelausstellung ihrer Werke in der Galerie Ricke statt. Werke der Künstlerin befinden sich unter anderem im Museum of Modern Art in New York. , das ist hier um die Ecke.“ Etwas später habe ich sie dann in meiner Galerie ausgestellt. Das war ein Lernprozess. Ich hatte nie ein Praktikum gemacht, ich hatte mit Kunstgeschichte nichts zu tun. Ich war ein Quereinsteiger ohne Geld und musste mir ein eigenes Programm aufbauen. Das habe ich dank der Amerikaner geschafft. Und da waren von Anfang an auch Frauen dabei. Eva Hesse Eva Hesse (1936 Hamburg – 1970 New York) war eine US-amerikanische Künstlerin deutscher Herkunft, die insbesondere für ihre Überführung „armer“ Materialien in prozessbasierte Installationen und Objekte bekannt ist. In ihrem Spätwerk beschäftigte sie sich auch mit Themen des Feminismus. In der Galerie Ricke war sie erstmals 1968 im Rahmen der Ausstellung „Programm 1“ vertreten. war eine der Ersten.

Auch Heiner Friedrich hat ab 1967 amerikanische Künstler in Deutschland gezeigt. Dort waren die Männer deutlich in der Überzahl. Es ist auffällig, dass bis in die späten 80er-Jahre die Kunst der Frauen sowohl in Galerien als auch in Museen eher die Ausnahme war. Wurde damals bemerkt, dass Sie in dieser Hinsicht eine Sonderposition eingenommen haben?

Das weiß ich nicht, ob das von außen so wahrgenommen worden ist. Ein sehr berühmter Museumsdirektor – dessen Namen ich hier besser nicht nenne – hat mich 1984 gefragt: „Kannst du mir mal sagen, was an weiblicher Kunst dran ist?“ – „Erst mal ist das keine weibliche Kunst, sondern es ist Kunst von Frauen. Was da dran ist, weiß ich nicht. Die sind einfach gut und powerful.“ Ich kann das gar nicht definieren. Es interessiert mich wirklich nicht, warum das besser oder anders oder gut ist. Aber auch noch in den 80er-Jahren ließ Kippenberger – das war ja diese ganze Macho-Ecke – lieber die Hosen runter, als in der Galerie Max Hetzler Die Galerie Max Hetzler wurde 1974 von Max Hetzler in Stuttgart gegründet. Seit 1994 ist die Galerie in Berlin. Das Programm umfasst Werke der Künstler Raymond Hains, Jeff Koons, Joan Mitchell und Thomas Struth. Seit den 1980er-Jahren zeigt Hetzler außerdem die Maler Werner Büttner, Günther Förg, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, die umgangssprachlich wegen ihrer engen Verbindung zu ihrem Galeristen auch „Hetzler-Boys“ genannt werden. gemeinsam mit deutschen Künstlerinnen auszustellen.

Können Sie beschreiben, was Sie unter einem „Macho“ verstehen?

„Ich bin ein Mann!“ – Das ist ein Macho. Die Art, wie Leute auftreten. Auf der Straße, würde ich sagen: goldenes Kettchen, ein paar Ringe, durchgestylt und offener Hemdkragen bis zur Brust. Das muss natürlich alles nicht sein.

Und im Kunstbetrieb? Es gab ja durchaus einflussreiche und erfolgreiche Galeristinnen …

Ja, es gab die Marilyn Fischbach Marilyn Cole Fischbach (1931 New York – 2003 Paris) war eine US-amerikanische Galeristin, die 1960 die Fischbach Gallery an der Madison Avenue in New York gründete. Sie förderte zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in ihren frühen Schaffensphasen, darunter Eva Hesse und Alex Katz. . Es gab die, die Jackson Pollock ausgestellt hat. Betty Parsons (geb. Betty Bierne Pierson; 1900 New York – 1982 New York) führte von 1946 bis zu ihrem Tod eine Galerie in New York. Mit Forrest Bess, Helen Frankenthaler, Ellsworth Kelly, Barnett Newman und Jackson Pollock zeigte sie sehr früh junge Positionen des Abstrakten Expressionismus sowie der Farbfeldmalerei. Ich glaube, in Amerika gab es dieses Problem nicht. In Amerika ist das aufgebrochen, weil ganz bestimmte Positionen der sogenannten „Avantgarde“ nicht ins System passten. Aber Eva Hesse ist zum Beispiel sehr früh ausgestellt worden. „Drawings. 3 Young Americans“, John Heller Gallery, New York, 1961; „21st International Watercolor Biennial”, The Brooklyn Museum, New York, 1961; „Eva Hesse. Recent Drawings”, Allan Stone Gallery, New York, 1963. Es waren eher die offiziellen Institutionen, wie etwa das MoMA, irgendwelche Typen, die nicht wahrhaben wollten, dass Frauen in einen Bereich eintreten, in dem sie ihrer Meinung nach nichts zu suchen haben.

Waren Künstler wie Lüpertz und Baselitz oder die Gruppe um Kippenberger wirklich der Überzeugung, dass Frauen da nicht hingehören?

Ich kann das nicht so genau sagen. Ich hatte den Eindruck, dass es so ist. Sie müssen sich mal das Programm der Galerie Grässlin Die Galerie Bärbel Grässlin wurde 1985 von Bärbel Grässlin in Frankfurt am Main gegründet. Das Programm umfasst unter anderem Werke der Künstler Michael Beutler, Georg Herold, Ika Huber, Imi Knoebel, Tobias Rehberger und Andreas Slominski. ansehen. Ich glaube nicht, dass die gegen Frauen war. Oder Max Hetzler. So eine programmatisch orientierte Galerie wird ja sehr von den Künstlern der Galerie gesteuert. Das ist so. Die ganze Geschichte zeigt das ja.

Bei Bärbel Grässlin ist bis heute außer Ika Huber und Christa Näher …

Tatsächlich? Na sehen Sie mal, da haben wir es doch! Das ist die alte kippenbergsche Art und Weise. Bei Max Hetzler sind jetzt aber eine ganze Menge Frauen aufgetreten. Gegenwärtig werden die Künstlerinnen Rineke Dijkstra, Ida Ekblad, Liz Larner, Vera Lutter, Inge Mahn, Beatriz Milhazes, Joan Mitchell, Bridget Riley, Raphaela Simon, Ida Tursic und Rebecca Warren von der Galerie Max Hetzler vertreten. Also, ich habe mich nicht so sehr darum gekümmert. Ich habe es einfach gemacht. Ich kann nicht erklären, was eine Galerie ist, und ich weiß auch nicht, was Kunst ist.

Was heißt, Sie haben sich wenig darum gekümmert?

Ich habe mich gar nicht darum gekümmert. Das war damals kein Problem. Es ist für mich nie eines gewesen. Erst im Laufe der Jahre wurde es ein Problem, als das Interesse an der Veröffentlichung sämtlicher Materialien aus dieser Zeit immer größer wurde. Damals war uns das eigentlich egal. Wir waren immer froh, wenn sich überhaupt jemand für uns interessierte. Sie müssen sich vorstellen, wenn ich Ausstellungen gemacht habe, egal was das war, kamen zur Eröffnung sieben, acht, neun Leute. Wenn der Zehnte kam und ein paar Fragen gestellt hat, war man glücklich.

In Kassel oder auch in Köln?

In Köln war es nicht viel besser. In Köln waren nur unter den acht Leuten vielleicht noch zwei Sammler. In Kassel gab es keinen. Doch, einen: Dr. Hunstein Heinz Hunstein (1926 – 2010 Kassel) war ein deutscher Zahnmediziner und Kunstsammler, dessen Villa in Kassel zum Treffpunkt der documenta-Organisatoren wurde. Seine Sammlung umfasste unter anderem Werke von Jo Baer, Richard Hamilton und Théo Kerg. Er galt als ein enger Freund von Arnold Bode. . Da habe ich auch Bazon Brock Bazon Brock (eigtl. Jürgen Johannes Hermann Brock; * 1936 Stolp, Pommern, heute Polen) ist ein Künstler, Kunsttheoretiker und Philosoph. Ab 1959 nahm Brock regelmäßig an Fluxus-Aktionen teil, darunter am „Festival der Neuen Kunst“ 1964 in Aachen sowie am „24-Stunden-Happening“ 1965 in der Galerie Parnass in Wuppertal. 1968 initiierte Brock auf der „documenta 4“ in Kassel die erste Besucherschule, die er bis 1992 begleitend zu den documenta-Ausstellungen fortführte. Als Professor lehrte Brock unter anderem an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1965–1976) und an der Bergischen Universität Wuppertal (1981–2001). 2011 gründete Brock in Berlin-Kreuzberg die „Denkerei“ mit dem „Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand“. kennengelernt, bei Dr. Hunstein, 1970.

Was war das für eine Begegnung?

Ich wurde gefragt: „Wer könnte die documenta 72 machen?“ Dann habe ich gesagt: „Harald Szeemann.“ Harald Szeemann (1933 Bern – 2005 Tegna im Tessin, Schweiz) war ein Kurator, der von 1961 bis 1969 als Direktor an der Kunsthalle Bern tätig war. Dort zeigte er 1969 die wegweisende Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“. Szeemann leitete die „documenta 5“ (1972) sowie die Biennale von Venedig in den Jahren 1999 und 2001. Mit seinen innovativen Ausstellungsformaten zählte Harald Szeemann zu einem der wichtigsten Vermittler der Gegenwartskunst. Daraufhin bin ich gebeten worden: „Reden Sie mal mit ihm.“ Das habe ich gemacht: „Harry, das wäre doch was!“ Wir haben uns dann mit Harald Szeemann in Kassel verabredet. Ich habe ihn in Köln am Bahnhof getroffen, und wir sind nach Kassel zu Dr. Hunstein gefahren. Da saßen zwei Herren, einer davon war Bazon Brock. Es kann sein, dass ich ihm vorher schon mal irgendwo begegnet bin, aber bei dieser Gelegenheit ist er mir intensiv in Erinnerung geblieben. Harald Szeemann und Bazon Brock kannten sich kaum oder mochten sich vielleicht nicht so richtig. Dann wurde über die documenta gesprochen, und Bazon Brock sagte: „Die Ausstellung muss so konzipiert werden, dass ich meine Besucherschule Zwischen 1968 und 1992 veranstaltete Bazon Brock die sogenannten „Besucherschulen“ als besonderes Vermittlungsformat auf den documenta-Ausstellungen 4 bis 9. Durch Action-Teachings sowie Text- und Medienmaterialien erschloss er gemeinsam mit Besuchern die Ausstellungen exemplarisch in einem übergreifenden Aussagezusammenhang. Siehe auch Bazon Brock, „Besucherschule zur documenta 7. ‚Die Hässlichkeit des Schönen‘“, Kassel 1982. machen kann. Meine Besucherschule kann ich nicht mit jeder Kunst machen, sondern, ich würde sagen, dann muss der Raum von Dan Flavin grün sein.“ Er griff richtig in den künstlerischen Prozess ein, und das ist mir in äußerst unangenehmer Erinnerung geblieben. Das hat sich aber dann gegeben, weil Bazon zwar ein sehr arroganter, aber unglaublich netter und kluger Mann ist. Ich habe sogar ein paar Drucke von ihm gekauft. Später haben wir uns im Theater wiedergesehen. Ich habe mich damals sehr fürs Theater interessiert. Sonst hatte ich mit ihm nichts zu tun. Er war allerdings sehr oft bei mir in der Galerie, auch als er schon in Wuppertal lebte. Ich glaube, wir mögen uns – sehr, aber wir sehen uns nie.

Sie sind mit Kassel und der documenta auf eine sehr interessante Art und Weise verbunden. Für Sie war es ein Heimspiel. Andere Galeristen haben vielleicht versucht, ihre Künstler auf der documenta zu platzieren. Bei Ihnen war die Verbindung zu Kassel, zur documenta und auch zu den documenta-Chefs scheinbar organischer, wenn man das so sagen kann. Sie waren von Anfang an dabei.

Die Besucherschule war eine erste Vermittlungsform, wobei ich äußerst erstaunt war, wie sehr dort die persönliche Meinung Bazon Brocks zum Ausdruck kam. Zum Beispiel schreibt er, Heiner Friedrich habe die „7000 Eichen“ von Joseph Beuys 1982 durch die Dia Art Foundation finanziert und entsprechend Einfluss genommen. Anlässlich der „documenta 7“ (1982) stellte Beuys das Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vor: 7.000 Eichen sollten im Stadtraum Kassel angepflanzt werden. Begleitet wurden die Neupflanzungen jeweils durch die Aufstellung einer der Basaltstelen, die bis zu ihrer Verwendung auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum in Dreiecksform aufgeschüttet waren. Ein Teil der Finanzierung wurde von der Dia Art Foundation übernommen. Bazon Brock merkte dazu im Handbuch der Besucherschule an: „Übrigens: Die Eingeweihten munkeln, dass Beuys seine Steine in Dreiecksform habe aufschichten müssen, weil Heiner Friedrich, der Finanzier von De Marias vertikalem Erdkilometer, nur so die Aura des Werks von De Maria wahren zu können glaubte. Schließlich finanziert Friedrichs Dia Art Foundation auch das neue Beuys-Werk. Friedrich hat eine gute Entscheidung getroffen.“ Bazon Brock, „Besucherschule zur documenta 7. ‚Die Hässlichkeit des Schönen‘“, Kassel 1982, S. 28. Dazu habe ich Rudi Fuchs Als künstlerischer Leiter verantwortete der niederländische Kunsthistoriker und Kurator Rudi Fuchs (* 1942 Eindhoven) die „documenta 7“ (1982) in Kassel. , den damaligen künstlerischen Leiter, gefragt: „Das kann ja kaum in Ihrem Interesse gewesen sein, dass so etwas im offiziellen Vermittlungsprogramm auftaucht?“ Vielleicht können Sie dieses Verhältnis zwischen den Ausstellungsmachern, den Organisatoren und Bazon Brock erläutern? War Bazon Brock von der Stadt bestellt?

Ja, er kam von der Stadt. Ich habe Harald Szeemann als Direktor mitgebracht. Szeemann und ich, wir waren sehr erstaunt, als Bazon Brock dasaß. Der Name ist vorher überhaupt nicht gefallen, aber er hat seine Bedingungen gestellt. Das hat mich wirklich schockiert. Nun muss ich, vielleicht arroganterweise, sagen, dass ich mir als Selfmademan alles eben selbst angeeignet habe und diese ganze Besucherschule uninteressant fand. Diese Schwafelei. Diese ganze Art und Weise, über Kunst zu reden. Ich dachte: „Das kann doch gar nicht wahr sein!“ Kunst wird oft falsch vermittelt. Wenn ich höre, was über einen Künstler wie Richard Serra, den ich gut kenne, gesagt wird, muss ich sagen: Es stimmt einfach nicht. Insofern habe ich mich für solche Dinge nie interessiert, sondern höchstens mal negativ dazu geäußert. Das ist ja heute noch so. Die Leute laufen alle mit diesen Audiogeräten herum und lassen sich alles Mögliche erzählen. Ich hatte meine Probleme mit dem Fach Kunstgeschichte, ich hatte auch meine Probleme mit Bazon Brock und mit diesen Führungen. Ich erinnere mich, dass sich auch andere Leute dazu geäußert haben: „Was macht der eigentlich? Das stimmt doch alles nicht. Das ist doch alles gar nicht wahr.“ Letztlich war es sein eigenes documenta-Programm. Das war auch sein Ziel, ganz eindeutig. Das klingt jetzt so negativ, so ist es nicht gemeint. Dass er als Theatraliker, Philosoph oder was immer er ist, einen Standpunkt vertritt und diesen möglichst stark macht, ist doch klar! Aber mich hat es nicht interessiert.

Wieso hat sich das mit Bazon Brock so lange gehalten? War das der Bildungsauftrag der Stadt?

Das weiß ich nicht, das kann ich nicht beantworten. Hat er das immer weitergemacht? Wir reden über die documenta 72.

Ich glaube, das erste Mal hat er es 68 gemacht, das letzte Mal 1992.

In der Zeit hatte ich nicht mehr so enge Bindungen an die documenta. Das wurde weniger, als dort aus meiner Galerie keine Künstler mehr gezeigt wurden. Als sie das nicht mehr brauchten oder nicht mehr wollten.

Hinsichtlich der „documenta 3“ haben Sie eingehend beschrieben, wie Bode die Kunstwerke auf- und abgehängt hat. Vgl. Christiane Meyer-Stoll, „Ganz nah dran. Gespräche mit Rolf Ricke“, in: dies. (Hg.), „Sammlung Rolf Ricke. Ein Zeitdokument/Rolf Ricke Collection. A Document of the Times“, Ostfildern 2008, S. 20–202, hier S. 20.

Ja, das hat mich sehr interessiert, weil man sehr genau sein muss. Bode hat alles vorgegeben. Der Mann war ein Phänomen. Enorm! Er hat ununterbrochen geredet und hatte dabei immer einen optimistischen Gesichtsausdruck. Er hatte einen relativ großen Kopf. Und er hatte Tausende Zettel, die hat er dann mit Kreuzen versehen und angegeben, wer was machen muss. Er hat am laufenden Band Ideen produziert. Er hat kaum Luft geholt. Für mich als junger Mensch war es sehr beeindruckend, wie er das verteilt hat: Vorhänge und Farben, Rahmen, Wasserbecken und Picasso und was da alles dazugehört. Wo man das herkriegt und wie man das macht. Wer eingeladen werden soll und all diese Dinge. Das habe ich mir sehr zunutze gemacht. Wie alles in meinem Leben, was ich mir durch Beobachtung angeeignet habe. Er kannte Gott und die Welt.

Und wurde er von allen akzeptiert?

Nein, er wurde überhaupt nicht von allen akzeptiert. Er war sehr fordernd. Menschen, die zu viel fordern, werden nach einer gewissen Zeit nur noch von denen akzeptiert, die einen Nutzen daraus ziehen können. Und die hat Bode dann auch gepflegt. Er hat sehr viele Studenten beschäftigt. Für die Studenten hat er sich enorm eingesetzt. Er hat auch mit mir geredet: „Nun mach das endlich mal mit dem Tom Gramse. Du musst mal anfangen, selber etwas zu machen und dir nicht immer alles woanders herholen.“ Das habe ich dann befolgt, und das war auch richtig. Aber in der Stadt war er überhaupt nicht beliebt. Der Mann hat sich für seine Ideen fast umgebracht. Die Bürger und Politiker haben ihn zwar unterstützt, aber er hat sehr viel selbst bezahlen müssen. Er hat ständig seine Wohnungen gewechselt und immer große Feste gegeben. Das ist auch so ein Punkt, in dem Deutschland ein bisschen schwierig ist: die Großzügigkeit der Sinnlichkeit. Einfach zugeben, dass man gerne mal in einem teuren Hotel wohnt oder interessante Mode anzieht, das geht den Deutschen manchmal ein bisschen ab. Das hat Bode natürlich auch gezeigt. Die haben wahnsinnige Feste in seinem Garten gefeiert. Da flogen die Fetzen. Und ich habe zum Beispiel von ihm auch nie Diskussionen zum Geschlechterthema gehört. Frauenausstellungen, Männerausstellungen, das gab es eigentlich nicht. Jedenfalls nicht, als ich beim Aufbau der documenta dabei war. Rolf Ricke begleitete den Aufbau der „documenta 3“ im Jahr 1964. In der Ausstellung wurden Werke von insgesamt 353 Künstlern gezeigt, darunter waren 9 Künstlerinnen.

So viele Frauen waren ja in den ersten Jahren auf der documenta auch nicht vertreten. Wie kann man sich den Aufbau der documenta vorstellen? Haben Sie Bode einfach 24 Stunden lang bei der Arbeit studiert?

So ähnlich hatte es sich vorher schon mit der Musik zugetragen. Ich habe viel die Schule geschwänzt. Das kann ich jetzt erzählen, es ist ja lange her: Ich wollte Dirigent werden und war von der Atmosphäre des Theaters in Kassel fasziniert. Ich habe auch angefangen, Musik zu studieren und Klavier zu spielen. Wir reden jetzt von den 40er-Jahren, Anfang der 50er-Jahre. Ich bin morgens aus dem Haus gegangen und ins Theater gefahren. Da habe ich mich reingeschmuggelt und war dann den ganzen Vormittag da, habe bei Proben zugesehen und die Atmosphäre genossen. Mittags bin ich nach Hause gegangen, als wäre nichts gewesen. Ich bin ohne meinen Vater aufgewachsen. Meine Mutter hatte keine Zeit, sich groß zu kümmern, sie musste arbeiten. Sie hat höchstens mal gefragt: „Hast du denn keine Aufgaben?“ Ich habe das so lange gemacht, bis es aufgefallen ist. Kurzum, ich habe alle höheren Schulen in Kassel besucht. Alle. Ich bin überall rausgeflogen. Ich habe auch kein Abitur gemacht.

Und diese Besessenheit, diese Atmosphäre, die ich im Theater erlebt habe, hat mich bei der bildenden Kunst dann genauso gefangen genommen. Ich musste mich dann für einen Weg entscheiden. Musik? Oder was mache ich nun? Mit der Musik – das war sehr, sehr schwierig. Ich bin damals in die Schallplattenindustrie gegangen und habe es wegen der Kunst später abgebrochen. Daher habe ich mich so sehr für Bode interessiert. Das war ja die einzige Werkstatt, die ich kannte. Es gab keine andere. 55 war ich noch zu jung, 59 weiß ich nicht mehr, wie das war. 64 war ich dann schon richtig drin. Da habe ich sehr viel gelernt. Das war entscheidend. Der Künstler sagte, was gemacht wird, und der Vermittler sagte: „Okay, das machen wir!“, und gibt es als Auftrag an jemanden weiter, der es umsetzt. Diese Kette ist für mich bis heute ein Credo.

Sie haben Ihre Galerie bis 1964 als Nebenbeschäftigung betrieben. Sie haben einen Raum geschaffen, den es in Kassel nicht gab. Sie hatten damals schon Zeichnungen und Grafiken, die Sie verkaufen wollten. Das waren also nachvollziehbare, konsequente Schritte, aber es war natürlich etwas ganz anderes, als das, was Bode gemacht hat. Hatten Sie den Traum, dorthin zu kommen, wo er war?

Ich weiß nicht, ob das der Traum war. Ich habe nur in dem Moment, als ich gesehen habe, was er gemacht hat, gedacht: „Das ist eigentlich die richtige Weise.“ Weg von den Galerien. Weg davon, sich Dinge in Kommission zu holen, sich Arbeiten zu leihen, die man dann mit ein bisschen Rabatt verkauft oder wieder zurückgibt. Weg davon und hin zum Ursprung. Der Ursprung ist der Weg ins Atelier. Das war eigentlich ein bisschen Vorgeplänkel. Mein Interesse wurde schon deshalb geweckt, weil ich von Grund auf sehr neugierig bin. Und diese Neugierde muss ja irgendwie befriedigt werden, sie muss nur einen Weg finden. Ich erinnere mich an einen Besuch in Paris mit Freunden bei einem Händler, der sagte: „Wir könnten jetzt mal zu Poliakoff Serge Poliakoff (1899 Moskau – 1969 Paris) war ein russischer Maler, der zur Nouvelle École de Paris gezählt wird. ins Atelier gehen.“ Da habe ich natürlich sofort gesagt: „Ja, das würde mich interessieren.“ Damals habe ich noch nicht mit dem Gedanken einer eigenen Galerie gespielt. Im Atelier standen eine Staffelei und Farben. Die Maler waren ja damals alle sehr vornehm angezogen. Oft mit Schlips. Der Geruch und diese ganze Atmosphäre haben mich sehr interessiert. Aber ich konnte damit noch wenig anfangen, weil ich in einer anderen Situation war. Bode oder die documenta haben den Geist in mir dann endgültig geweckt hat. Ich lernte auch sehr früh Karel Appel Karel Appel (1921 Amsterdam – 2006 Zürich) war ein niederländischer Künstler, der 1948 zu den Mitbegründern der Gruppe CoBrA gehörte. kennen und … ich will es mal so sagen: Alle Künstler, die ich kennengelernt habe, waren für mich faszinierende Menschen.

Der Sammler Herr Greisinger Alfred Greisinger (* 1942 Augsburg) ist ein deutscher Konditor und Kunstsammler, der von 1993 bis 2002 das renommierte Café König in Baden-Baden führte. Ab Mitte der 1970er-Jahre sammelte er vorwiegend Werke der deutschen Gegenwartskunst, darunter Arbeiten von Michael Buthe, Felix Droese, Heinz Schanz, Klaus Staeck und Rolf Zimmermann. war mit mir einmal in New York, und er war so besessen, dass er fast gestorben ist.

Woran?

An Herzversagen. Wir sind Freitagmittag nach New York geflogen, Montagmorgen wieder zurück. In der Zwischenzeit hat er für 500.000 bis 600.000 Dollar Kunst gekauft. Er konnte nachts nicht schlafen, kam Sonntagmorgen in die Lobby des Hotels, schweißgebadet, und sagte: „Ich brauche unbedingt einen Schnaps.“ ‒ „Ich habe es schon gemerkt, Herr Greisinger. Was machen wir denn jetzt um Gottes willen?“ Ich hatte solche Angst. Wir haben in der 7th Avenue/55. Straße gewohnt, sind da herumgelaufen, aber natürlich hatte alles zu. Am Times Square haben wir dann eine Bar gefunden. Da hat er sich hingesetzt und gesagt: „Einen Cognac.“ Da sagte der Barkeeper zu mir: „Den Mann bringen Sie mal gleich hier um die Ecke ins Krankenhaus, bevor er umfällt.“ Später hat Greisinger mir gestanden: „New York war für mich eine Offenbarung, weil es in der Kunst eine andere Welt war.“ Er war großer Beuys-Verehrer und sagte: „Jetzt verstehe ich den Beuys erst.“ New York. Diese großen Rohre, wo der Dampf, die ganze Energie oben herauskommt. Diese Metallplatten, die auf der Erde liegen. Dieses ganze Material – ich rede von den 60er-, 70er-, 80er-, 90er-Jahren – fließt natürlich in die Kunst ein. Die wirkliche Kunst ist natürlich auch ein Spiegel der Zeit und zieht sich nicht in ihr kleines Stübchen zurück. Wie das motiviert! Wenn man offene Augen hat und ein bisschen denken kann, fließt das ein. Das ist eigentlich das, was mich schon ganz früh interessiert hat. Meine Erlebnisse mit Robert Smithson Robert Smithson (1938 Passaic, New Jersey – 1973 Amarillo, Texas) war ein US-amerikanischer Künstler, der als Wegbereiter der Land-Art gilt. Zu seinen bekanntesten Werken zählt „Spiral Jetty“ (1970) im Great Salt Lake. waren ungeheuerlich. Oder die Arbeit mit Leuten wie Serra Richard Serra (* 1939 San Francisco) ist ein US-amerikanischer Künstler, der mit seinen monumentalen, aus Industriestahl gefertigten Skulpturen bekannt wurde. oder Günter Umberg Günter Umberg (* 1942 Bonn) ist ein deutscher Künstler und Kurator. Zwischen 1987 und 2002 war der Maler in fünf Einzelausstellungen in der Galerie Rolf Ricke vertreten. zum Beispiel. Dieser Hintergrund. Wo das herkommt. Was sie lesen. Welche Filme sie sehen und ob sie Theater mögen. Oder Musik. Welche Musik? Dieser ganze Umraum ist so faszinierend. Deswegen neige ich dazu zu sagen: „Künstler sind die besten Menschen.“ Das kann man so nicht sagen, aber die tolerantesten sicherlich. Das ist für mich bis heute eine Wohnung. Mit anderen Leuten mag ich das nicht. Das ist für mich verlorene Zeit, mich mit irgendwelchen Leuten zu unterhalten, die von gar nichts eine Ahnung haben. Die eigentlich in dieser Beziehung dumm sind. Das ist etwas, was ich sehr, sehr vermisse, seitdem ich keine Galerie mehr habe, diese Auseinandersetzung. Die suche ich mir dann auf eine andere Art.

Ist das auch der Grund, warum Sie wieder angefangen haben zu sammeln? Im Jahr 2006 verkaufte Rolf Ricke seine seit 1963 entstandene Sammlung an das Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, das Kunstmuseum St. Gallen sowie das Kunstmuseum Liechtenstein.

Nein, nein. Das ist die Leidenschaft, die ist einfach in mir. Ich muss das haben. Ich muss es besitzen. Besitzen, nicht um des Besitzens willen, sondern um es zu verstehen. Meine vielen Gruppenausstellungen haben auch damit zu tun. Es geht darum, die Kunst zu begreifen und darüber nachzudenken. Man muss wissen, was man tut und warum man es tut. Dieses Ergebnis wollte ich auch für mich haben. Das ist der Grund, warum so wenige Leute damit zurechtkamen, wie ich es machte. In Basel kamen irgendwelche Leute zu mir und sagten: „Sie haben die interessanteste Koje auf der ganzen Messe.“ Das war für mich genauso wertvoll, wie für andere Leute 500.000 Umsatz. Das war die Anerkennung dafür, wie ich das gemacht hatte.

Trotzdem sind Sie nach Ihrer ersten Teilnahme in Basel sehr lange nicht dorthin zurückgekehrt. Warum?

Bei der ersten Basler Messebeteiligung haben fünf Kölner Galerien die Initiative ergriffen, um den Standort Köln zu vertreten. 1977 teilten sich die fünf Kölner Galeristen Karsten Greve, Karl Ernst Jöllenbeck, Winfried Reckermann, Rolf Ricke und Heinz Teufel einen gemeinsamen Stand auf der Art Basel. Als Einzelne hätten wir es nicht bezahlen können, daher haben wir uns zusammengetan. Das war sehr schön, aber das wollte ich eigentlich nicht wiederholen. Ich war noch zu stark von den Künstlern eingenommen. Die künstlerische Welt war mir wichtiger als die Vertriebswelt. Wir haben uns dann auch verkracht. Ich bin nicht der Mensch, der gut mit anderen Leuten zusammenarbeiten kann.

Woran liegt das?

In Köln hatte ich immer offene Türen in meinem Büro. Ich bin von einem zum nächsten, zuletzt hatte ich vier, fünf Leute, mit denen ich alles besprochen habe. Das war ein Team. Aber ich hätte nie eine Partnergalerie ertragen können. Ich hätte nie meine Entscheidungen mit anderen zusammen fällen wollen.

Hat das mit Ihrer intuitiven, klaren Ausrichtung zu tun?

Wahrscheinlich, ja. Ich will das, was ich will, durchsetzen. Egal wie.

Und nicht diskutieren.

Jeder hat dem zu folgen oder auch nicht. Aber ich gebe nicht klein bei. Ich kann sehr schlecht mit Kompromissen leben. Deswegen ist das ein bisschen schwierig gewesen. Heute müsste ich mich sehr viel mehr vernetzen und mit anderen Leuten zusammenarbeiten. Das würde dann auch irgendwann gehen, wenn man die Richtigen fände. Aber auf Dauer könnte ich das nicht.

Mit vielen Künstlern haben Sie nur ein oder zwei Ausstellungen gemacht. Warum haben Sie zum Beispiel mit Richter nicht weitergearbeitet? Er war ja nach dem Vertrag Von April 1966 bis März 1968 hatte Gerhard Richter mit dem Galeristen Heiner Friedrich einen Exklusivvertrag. Siehe auch die Abbildung des Vertragsdokuments in: Charlotte Neußer/Miriam Heiming, „Chronologie und Dokumentation der Ausstellungen“, in: „Galerie Heiner Friedrich. München, Köln, New York, 1963–1980“, Reihe „sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels“, Nr. 21/22, 2013, S. 51–190, hier S. 58 f. mit der Galerie Friederich nicht mehr an eine einzige Galerie gebunden. Auch Rudolf Zwirner, Alfred Schmela oder René Block haben Richter gehandelt. Das hätten Sie doch auch machen können?

Vielleicht hätte ich es machen können, aber da waren mir die anderen natürlich zu nah.

War Ihre Kompromisslosigkeit auch ein Grund für Sie zu sagen: „Ich möchte diese Künstler nicht noch mit fünf Galerien teilen?“

Ja.

Weil es Ihnen eben nicht darum ging, mit einem Bild oder mit zwei Bildern den Monat zu überstehen? Es ist heute wenigen bewusst, dass ein Großteil der Galerien mit Richter die Grundversorgung gesichert hat, um dann noch das ein oder andere Experiment zu wagen. Selbst René Block sagt, er hat sich in den ersten Jahren ausschließlich durch den Weiterverkauf von Richter-Werken finanzieren können. Vgl. René Block.

Das ist ein interessanter Punkt. Ich habe nie darüber nachgedacht. Es hat mich einfach nicht interessiert. Einerseits wollte ich unter gar keinen Umständen etwas machen, was in meiner Nachbarstadt oder sogar in der gleichen Stadt bereits passierte. Ich wollte in jedem Fall diese Ausschließlichkeit haben. Andererseits war ich von Amerika fasziniert. 1969 in New York fragte mich Richard Serra: „Im Guggenheim Museum hängen graue Bilder von einem Künstler aus Deutschland. „Nine Young Artists. Theodoron Awards“, Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 24. Mai – 29. Juni 1969. In der Ausstellung zeigte Gerhard Richter die Werke „Mondlandschaft II“ (1968), „Durchgang“ (1968) und „Alpen (Stimmung)“ (1969). Kennst du ihn?“ ‒ „Ja klar, das ist Gerhard Richter.“ Serra war fasziniert und hat schon damals gesagt, Richter sei einer der bedeutendsten Maler, die es gibt. So etwas gab es in Amerika überhaupt nicht. Ich war trotzdem nicht interessiert, das weiterzumachen, obwohl ich immer verfolgt habe, was er tat. Er war auch oft bei mir. Wir haben bei uns zu Abend gegessen, aber ich habe ihn nie gefragt: „Kann ich ein Bild haben?“ Vielleicht war das auch Stolz. War es Stolz? Ich weiß es nicht. 1989, bei meiner Ausstellung „Aus meiner Sicht“, Kölnischer Kunstverein, Köln, 12. November 1989 – 07. Januar 1990. Die von Rolf Ricke organisierte Ausstellung umfasste unter anderem Werke von Richard Artschwager, Eva Hesse, Donald Judd, Gerhard Richter und Richard Serra. zum 25-jährigen Jubiläum im Kunstverein, bin ich jedenfalls zu ihm gegangen und habe gesagt: „Herr Richter, ich würde Sie gerne zu der Ausstellung einladen, wenn Sie bereit wären, mir ein Bild zu geben.“ Da hat er gesagt: „Nein, ich male Ihnen fünf.“ Und er hat mir fünf Bilder gemalt. Ist das nicht toll?

Mit Richter konnte ich mich über alles unterhalten. Ich habe ihm CDs mitgebracht, Glenn Gould Glenn Gould (1932 Toronto – 1982 Toronto) war ein kanadischer Komponist und Pianist, der insbesondere aufgrund seiner Interpretationen der Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart internationales Ansehen erlangte. Zu seinen wichtigsten Einspielungen zählen die „Goldberg-Variationen“ von Bach (1956) und das „Klavierkonzert Nr. 1“ von Ludwig van Beethoven (1958). und alles Mögliche. Und irgendwann habe ich ihn auch mal gefragt: „Wollen wir jetzt nicht mal eine Ausstellung zusammen machen? Das würde mich sehr freuen.“ Da hat er gesagt, er möchte eigentlich überhaupt nicht mehr in Deutschland ausstellen. „Aber bei einer Gruppenausstellung würde ich mitmachen.“ Wahrscheinlich hat er mit Fred Jahn in München noch weitergearbeitet, aber er hat dann keine richtig großen Sachen mehr gemacht. Er hat gesagt: „Ich bin in Amerika und London so glücklich, ich möchte das in Deutschland einfach nicht mehr machen.“ Ob der große Erfolg, den er hatte, mit Amerika zusammenhängt, das weiß ich nicht.

Richters Geschichte ist sehr spannend. Nachdem ich ihn getroffen habe, war mir erst richtig klar, warum so viele, die nah an ihm dran waren, so fasziniert sind. Er ist absolut authentisch und unaufgeregt. Er ist kein Vermarkter seiner eigenen Kunst …

Nein, nein. Das ist ein unglaublicher, ein wahnsinniger Mann!

Warum hatte Sigmar Polke in dieser Zeit nicht den Erfolg, den Richter hatte?

Das weiß ich nicht. Die Frage habe ich mir oft gestellt, auch heute noch.

Warum war da keiner hinterher? Für Polke hat sich lange niemand interessiert.

Ich habe mich auch nicht für Polke interessiert.

Aber wieso nicht?

Von meinem Standpunkt aus musste ich eine Entscheidung treffen. Vielleicht hätte ich es auch nicht müssen. Aber ich habe mich immer für Richter entschieden. Ich weiß nicht, ob es die Picabia Francis Picabia (1879 Paris – 1953 Paris) war ein französischer Maler und Dichter der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Sein Schaffen gilt als wesentlich für die Entwicklungen des Dadaismus und des Kubismus. -Nachfolge ist. Oder ob es doch eine schöne Ästhetik ist. Oder ob es diese schwarz-weißen Bilder sind. Oder diese vermeintlich weicheren, aber sehr harten Richter-Bilder. Oder sind es die Vergänglichkeitsgeschichten bei Richter? Ich weiß es nicht. Aber auch heute noch habe ich den Standpunkt: Richter ist der bessere Künstler.

Hat das auch etwas mit Ernsthaftigkeit zu tun?

Nein. Es hat sicher mit Romantik, mit der Suche zu tun. Aufrecht sind sie beide gewesen.

Ich meine die Ernsthaftigkeit der Kunst.

Vielleicht war es die Komik, die ich bei Polke missverstanden habe. Es gibt grandiose Bilder von Polke, aber es gibt auch Bilder, die mir zu spekulativ waren. Zu sehr „Ich muss jetzt mal was anders machen“, „Ich will die Leute jetzt mal vor den Kopf stoßen“. Ich weiß nicht, ob das mitspielt. Wir haben uns immer nett unterhalten, wenn wir uns getroffen haben. Polke hat mir mal ein großes Kompliment gemacht. Vor seinem Tod haben wir uns in Frankfurt am Flughafen getroffen, und er hat gesagt: „Ich hätte gerne mal mit Ihnen gearbeitet.“ Das fand ich eigentlich sehr nett. Von Polke gibt es wirklich super Bilder, aber wenn ich gefragt wurde: „Soll ich einen Polke oder einen Richter kaufen?“, habe ich immer gesagt: „Kaufen Sie einen Richter!“

Hatte Ihre Wahl auch mit der Künstlerpersönlichkeit zu tun? Sie waren sehr eng mit den Künstlern, mit denen Sie gearbeitet haben.

Ich glaube, Richter und ich hätten uns sehr gut vertragen. Das glaube ich ganz sicher. Da kommen ja ganz andere Aspekte hinzu: Seine Liebe für Thomas Bernhard Thomas Bernhard (1931 Heerlen, Niederlande – 1989 Gmunden, Österreich) war ein österreichischer Schriftsteller, der vor allem für seine gesellschaftskritischen Romane und Theaterstücke bekannt ist. zum Beispiel. Seine Liebe für Glenn Gould und Bach. Das wäre toll gewesen. Ich glaube ganz sicher, dass mit den Künstlern, die mit mir zusammengearbeitet haben, innerhalb der Galerie interessante Sachen herausgekommen wären. Richter war bei meiner ersten David-Reed-Ausstellung Seine erste Einzelausstellung in Deutschland zeigte der US-amerikanische Künstler David Reed (* 1946 San Diego) 1991 in der Galerie Rolf Ricke in Köln. in der Galerie. Er hat bei mir ja auch einen großen Judd gekauft, 87. Als ich David Reed ausgestellt habe, ist er zu mir ins Büro gekommen, da hing ein großes Bild. Haben Sie mal ein David-Reed-Bild gesehen? Da ist zehn Zentimeter dick die Farbe drauf. Und Richter fragte: „Wer ist das denn? Das ist ja interessant.“ Er hat das Bild sehr genau studiert. Er war fasziniert davon.

Wir haben uns neulich in der Nationalgalerie getroffen. Ach, war der herzlich an dem Abend! Ich hätte auch gerne ein Bild von ihm, muss ich sagen.

Sie haben keines mehr?

Nein. Ich hatte mal ein tolles Stuka-Bild Gerhard Richter, „Stukas“, 1964. von ihm. Ich hatte mehrere Bilder.

Die haben Sie alle veräußert?

Nein. Ich habe mich von meiner Frau getrennt … Wollen Sie die Geschichte auch hören?

Ich weiß, dass Sie sich getrennt haben und dass Sie damals auch Richter-Bilder verloren haben. Mehr weiß ich nicht.

Genau. Und da war das große Stuka-Bild dabei. Das hängt jetzt in München. Das hat meine damalige Frau bekommen, und sie hat es für 7.000 D-Mark an Herrn Hetzler verkauft. Das ist okay. Ist alles okay.

Sie waren bis 2006 in Köln. In dieser Zeit hatten Sie mit vielen Menschen Kontakt. Wie kam man an Polke überhaupt vorbei?

Das kam eindeutig durch Amerika. Ich war dort sehr engagiert. Ich war eigentlich derjenige, der sich noch vor den Amerikanern um diese Szene, um Flavin und Judd, gekümmert hat. Das hat mich dermaßen beschäftigt, dass ich keine Augen für irgendetwas anderes hatte. Ich war ständig in New York, habe diese ganze Szene durchgekämmt und war dann auch sehr erfolgreich. Die Amerikaner haben mir wahnsinnig geholfen. Die Galerien haben immer gesagt: „Wir wollen nichts dafür haben, mach das selber, wir stellen den Kontakt her.“ Dadurch kam mir gar nicht mehr der Gedanke, etwas mit Polke zu machen. Die Zeit war dann auch vorbei, und ich gehe nicht gerne zurück. Entweder arbeite ich mit Leuten aus der gleichen Generation oder mit jüngeren, die ich aufbauen kann. Wenn ich heute noch eine Galerie hätte – Gott sei Dank habe ich sie nicht –, wüsste ich nicht, wie ich das machen würde. Sie können ja auch nicht immer nur herumlaufen und Nachwuchs suchen.

Als Sie das erste Mal in den USA waren, um für Herrn Etzold Grafiken einzukaufen, hat er Ihnen dafür Reiseschecks gegeben. Sie gingen entschieden vor, wandten sich direkt ans MoMA, ließen sich beraten und erwarben auch gleich beim ersten Besuch einige Werke.

Ein bisschen Naivität? Intuition? Vertrauen? Ich weiß nicht, was es ist. Ich wusste: „Ich will das haben!“ Es gibt kein „Nein“. Ich habe sehr früh in meinem Leben etwas Interessantes gelernt: Als ich bei Philips anfing, bin ich in relativ kurzer Zeit von ganz unten nach weit oben gekommen. Herr Jansen, mein direkter Chef, hat uns gesagt: „Das Wort ‚Nein‘ existiert nicht. Wenn Sie gefragt werden: ‚Kann man bei Ihnen einen Liter Milch bekommen?‘, dann müssen Sie sagen: ‚Ja, aber im Moment …‘ Und dann müssen Sie sich etwas ausdenken.“ Dieses bewusste Nach-vorne-Denken, das damit gemeint war, hat mich geprägt. Sicher auch mein Elternhaus: Meine Mutter war eine sehr tapfere, unglaubliche Frau. Zudem habe ich den Willen eines Dickkopfs.

Sie haben kurz nach Ihrer Ankunft in New York die Universal Limited Art Editions (ULAE) Der Verlag Universal Limited Art Editions (ULAE) wurde 1957 von Tatyana Grosman (1904–1982) in New York gegründet. Er produzierte und vertrieb Originaldrucke von Künstlern, unter anderem von Jim Dine, Helen Frankenthaler, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Cy Twombly. aufgesucht. Sie haben sich dort spontan entschieden, für eine höhere Summe eine größere Anzahl von Druckgrafiken zu kaufen, die Sie aus einem riesigen Portfolio ausgewählt haben. Woher kam die Treffsicherheit?

Dazu bin ich schon oft befragt worden. Ich kann es aber nicht beantworten. Ich erinnere mich an eine Situation, als ich hier in Berlin im Kupferstichkabinett einen Termin bei Dr. Dückers Alexander Dückers (* 1939 Aachen) ist ein deutscher Kunsthistoriker, der von 1984 bis 2002 als Direktor das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin leitete. hatte. In der Zeit, in der ich auf ihn wartete, habe ich mich dort umgesehen. Es hing nur alte Kunst dort, das hat mich eigentlich nie interessiert. Vor einem Bild aber blieb ich stehen: „Was ist denn das? Das ist ein irres Bild. Das ist ja unwahrscheinlich!“ In dem Moment rief mich Dr. Dückers rein, und da sagte ich: „Sagen Sie mal, ich habe da ein Bild gesehen, das ist phänomenal.“ – „Ja, da stehen Sie vor einem der besten Bilder, die wir hier haben. Das ist von Fra Angelico Fra Angelico (geb. Guido di Pietro; ca. 1395 Vicchio, Italien – 1455 Rom) war ein Mönch und Maler der italienischen Frührenaissance. .“ Kannte ich nicht. Aber damals habe ich darüber nachgedacht, woher diese Treffsicherheit kommt. Mir haben früher auch immer wieder Leute gesagt: „Du hast ja gar keine Linie in deiner Galerie – Holger Bunk bis Günter Umberg – das macht uns Schwierigkeiten.“ In meinem Kopf ist es vollkommen klar, dass das zusammengehört. Warum das so ist, weiß ich nicht.

Haben Sie Entscheidungen oder Meinungen gelegentlich revidiert?

Höchstens: „Mist, dass du das nicht gemacht hast.“

Aber nicht umgekehrt?

Umgekehrt nicht. Das hört sich unwahrscheinlich an, aber ich wüsste jetzt kein Beispiel. Ich habe ein paar Dinge nicht bekommen, die ich gerne gehabt hätte. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal dachte: „Das war ein Fehler, dass ich das gemacht habe.“

Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass Sie mit vielen Künstlern aus Deutschland und den USA In-situ-Arbeiten gemacht haben, die also direkt in Köln oder auch schon in Kassel entstanden sind. Das heißt, Sie wussten vorher nie genau, was kommt. Dazu muss man dem Künstler großes Vertrauen entgegenbringen oder die Arbeiten als Gesamtkunstwerk verstehen und vertreten, sodass es eigentlich egal ist, was er im Einzelnen macht.

Das Interessante ist, wenn der Künstler X zum Galeristen Y kommt und der Galerist sagt: „Mach mal“, kommt etwas ganz anderes heraus, als wenn der Galerist sich die Arbeiten aussucht und zusammenstellt. Einmal hat etwas nicht funktioniert – jetzt fällt es mir ein. Das lag aber nicht daran, dass ich es nicht wollte oder falsch entschieden hatte: Bei Bob Grosvenor Robert Grosvenor (* 1937 New York) ist ein US-amerikanischer Künstler, der sich in seinem bildhauerischen Werk mit den Spannungen von Masse und Linie sowie Bewegung und Stillstand auseinandersetzt. gab es eine Verwechslung zwischen Inch und Zentimetern, und die Skulptur passte nicht mehr in die Galerie. Daraufhin hat er vorgeschlagen: „Dann stellen wir Fotos von den Stücken aus, die ich gemacht habe.“ Und da habe ich gesagt: „Ich bin keine Fotodokumentationsgalerie.“ Darüber haben wir uns dann verkracht. Das war das einzige Mal, das etwas gar nicht mehr funktioniert hat und wir uns auch nicht mehr verständigen konnten. Einmal – die Ehrlichkeit erfordert die Erwähnung – hatte ich eine Freundin, die Kunst gemacht hat, und die habe ich ausgestellt. Das hätte ich nicht machen dürfen. Das war nicht gut. Das war in den 80er-Jahren, das war die schwierige Zeit, und da bin ich schwach geworden. Ich habe aber sehr schnell begriffen: „Um Gottes willen, das kannst du eigentlich nicht machen.“ Es gab dann auch irgendeine Auseinandersetzung mit anderen Künstlern der Galerie, die sagten: „Wieso machst du das?“ Diese Verbindung Freund und Freundin geht nicht. Das kann man nicht machen. Na gut, das war eine kurze Affäre, und dann war es vorbei.

Es gab viele, die Ihr Programm oder Ihre Aktivitäten kritisierten. Gab es auch Künstler Ihrer Galerie, die sich in Ihr Programm eingemischt haben?

Ja, einmal hatte ich eine Auseinandersetzung mit Joseph Marioni Joseph Marioni (* 1943 Cincinnati, Ohio) ist ein US-amerikanischer Künstler, dessen Werk der konzeptuellen Malerei zugeordnet wird. . Ich war 1991/92 zufällig in New York bei einer Auktion. Das war die Zeit, als überhaupt nichts verkauft wurde. Kein einziges Stück wurde an dem Abend verkauft, das löste ja dann in New York auch einen Crash aus. Das war so heftig, dass viele Galerien zumachen mussten. Die, die sich über Wasser halten konnten, riefen die Künstler an: „Wir brauchen jetzt ein paar Bilder.“ Und als ich diese Bilder sah, habe ich gesagt: „Das ist alles cash and carry.“ Die amerikanischen Galerien machen es nicht so wie die europäischen. Die europäischen Galerien kaufen auch für sich, die Amerikaner machen das nicht. Wir können in einer Krise auf einen Bestand zurückgreifen. Damit habe ich mich in den 80er-Jahren sehr gut finanzieren können. Damals musste ich eine Menge verkaufen. 1992 habe ich ein so desolates New York erlebt wie nie zuvor. In den fünf Tagen habe ich so schlechte Bilder gesehen, dass ich eine Ausstellungskonzeption für die Galerie entwickelt habe mit dem Titel „Kinder! macht Neues!“ „Kinder! macht Neues!“, Galerie Rolf Ricke, Köln, 13. Juni – 05. September 1992. An der Ausstellung waren unter anderen Jonathan Lasker, Joseph Marioni, Steven Parrino und Günter Umberg beteiligt. . Die habe ich dann in Köln gezeigt. Ich habe immer gerne Sachen gezeigt, die nicht in meiner Galerie waren, um ein Problem zu lösen. In dieser Ausstellung habe ich Marioni und Parrino Steven Parrino (1958 New York – 2005 New York) war ein US-amerikanischer Künstler und Musiker. In seiner künstlerischen Praxis beschäftigte er sich mit der Erweiterung der Malerei von der Fläche in den Raum. nebeneinander gehängt. Die waren dann auch alle da – es war das documenta-Jahr, und es gab Krach zwischen mir und Marioni: Wie ich es wagen konnte, Parrino neben sein Bild zu hängen? ‒ „Was heißt hier wagen? Das ist eine Auseinandersetzung. Das ist ein Dialog. Da muss etwas passieren. Ich kann doch nicht Monochrom neben Monochrom hängen. Das ist doch kein Dogma. Das ist eine lebendige Galerie.“ Er hat mich dafür sehr scharf kritisiert. Und ich habe dann gesagt: „Tut mir leid, so können wir nicht miteinander arbeiten.“ Dann war das auch zu Ende.

Wobei Sie ja eigentlich die Meinung vertreten, dass man den Künstlern „dienen“ muss. Sie haben das einmal sehr eindrücklich beschrieben, dass man die Kunst nicht in irgendwelche Räume zwängen darf, sondern dass man den Raum für die Kunst bauen muss, auch wenn der Raum draußen ist …

Ja, das ist richtig. Aber es gilt eben auch: Ich muss es vertreten können. Auch nach außen. Ich glaube grundsätzlich an diesen Dialog zwischen verschiedenen Positionen. Man kann natürlich nicht irgendetwas zusammenbringen und denken: „Das muss passen!“ Aber ich kann einen Giacometti neben ein monochromes Bild hängen, ich kann einen Giacometti neben ein Richter-Bild hängen, aber ich kann einen Giacometti nicht neben Polke hängen. Ich kann bestimmte Dinge machen und andere nicht. Ich kann auch ein schwaches Bild durch ein starkes stützen. Das sind eigentlich die wichtigsten und schönsten Dinge für mich. Wenn das ein Künstler nicht begreift, dann ist es sein Problem, nicht meines. In 40 Jahren ist es einmal passiert, dass ein Künstler sich aufgeregt hat. Ach nein, Edgar Hofschen Edgar Hofschen (1941 Tapiau, Ostpreußen, heute Russland – 2016) war ein deutscher Künstler. Seine abstrakte Malerei war zwischen 1972 und 1980 regelmäßig in der Galerie Rolf Ricke ausgestellt. hat sich auch aufgeregt: 1981 habe ich die Ausstellung „FRONT“ „FRONT“, Galerie Rolf Ricke, Köln, 29. Mai – 08. Juli 1981. An der Ausstellung waren unter anderem Jürgen Meyer, Horst Münch, Ulrike Nattermüller und Volker Tannert beteiligt. gemacht. Das war eine ganz schlimme Zeit. Ich wusste gar nicht, was ich mache. Edgar Hofschen, mit dem ich jahrelang gearbeitet habe, kam in die Ausstellung und regte sich laut über die Kunst auf: „Das kann doch gar nicht wahr sein, dass du das machst! Wie das hier aussieht!“ Dabei war das nicht einmal Mülheimer Freiheit Die sechs Kölner Künstler Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever und Gerhard Naschberger zogen im Oktober 1980 gemeinsam in ein Atelier in der Mülheimer Freiheit 110 in Köln-Deutz. Der Name „Mülheimer Freiheit“ fand erstmals anlässlich der Gruppenausstellung „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“, die vom 13. November bis 20. Dezember 1980 in der Galerie Paul Maenz in Köln stattfand, Verwendung. Vgl. Franziska Leuthäußer, „Rheinland – Hans Peter Adamski, Peter Angermann, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Gerard Kever, Jan Knap, Milan Kunc, Gerhard Naschberger, Andreas Schulze, Volker Tannert“, in: „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“, hg. von Martin Engler, Ausst.-Kat. Städel Museum, Frankfurt am Main, Ostfildern 2015, S. 126–181. . Das war schon eine Alternative dazu. Ich habe daraufhin gesagt: „Edgar, mach’s gut. Das war’s.“

Das wollten Sie dann auch nicht diskutieren?

Doch. Ich habe gesagt: „Edgar, wir können uns darüber unterhalten. Du kannst hier aber nicht so eine Show abziehen, vor allen Leuten. Wir können uns verabreden und können darüber diskutieren.“ – „Nein, das brauche ich nicht mehr.“ Ich sagte: „Gut, also mach’s gut. Dann geht’s nicht mehr.“ Ich habe auch eine große Begabung dafür, mich umzudrehen und wegzugehen. Wenn ich den Weg hier nicht gehen kann, dann gehe ich einen anderen Weg. Ich finde einen Weg. Ich stehe nicht rum und heule: „Ach, hätte ich nur!“ Das bringt ja nichts.

Sie sagen, die Zeit war schwierig. Sie haben dann etwas ganz Neues in der Galerie gemacht. Können Sie beschreiben, was nach 78 passiert ist?

In den 70er-Jahren war die erste große Krise. Nicht die Krise der Kunst, sondern die Entmaterialisierung der Kunst. Die Konzeptkunst wurde immer stärker, die überintellektuelle Art. Ich brauche Sinnlichkeit in der Kunst. Ich möchte nicht, unter keinen Umständen, in der Galerie stehen und Texte darüber lesen, warum der Punkt jetzt rechts unten ist. Und die Kunst, die ich hatte, wollte keiner mehr. 1977 haben wir zu fünft den Stand auf der Art Basel gemacht, 1977 teilten sich die fünf Kölner Galeristen Karsten Greve, Karl Ernst Jöllenbeck, Winfried Reckermann, Rolf Ricke und Heinz Teufel einen gemeinsamen Stand auf der Art Basel. aber die Kunstmärkte liefen nicht mehr. Das wurde immer schlimmer. Dann kam dieser aufsteigende Stern Paul Maenz mit seiner Mülheimer Freiheit. Ich war zur Eröffnung da, und ich war verzweifelt. In dem Maße, in dem ich verzweifelt war, war Rudi Fuchs begeistert und konnte gar nicht genug von diesem Kram kaufen. Ich dachte: „Um Gottes willen, was passiert hier?“

Sie sprechen von der Ausstellung „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“ „Mülheimer Freiheit & Interessante Bilder aus Deutschland“, Galerie Paul Maenz, Köln, 13. November – 20. Dezember 1980. An der Ausstellung beteiligt waren Hans Peter Adamski, Ina Barfuss, Peter Bömmels, Werner Büttner, Walter Dahn, Jiří Georg Dokoupil, Georg Herold, Gerard Kever, Gerhard Naschberger, Albert Oehlen und Thomas Wachweger. in der Galerie Paul Maenz 1980?

Ja. Jiří Georg Dokoupil, Walter Dahn und die anderen Künstler kamen zu mir in die Galerie: „Hallo! Guten Tag. Wie geht’s? Wir machen etwas ganz Tolles. Komm doch übermorgen mal vorbei.“ Ich war da und ich war schockiert. Dann brach es bei mir mit der Kunst ein. Bei anderen Galerien genauso. Karsten Greve Karsten Greve (* 1946 Dahme/Mark) ist ein deutscher Galerist, der 1973 seine Galerie in Köln gründete. Heute besitzt er weitere Dependancen in Paris und St. Moritz. Mit Alexander Calder, Willem de Kooning, Jean Dubuffet, Jannis Kounellis, Piero Manzoni und Cy Twombly umfasst sein Programm wesentliche Positionen der modernen und zeitgenössischen Kunst. und Rudolf Zwirner haben in der Zeit ihre Galerien für Modenschauen vermietet. Der „Hunger nach Bildern“ Wolfgang Max Faust/Gerd de Vries, „Hunger nach Bildern. Deutsche Malerei der Gegenwart“, Köln 1982. wurde sehr spürbar. Zu mir kam ein Dr. Weber in die Galerie: „Sagen Sie mal, können Sie mir helfen? Ich habe sieben Dokoupils, und von Paul Maenz bekomme ich keine mehr. Können Sie herausfinden, wie ich an weitere Dokoupil-Bilder komme?“ Ich war sprachlos.

Hinzu kam 81 die Trennung von meiner damaligen Freundin Ursula Wevers Ursula Wevers (* 1943 Hameln) ist eine deutsche Künstlerin, die vorwiegend in den Medien Fotografie und Film arbeitet. Von Mitte der 1970er-Jahre bis 2005 war sie als Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal tätig. . Das war nicht einfach, denn wir haben sehr viel zusammengemacht. Und dann bin ich wirklich in eine große Krise gerutscht. Kein Umsatz, der Umzug von der Wohnung am Friesenplatz in die Volksgartenstraße. Dort konnte ich die Sanierungsarbeiten nicht bezahlen und habe ein halbes Jahr auf der Baustelle gewohnt. Es war eine schlechte Zeit. Dann habe ich in einer Woche das Rauchen und das Trinken aufgegeben. Ich bin wirklich auf den Bauch gefallen. Damals musste ich an Konrad Lorenz denken: „Man muss durch das Tal der Tränen gehen.“ „Das höchste Glück ist nur durch das Tal der Tränen zu erreichen.“ Der Sinnspruch wird dem österreichischen Zoologen Konrad Zacharias Lorenz (1903 Wien – 1989 Wien) zugeschrieben. Das hat zwei, drei Jahre gedauert: Eva Hesse wollte keiner haben. Ulrich Rückriem wollte keiner haben … Dann wollte Tanja Grunert Tanja Grunert (* 1958) ist eine deutsche Galeristin, die nach den Standorten Stuttgart und Köln seit 1998 die Tanja Grunert Gallery im New Yorker Stadtteil Chelsea betreibt. In ihrem Programm zeigt sie regelmäßig Positionen der zeitgenössischen Kunst, darunter Robert Barry, Valie Export, Frank Gerritz und Tim Roda. ein Artschwager-Bild kaufen: „Geld habe ich auch nicht, aber ich gebe dir jeden Monat einen Scheck.“ Leider waren die Schecks nicht gedeckt. Es war schlimm, keiner wusste mehr, was los war, und ich habe mir gesagt: „So kann es nicht weitergehen.“

Und nebenan florierte das Geschäft mit der 80er-Jahre-Malerei.

Es kamen Freunde zu mir: „Komm, besorg mir doch mal einen Dokoupil oder einen Kippenberger.“ Einmal war ich bei Max Hetzler und habe für einen Freund einen Kippenberger gekauft. Da bekam ich keinen Rabatt, sondern es hieß: „Irgendwann bekommst du ein Bild von mir.“ Später habe ich dann einen Oehlen bekommen.

Das heißt, Sie haben die Werke vermittelt? Klassischer Kunsthandel?

Um mich über Wasser zu halten, aber ich mochte es nicht. Und nach drei, vier Jahren habe ich gedacht: „So kann ich nicht weitermachen.“ Ich habe dann ein paar Sachen aus meiner Sammlung nach Amerika verkaufen können. Mönchengladbach hat ein paar große Arbeiten gekauft, und meine Warhols, die ich damals noch hatte, habe ich für wenig Geld. in die USA verkauft. Ungefähr für 25.000 Dollar.

In den 80er-Jahren?

Ja, Anfang der 80er-Jahre. Und dann habe ich mir gesagt: „Du musst hier ausziehen. Du musst aus der Galerie raus und dir eine Wohnung suchen.“ Zu meiner damaligen Freundin habe ich gesagt: „Ich möchte, dass du gehst.“ Es war eine sehr schwere Zeit. Ich habe dann eine Wohnung gefunden, die im Monat 1.500 D-Mark Miete kostete, das war damals relativ viel. Dann kam der Pluralismus zurück und die Hoffnung: Die Mülheimer Freiheit ist vielleicht doch noch nicht das Ende. Donald Judd, mit dem ich 72 bereits gearbeitet hatte, stellte im Whitney Museum aus. „Donald Judd“, Galerie Ricke, Köln, 04. November – 01. Dezember 1972; „Donald Judd“, unter anderem Whitney Museum of American Art, New York, 1988.. Zu diesem Zeitpunkt war ich sieben Jahre lang nicht in den USA gewesen. Ich bin dann nach New York geflogen und bekam den gleichen Rappel wie in den frühen 60er-Jahren. Ich nenne das meine „zweite große Karriere“.

Etwa zur gleichen Zeit wollte ich Hetzler das Kippenberger-Bild zurückgeben. Sie nannten die „KuK-Bilder“ „Krebs-und-Karies-Bilder“ Martin Kippenberger, „Krebs oder Karies“, Teil der Serie „Die I.N.P. Bilder“, 1984. . Ich habe Max Hetzler angerufen: „Willst du das Bild haben?“ – „Nein, ich will es nicht haben.“

Das Bild kam von Max Hetzler, und Sie wollten, dass er es Ihnen wieder abnimmt?

Es war von Max Hetzler als Provision, aber ich konnte mit Kippenberger und diesen ganzen Leuten nie etwas anfangen. Das hat mich nicht interessiert. Ich wollte es verkaufen, war damit auf dem Kölner Kunstmarkt, aber es wollte keiner haben. Ich habe es Frau Capitain Gisela Capitain (* 1952 Selb) ist eine deutsche Galeristin, die seit 1986 eine Galerie in Köln betreibt. Ihr Programm umfasst vorwiegend Positionen der amerikanischen und europäischen Gegenwartskunst, darunter Werke von Günther Förg, Martin Kippenberger, Marcel Odenbach, Albert Oehlen, Seth Price, Franz West und Christopher Williams. Gemeinsam mit dem seit 1994 in New York ansässigen Galeristen Friedrich Petzel gründete sie 2008 die kooperative Dependance Capitain Petzel in Berlin. angeboten, die wollte es auch nicht haben. Das war die späte Kölner Krise, die späten Kölner Jahre mit meinen Kollegen. Dann kam Friedrich Petzel: „Das ist ja ein interessantes Bild. Da muss ich aber erstmal Gisela fragen.“ Nachdem er Gisela gefragt hatte: „Nein, das interessiert mich nicht.“ Das Bild sollte 50.000 D-Mark kosten. Ein großes Bild. Dann kam Taschen Benedikt Taschen (* 1961 Köln) ist ein deutscher Verleger und Kunstsammler, der 1980 den Taschen Verlag in Köln gründete. vorbei, ein Kippenberger-Fan, der wollte es auch nicht kaufen. Ich dachte: „Scheiße, das kann doch gar nicht wahr sein. Bist du so unbeliebt? Was ist hier los?“ Ich habe es dann zu einer Auktion gegeben, und dort hat Petzel es für 65.000 D-Mark gekauft. Mit anderen Worten: Er konnte es nicht bei mir kaufen, weil Gisela das nicht wollte.

In Kassel waren Sie mit der Galerie eher ein Solitär. Kamen diese Schwierigkeiten mit der Konkurrenz in Köln?

In Köln war es genauso gut. Es gab überhaupt keinen Neid. Es gab überhaupt keine Probleme. Es war ein ganz großes Einverständnis. Ich hatte immer den Eindruck, ich habe einen besonderen Beruf. Ich habe etwas mitzuteilen, Leute zu überzeugen und für eine Sache zu kämpfen. Das ist meine Aufgabe. Wie die Buchhändler zuvor auch. Die 80er-Jahre haben große Änderungen in vieler Hinsicht mit sich gebracht. Sie haben auch eine neue Welle von Galeristen hervorgebracht, das sind die Galeristen, wie wir sie heute kennen. Wenn ich nur Walden Herwarth Walden (eigtl. Georg Lewin; 1878 Berlin – 1941 Saratow, Russland) war ein Schriftsteller, Verleger und Galerist, der mit seiner Zeitschrift „Der Sturm“ ab 1910 zu den wichtigsten Vermittlern der Avantgarde in Deutschland zählte. 1912 gründete er die Sturm-Galerie in Berlin, wo er Positionen des Blauen Reiters, des Dadaismus und des Futurismus zeigte. Durch seine erste Ehefrau Else Lasker-Schüler pflegte Walden gute Kontakte zur Kunst- und Literaturszene im Rheinland, unter anderem zu den Sammlern Alfred Flechtheim und August von der Heydt. Nach seiner Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland starb er 1941 in einem Gefängnis in der Nähe von Saratow in Russland. in Köln mit der heutigen Situation vergleiche, das ist wie Tag und Nacht. Da gibt es keine Schnittstelle mehr. Gar keine. Das ist auch einer der Gründe, warum ich aufgehört habe. Das ist nicht mehr mein Beruf! Dieser Neid! Tanja Grunert spricht mich eines Tages an – ich habe mich immer mit allen gesiezt, das Du habe ich abgelehnt: „Sagen Sie, wie machen Sie das eigentlich? Man sieht Sie nirgendwo. Bei keiner Eröffnung, in keiner Bar, bei keinem Essen. Aber Ihre Kunst ist überall. Wie machen Sie das?“ ‒ „Ganz einfach, ich arbeite. Ich kümmere mich nicht um das Drumherum, sondern ich arbeite.“ Dieser Neid, diese Eifersucht und diese Geschichte 98 mit der verhinderten Ausstellung, die ich machen sollte, waren so vehement, dass ich gesagt habe: „Das ist nicht meine Welt.“ Ich wollte wegziehen – nach New York oder Berlin. Das ging aber damals alles noch nicht. Also habe ich gesagt: „Augen zu, dann weiter Köln.“ Köln war einmal „der“ Ort für Kunst und Galerien. In Basel und Brüssel war ich auch noch auf der Messe, Köln habe ich nicht mehr gemacht. Ich war wirklich irritiert. Ich wusste gar nicht, was da los war.

Es heißt, Sie hätten auch schon in den 60er-Jahren bei Castelli in New York keine Bilder bekommen?

Das war eine andere Situation. Leo Castelli Leo Castelli (1907 Triest – 1999 New York) war ein US-amerikanischer Galerist ungarisch-jüdisch-italienischer Herkunft. Gemeinsam mit dem Architekten René Drouin eröffnete er 1939 seine erste Galerie in Paris. 1941 siedelte er nach New York über, wo er ab 1957 seine zweite Galerie betrieb. Neben den amerikanischen Künstlern Jasper Johns, Donald Judd, Bruce Nauman, Robert Rauschenberg und Andy Warhol umfasste sein Programm auch Werke europäischer Künstler, darunter Alberto Giacometti und Marcel Duchamp. Von 1932 bis 1959 war Castelli mit der Galeristin Ileana Sonnabend verheiratet. war eine Galerie, die eigentlich Frau Sonnabend Ileana Sonnabend (1914 Bukarest – 2007 New York) war eine Galeristin. 1962 eröffnete sie eine Galerie in Paris, wo sie insbesondere auch die amerikanische Pop-Art vertrat. 1971 gründete Sonnabend eine weitere Galerie in New York und zeigte dort junge europäische Kunst. Sie stellte unter anderen Georg Baselitz, Bernd und Hilla Becher, Gilbert & George, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Andy Warhol aus. gehörte. Ohne Frau Sonnabend in Paris konnte Leo nichts machen. 1965 war ich mit Siegfried Cremer Siegfried Cremer (1929 Dortmund – 2015 Stuttgart) war ein deutscher Künstler und Restaurator, der von 1964 bis 1977 die Restaurierungsabteilung der Staatsgalerie Stuttgart leitete. von der Staatsgalerie Stuttgart in Paris, um Kunst für die Staatsgalerie zu kaufen: Lichtenstein, Segal, Warhol und Rosenquist. Michael Sonnabend war da, Ileana nicht. Da standen die ganzen Ikonen rum, die Bilder kosteten 5.000, 4.000 Dollar – das war kein Geld. „Die können Sie alle haben“, sagte Michael. „Meine Frau ist jetzt nicht da, mit der müssen Sie das besprechen, aber das ist alles kein Problem.“ Sie hat uns kein einziges Bild verkauft. Sie hat alles behalten.

1968 habe ich in Köln die Warhol-Ausstellung Auf dem zweiten Kölner Kunstmarkt 1968 zeigte Rolf Ricke in seiner Koje unter anderem die drei Werke „J. Kennedy en face“ (1964), „J. Kennedy (Black/Gold)“ (1964) und „Green Car Crash“ (1965) von Andy Warhol. gemacht. Ich war also bei Castelli, habe da die Bilder hängen sehen, habe sie aber nicht bekommen. Bei ihm stand immer so ein netter Typ mit einer dicken Zigarre, Ivan Karp Ivan Karp (1926 New York – 2012 Charlotteville, New York) war ein amerikanischer Galerist, der von 1959 bis 1969 als stellvertretender Direktor für Leo Castelli arbeitete. Anschließend gründete er die Galerie OK Harris in SoHo. : „What can I do for you?“ Ich habe dann Grafik gekauft, bin gegangen und habe eine Bekannte in New York gebeten: „Dort oben an der Wand hängt ein Bild von Jackie Kennedy, das hat 500 Dollar gekostet.“ Sie ist dann raufgegangen, hat es gekauft, und ich habe es mit nach Hause genommen.

Warum hat Castelli an Ihre Bekannte verkauft und an Sie nicht?

Weil er Ileana fragen musste. Er musste bei jedem Bild, das er an einen Händler oder nach Europa verkaufen konnte, fragen.

Ist dieses Strohmann-Geschäft nicht schon bald aufgeflogen?

Nein, ich habe es nie erzählt. So habe ich viele Sachen gemacht. Ich habe es dann eben trotzdem gemacht. Die haben sich zwar geärgert, aber Ileana hat mir später trotzdem noch mal geholfen. Ileana war eine tolle Frau. Wahnsinnig! Wenn Sie ein neues Kleid brauchte, hat sie die Sekretärinnen zu Bon Marché in Paris geschickt und gesagt: „Du kennst ja das Kleid. Eine etwas größere Größe.“ Sie hat sehr gerne Torte gegessen. Ein billiges Täschchen an der Hand. Sie sah aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben, dabei hatte sie die ganze Pop-Geschichte in der Hand. Ohne diese Frau ging nichts. Sie hat mir geholfen, vielleicht, weil sie mich doch geschätzt hat, als die „11 Pop Artists“-Ausstellung Die Ausstellung „11 Pop Artists“, finanziert durch den Tabakproduzenten Philip Morris, präsentierte unter anderem Lithografien von Jim Dine, James Rosenquist, Andy Warhol und Tom Wesselmann. Sie wurde zeitgleich in 17 Ländern gezeigt. In Deutschland war die Ausstellung in der Galerie Friedrich & Dahlem sowie der Galerie Ricke zu sehen: „11 Artists. The New Image“, Galerie Friedrich & Dahlem, München, 03. März – 02. April 1966; „11 Pop Artists“, Galerie Ricke, Kassel, 04. März – 21. April 1966. in München stattfand. Das hatte Heiner Friedrich aufgetan. Ich habe das erfahren und gesagt: „Ich muss das machen.“ Also bin ich zu Ileana gegangen – sie konnte den Friedrich nicht leiden –, und sie hat mir geholfen, dass ich die Eröffnung in Kassel sogar noch einen Abend vor Friedrich machen konnte. Das war ein Erfolg. Ein Triumph. Das fand ich toll.

In einem Gespräch sagten Sie, an Künstler, die mit Friedrich gearbeitet haben, kam man nicht ran.

Da kam man eigentlich nicht ran. Das hat mich dann aber auch später nicht mehr interessiert.

Wie kam das?

Ich weiß es nicht. Blinky Palermo zum Beispiel kam gar nicht so in meinen Blick. Obwohl er sehr oft in meiner Galerie war.

Friedrich hat bereits in München Walter De Maria und diese Dinge gezeigt.

Toll! Er ist einer der Besten der Zeit. Besser als Fischer.

Konrad Fischer war ja etwas später und hat, glaube ich, viel über Kasper König gemacht?

Nur über Kasper König und von Friedrich übernommen.

Mit der Galerie Friedrich hatten Sie das Programm betreffend im Laufe der Jahre die meisten Überschneidungen.

Ja, richtig. Der Unterschied war, Friedrich hatte Geld, und wir alle hatten kein Geld. Friedrich hat mich fasziniert. Ich war schon sehr früh in München und habe dort Walter De Maria gesehen, ich habe für 500 oder 800 Dollar einen Dan Flavin bei ihm gekauft. Wir haben uns eigentlich immer gut verstanden. Er ist dann auch in das Kölner Galeriehaus gezogen. Die Ausstellungen, die er gemacht hat, waren exzeptionell. Fast alles, was er gemacht hat, war toll. Irgendwann habe ich zu ihm gesagt: „Sag mal, Heiner, wir müssen uns mal unterhalten. Wann bist du denn mal da?“ Da sagte er zu mir: „Frag die Lufthansa, die weiß es.“ Er war dann weg, und wir haben uns eigentlich auch nie wiedergesehen. Sie kennen ja die ganze Geschichte mit Judd, Marfa und Chinati. 1976 erwarb Donald Judd mit Unterstützung der Dia Art Foundation 140 Hektar Land in Marfa, Texas, um dort ein Museum nach seinen eigenen Vorstellungen zu schaffen. Es sollte sich durch eine harmonische Verbindung von Landschaft, Architektur und künstlerischen Installationen auszeichnen. 1986 kam es zum Bruch mit der Dia Art Foundation. Das Projekt wurde in der eigenständigen Chinati Foundation reorganisiert. Neben Werken von Donald Judd betreut das Museum heute auch Arbeiten von Carl Andre, John Chamberlain, Dan Flavin, Roni Horn und Richard Long. Siehe auch: Roberta Smith, „A World According to Judd“, in: „The New York Times“, 26.02.1995, S. 30 f.

Dazu gibt es viele Geschichten.

Die Geschichte, die ich kenne ‒ ich kenne sie auch nur von anderen ‒, ist die, dass Friedrich das ganze Geld der De Menils für andere Dinge ausgegeben hat und sich um die künstlerischen Dinge, für die er eigentlich sorgen sollte, um die Dia Art Foundation, die er gegründet hat, nicht gekümmert hat. Also Fred Sandback, Walter De Maria, Flavin und so weiter. Statt die Sammlungsbestände zu pflegen, hat er diese türkischen Tänzer oder irgendwelche anderen Programme, wie La Monte Young, stark gemacht. Ab Mitte der 1970er-Jahre förderte die Dia Art Foundation Projekte des US-amerikanischen Komponisten La Monte Young (* 1935 Bern, Idaho). Besonders hervorzuheben ist das „Dream House“, eine aus mehreren Räumen bestehende Installation, die Young mit seiner Frau Marian Zazeela (* 1940 New York) entwickelte und die von 1979 bis 1985 dauerhaft in Manhattan zu sehen war. Siehe auch: John Schaefer, „Who Is La Monte Young?“, in: William Duckworth/Richard Fleming (Hg.), „Sound and Light. La Monte Young, Marian Zazeela”, Lewisburg/London/Toronto 2009, S. 25–43, hier S. 37. Das wollten die Künstler nicht und haben gesagt: „Schluss.“ So kenne ich die Version.

Haben Sie Franz Dahlem damals in München auch schon erlebt?

Dahlem habe ich sehr oft erlebt. Er war ein unglaublich interessanter Typ, aber ich mochte ihn nicht so richtig. Ich habe ihn nicht abgelehnt, aber ich hatte kein Interesse, mich mit ihm einen ganzen Abend lang zu unterhalten. Zumal er einmal im Galeriehaus zu mir sagte: „Sie müssen nirgendwo anders hingehen, nur bei uns gibt es richtige Kunst zu sehen.“ Er hatte oben eine Baselitz-Ausstellung – das fand ich auch nicht so interessant.

Richter sagt, er hat sich mit Sigmar Polke, Blinky Palermo und Konrad Fischer gut über Kunst auseinandersetzen können. Vgl. Gerhard Richter. Hatten Sie mit Ihren Künstlern auch so ein Verhältnis?

Ja, mit Donald Judd konnte man das gut. Auch mit David Reed und Steven Parrino. Mit Günter Umberg ganz toll. Also, mit den meisten kann ich mich richtig auseinandersetzen. Eigentlich mit allen Künstlern, die ich ausgestellt habe.

Sie haben über die Beziehung von Sammler und Galeristen einmal gesagt, es sei das Beste, sich als Sammler einen Galeristen zu suchen, der einen ein bisschen führt. Wen haben Sie geführt?

Das war ein Dr. Vogl in Kassel. Das waren Andreas Vowinckel Andreas Vowinckel ist ein deutscher Kunsthistoriker und Kurator, der von 1983 bis 1998 als Direktor den Badischen Kunstverein in Karlsruhe leitete. 1964 war er Mitbegründer der documenta-Foundation und bis 1972 als deren Geschäftsführer tätig. Gemeinsam mit seinem Bruder Christoph Vowinckel initiierte er Ende der 1960er-Jahre das Galeriehaus in der Lindenstraße 18–22 in Köln. , Dr. Hunstein und in den Anfangsjahren sehr stark Peter Ludwig Peter Ludwig (1925 Koblenz – 1996 Aachen) war ein deutscher Industrieller und international agierender Kunstmäzen, der ab 1969 eine der bedeutendsten Sammlungen im Bereich der Pop-Art aufbaute. Durch Schenkungen und Leihgaben etablierte Peter Ludwig zahlreiche Kooperationen zwischen öffentlichen Trägern und seiner Privatsammlung. .

Bevor er zu Zwirner ging, hat er bei Ihnen gekauft?

Das lief parallel. Ludwig muss ich 68 kennengelernt haben. Diese Geschichte habe ich vielleicht noch nie erzählt: Ich habe ja Mel Ramos Melvin „Mel“ Ramos (* 1935 Sacramento, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Künstler, der in seinen Werken häufig klassische Werbeprodukte mit dem Motiv nackter Frauen kombiniert. Seine erste Einzelausstellung in Europa zeigte er 1966 in der Galerie Ricke in Kassel. in meiner Galerie vertreten. Zwirner rief mich an und fragte: „Können Sie mir bis morgen ein paar Ramos-Bilder borgen? Es kommt ein Sammler, dem will ich das zeigen.“ So offen war das damals. „Ja“, sagte ich, „kein Problem.“ Dann habe ich die Bilder rausgegeben und bin abends nach Aachen zu einer Eröffnung in den Kunstverein gefahren. Dort wurde ich Herrn Ludwig vorgestellt. Ein unglaublich toller Typ, der Ludwig. Er fragte mich: „Was haben Sie denn so anzubieten?“ Dann zählte ich auf: „Allan D’Arcangelo Allan D’Arcangelo (1930 Buffalo – 1998 New York) war ein US-amerikanischer Künstler, der in seinen Gemälden und Grafiken unter anderem die Ästhetik von Straßenschildern und amerikanischen Highways aufgriff. , Jim Dine Jim Dine (* 1935 Cincinnati, Ohio) ist ein US-amerikanischer Künstler, der insbesondere für seine wiederholte Bearbeitung der Motive des Bademantels und des Herzens bekannt ist. Er zählt zu den Hauptvertretern der amerikanischen Pop-Art. , Mel Ramos …“ – „Okay“, sagte er, „morgen früh um acht bin ich bei Ihnen.“ Jetzt hatte Zwirner aber die Mel-Ramos-Bilder. Abends um acht oder neun Uhr rief ich meine Frau an: „Du musst, egal wie, die Bilder heute Abend noch bei Zwirner rausholen. Die müssen morgen früh um acht in der Galerie sein.“ Das hat sie auch geschafft.

Aber Zwirner muss doch gewusst haben …

Ja, er wusste es ganz genau. Die Bilder hat Herr Ludwig dann bei mir gekauft. Der Zwirner war sauer, aber das hat sich auch wieder gegeben. Wir hatten eigentlich immer einen sehr guten Kontakt. Wir sind zwei Reibepunkte. Wir haben nichts gemeinsam – nur das Interesse an der Kunst. Er am Geld, ich am Inhalt. Er hat ein gutes Auge, hatte immer gute Sachen, er war ein guter Berater und hat viel Geld verdient. Ich habe immer das andere gemacht und nie viel Geld verdient. Insofern war es ein interessantes Verhältnis. Zwirner hat damals schon Konzerte, Lesungen und Happenings veranstaltet. Das ist alles toll gewesen. Er ist begabt. Er hat die Begabung eines Politikers. Das ist meine Behauptung: Wenn Politiker begabt sind, können sie erreichen, was sie wollen. Ob Geld da ist oder nicht, sie erreichen es. Diese ganzen Typen: Hilmar Hoffmann Hilmar Hoffmann (* 1925 Bremen) ist ein deutscher Kulturschaffender, der 1954 die Internationalen Kurzfilmtage im nordrhein-westfälischen Oberhausen gründete. Von 1970 bis 1990 hatte er das Amt des Kulturstadtrats der Stadt Frankfurt am Main inne, wo er sich für eine nachhaltige Demokratisierung des Kulturbereichs engagierte. Als Präsident leitete er von 1992 bis 2001 das Goethe-Institut in München. Seitdem ist er beratend für unterschiedliche Kulturgremien tätig. in Frankfurt oder Dr. Hackenberg Kurt Hackenberg (1914 Barmen – 1981 Köln) war ein deutscher Politiker und Mitglied der SPD. Von 1955 bis 1979 arbeitete er als städtischer Beigeordneter für den Bereich Kultur in Köln. Während seiner Amtszeit setzte er sich für die Umsetzung des ersten Kölner Kunstmarkts (1967) ein und förderte zahlreiche künstlerische Großprojekte, unter anderem die Ausstellungen „Die Parler und der Schöne Stil“ (1978) sowie „Westkunst“ (1981). in Köln. Solche Leute kriegen alles hin. Zwirner hatte mit Hein Stünke von der Galerie Der Spiegel die Idee mit dem Kunstmarkt Auf Betreiben der Galeristen Hein Stünke und Rudolf Zwirner fand der erste Kölner Kunstmarkt vom 13. bis 17. September 1967 unter Beteiligung von 18 Galerien in den Räumen des Gürzenich statt. , und er hat es geschafft.

Heiner Friedrich wurde vom ersten Kölner Kunstmarkt ausgeschlossen. Wurden da von Anfang an harte Fronten gefahren?

Es gab eine interessante Sitzung nach dem ersten oder zweiten Kölner Kunstmarkt. Wir waren in Berlin, im Hotel am Zoo. Es wurde über den Kunstmarkt gesprochen, und wie es weitergeht. Dann kam von mir, vielleicht auch von Zwirner und René Block der Vorschlag, den Kunstmarkt zu erweitern und auch ausländische Galerien einzuladen. Das wurde total abgeblockt. Stünke war total dagegen. Ich habe ihn sehr gemocht, aber das war fast eine rassistische Geschichte. „Das können wir alles selber viel besser. Wir holen uns die Bilder in New York, wir leihen sie aus.“ Wir haben sehr gekämpft, und dann ist ein Kompromiss geschlossen worden: Wir laden ausländische Händler ein, aber sie dürfen selbst nicht kommen. Da sehen Sie mal, wie das in den 60er-Jahren noch war.

Sie haben damals mit Castelli kooperiert?

Ja. Mit Leo habe ich mich immer gut verstanden, aber ich verstand damals nicht, wie man so lokal denken kann. Vielleicht weil ich aus Kassel kam.

Ich muss dazu sagen, wenn Sie so vehement wie René Block und ich ohne Pardon reden können, dann kriegen Sie die Dinge durch. Ich war lange in der Jury vom Kunstverein in Bonn und habe so manche Sache durchgeboxt, die vollkommen abgelehnt wurde. Ich glaube, zu wissen was Sie wollen, treibt Sie dazu, es zu erreichen. Auch ohne Geld. Diese Museumstragik: „Wir haben kein Geld.“ Die Museumsdirektoren damals in den 60er-Jahren waren für mich alles Luschen. Alles schwache Typen. Egal wo. Außer Dr. Wember Paul Wember (1913 Recklinghausen – 1987 Krefeld) war ein deutscher Kunsthistoriker und Kurator, der von 1947 bis 1975 als Direktor das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld leitete. Bereits ab Ende der 1950er-Jahre erweiterte er die Sammlung des Museums durch Werke von Joseph Beuys, Yves Klein und Piero Manzoni. Unter seiner Leitung erlangte insbesondere das dem Museum ab 1955 angeschlossene Haus Lange den Ruf eines avantgardistischen Ausstellungsorts. in Krefeld und Wolfgang Hahn Wolfgang Hahn (1924 Euskirchen – 1987 Köln) war ein deutscher Kunstsammler und Restaurator, der ab 1950 am Wallraf-Richartz-Museum und später am Museum Ludwig in Köln tätig war. Anfang der 1960er-Jahre baute Wolfgang Hahn eine umfassende Sammlung europäischer und amerikanischer Nachkriegskunst auf. Zu den wichtigsten künstlerischen Positionen seiner Sammlung zählen Joseph Beuys, John Chamberlain, Claes Oldenburg und Andy Warhol. 1978 verkaufte Wolfgang Hahn einen Großteil seiner Sammlung an die Republik Österreich, wo sie als Grundstein für die späteren Sammlungsschwerpunkte in die Bestände des heutigen Museums Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) überging. in Köln. Es gab ein paar Ausnahmen, aber es waren alles merkwürdige Typen. Alle Kunsthistoriker. Ich habe immer gesagt: „Macht doch mal die Rahmen weg, ihr tötet ja die Bilder. Van Gogh ohne Rahmen ist vielleicht viel schöner als mit Rahmen.“

Sie haben gerade René Block erwähnt. Er passte nicht in das Galerieschema der 60er- und 70er-Jahre. Er hat vieles anders gemacht.

Ich habe das eigentlich immer sehr gemocht. Was ich nicht mochte, war Fluxus. Das ist mir zu kleinkariert. Ich brauche die Geste, die große Geste. Aber Block habe ich immer sehr geschätzt. Auch seine politischen Einstellungen. Ich habe ihn immer als Kämpfer gesehen. Ich fand das toll.

War diese starke politische Ausrichtung damals singulär?

Ja, das war singulär. Ich fand das toll, auch in dieser schwierigen Stadt. Wir haben damals viel untereinander telefoniert. Wir hatten alle viel Zeit. In der Galerie war ja nichts los. In Kassel konnte eine Woche vergehen, ohne dass ein einziger Besucher in der Galerie war. Eine ganze Woche! Und Sie sitzen im Keller, da werden Sie verrückt. Das einzige, was dann ging, war Telefonieren. Obwohl das ziemlich teuer war. Oder es kamen mal ein paar Freunde mit einem Stück Kuchen vorbei.

Waren Sie damals ab und zu in Berlin?

Das erste Mal war ich 61 mit Philips in Berlin. Da hatten wir anlässlich der deutschsprachigen Premiere von „My Fair Lady“ „My Fair Lady“ ist ein 1956 in New York uraufgeführtes Musical, das auf dem Theaterstück „Pygmalion“ (1913) von George Bernard Shaw basiert. Die deutsche Premiere fand am 25. Oktober 1961 im Theater des Westens in Berlin statt. eine Sitzung. Das war mein erstes Mal in einer großen Stadt. Berlin war damals irre. Westen, Osten, das spielte ja keine Rolle, die Stadt war so groß. Ich habe Berlin immer gemocht und bin auch wegen des Theaters hingefahren. Wegen der Kunst eigentlich nicht so sehr. Mit Onnasch Reinhard Onnasch (* 1939 Görlitz) ist ein deutscher Bauunternehmer, Galerist und Kunstsammler. 1969 eröffnete er eine Galerie am Kurfürstendamm in Berlin, die er 1971 um eine Dependance im Galeriehaus Köln und 1973 durch Räumlichkeiten im New Yorker Stadtteil Manhattan erweiterte. Er zeigte vorwiegend Positionen der deutschen und amerikanischen Gegenwartskunst, darunter Ausstellungen mit Edward Kienholz, Markus Lüpertz, Kenneth Noland, Claes Oldenburg, Jason Rhoades und Gerhard Richter. Parallel zu seinen Aktivitäten als Galerist baute Onnasch eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst auf, die unter anderem Werke von Larry Bell, George Brecht, Jim Dine, Dan Flavin, Dieter Roth, Richard Serra und Stefan Wewerka umfasst. Von 2007 bis 2009 organisierte er zu ausgewählten Sammlungspositionen Ausstellungen in dem temporären Showroom El Sourdog Hex in Berlin. hatte ich später viel zu tun.

Inwiefern?

Er hat viel bei mir gekauft. Dann hat er eine Ausstellung von Richard Artschwager übernommen. „Richard Artschwager“, Onnasch Galerie, Berlin, 1970. Ich war bei der Eröffnung, und beim Abendessen bin ich unglaublich beschimpft worden, dass ich so amerikaträchtig sei. Es gab ja so eine antiamerikanische Zeit. Die wollten mich in Grund und Boden reden, die Expressionisten-Freunde. Deutscher Expressionismus ist etwas, was ich gar nicht mag.

Haben Sie Rudolf Springer kennengelernt?

Ja. Er hat ein riesengroßes Bild von Wesselmann Tom Wesselmann (1931 Cincinnati, Ohio – 2004 New York) war ein US-amerikanischer Künstler, der in seinen Werken häufig weibliche Akte in sexuell provokativen Haltungen darstellte. Er zählt zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Pop-Art. bei mir gekauft. Mein erster Künstler. Springer kam und sagte: „Das ist ja ein tolles Bild. Wer ist das?“ – „Wesselmann.“ – „Kenne ich nicht. Ach, das ist ein tolles Bild. Wenn der Kunstmarkt vorbei ist, würde ich das gerne kaufen.“ ‒ „Ist in Ordnung.“ Dann kam der Dezernent vom Museum Mönchengladbach mit Dr. Cladders Johannes Cladders (1924 Krefeld – 2009 Krefeld) war ein deutscher Künstler und Kurator, der von 1967 bis 1985 als Direktor die Städtischen Kunstmuseen in Mönchengladbach leitete. 1972 betreute er auf der „documenta 5“ die Abteilung „Individuelle Mythologien“. Cladders gilt als wichtiger Vermittler des künstlerischen Werks von Joseph Beuys, Robert Filliou und Jannis Kounellis. … Sie kennen die Geschichte? Während des ersten Kölner Kunstmarkts verkaufte Rolf Ricke das Gemälde „Great American Nude #42“ (1962) von Tom Wesselmann für 5.000 D-Mark an den Berliner Galeristen Rudolf Springer. Dieser gab es kurze Zeit später für 19.000 D-Mark an einen Kölner Privatsammler weiter. 1969 vermittelte Rolf Ricke das Bild für 75.000 D-Mark an das Krefelder Kaiser Wilhelm Museum. Vgl. Alfred Nemeczek/Rolf Ricke, „Ich will zeigen, dass Kunst eigentlich sehr einfach ist“, in: Christiane Meyer-Stoll, „Sammlung Rolf Ricke. Ein Zeitdokument/Rolf Ricke Collection. A Document of the Times“, Ostfildern 2008, S. 11–18, hier S. 15.

Ja. Sehen Sie das heute noch genauso? Würden Sie das immer noch an Springer verkaufen?

Der Erste, der kommt, bekommt es. Wenn Springer sagt: „Das ist ein tolles Bild, das würde ich gerne haben“, ohne den Künstler zu kennen, ist das echte Begeisterung. Und das trifft sich mit meiner Begeisterung.

Angenommen, Zwirner, der sich nicht nur selbst als Händler beschreibt, sondern auch von allen anderen so gesehen wird, wäre damals zu Ihnen gekommen. Hätten Sie nach dem gleichen Prinzip gehandelt?

Damals ja. Ich glaube ja.

Trotzdem hat man bestimmt nicht gerne ein Bild für 5.000 D-Mark verkauft, wenn es zwei Tage später für 8.000 D-Mark weitergehandelt wurde, oder?

Das stimmt. Heute wäre es anders, aber damals war das nicht so.

Sie haben viele Künstler vertreten, die kein anderer in Deutschland hatte. Zwirner hat Ihnen bestimmt keine Kunden geschickt?

Nein, das nicht. Aber ich habe zum Beispiel auf dem ersten Kunstmarkt meine Andy-Warhol-Bilder an Enzo Sperone Gian Enzo Sperone (* 1939 Turin) ist ein italienischer Galerist, der ab 1963 eine Galerie in Turin führte. Gemeinsam mit der Kunstkritikerin Angela Westwater und dem deutschen Galeristen Konrad Fischer eröffnete er 1975 die Sperone Westwater Fischer Gallery im New Yorker Stadtteil SoHo. Seit dem Ausscheiden Konrad Fischers im Jahr 1982 besteht diese unter dem Namen Sperone Westwater fort. Mit Alighiero Boetti, Lucio Fontana, Richard Long, Heinz Mack, Bruce Nauman, Otto Piene und Julian Schnabel umfasst das Programm der Galerie zahlreiche wichtige Positionen der europäischen und amerikanischen Gegenwartskunst. nach Turin verkauft, weil sie kein Deutscher für 5.000 D-Mark haben wollte.

Woher hatten Sie die Warhol-Bilder?

Über meine Kanäle in New York, letztlich alle von Castelli.

Über irgendjemanden, der kein Händler war? Es heißt, an Warhol kam man nicht ran, die Bilder konnte man nicht kaufen. Auf dem Kunstmarkt tauchen dann bei Ihnen am Stand die Warhol-Bilder auf. Das ist doch sicher bemerkt worden?

Na klar, das fiel natürlich auf. Sonnabend und Sperone haben sehr viel zusammengearbeitet. Ich glaube, das ist in den gleichen Kanal, sprich zu Sonnabend, zurückgegangen.

War das damals ein Thema?

Nein, das wurde nicht thematisiert. Ich vertrete die Meinung, wenn jemand durch Umwege, aber ohne Betrug, dahin kommt, wo er hinwill: „Gut gemacht.“ Vielleicht haben die Leute auch damals gedacht: „Ach, guck mal. Das ist ja interessant, wie der das macht.“ Ich weiß es nicht.

Aber Sie wussten, es würde bemerkt werden. War Ihnen das zu keinem Zeitpunkt unangenehm?

Nein, das war mir eigentlich nicht unangenehm. Damals waren die Verträge mit den Künstlern sehr hart. Solche Knebelverträge gibt es heute in dem Sinne nicht mehr. Es gab keinen Weg ohne die Galerie. Der Künstler hat heute nicht mehr diese Exklusivität. Wenn jemand aus Japan kommt und in New York ein Bild von dem Maler X haben möchte, der bei einer anderen Galerie ist, dann bekommt er das Bild ganz sicher. Oder es wird ein Deal gemacht.

Hatten Sie mit Ihren Künstlern Verträge?

Nein, ein Gentleman’s Agreement. Das ging eigentlich sehr gut. In Amerika gab es keine großen Galerien, die dazwischen hingen. Und wenn es welche gab, waren sie sehr offen. Die Künstler selbst haben die Briefe von Museen an mich weitergeleitet oder denen geschrieben, sie sollen sich mit mir in Verbindung setzen. Ich habe mich immer sehr schnell mit allen Kuratoren gut vertragen. Ob mit Peter Weibel oder in Amsterdam oder Utrecht, wo auch immer die Ausstellungen stattfanden, haben wir uns gut verstanden. Da war keine amerikanische Galerie involviert. Die wollten es nicht oder haben es nicht gemacht, weil es so viel Arbeit war. Ich weiß es nicht.

Ihr erster Vertrag mit der Universal Limited Art Editions …

Das war ein Exklusivvertrag. Aber auch nicht lange. Das habe ich zwei, drei Jahre gemacht.

Wie und wieso haben die das mit Ihnen gemacht? Da kommt irgendjemand aus Europa, aus Deutschland …

Ich weiß nicht, warum die Leute so nett waren, sie haben es einfach gemacht. Vielleicht war vorher keiner da, der sich überhaupt dafür interessiert hat.

Von jedem Blatt, das sie verlegten, sollte ich dann eins kriegen. Wenn Jasper Johns beispielsweise ein neues Blatt machte, bekam ich eins. Aber irgendwann hat mich das Programm nicht mehr so interessiert. Der Verlag bekam die Künstler nicht mehr. Da waren Ileana Sonnabend und Castelli hart: kein Lichtenstein, kein Rosenquist. Nichts mehr. Das Programm ging dann in eine Richtung, die mich nicht mehr so interessierte. Die letzte große Sache war meiner Erinnerung nach Barnett Newman und Cy Twombly.

Haben Sie das als komplette Sammlung für sich behalten?

Nein, ich habe alles verkauft. Herr Etzold hat alles bezahlt. Ich habe selber gar nichts behalten, außer vielleicht mal ein Blatt.

Wurde das aus den USA mit der Post verschickt?

Spedition.

Irgendwo habe ich gelesen, dass die erste Sendung nicht ganz unbeschädigt ankam.

Nein, das war eine andere Kunstsendung. Das war zur gleichen Zeit. Ich hatte Skulpturen und Bilder in New York gekauft, und meine Freunde hatten bei der Bank eine Bürgschaft über 25.000 D-Mark übernommen. Sie haben das letztlich alles bezahlt, und ich habe das ganze Geld in einer Woche ausgegeben. Als wir die Arbeiten in Köln ausgepackt haben, war eigentlich nur Materie drin, keine Bilder, bis auf Jo Baer. Stellen Sie sich das vor: ein Serra, Eva Hesse hinter Neonröhren … alles Mögliche.

Das war alles kaputt?

Es war nicht kaputt! Ich musste den Kredit zurückzahlen, bin zur Bank und bekam Druck.

Der Kredit wurde Ihnen sofort gekündigt?

Ja, der Kredit wurde mir gekündigt, also brauchte ich einen anderen Kredit. Ich war mit meinem Steuerberater in Dellbrück, bei der Bank. Wir haben eine Stunde lang verhandelt, dann sagte der Direktor: „Können Sie mir ein paar Leute nennen, die nicht direkt bürgen, aber mit denen Sie Geschäfte machen?“ ‒ „Ja, Peter Ludwig.“ – „Was haben Sie für Kunst, die wir vielleicht übernehmen könnten?“ Da habe ich gesagt: „Das und das und das.“ Der Bankdirektor ging um den Tisch herum, fasste mich an den Schultern und sagte: „Da können wir nichts machen.“ Es ging trotzdem weiter. Ich wollte eigentlich nie mehr einen Kredit haben, aber ohne Kredite hätte ich gar nicht arbeiten können.

Hätte man Leute wie Peter Ludwig niemals nach Geld gefragt?

Nein, niemals.

Die hatten wahnsinnig viel Geld, die wussten genau, worum es geht. Warum war das ausgeschlossen?

Ich glaube nicht, dass ein Sammler von denen kauft, denen er Geld leiht. Ein sehr reicher Sammler kauft nicht in einer armen Galerie. Jemand, der eine Million ausgibt, geht nicht in eine Galerie, um für 8.000 oder 18.000 Dollar ein Bild zu kaufen.

Es heißt immer, damals hatte keiner von den Galeristen Geld, und trotzdem haben Sie die Künstler einfliegen lassen. Haben Sie sich besonders um Ihre Künstler gekümmert?

Ja, das habe ich. Was heute auch nicht mehr Usus ist, damals aber dazugehörte, war die großzügige Geste des Künstlers, eine Zeichnung zu verschenken: „Das ist für dich. Für deine Kosten.“ Diese Partnerschaft hat schon eine sehr fundierte Gemeinsamkeit gehabt.

Sie waren der Meinung, dass die Künstler sich wohler fühlen, wenn sie etwas Sicherheit haben? Und Sie haben versucht, ihnen das zu geben?

Das habe ich versucht. Ich habe ihnen sogar zu Weihnachten deutsches Bier geschickt. Der Werdegang mit dem Künstler geht so: Wenn er erfolgreich ist, werden seine Anforderungen höher, und ab einem bestimmten Punkt merkt er, dass der Galerist das nicht mehr bedienen kann, dann bricht es auseinander.

Das war in Ihrem Fall zum Beispiel mit Richard Serra so?

Das ist mit vielen anderen auch so gewesen. Ich habe das nie verstanden, die Leute haben immer gesagt: „Du bist von dem Künstler betrogen worden.“ ‒ „Nein, ich bin nicht betrogen worden. Er muss seinen Weg gehen, und ich kann das nicht finanzieren.“

Das stelle ich mir schwierig vor. Wenn man jemanden über Jahre mit aufgebaut hat, auch wenn es mit der eigenen Existenz bereits schwierig war, und in dem Moment, wo der Künstler es geschafft hat und sich die Galerie aussuchen kann, lässt er Sie fallen. Mit einem einzigen Verkauf einer Serra-Skulptur hätten Sie die Galerie für eine längere Zeit erst einmal wieder grundsätzlich absichern können.

Ja, das ist hart. Das ging bis in die 70er-Jahre. Bis Ed Ruscha Ed Ruscha (eigtl. Edward Joseph Ruscha; * 1937 Omaha, Nebraska) ist ein US-amerikanischer Künstler. Seine Arbeiten zeichnen sich durch reduzierte Form, Humor sowie ein tiefgreifendes Interesse an Sprache und Architektur aus. Er arbeitet in den Medien Malerei, Fotografie, Grafik und Film. Seine Künstlerbücher, die seit den 1960er-Jahren entstehen, gelten als Meilensteine in der Entwicklung der Geschichte der Fotografie. Dazu gehören „Twentysix Gasoline Stations“ (1963), „Every Building on the Sunset Strip“ (1966), „Real Estate Opportunities“ (1970). . Ab 87/88 war das nicht mehr der Fall, da hatte ich das alles im Griff. Wahrscheinlich war dann genug Geld da, um das hin- und herzubewegen. Eine Galerie braucht – das habe ich später erst gelernt – ein, zwei Künstler, die sehr teuer sind, um den Betrieb zu finanzieren. Das war bei mir Donald Judd. Judd habe ich sehr viel verkauft, bis er gestorben ist. Da habe ich so viel verdient wie nie zuvor. Viel ist dann bei mir in die Sammlung geflossen, und endlich konnte ich alle Rechnungen bezahlen. Wenn dann einer meiner Künstler kam und fragte: „Kannst du mir mal 5.000 Dollar geben“, konnte ich sagen: „Ja, kann ich.“ Es kam aber eigentlich keiner, weil ich immer alles gekauft habe. Parrino hat einmal gesagt: „Du bist mein größter Sammler auf der ganzen Welt.“ David Reed auch. Die Person, an die David Reed und Parrino die meisten Bilder verkauft haben, bin ich.

Waren Sie 1977 auf der „documenta 6“?

Ja, als Besucher.

In dem Jahr haben Richter und die Künstler der Galerie Michael Werner ihre Beiträge zurückgezogen. Georg Baselitz und Markus Lüpertz zogen ihre Beiträge einen Tag vor der Eröffnung der „documenta 6“ im Jahr 1977 zurück. Auch Gerhard Richter ließ seine Bilder in diesem Jahr abhängen. Vgl. „documenta 6“, unter: http://www.documenta.de/de/retrospective/documenta_6 (eingesehen am 31.05.2016); Sebastian Lindner, „Zwischen Öffnung und Abgrenzung. Die Geschichte des innerdeutschen Kulturabkommens 1973–1986“, Berlin 2015, S. 83–93; sowie Jürgen Hohmeyer, „Unruhe an neuen Fronten“, in: „Der Spiegel“, Nr. 27, 27.06.1977, S. 170. Erinnern Sie sich daran?

Ich habe davon bei der Eröffnung gehört. Das war ein ziemlicher Skandal. Allerdings war das damals für mich die schlimmste Zeit, und ich war nicht lange in Kassel. Die documenta 77 war die von Manfred Schneckenburger. Trocken war die, das weiß ich noch. Eine trockene documenta, ohne Saft. Aber wie das genau mit diesen Künstlern war, weiß ich nicht.

Das war ja kein Unikum. 1982 wurde Franz Erhard Walther seine Arbeit zurückgeschickt, weil sie zu groß war. Er hat dann etwas Kleineres gezeigt. Mit 300 teilnehmenden Künstlern an so einer Ausstellung zu arbeiten, ist sicher nicht einfach. Da gibt es Reibungsflächen. Aber es spielen wohl auch politische Interessen bei diesen Großausstellungen keine ganz unbedeutende Rolle?!

Es gibt bestimmte Dinge, die man nicht machen kann, wenn man ein bisschen sensibel arbeitet und darüber nachdenkt und seine Rolle als Kurator eher als Partner denn als Diktator versteht. Bei der Ausstellung „Bilderstreit“ „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“, Museum Ludwig in den Rheinhallen, Köln, 08. April – 28. Juni 1989. gab es auch so eine Situation. Sie kennen die Geschichte mit Donald Judd? Donald Judd hatte seine Teilnahme an der Ausstellung „Bilderstreit“ an die Bedingung geknüpft, einen selbstverfassten Artikel in der begleitenden Ausstellungspublikation veröffentlichen zu dürfen. Nachdem dieser aufgrund seines kritischen Inhalts nicht publiziert wurde, zog er seine künstlerischen Beiträge aus der Ausstellung zurück. Vgl. Christiane Meyer-Stoll, „Ganz nah dran. Gespräche mit Rolf Ricke“, in: dies. (Hg.), „Sammlung Rolf Ricke. Ein Zeitdokument/Rolf Ricke Collection. A Document of the Times“, Ostfildern 2008, S. 20–202, hier S. 122. Er rief sofort von meinem Schreibtisch aus seine Sammler an, mit der Bitte, die Leihgaben zurückzuziehen. Und sie haben ihre Leihgaben abgezogen. Ich glaube, dass man davor nicht gefeit ist … Unser Englischlehrer hat immer gesagt: „Eine fünfprozentige Unzulänglichkeit des Menschen muss man immer einkalkulieren.“ Aber es gibt bestimmte Fehler im Umgang mit Künstlern, Nachbarschaften und Dialogen, die man sich nicht erlauben kann. Und dann hat der Künstler eben das Recht, Einspruch einzulegen.

Rudi Fuchs und seine „documenta 7“ waren sehr umstritten.

Ja, da war ich auch entsetzt. Ich habe ihn immer sehr gemocht, aber für mich gilt der Grundsatz von Ad Reinhardt: „Kunst ist Kunst, und alles andere ist alles andere.“ „The one thing to say about art is that it is one thing. Art is art-as-art and everything else is everything else. Art as art is nothing but art. Art is not what is not art.“ Erstmals veröffentlicht als Zitat in: Joseph Kosuth, „Art After Philosophy“, in: ders., „Art After Philosophy and After. Collected Writings, 1966–1990“, hg. von Gabriele Guercio, Cambridge 1991, S. 13–32, hier S. 15. Das galt bei Rudi nicht mehr. Da wurde die Postmoderne eingeläutet, und da konnte ich ihm nicht mehr folgen.

Spielte der Einfluss des Kunstmarkts auf dieser documenta eine größere Rolle?

Das fing da an, ja. Das waren die 80er-Jahre.

Das konnte man auch auf der documenta so deutlich sehen?

Das konnte man sehen. Ja! Auch beim „Bilderstreit“ konnte man das sehen. Bei großen Ausstellungen konnte man sehen, dass die Kraft oder die Macht des Kunsthandels immer größer wurde.

Dann gab es diese großen Gruppenausstellungen „von hier aus“ „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“, Halle 13 der Messe Düsseldorf, 29. September – 02. Dezember 1984. , „Westkunst“ „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“, Rheinhallen, Köln, 30. Mai – 16. August 1981. , „Zeitgeist“ „Zeitgeist. Internationale Kunstausstellung Berlin 1982“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 16. Oktober 1982 – 16. Januar 1983. , „Metropolis“ „Metropolis. Internationale Kunstausstellung Berlin 1991“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 20. April – 21. Juli 1991. . Norman Rosenthal und Christos Joachimides haben den Martin-Gropius-Bau in Berlin einige Jahre quasi „übernommen“.

Furchtbar war das. Schlimm. Der ganze Kunstmarkt hat sich da vorgestellt.

In den Kritiken klingt an, das seien Galerieausstellungen gewesen. Wie haben Sie das damals gesehen?

Ich wurde damit konfrontiert. Gerade bei dieser großen Joachimides-Ausstellung, wo Volker Tannert Volker Tannert (* 1955 Recklinghausen) ist ein deutscher Künstler, der von 1975 bis 1979 bei Gerhard Richter und Klaus Rinke an der Kunstakademie Düsseldorf studierte. In den 1980er-Jahren wurde er zur neuen jungen Malerei gezählt und stellte unter anderem mit den Künstlern der Mülheimer Freiheit aus. dabei war.

Die „Zeitgeist“-Ausstellung?!

Ja. Das große Scheinwerfer-Bild Volker Tannert, „Unsere Wünsche wollen Kathedralen bauen“, 1982. gehörte mir. Es wurde an dem Abend von Volker Tannert an einen größeren Händler verkauft. Da habe ich zum ersten Mal begriffen: Es ist jetzt eine andere Zeit angebrochen. Jetzt wird einiges anders. Dieser Prozess verläuft ja langsam. Seit der Wende gerät das alles ein bisschen aus den Fugen: Der Pluralismus kommt, die Avantgarde ist am Ende, und es werden neue Gesetze geschrieben. Und die Gesellschaft macht wie immer alles mit. Die Gesellschaft fand das toll. Die waren froh, dass sich das alles ändern sollte. Das erklärt ja den riesengroßen Erfolg dieser Geschichte. Heute gibt es eine extreme Spaltung: Die kleinen Galerien, die keinen Fuß mehr auf die Erde kriegen, und die großen, die alles bestimmen. Das ist schade. Das wäre nicht mehr mein Beruf. Ich bin froh, dass ich draußen bin.

Sie sind Marcel Duchamp persönlich begegnet und Sie beschreiben, wie sich seine Aura sofort auf Sie übertragen hat. Duchamp ist ohne Zweifel ein großer Künstler, ein großer Erfinder, Sie sind aber in dem Moment von seiner Persönlichkeit überwältigt. Fällt Ihnen jemand anderes ein, der eine ähnliche Wirkung auf Sie hatte? Gibt es das heute auch noch?

Vielleicht gibt es das heute nicht mehr. Ich glaube, dass sich die Kunst so anders entwickelt hat. Dass sie so vielseitig geworden ist, dass es das vielleicht nicht mehr gibt. Robert Smithson ist zum Beispiel eine Figur, die mich nachhaltig unglaublich beschäftigt. Ihn sehe ich wirklich vor mir, höre ihn, sehe seine Augen, wie er durch seine Brille guckt. Um ihn haben sich auch die Leute versammelt, um ihm zuzuhören. Es gibt verschiedene andere Figuren, wie zum Beispiel Andy Warhol, der natürlich für eine ungeheuerliche Geschichte steht. Aber das ist wieder etwas anderes.

Was ist mit Joseph Beuys?

Das hat mich nicht interessiert.

Was heißt das: Es hat Sie nicht interessiert?

Ich bin an Kunst interessiert, die im absoluten Sinne nicht mehr ist als das, was sie ist.

Ad Reinhardt. „The one thing to say about art is that it is one thing. Art is art-as-art and everything else is everything else. Art as art is nothing but art. Art is not what is not art.“ Erstmals veröffentlicht als Zitat in: Joseph Kosuth, „Art After Philosophy“, in: ders., „Art After Philosophy and After. Collected Writings, 1966–1990“, hg. von Gabriele Guercio, Cambridge 1991, S. 13–32, hier S. 15.

Ja. Bei Duchamp ist das wieder eine ganz andere Geschichte. Aber ich brauche weder einen literarischen noch einen mythologischen Zusatz. Für Beuys war ich auch zu jung. Beuys geht viel weiter zurück. Meine Kenntnis über Beuys kam erst sehr spät, Mitte, Ende der 60er-Jahre, als ich nach Köln kam. Es gibt natürlich ganz bedeutende Stücke von Beuys, die mich auch sehr interessieren: Da, wo er am elementarsten als Bildhauer auftritt und ohne Geschichten auskommt. Obwohl – die Geschichte mit der Rose, Joseph Beuys, „Rose für direkte Demokratie“, 1973. Die Edition basiert auf dem Werk „Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“, das Beuys anlässlich der „documenta 5“ (1972) in Kassel veranstaltete. Dabei diskutierte er über 100 Tage mit den Besuchern Ideen zur Veränderung der Gesellschaft. Auf dem Schreibtisch des Büros befand sich eine Vase mit einer Rose, die täglich ersetzt wurde. die fand ich toll. Aber ohne diese Performances, ohne den Hasen. Joseph Beuys, „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“, 1965. Bei der Aktion konnte das Publikum von der Straße aus durch die Schaufenster der Düsseldorfer Galerie Schmela beobachten, wie Joseph Beuys im Innenraum mit goldgefärbtem Kopf einem toten Hasen die Kunstwerke erklärte. Den „Stuhl mit Fett“ Joseph Beuys, „Stuhl mit Fett“, 1963. halte ich für eine ganz bedeutende Skulptur, aber ich brauche dazu keine Erklärung. Ich sehe da nur Fett und Material. Der ganze Hintergrund interessiert mich nicht. Deswegen finde ich schlecht Zugang dazu. Die Zeichnungen sind fantastisch, aber die ganzen Aktionen haben mich nie interessiert. Obwohl es mich fasziniert hat, hat es mich nicht so richtig interessiert.

Beuys war auch in Kassel ziemlich präsent.

Ja. Die Sache mit den Bäumen war grandios. Anlässlich der „documenta 7“ (1982) stellte Beuys das Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vor: 7.000 Eichen sollten im Stadtraum Kassel angepflanzt werden. Begleitet wurden die Neupflanzungen jeweils durch die Aufstellung einer der Basaltstelen, die bis zu ihrer Verwendung auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum in Dreiecksform aufgeschüttet waren. Das ist eine seiner besten Arbeiten. Ich fand auch sein politisches Engagement toll. Ich fand toll, wenn er gesprochen hat. Er hatte etwas, was Smithson auch hatte: etwas Missionarisches, etwas Aufklärerisches, etwas Bestimmtes und Aufforderndes in einer ruhigen Form. Aber ich hatte einen Abstand zu seinem Werk. Ich kann es nicht genau beschreiben. Vielleicht war es mir auch manchmal zu deutsch. Obwohl das eigentlich keine Rolle spielt. Ich habe Beuys beobachtet. Ich habe auch Serra und Sonnier Keith Sonnier (* 1941 Mamou, Louisiana) ist ein US-amerikanischer Künstler, der für seine Licht- und Neonskulpturen bekannt ist. 1968 zeigte die Galerie Ricke in Köln seine erste Einzelausstellung in Deutschland. mit Beuys bekannt gemacht. Wir kannten uns natürlich. Ich habe Beuys auch sehr viel besucht.

Wo?

In Düsseldorf. Ich habe 67 eine Multiple-Serie gemacht: „Objekt 13“ 1967 initiierte Rolf Ricke die „Objekt-Serie 13“, an der sich unter anderem Gotthard Graubner, Yayoi Kusama, Heinz Mack und Ferdinand Spindel mit Multiples beteiligten. Siehe auch: Galerie Ricke (Hg.), „Objekt-Serie 13“, Editionsbroschüre, Kassel 1967. . Es waren 13 Künstler beteiligt. Die Idee war, dass jeder ein Objekt mit einer Auflage von 13 machte, aber ein Original. Da waren Gotthard Graubner, Ferdinand Spindel und die ganze ZERO-Gruppe in Düsseldorf dabei. Ich war auch bei Beuys, aber er wollte das merkwürdigerweise nicht. Ich weiß gar nicht warum. Stellen Sie sich mal vor, von Yayoi Kusama hatte ich 13 Schuhe Yayoi Kusama, „Shoes“, 1967. . Die habe ich noch In den 80er-Jahren verschenkt.

Verschenkt?

Ja. Diese Schuhe wollte keiner haben. Kein Mensch wollte sie haben. Selbst 84, 85, 86 wollte sie noch kein Mensch haben. Heute kosten sie sehr viel Geld. Jedenfalls waren neben Kusama noch eine Menge anderer Leute dabei. Das war eine Sache, die es in dieser Form noch nicht gab. Damals habe ich Beuys zu Hause besucht. Seine Frau war sehr nett. Die haben toll gelebt. Wir haben Kaffee getrunken, alles war wunderbar, aber irgendwie kamen wir nicht zurecht. Ich habe das dann auch nicht weiterverfolgt, weil ich mit so vielen anderen Dingen beschäftigt war, dass ich mich da nicht so richtig reingehängt habe.

Das ist interessant. Sie waren nah an ihm dran und konnten trotzdem „widerstehen“. Bis auf Franz Erhard Walther, der mit Beuys offenbar irgendwie im Konflikt stand, weil sich dort die Frage „Wer war zuerst?“ stellte, sind die meisten bekennende Beuys-Verehrer.

Franz Erhard Walther ist für mich ein großes Problem. Wenn es nach Franz Erhard Walther geht, hat er schon als fünfjähriges Kind alles erfunden. Er war immer der Erste. Ich finde ihn sehr nett und ich halte ihn auch für einen guten Künstler. Aber es gibt Künstler, die haben immer schon alles vor allen anderen gemacht. Und er ist einer davon. Das hat mich immer ein bisschen abgehalten.

Viele sehen in Beuys den Schamanen, den Heiler, den Weltverbesserer.

Das ist sicher, ganz eindeutig. Das ist natürlich auch sehr bewusst gemacht worden. Da habe ich auch gar nichts dagegen. Er wurde gebraucht. Letztlich glaube ich, dass er für die Öffnung und die Veränderung der Gesellschaft mehr gemacht hat als alle anderen zusammen. Das ist das Größte, was ich an ihm sehe, dass er wirklich gesellschaftlich eingegriffen hat. Ob das nun die Politik der Grünen war, die Klimapolitik oder die Problematik der Humanität, alles das hat Beuys gut formuliert. Ich habe wahnsinnig viel Literatur über Beuys, die mich unglaublich fasziniert hat. Als Galerist haben mich seine Objekte nicht interessiert, aber der Umraum natürlich schon. Das, was er gemacht hat, hat kein anderer gemacht. Auch diese Sache mit den Multiples, diese ganzen Intuitionen, das sind alles wahnsinnig wichtige Dinge. Das hat alles aufgerissen. Und es hat auch vieles infrage gestellt. Es hat die ganze Geschichte vorher infrage gestellt. Und ich finde, jeder, der etwas infrage stellt und dafür etwas riskiert, ist richtig. Das ist ein Credo für mich.

Habe ich Ihnen die Geschichte mit Arnold Schönberg Arnold Schönberg (1874 Wien – 1951 Los Angeles) war ein österreichischer Komponist und Musiktheoretiker der Wiener Schule. Durch die Entwicklung der Zwölftontechnik zählt er zu den einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. erzählt? Das ist ähnlich wie mit Beuys. Arnold Schönberg, der Komponist, hat das Zwölftonsystem Die 1923 von Arnold Schönberg eingeführte Zwölftontechnik ist ein kompositorisches Verfahren, das nicht mehr den Regeln der Harmonielehre folgt, sondern auf einem Bezugssystem zwischen den zwölf chromatischen Halbtönen basiert. Die Technik gilt als wegweisender Ausgangspunkt für die späteren Formen der seriellen und elektronischen Musik. Siehe auch: Matthias Schmidt, „Theorie und Praxis der Zwölftontechnik. Ernst Krenek und die Reihenkomposition der Wiener Schule“, Laaber 1998. erfunden und wird als Avantgardist gefeiert. Schönberg selbst hat gesagt: „Im Grunde bin ich ganz konservativ. Man kann nur etwas verändern, wenn man weiß, was man verändern will. Wenn man etwas kennt, kann man es verändern. Mehr habe ich nicht gemacht.“ Beuys hat letztlich auch nichts anderes gemacht. Und deswegen ist es so großartig. Ich habe gerade wieder über Duchamp gelesen. Die Geschichte mit dem Fahrrad ist einfach eine super Geschichte. Da steht das Fahrrad, und er sagt: „Ein Fahrrad ist toll, aber ohne Funktion.“ Das war das erste Readymade Als Readymade bezeichnet man künstlerische Werke, die auf der Verwendung von Alltagsgegenständen beruhen. Indem sie in den Kunstkontext überführt werden, zum Beispiel durch die Signatur des Künstlers, werden sie qua Behauptung zum Kunstwerk. Marcel Duchamps „Fahrrad-Rad“ (1913) gilt als erstes Readymade. Siehe auch: Francis M. Naumann, „Marcel Duchamp. The Art of Making Art in the Age of Mechanical Reproduction”, New York 1999. . Das sind die großen Veränderungen. Ich hasse es, wenn Künstler und Regisseure immer meinen, dass sie alles erfunden haben. Gesichter werden seit Tausenden von Jahren gemalt. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Und Beuys hat das grandios gemacht.

Ich mag keine Mythen, obwohl ich nichts dagegen habe. Andy Warhol umgab auch ein Mythos. Er hat mir einmal eine tolle Geschichte erzählt: Er war bei einer Veranstaltung, und die Leute standen alle am Buffet an, während Andy Warhol sich mit allen unterhalten hat. Irgendjemand hat ihn dann gefragt: „Sag mal, willst du denn gar nichts essen?“ Sagt er: „Nein, ich habe vorher gegessen, damit ich mit euch reden kann!“ Das ist doch toll!

Haben Sie mir bei unserem letzten Treffen gesagt, dass Künstler die tolerantesten Menschen sind?

Ja, die toleranteren Menschen.

Biografie und Werk, Kunst und Leben, das ist etwas, was in den 60er- und 70er-Jahren ausdrücklich als vereint gelten sollte. Beuys hat vielleicht in ästhetischer Hinsicht das weniger attraktive Werk geschaffen, aber im ideologischen Sinn das wichtigere …

Und genau das ist das Wichtigste. Dieser Aufbruch. Dieses Zerstören dessen, was vorher war.

Sie haben schon angedeutet, dass Fluxus und Performancekunst Sie weniger interessiert haben. In meinem Gespräch mit Ulay ist mir klar geworden, dass er damals mit Marina Abramović durch ganz Europa getourt ist – nur in Deutschland haben sie kaum Auftritte gehabt. Marina Abramović (* 1946 Belgrad) ist eine Performancekünstlerin, die in den 1970er-Jahren mit Performances wie „Rhythm 0“ (1974) oder „Art Must Be Beautiful“ (1975) bekannt wurde. Abramović sucht in ihrer Arbeit Grenzerfahrungen zwischen Körper und Geist. Von 1976 bis 1989 arbeitete sie mit dem Künstler und ihrem damaligen Lebensgefährten Ulay (* 1943 Solingen) zusammen. Ihre gemeinsamen Performances, darunter „Relation in Time“ (1977), thematisieren die Beziehung zwischen zwei Menschen, die einander nahestehen, bisweilen sogar symbiotisch auftreten und doch von ihren individuellen Ausprägungen, Vorstellungen und Wünschen stark geprägt sind. Die documenta war eine Ausnahme, aber es scheint, als gab es sonst keine Plattform dafür. In Amsterdam ging es super, im sogenannten „Ostblock“, in Italien, Skandinavien, überall, nur in Deutschland nicht. Obwohl es hier Fluxus und Happenings gab. Auch Rebecca Horn, Katharina Sieverding und andere deutsche Künstler, die in diesem Bereich gearbeitet haben, haben sehr viel im Ausland gemacht.

Das ist bis heute so. Auch in Belgien ist Performance groß. Was Deutschland betrifft, kann ich es Ihnen nicht beantworten. Ich weiß nur, dass dieses Land eine ganz starke Abgeschlossenheit bildet. Sich sehr abschottet, was zu politischen Dramen führen kann. Die Intellektuellen sind sehr viel offener als die Rezipienten. Ganz bestimmte Dinge haben sich aus dem Theater heraus entwickelt, die in Deutschland nicht richtig angekommen sind. Die Performance-Art kommt letztendlich aus Amerika. Aber selbst dort hat mich das nicht so wahnsinnig interessiert. Obwohl ich oft in der Judson Church war, um Trisha Brown und Yvonne Rainer zu sehen. Auf Initiative des Choreografen Robert Ellis Dunn (1928 Oklahoma – 1996 New Carrollton, Maryland) entwickelte sich die Judson Memorial Church im Greenwich Village zwischen 1962 und 1964 zu einem Treffpunkt der experimentellen New Yorker Musik-, Tanz- und Kunstszene. Neben Konzerten und Vorträgen umfasste das Programm auch zahlreiche Performances und Ausstellungen. Dem Kollektiv des Judson Dance Theater gehörten unter anderem Trisha Brown, Sally Gross, Yvonne Rainer und Carolee Schneemann an. Siehe auch Ramsay Burt, „Judson Dance Theater. Performative Traces“, London/New York 2006. Das hat mich sehr interessiert, weil das mit John Cage und Robert Morris war. Da kamen Rauschenberg und alle möglichen Leute zusammen. Ich bin auch ein ganz großer Verehrer von Pina Bausch Pina Bausch (1940 Solingen – 2009 Wuppertal) war eine deutsche Tänzerin und Choreografin, die ab Beginn der 1970er-Jahre die neue Gattung des Tanztheaters begründete. Von 1973 bis 2009 leitete sie das Tanztheater Wuppertal an den Wuppertaler Bühnen. , ich habe alles von ihr gesehen. Seit 76 habe ich ihre Arbeit verfolgt. Ich habe gesagt: „Besser kann man es nicht machen. Sie schafft den Tanz und das Ballett ab und erzeugt eine neue Form.“ – Ballett hasse ich. Das finde ich ganz furchtbar. Der Einfluss von Pina Bausch auf die bildnerischen Künste ist extrem groß gewesen. Alle Amerikaner waren hin und weg, nachdem sie Pina Bausch einmal gesehen hatten. In Deutschland hat es hingegen Jahre gedauert, bis das angekommen ist. Vielleicht gibt es eine Lücke, weil es in unserer Tradition nicht verankert ist. In Italien sind viele Dinge gemacht worden, die hier nie richtig angekommen sind.

Sie meinen, man war nicht offen genug?

Ich weiß nicht, ob man nicht offen genug war oder ob es in ganz bestimmten Instituten, in ganz bestimmten Situationen nicht gesehen und nicht gefördert worden ist. Es gab ja diese Fluxus-Veranstaltungen, es gab Wuppertal, es gab diese ganzen Dinge. Kann es vielleicht sein, dass das normale Theater im Aufbruch war und dass die wahnsinnig viel übernommen haben? Denken Sie mal an die Schaubühne in den 60er-Jahren in Berlin und die Theater in Bremen und Ulm. Dieser unglaubliche Aufbruch durch die Regisseure Stein und Zadek, der Versuch, eine neue Form des Theaters zu finden. Die beiden Regisseure Peter Stein (* 1937 Berlin) und Peter Zadek (1926 Berlin – 2009 Hamburg) zählten Anfang der 1970er-Jahre zu den wichtigsten Vertretern des deutschen Regietheaters, das sich durch einen direkten Bezug zu den gesellschaftspolitischen Ereignissen seit den Studentenprotesten 1968 sowie eine starke Lesbarkeit des Regisseurs innerhalb der Inszenierung auszeichnet. Siehe auch: Denis Hänzi, „Die Ordnung des Theaters. Eine Soziologie der Regie“, Bielefeld 2013, S. 87 ff. Das berühmte Happening „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“ Wolf Vostell, „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“, 1964. Bei dem siebenstündigen Happening wurden 24 Stationen im Umland von Ulm mit einem Bus angefahren. Der Höhepunkt war ein vom Künstler konzipiertes Konzert mit drei Düsenfliegern. mit Vostell ist mit den gleichen Leuten umgesetzt worden, die sonst das Theater machten. Das ist vielleicht die erste Begegnung in einer sehr krassen Form.

Es gab auch in den 20er- und 30er-Jahren ganz starke Bewegungen – die man heute vielleicht Performances nennt –, die von den Nazis verboten wurden. Ich glaube, dass viele Dinge hier durch die Nazis verloren gegangen sind. Wie zum Beispiel, was ich sehr bedauert habe, die ganze Geschichte mit der Fotografie. Das hat ewig gedauert, ist aber nie auf eine ernsthafte Art und Weise angekommen. Wie lange hat es gedauert, bis der Film in der Kunst ernst genommen wurde? In den angelsächsischen Ländern war das ganz anders. Vielleicht hat es wirklich mit der politischen Geschichte zu tun. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Nazis so gewütet haben, dass ganz bestimmte Elemente zerstört worden sind. Hinzu kommt, dass sehr viele Deutsche auch in den 50er-Jahren noch bewusst Nazis waren. In den 50er-Jahren war es schlimm. Vielleicht hat es damit zu tun. Wenn ich jetzt einen Schlenker nach Paris mache: Das Publikum, das Leben, die vollen Restaurants, wie dort gegessen wird, die moderne Oper – das geht alles mit Stil. Das vermisse ich an dieser Gesellschaft völlig. Wir sind so furchtbar steif, formell, unpersönlich, manchmal kalt und unfreundlich. Ich liebe Deutschland, habe aber auch Probleme mit dem Land.

Ist das in den 70er-Jahren lockerer geworden? Hat sich die Situation in Deutschland nicht gebessert?

Das kann sein, ich habe es nicht verfolgt. Mich hat das nicht sehr interessiert. Fluxus hat mich auch nicht interessiert, und die Happenings habe ich nie erlebt. Ich habe nie eins gesehen. Was Vostell gemacht hat, war natürlich etwas anderes, das war sehr interessant und politisch. Das fand ich sehr wichtig.

Sie haben die amerikanischen Künstler in Deutschland gezeigt. Das war vielleicht auch nicht gerade das, womit sich eine deutsche Gesellschaft identifizieren konnte. Bazon Brock sagte: „Umso weniger zugänglich ein Kunstwerk war, umso leichter konnte man es verkaufen.“ Vgl. Bazon Brock. Bevor die Leute sich die Blöße gaben nachzufragen, haben sie es lieber gekauft. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ich habe lange gebraucht, um die Werke „an den Mann zu bringen“. Da waren diese vier, fünf Sammler, die kamen zu mir in die Galerie. Dann hing da eine Arbeit von Eva Hesse, und Herr Klinker aus Bochum geht darauf zu und sagt: „Boah, das ist ja ein tolles Stück!“ Ich weiß nicht, was er da gedacht hat. Wir haben uns auch nicht darüber unterhalten. Hauptsache, er hat es gekauft. Sind das formale Dinge gewesen? Oder sind es die vielen Materialien gewesen, die man nicht kannte? Oder war es das vollkommen Neue, diese handgestrickte Malerei? Der große Aufbruch begann vielleicht schon mit dem amerikanischen Expressionismus und dann mit der Pop-Art. Wobei ich wegen der Pop-Art die größten Angriffe meines Lebens erfahren habe. Da hieß es: „Das ist keine Kunst!“ Ich weiß nicht, was die Leute unter Kunst verstehen, aber wenn Andy Warhol oder Rosenquist keine Kunst ist, dann weiß ich nicht, warum Serra Kunst ist, auch wenn das ganz verschiedene Positionen sind.

Haben Sie das oft in Ihrer Galerie zu hören bekommen?

Dass das keine Kunst ist? Ja, immer! Obwohl die interessantesten Sammler sehr neugierig und aufgeschlossen sind.

Wenn Sie sagen, der Sammler kauft Eva Hesse, und Sie wissen eigentlich bis heute nicht, warum er es gekauft hat, heißt das, Sie haben mit Ihren Sammlern nicht über die Kunst gesprochen?

Doch, manchmal. Aber mit vielen auch nicht. Da möchte ich auch ganz ehrlich sein: Ich war an theoretischen Aspekten nicht interessiert. Und die Leute waren es auch nicht. Natürlich gab es hier und da Diskussionen, wenn man abends mal zusammensaß. Aber da ging es dann eher darum, dass man sich über Donald Judd oder Flavin geeinigt hat. Diese paar Leute kamen in die Galerie, weil sie irgendetwas Interessantes vermuteten oder gesehen hatten oder sehen wollten. Da hört man dann höchstens: „Das ist irre. Das ist Wahnsinn. Was ist das denn eigentlich genau?“ Da wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, über den man sich nicht groß ausgetauscht hat. Das kam dann im Laufe der Zeit. Aber es kamen ja auch kaum Besucher in die Galerie. Das war lächerlich. Man hat dagestanden, hatte nichts zu tun und hat mal einen Brief geschrieben. Manchmal kam auch jemand, sah sich um und sagte: „Was ist das denn? Ach, Sie haben im Moment keine Ausstellung.“ Das ist mir ein paar Mal passiert, obwohl eine Ausstellung installiert war. Bei Barry Le Va Barry Le Va (* 1941 Long Beach, Kalifornien) war zwischen 1970 und 1976 mit sechs Einzelausstellungen in der Galerie Ricke in Köln vertreten. Die installativen Arbeiten des US-amerikanischen Künstlers zeichnen sich häufig durch einen prozesshaften und ortsspezifischen Charakter aus. Le Va stellte unter anderem auf der „documenta 5“ (1972), der „documenta 6“ (1977), und der „documenta 7“ (1982) aus. zum Beispiel. Sogar Harry Szeemann ist über die Werke gestolpert. Als wir über die Archetypen in Bern gesprochen haben, sagte Szeemann: „Ach, weißt du was? Heute streut jeder irgendetwas auf die Erde.“ Das hat mich sehr gekränkt damals. Barry Le Va machte das seit vielen Jahren. Nur war er damals noch nicht in New York, noch nicht hip und bekannt.

Und das setzt sich bis heute fort. Es hat sich eigentlich wenig durchgesetzt, obwohl wir meinen, wir hätten alles verstanden und alles schon gemacht.

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Gar nichts hat sich durchgesetzt! Es ist eigentlich, wie es immer war. Es ist eigentlich gar nichts erreicht. Das müssen wir uns eingestehen. Es ist leider so.

Ich beobachte sehr gerne Menschen. Jetzt war vor dem Palais de Tokyo, meinem Lieblingsmuseum in Paris, eine kleine Performance auf der Straße: Eine junge Frau trug einen Umhang aus Gummi und breitete mit großen Schwierigkeiten eine europäische Fahne und einen Pullover aus. Die Aktion richtete sich gegen ganz bestimmte Ausbeutungen. Wie viele Leute bleiben stehen, um zu gucken? Nicht einmal zehn Prozent. Die Leute laufen blind durch die Gegend. Das hat auf der Straße vor dem Museum stattgefunden. Ich glaube, dass die Leute da, wo sie nicht extra darauf hingewiesen werden ‒ „Pass auf, das ist Kunst!“ ‒, darüberrammeln und es nicht sehen. Sind die unbegabt oder warum können die ihre Augen nicht benutzen? Das habe ich mich immer gefragt, es ist doch so einfach.

Es gibt natürlich auch die neugierigen Menschen, die die Dinge verfolgen und immer wieder hingehen und weitererzählen: „Geh doch mal dahin, da gibt es etwas Interessantes zu sehen!“ Es gab einmal ein interessantes Gespräch mit Imdahl Max Imdahl (1925 Aachen – 1988 Bochum) war ein deutscher Kunsthistoriker, der von 1965 bis 1988 als Professor für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum lehrte. Er setzte sich insbesondere für Analysemethoden ein, die den individuellen Charakter des Kunstwerks berücksichtigen. Er ist der Vater des Kunsthistorikers Georg Imdahl (* 1961). senior, der sehr oft bei mir war, und einem Professor Andrae Bernard Andrae (* 1930 Graz) ist ein deutscher Archäologe, der von 1965 bis 1978 als Professor des archäologischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum tätig war. Während seiner Lehrzeit begründete er die archäologische Abteilung der dortigen Kunstsammlungen. , ein Archäologe aus Bochum. Ich hatte diesen großen blauen Artschwager, eine ganz große Wandskulptur, in der Galerie installiert. Imdahl war begeistert. Die beiden kamen ins Gespräch. Der Archäologe war total dagegen: „Das hat mit Kunst überhaupt nichts zu tun! Hast du überhaupt Ahnung von Kunst? Das kann doch keine Kunst sein. Guck doch mal. Was ist das denn überhaupt?“ Imdahl hat den Artschwager großartig verteidigt. Da habe ich gedacht: „Donnerwetter, das ist ja interessant.“ Beides Kunsthistoriker. Imdahl als Kunsthistoriker, der modernste, den ich damals kannte. Der andere eigentlich der Altmodischste. Andrae hat überhaupt keinen Zugang dazu gehabt, nicht ein bisschen. Artschwager ist ein Fall, der besonders schwierig ist. Für mich ist das nach wie vor einer, den ich nicht knacken kann. Das sind Situationen, die ich nicht vergessen habe: Warum sind Menschen so? Warum diese Ignoranz und keine Neugierde? Das ist für mich ein Phänomen.

Heißt das, Sie haben Werke von Künstlern gezeigt, die Sie selber nicht verstanden haben?

Ich möchte von mir nicht behaupten, dass ich Kunst wirklich verstehe. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Kunst ist! Und jemand, der Ihnen das sagen kann, dem glaube ich es nicht. Ich glaube, dass Kunst ein Phänomen der Unergründlichkeit ist.

Aber Sie können etwas ansehen und entscheiden: „Das ist Kunst!“?

Ich sehe etwas und kann sagen: „Das ist es.“ Das kann ich. Das könnte ich Ihnen vorführen.

Und in Ihrer Galerie haben Sie verkauft, was nach Ihrem Begriff „Kunst“ genannt werden konnte?

Ja, wovon ich fasziniert war: „Dieser eine Künstler von zehn. Der Michael Heizer Michael Heizer (* 1944 Berkeley, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Künstler, der ab Ende der 1960er-Jahre insbesondere aufgrund seiner monumentalen Arbeiten im Bereich der Land-Art internationales Ansehen erlangte. Er war unter anderem in der Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ (1969) in der Kunsthalle Bern sowie auf der „documenta 6“ (1977) vertreten. ist es, es ist aber nicht Dennis Oppenheim Dennis Oppenheim (1938 Electric City, Washington – 2011 New York) war ein US-amerikanischer Künstler, der vor allem für seine großformatigen Skulpturen im öffentlichen Raum bekannt ist. 1969 nahm er an der Ausstellung „Live in Your Head. When Attitudes Become Form“ in der Kunsthalle Bern teil. .“ Das sind auch Strömungen. Es ist nie einer alleine, der an einem Phänomen arbeitet. Bei der Land-Art waren es zum Beispiel Walter De Maria und Heizer und Robert Smithson. Und eben nicht Dennis Oppenheim. Es ist doch keine Kunst, wenn ich etwas in eine Landschaft baue. Ich benutze die Erde wie einen Sockel. Unsinn! De Maria benutzt die Erde als Material. Das ist eine ganz andere Geschichte.

Sie können das für sich klären und klar abgrenzen. Worauf ich hinauswill, ist, dass Sie sich als Galerist, der vom Verkauf der Kunst leben wollte, offenbar wenig mit der Vermittlung der Werke beschäftigt haben.

Das stimmt. Und ich glaube, dass viele meiner Kollegen so waren. Also, wenn es darauf ankommt, wenn Sie damals in ein Gespräch gezwungen wurden …

In ein Verkaufsgespräch?

Nicht nur in ein Verkaufsgespräch, sondern auch in ein mehr oder weniger intellektuelles oder ein Definitionsgespräch, dann finden Sie natürlich die Argumente, warum Sie das machen, die mit merkantilen Dingen gar nichts zu tun haben. Dann können Sie das auch. Ich glaube, je anspruchsvoller die Diskussion wird, desto mehr Argumente finden Sie.

Und Sie hatten keine Sammler, die Sie richtig beraten haben?

Doch, Dr. Jacobs Rainer Jacobs (* 1941 Jena) ist ein deutscher Jurist, der in Streitfällen des Urheber- und Persönlichkeitsrechts unter anderen für Joseph Beuys, Hans Haacke und Thomas Ruff tätig war. habe ich beraten.

Beraten im Sinne von: „Kauf das, kauf das …“?

Ja. „Kaufen Sie das. Kaufen Sie das nicht.“ Selbst bei Sachen in der eigenen Galerie habe ich, wenn es ein guter Sammler war, gesagt: „Kaufen Sie das nicht. Sparen Sie das Geld und kaufen Sie lieber das.“ Es gab diese Gespräche eigentlich nicht, die Erklärungen kamen durch das Sehen. Eins muss ich allerdings hinzufügen: Die Sammler, die solche Dinge gekauft haben, haben relativ viel Zeit in der Galerie verbracht. Dieser Prozess des Sehens und des Drum-herum-Gehens … „Sagen Sie, was ist das für ein Material?“, sagt der eine. „Das ist ja interessant.“ Oder dann kam der holländische Sammler Visser Martin Visser (1922 Papendrecht, Niederlande – 2009 Bergeijk, Niederlande) war ein niederländischer Möbeldesigner und Kunstsammler. Neben Werken der Gruppe CoBrA umfasst seine Kollektion insbesondere Arbeiten der neoexpressionistischen Malerei, darunter Bilder von Georg Baselitz, Keith Haring, Anselm Kiefer und Sigmar Polke. Ein Großteil seiner Sammlung befindet sich heute im Kröller-Müller Museum im niederländischen Otterlo. , geht in mein Schlafzimmer, sieht da etwas liegen und sagt: „Was ist denn das?“ Sage ich: „Nichts!“ – „Heben Sie es doch bitte mal auf.“ Ich habe es aufgehoben. „Ah, wer ist das denn?“ – „Serra!“ – „Das will ich kaufen.“ Ich weiß nicht warum. Ich weiß nur, dass es immer wieder eine ganze Menge Leute gibt, die sehr viel wissen, sehr viel lesen und sehr viel schauen.

Es gibt den Sammler und den Künstler. In der Mitte gibt es den Vermittler. Der eine ist Kunsthändler, der verkauft einfach nur. Kauft und verkauft. In einer Galerie, wie ich sie hatte, wie Max Hetzler sie hat oder wie viele andere sie haben, hängt man auch dauernd mit diesen Künstlern zusammen. Der Galerist ist viel in diesen Ateliers und unter bestimmten Umständen kommt er relativ schnell ziemlich nah an die Kreativität des Künstlers. Ich habe sehr früh festgestellt, dass kreative Menschen „woanders“ sind. Das Publikum will sie herunterziehen, damit sie auf seiner Ebene sind. Ich glaube, dass die Menschen nicht in der Lage sind, Serra oder Sonnier zu sehen, wenn sie das gar nicht kennen. Als Galerist hat man einen Vorlauf, manchmal ein halbes Jahr, manchmal ein Jahr. Immer wieder Atelierbesuche, bis es dazu kommt, Bilder auszusuchen. Dann kommt es in die Galerie, und dann habe ich es verstanden. Ich habe den Leuten schon geholfen. Ich habe eingesehen, dass sie dem nicht spontan folgen können. Das ist schon richtig. Aber ich habe auch gerne kleine Sperren eingebaut: Mit David Reed gab es eine Ausstellungsverabredung anlässlich des Kunstmarkts in Köln. Erst kamen die Bilder nicht, die waren in Frankfurt. Es war viel los, und wir hatten Angst, wir schaffen es nicht zur Eröffnung. Abends kamen die Bilder doch, und als wir gegen zehn oder elf anfingen zu stellen, habe ich gesagt: „Wir hängen die Bilder mal auf die Kanten.“ Sie glauben gar nicht, wie wir da angegriffen wurden: „Das macht man nicht!“ ‒ „Wieso hängen Sie das denn dahin?“ Wo fängt das Bild an? Wo hört es auf? Das waren kleine Widerhaken, um den Leuten zu zeigen: Es ist nicht so, wie sie es erwarten.

Ich möchte Sie wirklich bitten, nach Amerika zu fahren und sich Heizer, De Maria und Smithson anzugucken. Die „Amarillo Ramp“ Robert Smithson, „Amarillo Ramp“, Tecovas Lake, Amarillo, Texas, 1973. Bei einem Flugabsturz nahe der „Amarillo Ramp” am 20. Juli 1973 verunglückte Robert Smithson zusammen mit seinem Fotografen und dem Piloten tödlich. , wo Smithson abgestürzt ist. Ich habe das alles besucht, und das sind unglaublich wichtige Dinge, die stark verändern, die diese ganze Entwicklung, zum Teil auch utopische Entwicklung haben. Im Centre Pompidou in Paris läuft jetzt gerade wieder „Land Art“ Gerry Schum, „Land Art“, 1969, 38 Minuten Der Film beinhaltet Beiträge zur Land-Art von Marinus Boezem, Jan Dibbets, Barry Flanagan, Michael Heizer, Richard Long, Walter De Maria, Dennis Oppenheim und Robert Smithson. von Gerry Schum. Eine wirklich gewaltige Geschichte. Da stehe ich genauso fasziniert davor wie früher: „Guck dir das an, wie das Wasser da reinläuft.“ Aber auch da gehen die Leute vorbei. Da muss ich mich dauernd zur Ordnung rufen: „Reg dich nicht auf!“

Es ist ja gut, dass sie zu Tausenden ins Museum gehen. Ich glaube, das menschliche Wesen ist einfach so. Die einen sind hierfür, und die anderen sind dafür. Das ist auch in Ordnung, es müssen ja nicht alle das Gleiche machen. Es gibt so viele Leute, die mit einer Pizza glücklich sind.

Das ist ja auch wunderbar. Der Anspruch „Kultur für alle“ ist ein großes Missverständnis. Es müssen sich nicht alle für alles interessieren.

66, 67, 68 fing das große Aufräumen erst an, und wir haben da alle schwer mitgemacht. Wenn Sie in so einem Prozess sind, dann denken Sie nicht darüber nach. Das Ziel war: „Weg mit dem ganzen Kram. Weg von dieser Gesellschaft. In allen Ländern. Weg mit den Kriegen – vor allen Dingen in Amerika –, weg mit dem Rassismus. Weg mit diesen ganzen Dingen! Wir bauen die neue Welt.“ Beuys, Dutschke Rudi Dutschke (1940 Schönefeld – 1979 Aarhus, Dänemark) war ein deutscher Soziologe und politischer Aktivist, der durch seine führende Funktion innerhalb der Studentenbewegung der 1960er-Jahre bekannt wurde. Als Teil des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) organisierte er ab 1966 mehrfach Demonstrationen und Aktionen in Berlin, die sich gegen den Krieg in Vietnam sowie die gesellschaftliche Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit richteten. Dutschke galt als Wortführer der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Am 11. April 1968 wurde er von dem rechtsorientierten Josef Bachmann auf offener Straße niedergeschossen. Er erlag den Folgen seiner Verletzungen am 24. Dezember 1979. Siehe auch: Helmut Reinicke, „Rudi Dutschke. Aufrecht gehen. 1968 und der libertäre Kommunismus“, Hamburg 2012. , RAF Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) war eine linksterroristische Organisation, die von 1970 bis 1998 in Deutschland operierte. Sie verstand sich als militanter Arm der antiimperialistischen Bewegung, die sich aus den Studentenprotesten des Jahres 1968 entwickelt hatte. Als Gründungsereignis gilt die Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 in West-Berlin, an der sich unter anderen Gudrun Ensslin, Irene Goergens, Ulrike Meinhof und Astrid Proll beteiligten. Siehe auch: Ulf G. Stuberger, „Die Akte RAF. Taten und Motive. Täter und Opfer“, München 2008. . Ich bin ein großer Anhänger der RAF gewesen. Alle diese Dinge haben sich hinterher oft als nicht möglich herausgestellt. Die Demokratisierung, wenn man das so nennen will, war mit das Wichtigste in den 70er-Jahren. Ich glaube, das hat die Gesellschaft wirklich geöffnet. Aber dann stellen Sie fest, es können ja nicht alle gleich sein. Es sollen auch nicht alle gleich sein. Sie sollen auch nicht alle gleich herumlaufen, dann kommen wir ja wieder in so eine Abhängigkeit. Aber ich glaube, diese revolutionären Ideen müssen kommen, damit mal wieder etwas passiert. Ich wünsche mir heute, dass so etwas kommt, dass die alle mal aus ihren Büros fliegen. Auch in unserem Bereich. Warum sind die Leute so? Warum sind sie nicht ein bisschen offener? Warum sind die manchmal so eng und halten sich für so gebildet?

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Rolf Ricke